Verwaltungsgericht Oldenburg
v. 09.01.2003, Az.: 5 A 409/02

Abfall; Abfall zur Beseitigung; Abfall zur Verwertung; Abfallbehandlung; Abfallbeseitigung; Abfallverwertung; Asbest; Beseitigung; Braunkohletagebau; Rekultivierung; stoffliche Nutzung; Verwertung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
09.01.2003
Aktenzeichen
5 A 409/02
Entscheidungsform
Entscheidung
Referenz
WKRS 2003, 48445
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG - 21.04.2005 - AZ: 7 LC 41/03

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der - bergrechtlich zugelassene - Einbau asbesthaltiger Abfälle in einen Tagebau zum Zweck der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche ist eine den Anforderungen des § 5 III KrW-/AbfG genügende Verwertung i.S.v. § 4 III KrW-/AbfG.

2. Die Vorschriften der ChemVerbotsV stehen einer ordnungsgemäßen Entsorgung asbesthaltiger Abfälle im Tagebau nicht entgegen.

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 8. November 2001 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 25. Januar 2002 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung und die Revision werden zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Klägerin betreibt ein Entsorgungsunternehmen. Sie hat in der Vergangenheit asbesthaltige Abfälle an die „M....GmbH“ (M.) zum Einbau in einen ehemaligen Braukohletagebau geliefert und beabsichtigt das auch weiterhin.

2

In einem an die L. MBV mbH gerichteten Schreiben vom 11. Juni 1998 führte das Bergamt B. unter Bezugnahme auf Schriftwechsel mit der Firma M. unter anderem aus, der mit Sonderbetriebsplan „Wiedernutzbarmachung der AFB- Kippe im Tagebau D. (Zulassung vom 16. September 1993)“ zugelassene Einbau derartiger Abfälle sei eine Verwertung im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Nach Beendigung des Braunkohlenabbaus in Folge unplanmäßiger und plötzlicher Betriebseinstellung bestehe ein erhebliches Massendefizit insbesondere zur Rekultivierung. Im Rahmen des Sanierungsrahmenplanes Tagebau D./Br. und des Abschlussbetriebsplanes Tagebau D. sei für die Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft die Endgeometrie des ehemaligen Tagebaugeländes festgelegt. Danach sei im Bereich der M.- Betriebsstätte „mit Einsatz von Fremdmassen (Abfällen) diese Endgeometrie zu gestalten und zu rekultivieren. Damit werde bekräftigt, dass stofflich geeignete Abfälle in der M.- Betriebsstätte verwertet würden.

3

Auf Antrag der L. MBV mbH Länderbereich W./T. ließ das Bergamt B. mit Bescheid vom 10. Mai 2000 die „23. Ergänzung zum Abschlussbetriebsplan Wiedernutzbarmachung der AFB-Kippe (Südteil)“ zu. In dem Bescheid heißt es unter anderem, die Zulassung gelte für die Weiterführung der Wiedernutzbarmachung der AFB-Kippe mittels Einsatzes bergbaueigener Materialien und der Verwertung geeigneter bergbaufremder Abfälle. Nach der Nebenbestimmung Nr. 18 a dürfen danach unter anderem bei Einhaltung der in der Nebenbestimmung Nr. 16 genannten Bedingungen Abfälle aus der Herstellung von Asbestzement, aus der asbestverarbeitenden Industrie sowie Baustoffe auf Asbestbasis zur Verwertung eingesetzt werden. Bei der Verwertung von Asbestmaterialien ist nach Nr. 20 der Nebenbestimmungen die TRGS 519 einzuhalten.

4

Der Beklagte untersagte der Klägerin nach Anhörung mit Bescheid vom 08. November 2001 mit sofortiger Wirkung, bergbaulichen Betrieben asbesthaltige Abfälle „zur Verwertung“ im Tagebau zuzuführen. Zur Begründung führte er unter anderem aus, Abfälle aus privaten Haushaltungen seien grundsätzlich dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen. Abfälle aus anderen Herkunftsbereichen seien nur dann von der Überlassungspflicht nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz ausgenommen, wenn sie verwertet würden. Die Einbringung asbesthaltiger Abfälle im bergbaulichen Tagebau stelle keine stoffliche Verwertung da, denn dabei werde ausschließlich das Volumen der asbesthaltigen Abfälle genutzt. Bei der Einbringung derartiger - schadstoffhaltiger - Abfälle in den bergbaulichen Tagebau stehe die Beseitigung des Schadstoffpotentials als Hauptzweck der Maßnahme im Vordergrund. Auch stünden der Verbringung derartiger Abfälle die Vorschriften der Gefahrstoffverordnung sowie der Chemikalienverbotsverordnung entgegen.

