Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.09.1998, Az.: VI 40/95
Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA); Gewährung eines Kredites zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zinssatz durch eine Kapitalgesellschaft gegenüber einem Gesellschafter; Eintritt einer vGA durch eine Vermögensminderung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 08.09.1998
- Aktenzeichen
- VI 40/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18737
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0908.VI40.95.0A
Rechtsgrundlagen
- § 19 EStG
- § 8 Abs. 3 S. 2 KStG
- § 27 Abs. 3 S. 2 KStG
Fundstellen
- GmbH-StB 1999, 34
- GmbHR 1999, 84-85 (Volltext mit red. LS)
- NWB DokSt 1999, 250
Verfahrensgegenstand
Körperschaftsteuer 1990 und 1991
Amtlicher Leitsatz
Abschnitt 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1990 ist auf verdeckte Gewinnausschüttungen nicht anwendbar
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 8. September 1998,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter Kaufmann
ehrenamtlicher Richter Landwirt
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Tatbestand
Streitig ist, in welcher Höhe eine verdeckte Gewinnausschüttung eintritt, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter Kredit zu einem niedrigeren als dem marktüblichen Zinssatz gewährt.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in L einen Catering-Service betreibt. Das Stammkapital beträgt 50.000 DM. Daran waren in den Streitjahren 1990 und 1991 E mit 30.000 DM und seine Tochter S mit 20.000 DM beteiligt. E war zugleich einziger Geschäftsführer. Auf einem Verrechnungskonto stellte die Klägerin dem Gesellschafter-Geschäftsführer Kredit in wechselnder Höhe zur Verfügung. Die Kreditmittel wurden mit 4 v.H. jährlich verzinst.
Im Anschluß an eine Außenprüfung durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, daß ein Zinssatz von 8 v.H. angemessen gewesen wäre. Die durch die Minderverzinsung von 4 v.H. eingetretene Vermögensminderung stelle eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Der Prüfer erhöhte den Gewinn der Klägerin daher - unter entsprechender Anpassung der Gewerbesteuerrückstellung - um
1990 | 1.289,64 DM |
---|---|
1991 | 3.939,00 DM |
und stellte darauf die Ausschüttungsbelastung her. Unter dem 20. Juli 1994 änderte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide über Körperschaftsteuer entsprechend den Prüfungsfeststellungen. Die dagegen eingelegten Einsprüche blieben im Streitpunkt ohne Erfolg. Aus anderen Gründen setzte das FA durch Einspruchsentscheidungen vom 27. Dezember 1994 die Körperschaftsteuer für die Streitjahre herauf und änderte die Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1990 und zum 31. Dezember 1991. Auf den Inhalt der beiden Einspruchsentscheidungen "Rb-Akte KSt 89-91, F 47 KStG 89-91, Gew 89-91" zur Steuernummer ...) wird Bezug genommen.
Mit der Klage macht die Klägerin unter Berufung auf die Regelung in Abschnitt 31 Abs. 8 Satz 3 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) 1990 geltend, daß eine verdeckte Gewinnausschüttung nur insoweitanzunehmen sei, als der dem Gesellschafter-Geschäftsführer berechnete Zinssatz 5,5 v.H. unterschritten habe. Die Darlehensgewährung habe ihre Ursache zwar nicht im Arbeitsverhältnis als Geschäftsführer, sondern in dem Gesellschaftsverhältnis gehabt. Aus Gründen der Gleichbehandlung müßten die Grundsätze, die für die Ermittlung geldwerter Vorteile aus dem Arbeitsverhältnis gälten, aber auch bei der Ermittlung verdeckter Gewinnausschüttungen Anwendung finden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Änderung der Körperschaftsteuerbescheide 1990 und 1991 vom 20. Juli 1994 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 1994 die Körperschaftsteuer auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn der Berechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen im Zusammenhang mit der Darlehensgewährung auf dem Verrechnungskonto des Gesellschafters E anstelle eines angemessenen Zinssatzes von 8 v.H. ein Zinssatz von 5,5 v.H. zugrundegelegt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Ansicht, daß Abschnitt 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1990 für die Beurteilung des Streitfalls ohne Bedeutung ist. Die darin getroffene Regelung diene Vereinfachungszwecken. Der Zinssatz von 5,5 v.H. habe lediglich den Charakter einer Nichtaufgriffsgrenze, die deshalb gerechtfertigt sei, weil sich im Fall des Arbeitsverhältnisses typischerweise fremde Parteien gegenüberstünden, bei denen ein natürlicher Interessenkonflikt gegeben sei. Auf das Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter treffe dies nicht zu.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet. Der Vorteil, der dem Gesellschafter E dadurch erwachsen ist, daß ihm die Klägerin in den Streitjahren Kredit zu unangemessen niedrigen Zinsen gewährt hat, stellt in der von dem FA angesetzten Höhe eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStGund zugleich eine andere Ausschüttung im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG dar.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Für die Mehrzahl der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof (BFH) seit dem Urteil vom 16. März 1967 I 261/63 (BStBl III 1967, 626) die Veranlassung einer Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Im Streitfall hat die Klägerin ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer auf dem Verrechnungskonto Kredit zu Bedingungen gewährt, die sie einemfremden Dritten nicht eingeräumt hätte. Der dem Gesellschafter berechnete Zinssatz von 4 % lag nicht nur erheblich unter dem banküblichen Zinssatz für Kontokorrentkredite, sondern auchbeträchtlich unter dem Zinssatz, den die Klägerin selbst bei der Anlage der entsprechenden Mittel auf einem Festgeldkonto hätte erzielen können. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Einräumung dieses Vorteils auf anderen Gründen als dem Gesellschaftsverhältnis beruht. Auf eine entsprechende Nachfrage hat die Klägerin selbst ausdrücklich erklärt, daß es sich dabei nicht um einen zusätzlichen geldwerten Vorteil aus dem Anstellungsverhältnis habe handeln sollen.
