Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 22.01.2003, Az.: 6 A 5254/02
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 22.01.2003
- Aktenzeichen
- 6 A 5254/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 40744
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0122.6A5254.02.0A
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn ...
Kläger,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte ...,
g e g e n
Nieders. Landesamt für Bezüge und Versorgung
Beklagter,
Streitgegenstand: kinderbezogene Besoldungsbestandteile
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 6. Kammer - ohne mündliche Verhandlung am 22. Januar 2003 ....
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt eine höhere Alimentation für die Zeit von 1990 bis 1998.
Der im Dienste des Landes Niedersachsen stehende Kläger ist nach Besoldungsgruppe A 13 Bundesbesoldungsordnung besoldeter Lehrer und Vater von drei, im März 1982, Februar 1984 und Dezember 1989 geborenen Kindern, für die er u.a. in der Zeit von 1990 bis 1998 Kindergeld und den kinderbezogenen Anteil im Orts- bzw. Familienzuschlag bezog.
Unter dem 25. Dezember 1990 beantragte er unter Verwendung eines offensichtlich formularmäßig gestalteten, nicht vom Beklagten herrührenden Textes "... gem. § 44 SGB X rückwirkend ab Januar 1986 und für die Zukunft ein höheres Kindergeld, da die gesetzliche Regelung lt. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (1 BvL 20/84, 26/84, 4/86) verfassungswidrig war und ist. Gleichzeitig bitte ich, die Entscheidung bis zu einer gesetzlichen
Neuregelung bzw. bis zur Entscheidung des laufenden Verfahrens 1 BvR 1022/88 auszusetzen."
Nachdem die Bezirksregierung Weser-Ems unter dem 21. Februar 1991 unter dem Betreff "Höhe des Kindergeldes bzw. einkommensabhängige Minderung des Kindergeldes für zweite und weitere Kinder nach dem Bundeskindergeldgesetz" und unter Bezugnahme auf den Antrag des Klägers vom - dort: 28. - Dezember 1990 erklärt hatte, über den Antrag bis zur endgültigen Regelung auf Wunsch des Klägers nicht zu entscheiden, wies sie mit vom 4. März 1996 datierenden Bescheid den Antrag des Klägers vom 25. Dezember 1990 "auf Zahlung von ungemindertem Kindergeld" für die Jahre 1988 bis 1995 bestandskräftig ab.
Auf die unter dem 12. März 2002 geäußerte Bitte des Klägers um Auskunft "über den Stand des anhängigen Verfahrens bezüglich meines Einspruchs zu den Kindergeldbestandteilen meiner Bezüge" teilte der Beklagte ihm unter dem 22. Mai 2002 mit, dass sich sein Antrag vom 28. Dezember 1990 lediglich auf die Kindergeldfestsetzung bezogen habe. Darüber sei aber bereits am 4. März 1996 rechtskräftig entschieden worden. Ein weitergehender Antrag in Bezug auf den Orts- bzw. Familienzuschlag gehe weder aus dem vorgenannten Schreiben noch aus den Akten hervor. Der Kläger gehöre somit mangels eines zum damaligen Zeitpunkt gestellten Antrags auf amtsangemessene Alimentation nicht zum Kreis der Begünstigten, so dass eine Sachentscheidung nicht erfolgen könne.
Auf eine Prüfung und eventuelle Nachzahlung von Bezügen bestehe daher kein Anspruch.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2002 im Wesentlichen mit der Begründung zurück, eine Erhöhung der Alimentation für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1999 komme nur in Betracht, wenn der Anspruch innerhalb dieses Zeitraums geltend gemacht worden sei. Diese Voraussetzung liege beim Kläger jedoch nicht vor, da er erst mit Schreiben vom 12. März 2002 eine Erhöhung des Familienzuschlags begehrt habe. Mit Schreiben vom 28. Dezember 1990 sei von ihm lediglich ein höheres Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz beantragt worden, nicht aber die Zahlung eines höheren Orts- bzw. Familienzuschlags. Auch aus der Bezügeakte ergebe sich kein weitergehender Antrag auf Gewährung eines höheren Orts- bzw. Familienzuschlags.
Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf höhere Alimentation für frühere Zeiträume im Wesentlichen mit der Begründung weiter, die Anforderungen an einen Widerspruch im Sinne des Art. 9 § 1 Abs. 1 Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 1999 seien niedrig. Der Inhalt seines Schreibens vom 25. Dezember 1990 sei durch Auslegung zu ermitteln. Richtig sei zwar, dass er nach dem Wortlaut ausschließlich ein "höheres Kindergeld" verlangt habe, wofür auch der Hinweis auf die Aktenzeichen mehrerer beim Bundesverfassungsgericht anhängig gewesener Verfahren, die sich ausschließlich mit dem Thema Kindergeld befasst hätten, spräche; zu berücksichtigen sei jedoch, dass im Jahr 1990 ganz unterschiedliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ergangen seien. Zum einen sei festgestellt worden, dass die Kürzung des Kindergeldes für das zweite Kind und weitere Kinder verfassungswidrig gewesen sei, soweit das indirekt zu einer Besteuerung des Existenzminimums geführt habe; zum anderen sei in einer Entscheidung vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - festgestellt worden, dass der kinderbezogene Anteil im Ortszuschlag für das dritte Kind zu gering gewesen sei und gegen die verfassungsrechtlich normierte Alimentationspflicht verstoße. Nicht im Verwaltungsbereich tätige Beamte seien in der Regel nicht in der Lage, den Unterschied zwischen Kindergeld und kinderbezogenem Anteil im Orts-/Familienzuschlag exakt zu erfassen. Kompliziert werde die Angelegenheit insbesondere dadurch, dass das eine von dem anderen abhinge; der Orts /Familienzuschlag werde nur gewährt, wenn Kindergeldberechtigung bestehe. Wegen der beiden fast zeitgleich ergangenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und der sich so darstellenden Schwierigkeit habe die Annahme nahe gelegen, dass die Beamten in ihrem Formschreiben nur in die "falsche Kiste" gegriffen hätten. Hinzu komme, dass er zu keinem Zeitpunkt ein gekürztes Kindergeld erhalten habe. Ihm sei von 1989 bis 1992 sowohl vor als auch nach der Geburt seines dritten Kindes ungekürztes Kindergeld ausgezahlt worden. Sein Schreiben vom 25. Dezember 1990 mache somit überhaupt keinen Sinn. Dessen ungeachtet sei der Eingang kommentarlos bestätigt worden. Für den sachkundigen Leser hätte klar sein müssen, dass hier nicht etwa Kindergeld, sondern erhöhter Ortszuschlag geltend gemacht worden sei. Davon gehe auch das Verwaltungsgericht Braunschweig in seiner Entscheidung vom 21. September 2001 aus. Sein Schreiben vom 25. Dezember 1990 sei mithin als Widerspruch bezüglich des Anspruchs auf erhöhten Orts- und Familienzuschlag zu qualifizieren.
Da über diesen Widerspruch bis zum heutigen Tag nicht entschieden worden sei, könne er unmittelbar Klage erheben. Hinsichtlich der Bescheide vom 22. Mai 2002 und des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2002 stelle er einen Anfechtungsantrag.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1998 den familienbezogenen Gehaltsbestandteil für das dritte Kind nach Maßgabe des in Art. 9 § 1 des Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetzes 1999 festgesetzten monatlichen Erhöhungsbetrages zu bewilligen und den Bescheid des Beklagten vom 22. Mai 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er entgegnet unter Bezugnahme auf seine Begründung in den angegriffenen Bescheiden im Wesentlichen ergänzend, die Einwendungen des Klägers hätten sich ausdrücklich auf Rechtsnormen bezogen, die lediglich die Höhe des nach dem Bundeskindergeldgesetzes gezahlten Kindergeldes beträfen. Dabei sei vom Kläger konkret die Rechtsnorm § 44 SGB X genannt worden, so dass das Begehren auch eindeutig gewesen sei. Erst im Jahre 2002 habe er seine Argumentation dahingehend geändert, dass seine Einwendungen sich zum damaligen Zeitpunkt schon gegen eine mangelnde Alimentierung gerichtet hätten.
Dem sei aber nicht zu folgen. Dem Kläger habe im Übrigen schon aufgrund der ihm hinsichtlich seines Statusses obliegenden Pflichten bekannt sein müssen, dass es sich
beim Familienzuschlag um einen Bezügebestandteil handele.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 8. Januar 2003 und 13. Januar 2003 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987), ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die zulässige Klage ist unbegründet, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht kein aus Art. 9 § 1 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 des Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1999 - Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1999 - BBVAnpG 99 - (vom 19. November 1999, BGBl. I S. 2198) ableitbarer Anspruch auf Nachzahlung von Bezügen zu. Er hat während des dort gesetzlich ausgewiesenen Zeitraums - 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1998 - durch Widerspruch keinen Anspruch nach Art. 9 § 1 Abs. 1 BBVAnpG 99 geltend gemacht.