5

Nach erfolglosem Widerspruch (Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser- Ems vom 25. Januar 2002) hat die Klägerin am 01. Februar 2002 Klage erhoben. Sie macht geltend:

6

Die Verfüllung eines bergbaulichen Tagebaues mit geeigneten Materialien sei eine Verwertungsmaßnahme, da eine Rechtspflicht zur Verfüllung - wie vorliegend beim Tagebau D. - bestehe. Die stofflich geeigneten Abfälle würden daher nach Einschätzung der Bergbehörde verwertet. Die verwendeten Materialien verfügten über die für eine Verfüllung notwendigen Eigenschaften, unter anderem die Druck- und Scherfestigkeit. Rechtliche Grundlage der Annahmebereitschaft der M. sei die 23. Ergänzung zum Abschlussbetriebsplan D. vom 10. Mai 2000. Die M. verfüge über eine Entsorger- Nummer und habe ihr im Rahmen des Entsorgungsnachweisverfahrens eine entsprechende Annahmeerklärung erteilt. Die M. sei als Betreiberin des ehemaligen Braunkohlentagebaus D. zur Rekultivierung nach Maßgabe des Sanierungsrahmenplanes und des Abschlussbetriebsplanes öffentlich-rechtlich verpflichtet. Dafür stünden nicht genügend bergbaueigene Materialien zur Verfügung. Wie bundesweit üblich müsse daher auf bergbaufremde Materialien zurückgegriffen werden. Das Bergamt B. zweifele nicht daran, dass die Verfüllung eine Verwertung des zur Erreichung des bergbautechnischen Zwecks geeigneten Materials sei, denn sonst wäre nicht der bergbauliche Abschlussbetriebsplan, sondern eine abfallrechtliche Planfeststellung bzw. Plangenehmigung das geeignete Genehmigungsinstrument. Auf Grund der Tatbestandswirkung des Bescheides des Bergamtes B. vom 10. Mai 2000 könne sich sowohl der Beklagte als auch das erkennende Gericht über diese Einschätzung nicht hinwegsetzen.

7

Der Einbau der Abfälle im Tagebau sei eine stoffliche Verwertung, denn damit würden stoffliche Eigenschaften der Abfälle für andere als den ursprünglichen Zweck genutzt. Der Hauptzweck der Maßnahme liege in der Nutzung des Abfalls, nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials. Nach der Rechtssprechung sei entscheidend, ob im Falle öffentlich- rechtlicher Rekultivierungsverpflichtungen ansonsten andere, ggf. wertvollere Stoffe eingesetzt werden müssten. Die bergrechtliche Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Rekultivierungsmaßnahme sei durch die bergrechtliche Entscheidung des Bergamtes B. für den Tagebau D. vorgegeben. Hier habe die zuständige Bergbehörde durch den Abschlussbetriebsplan verbindlich - auch für die niedersächsischen Behörden - vorgegeben, dass der Hauptzweck des Einbaues unter anderem asbesthaltiger Stoffe nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials sondern in der Ausnutzung ihrer stofflichen Eigenschaften zu bergtechnischen Zwecken liege. Deren Verwertung erfolge auch ordnungsgemäß und schadlos, was durch den bergrechtlichen Betriebsplan belegt werde.

8

Asbest bringe nicht nur das notwendige Volumen mit, sondern erreiche im Zuge der Einbautechnologie auch die erforderliche Festigkeit. Es sei mit Bauschutt vergleichbar und die Bildung von Hohlräumen werde weitestgehend ausgeschlossen. Danach stehe die gezielte Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Asbestmaterials im Vordergrund. Da es sich um eine ordnungsgemäße Abfallverwertung handele, stünden der Einbringung in den Tagebau auch nicht die Vorschriften der Chemikalienverbotsverordnung und der Gefahrstoffverordnung entgegen.

9

Die Klägerin beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 08. November 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser- Ems vom 25. Januar 2002 aufzuheben.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er trägt vor, eine bergbauliche Genehmigung vermittele nicht automatisch einen Verwertungsstatus, er könne daher einschreiten, wenn ein Entsorgungsweg aus abfallrechtlicher Sicht keine Verwertungsmaßnahme sei.