Auch der Höhe nach ist der Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttung durch das FA nicht zu beanstanden. Hat die Gesellschaft selbst Kredit aufgenommen, so berechnet sich die verhinderte Vermögensmehrung nach den ihr in Rechnung gestellten Sollzinsen, wenn davon ausgegangen werden kann, daß der dem Gesellschafterüberlassene Darlehensbetrag anderenfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wäre. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, ist der angemessene Zinssatz im Wege der Schätzung zu ermitteln. Dabei ist in der Regel davon auszugehen, daß sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen (BFH- Urteil vom 28. Februar 1990 I R 83/87, BStBl II 1990, 649). Der von dem FA zugrundegelegte Zinssatz von 8 v.H. liegt an der unteren Grenze des hierdurch gezogenen Rahmens. Wie sich aus den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank für Februar 1991 und Februar 1992 (Statistischer Teil, jeweils Seite 51 f.) ergibt, lag der durchschnittliche Zinssatz für Kontokorrentkredite unter 1 Mio. DM im Jahre 1990 zwischen 11,09 und 11,97 v.H. und im Jahre 1991 zwischen 11,85 und 12,95 v.H. Der durchschnittliche Zinssatz für Festgelder mit vereinbarter Laufzeit von einem Monat bis drei Monate bewegte sich für Einlagen unter 100.000 DM im Jahre 1990 zwischen 6,09 und 6,89 v.H. und im Jahre 1991 zwischen 6,86 und 7,30 v.H.
Einwendungen gegen die rechnerische Ermittlung der sich auf dieser Grundlage ergebenden verdeckten Gewinnausschüttungen hat die Klägerin nicht erhoben. Sie sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.
Der Hinweis der Klägerin auf Abschnitt 31 Abs. 8 Satz 3 LStR 1990 kann nicht zum Ansatz eines geringeren Betrages führen. Die darin getroffene Regelung, daß Zinsvorteile (nur) anzunehmen seien, soweit der Effektivzins für ein Darlehen 5,5 v.H. unterschreitet, bezieht sich ausschließlich auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen die zinsverbilligte Gewährung eines Darlehens durch den Arbeitgeber auf seiten des Arbeitnehmers einen dem Lohnsteuerabzug unterliegenden geldwerten Vorteil aus dem Arbeitsverhältnis darstellt. Ob die darin liegende Abweichung von den Bewertungsgrundsätzen des § 8 Abs. 2 Satz 1 bzw. des § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch den von dem FAangeführten Vereinfachungszweck gerechtfertigt wird (siehe dagegen Pflüger in Herrmann/ Heuper/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz, § 19 EStG Anm. 600 "Zinsersparnis" sowie Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 1998, § 19 Rdnr. 50 "Darlehen"), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Es ist ihm jedenfalls verwehrt, den Anwendungsbereich dieser Regelung über den von der Verwaltung selbst festgelegten Umfang hinaus zu erweitern.
Da das Aktivvermögen der Klägerin durch die zu geringe Verzinsung der Forderung auf dem Verrechnungskonto von vornherein geringer geblieben ist, als dies bei einer angemessenen Verzinsung der Fall gewesen wäre, ist es in den Streitjahren auch zu einem Abfluß der verdeckten Gewinnausschüttung bei der Klägerin gekommen. In Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der tatsächlichen und der angemessenen Verzinsung des Verrechnungskontos liegt damit zugleich eine andere Aussschüttung im Sinne des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG vor, auf die - unter Verrechnung mit dem verwendbaren Eigenkapital zum 31. Dezember 1990 bzw. zum 31. Dezember 1991 (§ 28 Abs. 2 Satz 2 KStG) - die Ausschüttungsbelastung herzustellen war (§ 27 Abs. 1 KStG). Einwendungen gegen die rechnerische Ermittlung der sich daraus ergebenden Körperschaftsteueränderung durch das FA hat die Klägerin nicht erhoben. Sie sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung abzuweisen.