Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 29.01.2003, Az.: 6 A 44/01
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 29.01.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 44/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40760
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0129.6A44.01.0A
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin begehrt eine höhere Festsetzung ihres Altersteilzeitzuschlages.
Die im ........... geborene Klägerin ist Lehrerin und Beamtin auf Lebenszeit. Auf ihren Antrag vom März 2000 hin wurde ihr mit Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 23. Juni 2000 Altersteilzeit bewilligt für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2001. Unter dem 22. August 2000 erhielt sie eine Mitteilung des Beklagten über die Berechnung ihres Altersteilzeitzuschlagbetrages.
Mit Schreiben vom 1. September 2000 wandte sich die Klägerin gegen die Festsetzung des Altersteilzeitzuschlages unter Einbeziehung eines pauschalen Kirchensteuerhebesatzes von 8 v.H. und beantragte, sie rückwirkend ab dem 1. August 2000 so zu stellen, wie wenn die Verminderung in Höhe von 8 v.H. der Lohnsteuer nicht in die Berechnung der fiktiven Nettobesoldung einfließe. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 1. November 2000 mit der Begründung ab, dass die von ihm vorgenommene Berechnungsmethode in den Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes und der Altersteilzeitzuschlagverordnung so vorgesehen sei.
Dagegen legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, dass der vorgenommene Abzug bei der Lohnsteuer nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, sondern lediglich auf einer Verordnung beruhe. Hinzu komme, dass eine Mitteilung des Kultusministeriums über die Berechnung des Altersteilzeitzuschlages dargelegt habe, dass der Gesamtbetrag aus Besoldung und Zuschlag garantiert die Höhe von 83 v.H. der fiktiven Vollzeit-Nettobesoldung erreiche. Das werde aber gerade mit dem vorgenommenen Abzug nicht geschaffen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2000 - zugestellt am 5. Dezember 2000 -wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 5. Januar 2001 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend:
Der vorgenommene Abzug bei der Berechnung beruhe nicht auf einer gesetzlichen Bestimmung, so dass die entsprechende Regelung in der Altersteilzeitzuschlagverordnung nicht auf einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhe. Bei der Beantragung der Altersteilzeit habe sie auf die entsprechende Mitteilung des Ministeriums vertraut, nach der sie mit 83 v.H. ihrer letzten Besoldung rechnen könne. Zudem sei durch die Regelung der Gleichheitssatz verletzt, da aus einer Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung einem Beamten kein Nachteil erwachsen dürfe.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
den Beklagten zu verpflichten, ihren Altersteilzeitzuschlag unter Berücksichtigung einer Konfessionslosigkeit so zu berechnen, dass der Abzug in Höhe von 8 v.H. der Lohnsteuer nach § 2 Abs.2 Satz 2 der Altersteilzeitzuschlagverordnung entfällt und ihr für den Zeitraum vom 1. August 2000 bis zum 31. Juli 2001 eine entsprechend erhöhte Besoldung zu gewähren, und
den Bescheid des Beklagten vom 1. November 2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert:
Der Altersteilzeitzuschlag sei im vorliegenden Falle korrekt und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen errechnet worden. Die Einzelheiten der Berechnung der Altersteilzeitzuschlagverordnung seien von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt und es werde deutlich, dass der Zuschlag in seiner Berechnungsmethode einer typisierenden und pauschalierenden Regelung zur Erleichterung der verwaltungsmäßigen Bewältigung der Gewährung von Altersteilzeit diene. Keineswegs enthalte die gesetzliche Regelung die Pflicht, dass der Beamtin bei Altersteilzeit stets 83 v.H. des bisherigen Nettoentgelts zu zahlen sei.
Vielmehr dürften nach der gesetzlichen Regelung der Zuschlag und die Dienstbezüge lediglich nicht die genannte Grenze überschreiten. Hinzu komme, dass der Verordnungsgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung und Berechnung des Altersteilzeitzuschlages habe. Dieser Gestaltungsspielraum sei auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten hinsichtlich der Kirchenmitglieder und der Nichtkirchenmitglieder im vorliegenden Falle nicht überschritten worden, da nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland ein sehr großer - wahrscheinlich überwiegender - Bevölkerungsanteil kirchensteuerpflichtig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
Gründe
II.
Die zulässige Verpflichtungsklage ist nicht begründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 1. November und 4. Dezember 2000 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen über den von dem Beklagten festgesetzten Betrag hinausgehenden Altersteilzeitzuschlag (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dazu im Einzelnen:
Die von dem Beklagten vorgenommene Berechnung des Altersteilzeitzuschlages ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Gewährung eines Zuschlages bei Altersteilzeit (Altersteilzeitzuschlagverordnung - ATZV -) vom 21. Oktober 1998 (BGBl. I S. 3191), soweit der höhere Zuschlag für die Zeit bis zum 30. Juni 2000 begehrt wird und in der Fassung des Art. 10 Nr. 1 des Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 2000 (BBVAnpG 2000) vom 19. April 2001 (BGBl. I S. 618, soweit es um den seit dem 1. Juli 2000 zu zahlenden Altersteilzeitzuschlag geht (vgl. Art. 14 Abs. 2 BBVAnpG 2000).