14

Eine Nutzung der stofflichen Eigenschaften der asbesthaltigen Abfälle erfolge vorliegend nicht, da nur deren Volumen genutzt werde und dem Volumen eines Stoffes jeglicher Bezug zu dessen spezifischer Stofflichkeit fehle. Der verwendete Abfall müsse daher über die bloße Nutzung des Volumens hinaus einen konkreten Zweck erfüllen. Zur Verfüllung eines Tagebaues müsse ein Stoff eine Verfülleigenschaft besitzen. Zur Verfüllung sei nicht jeder Stoff schon deshalb geeignet, weil er ein Volumen habe, vielmehr müsse er dem Ziel dienen, die Nutzung der Oberfläche zu ermöglichen. Dazu sei aber nur feinkörniges Material geeignet, da es die Bildung von Hohlräumen und damit spätere Schäden an der Oberfläche vermeide. Asbestzementabfälle, insbesondere Asbestzementplatten hätten in der Regel eine gröbere Struktur. Durch die zum Ausschluss der Freisetzung von Asbestfasern einzuhaltenden Einbaubedingungen könne der Bildung von Hohlräumen nur bedingt entgegengewirkt werden. Ziel der Verfüllung des Tagebaus D. sei die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche. Ob auch Asbestzementabfälle geeignet seien, eine durch Setzungsschäden unbeeinträchtigte Nutzung der Oberfläche zu ermöglichen sei daran zu messen, ob dieses Ziel bei einer alleinigen Verwendung von Asbestzementabfällen zu erreichen wäre. Das sei nicht der Fall, denn Asbestzementplatten könnten nicht so verpackt werden, dass sie als geschlossener Block ohne Bildung von Hohlräumen in und zwischen den einzelnen Anlieferungsbehältern eingebaut werden könnten. Auch bei anschließenden Verdichtungsmaßnahmen seien Hohlräume nicht zu vermeiden. Eine dauerhafte schadlose Verwertung sei nicht gewährleistet. Eine Gefährdung durch die abgelagerten Schadstoffe bleibe vielmehr latent bestehen, denn nach Beendigung der Bergaufsicht könne die Freilegung der Abfälle, beispielweise durch bauliche Maßnahmen, nicht ausgeschlossen werden.

15

Zudem seien Asbestzementabfälle besonders überwachungsbedürftig. Bei derartigen Abfällen sei wegen des hohen Schadstoffpotentials davon auszugehen, dass dessen Beseitigung Hauptzweck der Maßnahme sei. Der Beseitigung des Schadstoffpotentials stehe lediglich die Nutzung des Volumens des Abfalls gegenüber. Es sei davon auszugehen, dass der Betreiber der Anlage ein Entgelt an die Klägerin zahle; aus deren Sicht bestehe nur das Interesse, sich der Abfälle möglichst kostengünstig zu entledigen. Dieses Interesse begründe jedoch noch keine Verwertung. Ein negativer Marktwert spreche vielmehr stets dafür, dass die Beseitigung des Schadstoffpotentials der Hauptzweck der Maßnahme sei. Der wirtschaftliche Vorteil liege für die Klägerin nur darin, dass die Kosten für die Verbringung der Asbestabfälle zum Tagebau D. geringer seien, als die bei einer Entsorgung auf der Deponie des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers entstehenden Kosten.

16

Der Verbringung der Asbestabfälle in einen bergbaulichen Tagebau stünden zudem auch die Vorschriften der Chemikalienverbotsverordnung und der Gefahrstoffverordnung entgegen. Soweit dort auf eine ordnungsgemäße Abfallentsorgung abgestellt werde, sei nur die Abfallbeseitigung gemeint.

17

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 8. November 2001 ist in Gestalt der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klarstellung und Konkretisierung sowie des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 25. Januar 2002 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO. Die Bescheide sind demgemäß aufzuheben.

19

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG. Danach kann die zuständige Behörde, das ist hier gemäß § 6 Abs. 1 NAbfG der Beklagte, die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung der einschlägigen abfallrechtlichen Bestimmungen treffen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, auf die der Beklagte die Untersagungsverfügung gestützt hat, sind nicht gegeben. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, weil der Einbau der streitigen asbesthaltigen Abfälle in den Tagebau D. eine Verwertung und keine Beseitigung ist. Der Beklagte kann daher deren Überlassung nicht fordern.

20

Die Abgrenzung von Abfällen zur Verwertung und zur Beseitigung kann nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles erfolgen (vgl. allgemein zur Abgrenzung dieser Begriffe: BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994, NVwZ 1994, S. 897 [BVerwG 26.05.1994 - BVerwG 7 C 14/93]; Urteil vom 14. April 2000, NVwZ 2000, S. 1057 [BVerwG 14.04.2000 - BVerwG 4 C 13/98] mit Anmerkungen Versteyl, S. 1009; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Juli 2000, NVwZ-RR 2001, S. 19 [OVG Niedersachsen 14.07.2000 - 7 M 2005/99]; EUGH, Urteil vom 27. Februar 2002, NVwZ 2002, S. 579 mit Anmerkungen Stengler, NVwZ 2002, S. 568; Dolde und Vetter, Beseitigung und Verwertung nach dem KrW-/AbfG, NVwZ 2000, S. 21 [OVG Berlin 12.11.1999 - 6 SN 203.99]).

