Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 21.01.2003, Az.: 13 A 3791/02

Beginn der Ausschlussfrist bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung nach sozialrechtlich erforderlicher Zustimmung; Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses durch die Hauptfürsorgestelle sowie deren gerichtliche Überprüfbarkeit; Zulässigkeit einer außerordentlichen Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Mitarbeiter und Prüfungsgegenstand sowie Voraussetzungen der Zustimmung durch die Hauptfürsorgestelle

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
21.01.2003
Aktenzeichen
13 A 3791/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 29663
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2003:0121.13A3791.02.0A

Fundstelle

  • br 2003, 226-228 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung

Prozessführer

Frau ...

Rechtsanwälte Debring und andere, Ebertstraße 110/Valoisplatz, 26382 Wilhelmshaven

Prozessgegner

Nieders. Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben, - Integrationsamt Domhof 1, 31134 Hildesheim

Sonstige Beteiligte

Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Bundesministerium der Verteidigung, Hardthöhe, 53125 Bonn

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 13. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Januar 2003
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Streichsbier als Vorsitzender,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Schrimpf und
den Richter Winkler als beisitzende Richter sowie
Frau Groß und Herr Janzen als ehrenamtliche Richter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1

Die Beigeladene stellte die am 3. Februar 1955 geborene und verheiratete Klägerin am 1. März 1976 als Angestellte ein und vergütete die seit dem 1. Januar 1992 als Halbtagskraft eingesetzte Klägerin zuletzt nach Vergütungsgruppe VIII BAT. Die Klägerin war von 1979 bis 1995 durchschnittlich an 70 Kalendertagen pro Jahr arbeitsunfähig, teilweise wegen länger andauernder, teilweise wegen kurzzeitiger Erkrankungen. Seit dem 14. September 1992 war sie Berichtigerin und Prüferin von Dienstvorschriften beim Marineunterstützungskommando in Wilhelmshaven und seit dem 3. Februar 1995 nicht mehr ordentlich kündbar. In den Jahren 1996 bis 1999 war die Klägerin zwischen 119 und 162 Tagen wegen Krankheit nicht im Dienst. Die Beigeladene bezahlte in dieser Zeit Krankenbezüge zwischen 10.974,07 DM und 18.778,96 DM jährlich an die Klägerin. Ein amtsärztliches Gutachten vom 10. März 1999 stellte drei durch Arbeitsplatz-Unzufriedenheit begünstigte zusammenhängende Krankheitsbilder bei der Klägerin fest; ohne ein verändertes Arbeitsumfeld sei auch künftig mit ähnlich hohen Fehlzeiten zu rechnen. Das Marineunterstützungskommando setzte die Klägerin daraufhin in der Zeit vom 7. Juni 1999 bis zum 30. September 1999 als Führerin der Haushaltsüberwachungsliste bei der Truppenverwaltung ein; während dieser Zeit war die Klägerin an neun Arbeitstagen arbeitsunfähig geschrieben. Die Klägerin wurde danach an ihren früheren Arbeitsplatz weiter beschäftigt. Die Beigeladene drohte der Klägerin in Personalgesprächen die Kündigung bei weiteren hohen Fehlzeiten an und legte ihr zudem nahe, ein Rentenverfahren zu betreiben. Den Bescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 15. März 2000, mit dem der Antrag der Klägerin auf Berufsunfähigs- und Erwerbsunfähigkeitsrente abgelehnt wurde, legte die Klägerin der Beigeladenen am 3. April 2000 vor.

2

Einer erstmaligen Kündigung der Klägerin versagte der Beklagte die Zustimmung; die Kündigungsschutzklage der Klägerin hatte zudem Erfolg.

3

Die Klägerin war in der Zeit vom 20. Februar 2001 bis zum 30. September 2001 durchgehend arbeitsunfähig krank geschrieben. Die Kosten der Beigeladenen für die Lohnfortzahlung beliefen sich für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 1. September 2001 auf 49.861,20 DM.

4

Der (Abhilfe-)Bescheid des Versorgungsamts Oldenburg vom 26. Juli 2000 erkannte der Klägerin mit Wirkung vom 1. Juli 1999 den Status einer Schwerbehinderten mit dem Grad der Behinderung von 70 zu. Daraufhin nahm die Beigeladene die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin vom 22. Mai 2001 zurück.