Nach Art. 2 Abs. 1 ATZV wird unbeschränkt dienstfähigen Beamten der Altersteilzeitzuschlag gewährt in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Nettobesoldung, die sich aus dem Umfang der Teilzeitbeschäftigung ergibt, und 83 v.H. der Nettobesoldung, die nach der bisherigen Arbeitszeit, die für die Bemessung der ermäßigten Arbeitszeit während der Altersteilzeit zugrunde gelegt worden ist, zustehen würde. Dabei umschreibt § 2 Abs. 1 Satz 1 ATZV a.F. die erste Bezugsgröße lediglich sprachlich, in dem hier interessierenden Zusammenhang nicht sachlich abweichend mit den Nettobezügen, die sich aus § 6 Abs. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes ergeben.
Nach § 6 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3434, geändert durch Gesetz vom 19. April 2000 (BGBl. I S. 570) - BBesG - werden die Dienstbezüge bei Teilzeitbeschäftigung im gleichen Verhältnis wie die Arbeitszeit gekürzt. Bei Inanspruchnahme der sog. Altersteilzeit ermächtigt § 6 Abs. 2 Satz 1 BBesG die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bei Altersteilzeit nach § 72 b BBG oder entsprechendem Landesrecht - hier NBG - die Gewährung eines nicht ruhegehaltsfähigen Zuschlages zu den Dienstbezügen zu regeln. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BBesG dürfen Zuschlag und Dienstbezüge zusammen 83 v.H. der bei Vollzeitbeschäftigung zustehenden Nettodienstbezüge nicht überschreiten. Von der in der Vorschrift eingeräumten Befugnis zum Erlass einer Verordnung ist mit der ATZV in rechtlich nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht worden. Deren Regelungen sind mit höherrangigem Recht vereinbar.
Die ATZV hält einer Prüfung am Maßstab des Art. 80 Abs. 1 GG stand. Sie beruht mit § 6 Abs. 2 BBesG auf einer gesetzlichen Grundlage, die Inhalt Zweck und Ausmaß der Verordnungsermächtigung hinreichend bestimmt. Der Besoldungsgesetzgeber hat die Bundesregierung ermächtigt, eine Regelung über den Altersteilzeitzuschlag zu treffen. Dies erfolgte erkennbar mit dem Ziel, einerseits die mit der Altersteilzeit verbundenen finanziellen Einbußen für die betreffenden Beamten abzumildern und andererseits die Inanspruchnahme der Altersteilzeit zu fördern, um die betreffenden frei werdenden Stellen mit jüngeren Bediensteten zu besetzen oder Haushaltseinsparungen zu erzielen. Insoweit hat der Bundesbesoldungsgesetzgeber in § 6 Abs. 2 Satz 2 BBesG auch das Ausmaß der von der Exekutive vorzunehmenden Regelung bestimmt. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 BBesG sind 83 v.H. der fiktiven Nettobesoldung die Höchstgrenze, die bei Besoldung und Zuschlag nicht überschritten werden darf. Ein Betrag von 83 v.H. der Nettobesoldung wird dagegen gesetzlich nicht garantiert. Vielmehr ist es dem Verordnungsgeber in diesem Rahmen überlassen, die Höhe des Altersteilzeitzuschlages zu bestimmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 C 15.01 - ZBR 2002, 322 = DÖV 2002, 781 [BVerwG 28.02.2002 - 2 C 15/01]).
Entgegen der Ansicht der Klägerin beruht daher die ATZV auf einer ausreichenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage und füllt diese in angemessener Weise aus.
Auch handelt es sich beim Altersteilzeitzuschlag nicht um Dienstbezüge im Sinne von § 2 BBesG. Denn der Altersteilzeitzuschlag hat keinen Alimentationscharakter und steht auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Dienstleistung des Beamten. Die Zuschläge sollen nicht in einem exakt vorgegebenen Umfang den Besoldungsausfall infolge der Teilzeitbeschäftigung ausgleichen.
Vielmehr hat der Zuschlag Anreizfunktion. Er soll die Bereitschaft fördern, von der Möglichkeit der Altersteilzeit Gebrauch zu machen. Daher braucht die Berechnung des Altersteilzeitzuschlages - anders als etwa das Einkommensteuer- oder das Besoldungsrecht im Übrigen - auf individuelle Verhältnisse keine Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002, aaO).