21

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 26. Mai 1994 und 14. April 2000, a.a.O.), der sich das OVG Lüneburg angeschlossen hat (vgl. Beschluss vom 14. Juli 2000, a.a.O.) und von der abzuweichen die erkennende Kammer keine Veranlassung sieht, regelt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz die Vermeidung, die Verwertung und - abschließend - die Beseitigung von Abfällen, soweit es nicht in § 2 Abs. 2 KrW-/AbfG  einzelne Bereiche ausdrücklich von seinem Geltungsbereich ausnimmt. Das ist in dem hier interessierenden Zusammenhang nur für bergbaueigene Abfälle der Fall (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 KrW-/AbfG), während nach § 7 Abs. 2 KrW-/AbfG  bergbaufremde Abfälle in der Bergaufsicht unterstehenden Betrieben aus bergtechnischen und bergsicherheitlichen Gründen oder zur Wiedernutzbarmachung eingesetzt werden können. Ein derartiger Einsatz kommt nur für Abfälle zur Verwertung in Betracht, denn Abfälle zur Beseitigung dürfen gemäß § 27 KrW-/AbfG  nur in den dafür zugelassenen Anlagen oder Einrichtungen (Abfallbeseitigungsanlagen) behandelt, gelagert oder abgelagert werden, sie sind dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen, § 13 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG .

22

Gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 KrW-/AbfG sind Abfälle zur Verwertung Abfälle, die verwertet werden, während Abfälle, die nicht verwertet werden, Abfälle zur Beseitigung sind. Nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 6 Abs. 1 S. 1 KrW-/AbfG  können Abfälle stofflich verwertet oder zur Gewinnung von Energie genutzt werden. Hier kommt nur eine stoffliche Verwertung in Betracht, die nach § 4 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG eine - hier ebenfalls nicht in Rede stehende - Substitution oder die Nutzung der stofflichen Eigenschaften der Abfälle für den ursprünglichen Zweck oder für andere Zwecke (- mit Ausnahme der unmittelbaren Energierückgewinnung -) beinhaltet. Eine stoffliche Verwertung liegt nach Satz 2 dieser Vorschrift vor, wenn nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt.

23

Das ist hier der Fall.

24

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner zum Bundesimmissionsschutzgesetz ergangenen Entscheidung vom 26. Mai 1994 (a.a.O.) ausgeführt, stoffliche Verwertung setze voraus, dass ein konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen aus der Eigenschaft des Stoffes gezogen werde. Ob eine stoffliche Nutzung vorliegt, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur für einen bestimmten Stoff bezogen auf eine konkrete, vom Verwender vorgesehene Verwendung beantworten (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 1998, ESVGH Bd. 49, S. 90). Ob die konkret vorgesehene Verwendung Verwertung oder Beseitigung ist, beantwortet sich nicht (abschließend) nach den Anhängen II A (Beseitigungsverfahren) und II B (Verwertungsverfahren) zum Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz. Diesen, die Richtlinie 75/442 EWG (in der jeweiligen Fassung) in Bezug nehmenden Anhänge führen nicht alle in Betracht kommenden Beseitigungs- und Verwertungsverfahren auf. Da dasselbe Verfahren nicht gleichzeitig als Beseitigung und Verwertung eingestuft werden kann, muss ein Verfahren der Abfallbehandlung, das nicht einem einzigen Verfahren oder einer Verfahrenskategorie zugeordnet werden kann, nach den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalles eingestuft werden (vgl. EUGH, Urteil vom 27. Februar 2002, a.a.O.).

25

Danach ist zunächst darauf abzustellen, ob der Einbau der streitigen asbesthaltigen Abfälle in den Tagebau D. eine stoffliche Nutzung darstellt. Diese Frage ist zu bejahen. Ob die vom VGH Mannheim im Urteil vom 20. Oktober 1998 (a.a.O.) geäußerte Ansicht zutrifft, mit stofflichen Eigenschaften meine das Gesetz nur „werkstoffliche“ und nicht jegliche Eigenschaften von Abfällen wie - nur - das Volumen, hat das Bundesverwaltungsgericht offen gelassen (vgl. Urteil vom 14. April 2000, a.a.O.). Diese Frage bedarf auch vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn die für die Einbringung in den Tagebau D. durch Bescheid des Bergamtes B. vom 10. Mai 2000 zugelassenen asbesthaltigen Abfälle sind für diese Verwendung nicht nur wegen ihres Volumens, sondern auch wegen ihrer Festigkeit von Nutzen. Die Klägerin hat dazu vorgetragen, das Material verfüge über die erforderliche Druck- und Scherfestigkeit, im Zuge der Einbautechnologie erreiche es eine dem Bauschutt vergleichbare Festigkeit. Dem ist der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten und die erkennende Kammer sieht keine Veranlassung, dieses Vorbringen in Frage zu stellen.