5

Die Beigeladene beantragte auf Grund der andauernden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin und der Auflösung ihrer Dienststelle zum 30. September 2001 die Zustimmung des Beklagten zu einer weiteren beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin (mit sozialer Auslauffrist). Der Beklagte stimmte dem mit Bescheid vom 24. September 2001 zu.

6

Daraufhin kündigte die Beigeladene das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin am 25. September 2001 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist bis zum 31. März 2002.

7

Die gegen diese Kündigung gerichtete Klage der Klägerin auf Weiterbeschäftigung wurde durch das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 12. April 2002 - 1 Ca 964/01 -abgewiesen. Ihre Berufung gegen dieses Urteil wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. September 2002 - 8 SA 716/02 - abgewiesen.

8

Der Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin vom 28. September 2001 gegen seinen Bescheid vom 24. September 2001 durch Widerspruchsbescheid vom 7. November 2002 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus: Die Entscheidung über die Zustimmung zu der Kündigung stehe in seinem Ermessen, da die Behinderung der Klägerin im Zusammenhang mit den Gründen für ihre Kündigung - krankheitsbedingte Fehlzeiten und Unmöglichkeit, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen - stehe. Es sei das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen. Eine Ermessensentscheidung sei durch Sinn und Zweck des SGB IX gebunden. Es könnten somit nur solche Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiteten. DieÜberprüfung der Kündigung im Hinblick auf die allgemeinen sozialen Interessen des Arbeitnehmers obliege allein dem Arbeitsgericht. Maßgeblich sei insoweit der historische Zeitpunkt des Ausgangsbescheides. In der Sache sei maßgeblich, dass die Klägerin an zahlreichen meist chronischen Gesundheitsstörungen leide, die ständiger ärztlicher Behandlung bedürften. Auf Grund der festgestellten Krankheitsbilder sei auch in Zukunft mit erheblichen Ausfallzeiten zu rechnen. Der Arbeitsplatz der Klägerin sei zudem durch die Umstrukturierung der Bundeswehr und des Marineunterstützungskommandos weggefallen. In der Rechtsprechung sei weiter geklärt, dass ein Arbeitgeber keinen neuen Arbeitsplatz schaffen müsse, um einen behinderten Arbeitnehmer weiter zu beschäftigen. Es sei allerdings dem Arbeitgeber zumutbar, dem behinderten Arbeitnehmer im Rahmen der vorhandenen Arbeitsplätze einen geeigneten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen. Diese Möglichkeit bestehe hier - auch nach dem Vortrag der Klägerin - indes nicht. Dies werde auch durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 3. September 2002 bestätigt.

9

Auch die Hoffnung, dass sich der depressive Zustand der Klägerin durch die vorübergehendeÜbertragung höherer Arbeitsanforderungen bessern würde, habe sich nicht erfüllt. Die Krankheitszeiten der Klägerin hätten für den Arbeitgeber unstreitig zu erheblichen betrieblichen Belastungen und Störungen im Betriebsablauf geführt. Ein Festhalten an dem Arbeitsverhältnis und insbesondere ein weiteres Abwarten im Hinblick auf ein Rentenantragsverfahren der Klägerin könne ihm nicht abverlangt werden. Er habe bei seiner Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung nicht zu überprüfen, ob ein "wichtiger Grund" im Sinne des § 626 BGB vorliege. Lediglich für den Fall, dass die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen, dürfe er einer beabsichtigten Kündigung nicht zustimmen. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor.

10

Die Klägerin hat am 9. September 2002 unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens (zunächst Untätigkeits-) Klage erhoben und beantragt nunmehr,

den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2001 und seinen Widerspruchsbescheid vom 7. November 2002 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen,

die Klage abzuweisen.

12

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen; sie waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 24. September 2001 und sein Widerspruchsbescheid vom 7. November 2002 sind rechtsmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