Auch unterliegt entgegen der Ansicht der Klägerin die in § 2 Abs. 1 Satz 2 ATZV vorgesehene fiktive Berechnung der bei Vollzeitbeschäftigung zustehenden Dienstbezüge keinen rechtlichen Bedenken. Das gilt insbesondere für den Pauschalabzug in Höhe von 8 v.H. der Lohnsteuer. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Normgeber - gerade im Bereich des Besoldungswesens - einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Oktober 1983 - BVerfGE 65, 141, 148 [BVerfG 06.10.1983 - 2 BvL 22/80]; Beschluss vom 19. Juli 1999 - NVwZ 1999, 1328). Er darf typisieren und pauschalieren, sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Der Normgeber hat vor allem bei der Ordnung von Massenerscheinungen und deren Abwicklung einen derartigen - allerdings nicht unbegrenzten -Spielraum. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden worden ist. Es ist nicht Sache des Gerichts, eine Prüfung in dieser Hinsicht vorzunehmen. Die Richter haben lediglich zu kontrollieren, ob die bestehende Regelung die Grenzen des Gestaltungsspielraums überschritten hat. Das ist aber nur dann der Fall, wenn die unterschiedliche Behandlung der in Betracht kommenden Sachverhalte keinen einleuchtenden Grund bieten, die Regelung also zu Ergebnissen führt, die mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise schlechthin nicht mehr zu vereinbaren sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Oktober 1984, BVerGE 67, 329, 345). Diese Voraussetzungen sind hier jedenfalls nicht gegeben.
Der Verordnungsgeber war rechtlich nicht gehindert, einen Abzug in Höhe von 8 v.H. der Lohnsteuer von den Bruttovollzeitbezügen bei jedem Bezügeempfänger ohne Rücksicht auf seine Zugehörigkeit zu einer kirchensteuerberechtigten Religionsgemeinschaft vorzuschreiben. Hierdurch wird der Bedienstete in seinem Anspruch auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht beeinträchtigt, weil er bei Beschäftigung in Altersteilzeit nicht weniger an Bezügen erhält als ein kirchlich gebundener Bediensteter. Vielmehr stellt die in Rede stehende Vorschrift die besoldungsrechtliche Gleichbehandlung aller teilzeitbeschäftigten Beamten sicher. Der pauschale Abzug erfolgt auch lediglich zur Berechnung des Altersteilzeitzuschlages , wird also nicht tatsächlich erhoben oder gar an die Kirchen abgeführt. Als reiner Berechnungsposten legitimiert sich dieser Abzug daraus, dass der Gesetzgeber bei dem Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 (BGBl. I S. 1078) bei der Entlohnung der Altersteilzeit von Arbeitnehmern außerhalb des öffentlichen Dienstes in gleicher Weise verfährt und dabei dem Umstand Rechnung getragen hat, dass erfahrungsgemäß der weitaus größte Teil der Arbeitnehmer nach wie vor konfessionsgebunden ist (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 19. Januar 2001 - 2 A 11297/00.OVG - V.n.b.). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, bei der Berechnung der Höhe des nicht ruhegehaltsfähigen Altersteilzeitzuschlages nach der Kirchenzugehörigkeit der Beamten zu differenzieren, denn sowohl im Besoldungs- als auch im Abgabenrecht besteht ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zu typisierenden und pauschalierenden Regelungen (vgl. BVerfG, Urteil vom 23. März 1994 - BVerfGE 90, 226, 237 [BVerfG 23.03.1994 - 1 BvL 8/85]). Daher ist in besoldungsrechtlicher Hinsicht eine Ungleichbehandlung durch den pauschalen Abzug bei der fiktiven Berechnung nicht gegeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002, aaO).
Soweit die Klägerin früher darauf abgehoben hat, in einem Merkblatt des niedersächsischen Kultusministeriums sei eine andere Berechnung des Altersteilzeitzuschlages ihr versprochen worden, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn nach Kenntnis des Gerichts sind keine Merkblätter oder Hinweise vom Kultusministerium herausgegeben worden, die hinsichtlich der Berechnung des Altersteilzeitzuschlages Aussagen enthielten, die den getroffenen Regelungen des Gesetzes und der ATZV widersprachen (vgl. Runderlass vom 14. September 2000 - SVBl 2000, 477).
Die Klägerin hat mithin keinen Anspruch darauf, bei der Berechnung ihres Altersteilzeitzuschlages gegenüber denjenigen Beamten bevorzugt zu werden, die Angehörige von Religionsgemeinschaften sind. Auch ist es unerheblich, ob im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung es technisch möglich wäre, bei den einzelnen Beamten eine differenzierende Berechnung des Altersteilzeitzuschlages je nach ihrer Religionszugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit vorzunehmen. Vielmehr hält der Einzelrichter an der Auffassung der Kammer fest, dass die Vorschriften der ATZV in ihren Regelungen im Einzelnen mit der Ermächtigungsgrundlage der Verordnung und mit höherrangigem Recht -insbesondere mit dem Gleichbehandlungsgebot - vereinbar sind (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 31. Oktober 2001 - 6 A 860/00 - veröffentlicht auf der Homepage des Gerichts).