26

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26. Mai 1994 (a.a.O.) weiter ausgeführt, eine Verwendung von Stoffen mit Verfülleigenschaften sei mit einem über dessen bloßen Ablagerungsvorgang hinaus gehenden konkreten Nutzungseffekt verbunden, der einen Verwertungsvorgang kennzeichne und der sich daraus ergebe, dass die Verfüllung dazu diene, im öffentlichen Interesse einen Zustand wiederherzustellen, der dem früheren gleichkomme oder eine andere Nutzung der Oberfläche ermögliche (ebenso: OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Juli 2000, a.a.O.).

27

So ist es auch hier.

28

Der Einbau der streitigen asbesthaltigen Abfälle in den der Bergaufsicht unterliegenden Tagebau D. als Material zur rechtlich gebotenen Wiedernutzbarmachung der Oberfläche (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BBergG) dient nach dem Bescheid des Bergamtes B. vom 10. Mai 2000 im öffentlichen Interesse (vgl. § 4 Abs. 4 BBergG) dem Zweck der Wiedernutzbarmachung der „AFB-Kippe“. Insbesondere dient danach neben dem Einsatz bergbaueigener Materialien auch die Verwendung geeigneter bergbaufremder Abfälle der Auffüllung „bis zum Höhenniveau (...) + 100 m NN, der Gestaltung der Uferbereiche (...)“ der „Auffahrung der Randdämme (...) zur Abschirmung gegen den Restlochbereich“ sowie der „weiterführenden Entwicklung im Zentralbereich“.

29

An der Verfülleigenschaft des asbesthaltigen Materials hat die erkennende Kammer - anders als der Beklagte - ebenfalls keine Zweifel. Der Beklagte hat dazu vorgetragen, eine spätere Nutzung der Oberfläche sei nur bei Einsatz feinkörnigen Materials möglich, da dadurch die Bildung von Hohlräumen und damit spätere Schäden an der Oberfläche vermieden würden. Dem ist nicht beizupflichten. Im Abschlussbetriebsplan des Bergamtes B. (23. Ergänzung vom 10. Mai 2000) sind mehrere Materialien genannt, die keinesfalls feinkörnig sind, wie z.B. Gesteinsbruch, verbrauchte Auskleidungen und feuerfeste Materialien, Glasfasermaterialien, Abfälle aus der Herstellung (anderer) Verbundstoffe auf Zementbasis, Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik, Baustoffe auf Gipsbasis und Steine. Die erkennende Kammer sieht keinen Grund, an der Verfülleigenschaft dieser Materialien zu zweifeln und ein durchgreifender Unterschied zwischen diesen Materialien und den Baustoffen auf Asbestbasis, den Abfällen aus der Herstellung von Asbestzement sowie der asbestverarbeitenden Industrie ist vom Beklagten weder dargetan noch sonst ersichtlich. Hinzu kommt, dass die M. in einem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 9. August 2002 ausgeführt hat, Asbest verhalte sich „im Einbauzustand analog wie Bauschutt“.