15

Der Beklagte hat der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin formell rechtmäßig gemäß § 91 SGB IX zugestimmt. Insbesondere hat die Beigeladene die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 91 Abs. 2 SGB IX beantragt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Die Vorschrift entspricht in vollem Umfang § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die zur Auslegung dieser Norm entwickelten Grundsätze, insbesondere dazu, wann der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, sind deshalb auch bei der Auslegung des § 91 Abs. 2 Satz 2 SGB IX zu berücksichtigen (VGH Mannheim, Urteil vom 5. August 1996 - 7 S 483/95 - m.w.N.). Bei der im Falle der Klägerin vorliegenden Unfähigkeit, die arbeitsvertraglich geschuldeten Dienste erbringen zu können, handelt es sich um einen Dauertatbestand, bei dem es für die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist ausreicht, dass er in den letzten zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung angehalten hat. Bei der weitgehenden Arbeitsunfähigkeit der Klägerin handelt es sich um einen "Dauer-Störtatbestand", bei dem zumindest zusätzliche Umstände fortwirkend eintreten, mit der Folge, dass der Beginn der Frist von §§ 626 Abs. 2 BGB, 91 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nicht eindeutig festgelegt werden kann. Selbst wenn die zum Kündigungsgrund zählende sog. negative Prognose über die Arbeitsfähigkeit der Klägerin noch zeitlich näher bestimmbar gewesen wäre, so gilt dies jedenfalls nicht für die nach der Rechtsprechung weiter erforderliche erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beigeladenen (s. zu alledem BAG, Urteil vom 21. März 1996 -2 AZR 455/95 - NJW 1997, 1656 u.a.).

16

Der Beklagte hat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin auch innerhalb der Frist von § 91 Abs. 3 SGB IX erklärt.

17

Die Zustimmung ist auch materiell rechtmäßig. Die Kammer teilt die Auffassung des Beklagten, dass § 91 Abs. 4 SGB IX hier zugunsten der Beigeladenen nicht anzuwenden war. Nach dieser Vorschrift soll das Integrationsamt die Zustimmung (zur außerordentlichen Kündigung) erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Dieser Zusammenhang ist bei der Klägerin indes nach den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht auszuschließen. Einerseits ist die Lebererkrankung, die für den Abhilfebescheid des Versorgungsamts Oldenburg und der Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 70 maßgeblich gewesen ist, möglicherweise für Fehlzeiten der Klägerin verantwortlich. Andererseits kann auch die Arbeitsunzufriedenheit, die nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 10. März 1999 die Krankheitsbilder der Klägerin begünstigt und u. U. zu ihrer Behinderung beiträgt, ebenfalls für Fehlzeiten der Klägerin ursächlich sein. Bei dieser Sachlage sind die angefochtenen Bescheide daher an § 91 Abs. 1 SGB IX zu messen. Nach dieser Vorschrift gelten die §§ 85 ff. SGB IX zum Kündigungsschutz schwerbehinderter Menschen auch materiell bei außerordentlicher Kündigung. Unter Zugrundelegung der zu diesen Vorschriften bzw. den bis zum 30. Juni 2001 maßgeblichen und im Wesentlichen gleichlautenden §§ 15 ff. SchwbG ist die Zustimmung zur Kündigung der Klägerin durch die Beigeladene rechtmäßig.

18

Die Klägerin unterfällt dem Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX, da sie im maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung durch die Beigeladene im September 2000 auf Grund des Bescheides des Versorgungsamts Oldenburg vom 26. Juli 2001 gemäß § 1 SchwbG schwerbehindert war. Nach§ 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Bei der Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen ist, trifft die Hauptfürsorgestelle, soweit nicht die Voraussetzungen des § 89 SGB IX eingreifen, eine Ermessensentscheidung, bei der das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen ist (BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, NDV-RD 1996 S. 90 ff. zu § 15 ff. SchwbG). Welche Umstände im einzelnen und mit welchem Gewicht für die Interessenabwägung maßgeblich sind, lässt sich nicht allgemein bestimmen; entscheidend sind der Bezug zur Behinderung und die Bedeutung, die einzelnen Sachverhaltselementen im Hinblick auf die Zweckrichtung des Kündigungsschutzes der Behinderten zukommt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Schwerbehindertengesetz in erster Linie ein "Fürsorgegesetz" ist, da es mit seinen Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz vor allem die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen soll. Der Zweck des § 85 SGB IX geht deshalb dahin, den Behinderten vor den besonderen Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät. Das hat auch Leitlinie bei der Ermessensentscheidung zu sein, ob der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten zuzustimmen ist. Bei dieser Abwägung muss die Hauptfürsorgestelle berücksichtigen, ob und inwieweit die Kündigung die besondere durch sein Leiden bedingte Stellung des einzelnen Schwerbehinderten im Wirtschaftsleben berührt. Dagegen ist es grundsätzlich nicht Aufgabe der Hauptfürsorgestelle, bei ihrer Entscheidung die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer zu wahren. Das bedeutet, dass der Schwerbehinderte, wenn die Hauptfürsorgestelle der Kündigung zugestimmt und der Arbeitgeber diese ausgesprochen hat, noch eine arbeitsgerichtliche Überprüfung darüber herbeiführen kann, ob die Kündigung gerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes ist (BVerwG, Urteil vom 02. Juli 1992 -5 C 51.90 - BVerwGE 90, S. 287 ff.). In der Rechtsprechung ist weiter geklärt, dass für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten es auf den so genannten "historischen Sachverhalt", nämlich denjenigen, der im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gegeben war, ankommt (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 07.03.1991 - 5 B 114.89 -Behindertenrecht 1991 S. 113; Nds. OVG, Urteil vom 22.11.1996 - 4 L 232/96 -). Nach diesen Maßstäben sind die angegriffenen Bescheide rechtlich nicht zu beanstanden. Von einer Darstellung seiner Entscheidungsgründe sieht das Gericht ab, da es der zutreffenden Begründung der angefochtenen Bescheide folgt (Feststellung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO).