Selbst wenn seine unter dem 12. März 2002 geäußerte Auskunftsbitte als eine solche Geltendmachung zu verstehen wäre, läge sie jedenfalls außerhalb des gesetzlich bestimmten Geltendmachungszeitraums. Der unter dem 25. Dezember 1990 gestellte Antrag wurde demgegenüber zwar während des Geltendmachungszeitraums gestellt, betraf jedoch nicht den in Art. 9 § 1 Abs. 2 Satz 2 BBVAnpG 99 bezeichneten Anspruch, dessen Charakter sich aus den in Satz 1 in Verbindung mit der dort zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 - erschließt. Mit dieser Entscheidung wurde festgestellt, dass die Besoldung verheirateter Beamter mit mehr als zwei unterhaltsberechtigten Kindern in den Jahren 1988 bis 1996 nicht dem durch Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes gewährleisteten Anspruch auf angemessene Alimentation gerecht wurde (BVerfGE 99, 300 ff.). Der Kläger hat demgegenüber - wie er selbst einräumt - höheres Kindergeld beantragt und sich auf § 44 des Sozialgesetzbuches X sowie auf verfassungsgerichtlich anhängige Verfahren mit den Aktenzeichen 1 BvL 20/84 , 26/84, 4/86 und 1 BvR 1022/88 berufen, deren Streitgegenstand aus schließlich die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Kindergeldkürzungen bildete (vgl. BVerfGE 82, 60 ff., sowie BVerfGE 91, 93 ff. [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88]) und in denen die Frage der angemessenen Besoldung zum Teil ausdrücklich ausgeklammert wurde (vgl. BVerfGE 91, 93 [BVerfG 14.06.1994 - 1 BvR 1022/88] (116 f.)). Er verwies damit auf Rechtsstreitigkeiten, bei denen es um die verfassungsrechtliche Würdigung einer gesetzlichen Regelung ging, die alle Bezieher von Kindergeld und nicht nur Beamte und deren Alimentationsanspruch betraf. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass dem Gesetzgeber bei der Festlegung einer amtsangemessenen Alimentation ein Spielraum zusteht, auf welchem Wege er sie herbeiführt, insoweit auch das Kindergeld bei der maßgeblichen Betrachtung des Nettoreinkommens Bedeutung erlangen kann (vgl. BVerfGE 81, 363 (376) [BVerfG 22.03.1990 - 2 BvL 1/86]; BVerfGE 99, 300 (315)) und das Existenzminimum unterschreitende Bezüge nicht mehr amtsangemessen sein können (vgl. BVerfGE 99, 300 (316)).
Anders als das vom Kläger erwähnte Verwaltungsgericht Braunschweig (Urteile vom 20. September 2002 - 7 A 17/02 - und 21. September 2002 - 7 A 351/00 -) folgert das erkennende Gericht in Übereinstimmung etwa mit dem VG Hannover (Urteil vom 12. Februar 2002 - 13 A 3429/01 -) daraus indes nicht, dass ein ausschließlich auf die Zahlung erhöhten Kindergeldes gerichteter Antrag deshalb einer erweiternden Auslegung dahingehend zugänglich ist, es sei zugleich eine verfassungswidrige Besoldung gerügt und eine Erhöhung derselben beantragt worden. Die Ausgestaltungsfreiheit des Gesetzgebers im Bereich der Alimentation lässt den Charakter des Kindergeldes als eigenständige Sozialleistung, die der Staat an Eltern(teile) gerade völlig unabhängig vom Bestehen eines besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses erbringt, unberührt. Dieser allgemein bekannte Umstand, der somit keine besonderen verwaltungsrechtlichen Kenntnisse erfordert, schließt es nach Auffassung der Kammer aus, der vom Wortlaut her eindeutigen Erklärung des Klägers einen weitreichenderen Erklärungsinhalt beizulegen. Dies gilt trotz des Vortrags des Klägers, die Annahme eines ausschließlich kindergeldbezogenen Antrags mache deshalb keinen Sinne, weil ihm das Kindergeld nicht gekürzt worden sei; er hat weder vorgetragen noch ist aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich, dass er sich gegen den speziell auf eine Kindergeldkürzung bezogenen Bescheid der Bezirksregierung Weser-Ems (vom 4. März 1996) gewehrt hätte.
Dass der Antrag des Klägers vom 25. Dezember 1990 aus Erwägungen der Fürsorge des Dienstherrn erweiternd ausgelegt werden müsste, ist ebenfalls nicht ersichtlich.
Der Dienstherr ist nicht verpflichtet, den Beamten darüber aufzuklären, in welcher Weise er seine rechtlichen Interessen optimal wahrnimmt und wie er Begehren formuliert; dies obliegt den Beamten selbst. Etwas anderes mag gelten, wenn der Dienstherr den Beamten schuldhaft falsch informiert; dies ist jedoch nicht geschehen, der Kläger hat insbesondere nicht dargelegt, dass die Antragsformulierung dem Beklagten zurechenbar wäre (vgl. OVG, Greifswald, NVwZ-RR 2003, S. 5 f.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Zulassungsgründe liegen nicht vor.