30

Der damit gegebene konkrete Nutzungseffekt dieses Materials für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche lässt eine Abgrenzung der stofflichen Verwertung von der stofflichen Beseitigung jedoch noch nicht - abschließend - zu. Maßgeblich abzustellen ist insoweit auf den Hauptzweck der Entsorgungsmaßnahme (§ 4 Abs. 3 S. 2 KrW-/AbfG). Diese Vorschrift konkretisiert den Begriff der Verwertung durch Vorgabe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Dieses Merkmal dient der Objektivierung des Hauptzwecks einer bestimmten Maßnahme. Allerdings reicht eine wirtschaftliche Betrachtungsweise allein nicht aus, um eine Ablagerung von Abfällen zu einem Vorgang der Verwertung zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2000, a.a.O.). Eine Entsorgungsmaßnahme ist vielmehr nur dann als Verwertung einzuordnen, wenn die Nutzung des Materials deren Hauptzweck ist; ist sie nur Nebenzweck, ist die Entsorgungsmaßnahme - auch bei teilweiser Nutzung des Abfalls - Beseitigung (vgl. Dolde und Vetter, a.a.O.). Entscheidend ist insoweit, ob die Nutzung der stofflichen Eigenschaften des Materials zu einem bestimmten Zweck oder die Beseitigung eines nicht weiter nutzbaren Stoffes im Vordergrund steht. Für die insoweit erforderliche wertende Betrachtung ist von der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der Vorstellungen desjenigen auszugehen, der die Maßnahme durchführt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994, a.a.O.). Hier liegt der Hauptzweck der Maßnahme in der Verfüllung zur rechtlich gebotenen Wiedernutzbarmachung der Oberfläche des Tagebaus D.. Der Beklagte verweist insoweit ohne Erfolg auf das hohe Schadstoffpotential asbesthaltiger Abfälle. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe ist zwar der Ansicht, dass derartige Abfälle wegen des Schadstoffpotentials grundsätzlich Abfälle zur Beseitigung seien (vgl. Beschluss vom 4. Oktober 2000, 4 K 1289/00, V.n.b.). Dem ist jedoch nicht zuzustimmen, denn das Schadstoffpotential von Abfall ist nicht geeignet, um einen Entsorgungsvorgang als Verwertung oder als Beseitigung zu qualifizieren (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 25. Mai 2000, 13 K 5456/99 V.n.b.). Das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz enthält keine Regelung, nach der das Schadstoffpotential von Abfall einer Verwertung entgegensteht. Dem Schadstoffpotential von Abfällen ist vielmehr ausschließlich bei der Durchführung des konkreten Entsorgungsverfahrens Rechnung zu tragen. Die Verwertung von Abfällen hat gemäß § 5 Abs. 3 KrW-/AbfG  ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen. Ist das wegen des Schadstoffpotentials nicht möglich, sind die Abfälle ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu beseitigen (§ 10 KrW-/AbfG). Die Gefährlichkeit oder Ungefährlichkeit von Abfällen als solches ist daher nicht entscheidend für die Frage, ob eine Entsorgungsmaßnahme als Verwertung oder als Beseitigung einzustufen ist (vgl. EUGH, Urteil vom 27. Februar 2002, a.a.O.; VGH Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O.).

31

Auch die vom Beklagten aufgeworfene Frage des Entgelts ist insoweit nicht entscheidend. Maßgeblich ist bei der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, ob die Nutzung des Abfalls ökonomisch vorteilhaft ist (vgl. Dolde und Vetter, a.a.O.; zum Streitstand bzgl. des Faktors „Entgelt“: VGH Mannheim, Urteil vom 20. Oktober 1998, a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn der Hauptzweck der Entsorgungsmaßnahme darauf gerichtet ist, „dass die Abfälle eine „sinnvolle“ Aufgabe erfüllen können, indem sie andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden müssen, wodurch natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können“ (vgl. EUGH, Urteil vom 27. Februar 2002, a.a.O.).

32

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

33

Die Klägerin hat sich, bezugnehmend auf ein an die L. MBV mbH gerichtetes Schreiben des Bergamtes B. vom 11. Juni 1998 (vgl. Bl. 14 der GA) darauf berufen, nach Beendigung des Braunkohlentagebaus D. bestehe ein erhebliches Massendefizit. Daher sei für die Rekultivierung der Einsatz von Fremdmassen (Abfällen) erforderlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26. Mai 1994 (a.a.O.) zu einer entsprechenden Sachlage ausgeführt, wer öffentlich-rechtlich verpflichtet sei, die durch einen Tagebau zerstörte Oberfläche wieder nutzbar zu machen, benötige dafür geeignetes Material. Dieses müsse die erforderliche Verfülleigenschaft besitzen und schadlos eingesetzt werden können. Soweit nicht ausreichend bergbaueigenes Material zur Verfügung stehe, müsse sich der Verpflichtete geeignete bergbaufremde Materialien verschaffen. Ein rechtlich relevanter Unterschied zum Bergversatz aus bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Gründen sei insoweit nicht gegeben. Wäre ein derartiger Einsatz von Abfällen keine Verwertung, könne der Bergbauunternehmer seine Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche nur erfüllen, indem er eine Abfallbeseitigungsanlage eröffne oder indem er „verhältnismäßig hochwertige“ Stoffe wie reinen Erdaushub, sortierten unbelasteten Bauschutt, Sand oder Kies verwende.

34

Danach kann vorliegend keine Rede davon sein, es werde lediglich eine vorhandene Ablagerungskapazität zur Verfügung gestellt und genutzt. Vielmehr wird damit eine auf die bloße Verwahrung des Abfalls beschränkte Ablagerung unnötig gemacht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994, a.a.O.). Die Verfüllung des Tagebaus D. dient der Herstellung des von der Rechtsordnung geforderten Zustandes. Hauptzweck des Einbaus der streitigen Abfälle in den Tagebau ist daher die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche. Der Entledigungswille steht der Bewertung dieses Vorgangs als Verwertung nicht entgegen und der Gesichtspunkt der Inanspruchnahme von Ablagerungskapazität tritt ungeachtet der Frage dahinter zurück, ob dafür Entgelt gezahlt oder gefordert wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994, a.a.O.).