19

Ergänzend ist auszuführen:

20

Zwar mag der Schutz des Schwerbehinderten dort an Gewicht gewinnen, wo die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die - wie hier - ihre Ursachen in der Behinderung selbst hat. Insoweit sind die Anforderungen an das, was der Arbeitgeber zumutbarerweise für eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten unternehmen muss, u. U. verschärft.

21

Es ist in der Rechtsprechung (des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, vgl. Beschlüsse vom 15. November 1999 - 4 L 3375/99 - und vom 27. Januar 2000 - 4 L 4282/99 -, sowie der erkennenden Kammer, vgl. Urteile vom 14. September 1999 -13 A 2875/98 - und vom 10. Oktober 2000 - 13 A 347/99 -) aber geklärt, dass Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich auch in diesen Fällen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur beabsichtigten Kündigung rechtfertigen kann. Die Hauptfürsorgestelle ist verpflichtet, lange Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers in die Abwägung der Interessen der Schwerbehinderten an der Erhaltung ihres Arbeitsplatzes und den Belangen des Arbeitgebers einzubeziehen, damit dessen Freiheit, sein Unternehmen zu planen und zu führen, mithin das ihm rechtlich zustehende Direktionsrecht, nicht ausgehöhlt wird (Nds. OVG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - Az. 4 L 231/96 -). Die erhöhten Zumutbarkeitsgrenzen für den Arbeitgeber - seine .gesteigerte Fürsorgepflicht' - können (nur) im Ausnahmefall zu seiner Verpflichtung führen, den schwerbehinderten Arbeitnehmer gleichsam "durchzuschleppen". Die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes findet auf jeden Fall dort ihre Grenze, wo eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen, insbesondere dem Arbeitgeber eine einseitige Lohnzahlungspflicht auferlegen würde (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995, a.a.O., m.w.N.; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 27. Februar 1998 - 24 A 6870/95 -, Behindertenrecht 1998, S. 170). Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 16. Juni 1990 -BVerwG 5 B 127.89 -, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 3, m.w.N.) nämlich ausgeführt

"dass der Arbeitgeber in Ausnahmefällen verpflichtet sein kann, den schwerbehinderten Arbeitnehmer .durchzuschleppen' (vgl. BVerwGE 8, 46<51>; 48, 264 <267>), andererseits die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes auf jeden Fall dort ihre Grenze findet, wo eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen würde (BVerwGE 8, 46 <51>; Urteil vom 17. Dezember 1958 - BVerwG 5 C 151.56 -<FEVS Bd. 5, 181/185>)." (ebenda).

22

In einem solchen Fall widerspricht eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft. Etwas anderes kann nur angenommen werden können, wenn eine hinreichend sichere Aussicht bestanden hätte, dass der Behinderte wieder arbeitsfähig wird (vgl. Urteile der erkennenden Kammer vom 14. September 1999 -13 A 2875/98 -, und vom 10. Oktober 2000 -13 A 347/99 -, jew. m.w.N.). Das hat der Beklagte zutreffend verneint.

23

Insbesondere hat der Beklagte zutreffend ermittelt, dass für die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt ihrer Kündigung ein leidensgerechter Arbeitsplatz in ihrer Vergütungsgruppe nicht zugänglich war. Insofern nimmt die Kammer auch Bezug auf das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 12. April 2002 - 1 Ca 3332/02 - und das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3. September 2002 - 8 Sa 716/02 -.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Antrag auf der Seite des Beklagten gestellt hat und sich damit nicht einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

25

Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 124 VwGO) liegen nicht vor.

Streichsbier
Dr. Schrimpf
Winkler