35

Durch den Einbau der durch das Bergamt B. mit Bescheid vom 10. Mai 2000 zugelassenen, für die Verfüllung des Tagebaus D. geeigneten streitigen asbesthaltigen Abfälle zum Zwecke der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche werden diese auch einer „sinnvollen Aufgabe“ zugeführt. Denn dadurch wird vermieden, dass angesichts des - nachvollziehbaren - erheblichen Massendefizits andere bergbaufremde, höherwertige Stoffe wie Erdaushub, Sand, Kies oder unbelasteter Bauschutt eingebaut werden müssen.

36

Der Beklagte verweist auch ohne Erfolg auf eine etwaige Gefährdung durch die in den Tagebau D. eingebauten, von der Klägerin angelieferten asbesthaltigen Abfälle. Nach § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG  hat die Verwertung von Abfällen ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall gegeben sind, ist im Rahmen des bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahrens und ggf. weiterer Bewilligungsverfahren zu prüfen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Juli 2000, a.a.O.). Zwar hat der Hessische VGH mit Beschluss vom 30. Oktober 2002 (6 TG 789/02, V.n.b.) „ganz erhebliche Bedenken“ daran geäußert, ob der Einbau von Asbestzementabfall im Tagebau D. schadlos erfolgt. Er hat dazu ausgeführt, das „unstrukturierte Abkippen der Bigbags“ lasse erhebliche Zweifel an einer schadlosen Verwertung aufkommen. Der Einbau im Tagebau berge die Gefahr in sich, dass die „Bigbags“ platzen und dass Asbestfasern freigesetzt würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass das bergrechtliche Betriebsplanzulassungsverfahren sowohl nach dem Verfahren als auch nach den materiellen Zulassungsvoraussetzungen so ausgestaltet ist, dass mögliche Gefährdungen der menschlichen Gesundheit, der Umwelt oder anderer rechtlich geschützter öffentlicher und privater Belange verhindert werden müssen. Innerhalb dieses rechtlichen Rahmens (vgl. §§ 1 Nr. 3, 48 Abs. 2, 50 ff. BBergG) ist sichergestellt, dass die Forderung des § 5 Abs. 3 S. 1 KrW-/AbfG  nach ordnungsgemäßer schadloser Verwertung erfüllt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994, a.a.O.).

37

Die Schadlosigkeit wird vorliegend darüber hinaus durch verschiedene Nebenbestimmungen zur 23. Ergänzung des Abschlussbetriebsplanes vom 10. Mai 2000 sichergestellt. Danach darf der hier streitige asbesthaltige Abfall nicht zur Herstellung der durchwurzelbaren Bodenschicht verwendet werden. Er darf nur in geeigneter Verpackung separaten Verwertungsstellen angeliefert und mindestens 1 Meter über dem höchsten Grundwasserspiegel eingebaut werden; arbeitstäglich hat eine ausreichende Abdeckung zu erfolgen. Die eingesetzten Beschäftigten müssen über eine entsprechende Fachkunde verfügen und die Vorschriften der TRGS 519 sind einzuhalten, wonach asbesthaltige Abfälle so abzulagern sind, dass eine Asbestfaserfreisetzung vermieden wird. Die M. hat in dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben vom 9. August 2002 (vgl. Bl. 14 der GA) zur Einbautechnologie ausgeführt, durch Entwicklung von Randdämmen würden Kassetten angelegt. Nach Voranmeldung erfolge der Einbau entsprechend der Anforderungen der TRGS 519. Unter anderem sei dabei darauf zu achten, dass die Abfälle nicht von den Lkws abgekippt würden, dass ein schonender Einbau durch die Verwendung von Radladern und Hebefahrzeugen erfolge sowie dass durch Feuchthalten des Einbaubereichs (Oberflächenbenetzung) Staub gebunden werde. Angesichts dessen hat die erkennende Kammer keine Zweifel daran, dass die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 S. 3 KrW-/AbfG  sichergestellt sind.

38

Dieses Ergebnis wird entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht durch die Vorschriften der Chemikalienverbotsverordnung (- ChemVerbotsV -) vom 10. Oktober 1993 (BGBl. I S. 1720) zuletzt geändert am 26. Juni 2000 (BGBl. I 932, 933) oder der Gefahrstoffverordnung (- Gef-StoffV -) vom 15. November 1999 (BGBl. I S. 2233) zuletzt geändert am 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045, 1076) in Frage gestellt.

39

Gemäß § 1 Abs. 1 ChemVerbotsV ist das Inverkehrbringen der in Spalte 1 des Anhangs bezeichneten Stoffe und Zubereitungen verboten. Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse, die in Spalte 1 bezeichnete Stoffe und Zubereitungen freisetzen können oder enthalten, dürfen in dem in Spalte 2 des Anhangs genannten Umfang nach Maßgabe der in Spalte 3 des Anhangs aufgeführten Ausnahmen nicht in Verkehr gebracht werden. Die Einzelheiten zu diesem Verbot sind in dem hier interessierenden Zusammenhang in dem Asbest betreffenden Abschnitt 2 des Anhangs zu § 1 ChemVerbotsV geregelt. Danach dürfen die in Spalte 1 genannten (Asbest-) Stoffe mit Faserstruktur, Zubereitungen mit einem bestimmten Massegehalt sowie Erzeugnisse, die Stoffe nach Spalte 1 oder die genannten Zubereitungen enthalten, nicht in den Verkehr gebracht werden. Ausgenommen von diesem Verbot sind gemäß Abs. 5 der Spalte 3 Materialien, in denen Asbest mittels hydraulischer Bindung durch Zement oder gleichwertige Stoffe in Formkörpern oder Gebinden eingeschlossen ist, wenn diese als Versatzmaterial im Untertagebau verwendet werden. Nach § 1 Abs. 1 ChemVerbotsV ist mithin das Inverkehrbringen der näher bezeichneten asbesthaltigen Stoffe - abgesehen von deren Verwendung als Versatzmaterial im Untertagebau - grundsätzlich verboten.

40

Ausgenommen von diesem Verbot sind jedoch gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 ChemVerbotsV unter anderem Stoffe, Zubereitungen oder Erzeugnisse, die zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung in den Verkehr gebracht werden, sofern in Spalte 3 des Anhangs nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine Regelung, nach der asbesthaltige Abfälle nicht zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung in den Verkehr gebracht werden dürfen, findet sich in der Spalte 3 jedoch nicht. Die vom Hessischen VGH im Beschluss vom 30. Oktober 2002 (a.a.O.) aufgeworfene (- aber offengelassene -) Frage, ob die Chemikalienverbotsverordnung eine Verwertung von Asbestabfällen grundsätzlich - mit der einzigen Ausnahme einer Ablagerung im Untertagebau - ausschließt, oder ob eine derartige Regelung von der Verordnungsermächtigung nicht mehr gedeckt ist und den Grundsätzen des Kreislaufwirtschaftsabfallgesetzes widerspricht, stellt sich nach Ansicht der erkennenden Kammer nicht. Die Bestimmung in Spalte 3, auf die der Hessische VGH insoweit verweist, regelt nach Auffassung der erkennenden Kammer eine Ausnahme gemäß § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz ChemVerbotsV (... nach Maßgabe der in Spalte 3 des Anhangs aufgeführten Ausnahmen). Hier geht es jedoch um Stoffe zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung, die von dem Verbot des § 1 Abs. 1 ChemVerbotsV ausdrücklich ausgenommen sind. Ein Verbot des Inverkehrbringens derartiger Abfälle zur ordnungsgemäßen Abfallentsorgung lässt sich daher aus der genannten Ausnahmeregelung nicht herleiten (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 18. August 2000, 4 G 1608/00 (2) V.n.b.; geändert durch Beschluss des Hess. VGH vom 30. Oktober 2002, a.a.O.; andere Auffassung offenbar VG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Oktober 2000, 4 K 1289/00, V.n.b.).

41

Auch die Gefahrstoffverordnung enthält keine Regelung, die einer Verwertung asbesthaltiger Abfälle entgegensteht. Nach § 39 GefStoffV, der den Umgang mit Asbest bei Abbruch- und Sanierungsarbeiten regelt, ist der zuständigen Behörde vor dem Beginn derartiger Arbeiten unter anderem ein Nachweis über die vorgesehene ordnungsgemäße Entsorgung vorzulegen, asbesthaltige Produkte sind danach geordnet zu entsorgen. Der Einwand des Beklagten, unter ordnungsgemäßer Abfallentsorgung im Sinne der Chemikalienverbotsverordnung bzw. der Gefahrstoffverordnung sei nur die Beseitigung zu verstehen (vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Oktober 2000, a.a.O.) findet keine Grundlage im Gesetz. Nach § 3 Abs. 7 KrW-/AbfG  umfasst die Abfallentsorgung die Verwertung und die Beseitigung von Abfällen, sowohl die Verwertung als auch die Beseitigung hat nach §§ 5 Abs. 3 S. 1, 10 Abs. 4 KrW-/AbfG „ordnungsgemäß“ zu erfolgen. Hieran ändert auch der Hinweis des Beklagten auf § 2 Abs. 1 Nr. 3 ChemG nichts, denn danach gilt - neben anderen Vorschriften - die Ermächtigung nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 a und b zur Regelung einer Anzeige und Erlaubnispflicht nicht für Abfälle zur Beseitigung.