Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.01.2003, Az.: 2 PA 40/03

Anerkennung; Ausland; Befähigungsnachweis; Besserstellung; Flüchtlingseigenschaft; Gleichstellung; Gleichwertigkeit; juristische Prüfung; juristisches Staatsexamen; Kontingentflüchtling

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.01.2003
Aktenzeichen
2 PA 40/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48459
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 20.11.2002 - AZ: 6 B 5413/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Auch bei einem sog. Kontingentflüchlting vermitteln die Vorschriften der Genfer Konvention nicht die Anerkennung einer im Ausland der erworbenen juristischen Prüfung als erste Staatsprüfung i.S. des § 5 Abs. 1 DRiG.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers, ihm für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. November 2002 – einer Zulassung der Beschwerde gegen den Beschluss vom 20. November 2002 bedarf es entgegen der Ansicht des Antragstellers  nicht mehr (§ 146 Abs. 4 VwGO  i. d. F. Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3987) - Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, bleibt ohne Erfolg.

2

Die Erfolglosigkeit des von dem Antragsteller gestellten Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um eine  i. S.  des § 67 Abs. 1 VwGO postulationsfähige Person handelt, die an sich nur vom dem Oberverwaltungsgericht auftreten kann. Allerdings müsste der Antragsteller für eine Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. November 2002, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von dem Antragsteller in Usbekistan abgelegte juristische Prüfung als erste juristische Staatsprüfung  i. S.  des § 5 Abs. 1 DRiG anzuerkennen, gem. § 67 Abs. 1 VwGO vor dem Oberverwaltungsgericht durch einen Rechtsanwalt oder eine diesem gleichgestellte Person vertreten sein. Hier hat der Antragsteller aber zunächst nur einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren gestellt; für einen derartigen, lediglich auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein zukünftiges, dem Vertretungszwang unterliegendes Rechtsmittelverfahren gerichteten Antrag besteht aber ein Vertretungszwang nicht (Nds. OVG, Beschl. v. 6.8.1997 – 12 L 3035/97 -, NVwZ-RR 1997, 761; Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, RdNr. 23 zu § 67).

3

Der Senat kann offen lassen, ob das sog. Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache, welches bei Verfahren nach § 123 VwGO zu beachten ist, hier der von dem Antragsteller letztlich erstrebten Anerkennung seiner im Ausland erlangten Qualifikation als Jurist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren bereits entgegensteht oder ob dies mit Rücksicht auf die Bedeutung der Anerkennung der von dem Antragsteller in Usbekistan erfolgreich abgelegten juristischen Prüfung als berufsbezogene Zulassung für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst in der Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall ist (vgl. Schenke, aaO, RdNr. 14 a zu § 123 m. w. Nachw.). Ebenfalls kann offen bleiben, ob sich die fehlenden Erfolgsaussichten  i. S.  des § 166 VwGO  i. V. m.  § 114 ZPO für das von dem Antragsteller beabsichtigte Beschwerdeverfahren daraus ergeben, dass es – wie dies das Verwaltungsgericht (zusätzlich) angenommen hat – möglicherweise an einer Eilbedürftigkeit der Regelung, dem Anordnungsgrund, mangelt. Die Erfolgsaussichten für das von dem Antragsteller beabsichtigte Beschwerdeverfahren sind nämlich auf jeden Fall deshalb zu verneinen, weil dem Antragsteller, wie dies das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 20. November 2002 bereits (auch) festgestellt hat, ein Anordnungsanspruch nicht zur Seite steht. Denn der Antragsteller kann – dies lässt sich bereits in dem Verfahren um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zweifelsfrei erkennen - nicht beanspruchen, dass seine in Usbekistan abgelegte juristische Prüfung als erste juristische Staatsprüfung  i. S.  des § 5 Abs. 1 DRiG anerkannt wird. Der Senat verweist daher nach § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO analog auf die auch von ihm als zutreffend angesehenen Erwägungen des Verwaltungsgerichts – zu dem Fehlen eines Anordnungsanspruchs – in dem Beschluss vom 20. November 2002, die er deshalb nicht wiederholt. Lediglich ergänzend und mit Rücksicht auf das Vorbringen des Antragstellers in seinem Gesuch um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bemerkt der Senat zusätzlich:

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Auch wenn das Deutsche Richtergesetz in den §§ 5ff. DRiG und in § 112 DRiG keine abschließende Regelung etwa des Inhalts enthält, dass im Ausland erfolgreich abgelegte, den juristischen Staatsexamina in der Bundesrepublik Deutschland entsprechende Abschlüsse für die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst nur nach Maßgabe des § 112 DRiG anerkannt werden können, die erforderliche Anerkennung einer im Ausland mit Erfolg abgelegten (juristischen) Prüfung vielmehr auch durch eine Norm außerhalb des Deutschen Richtergesetzes und damit außerhalb des Bundesvertriebenengesetzes (als Spätaussiedler gem. § 112 Abs. 1 DRiG  i. V. m.  § 10 Abs. 2 BVFG) oder des Einigungsvertrages (gem. § 112 Abs. 2 DRiG) erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.10.1969 - BVerwG I C 71.67 -, DVBl. 1971, 360 = Buchholz 402.21 § 15 HAuslG Nr. 1), besteht eine derartige, eine Anerkennung vermittelnde Norm zu Gunsten des Antragstellers nicht. Der Antragsteller kann sich nämlich nicht mit Erfolg auf die Sonderregelung des § 15 Abs. 1 HAuslG, der ggf. eine derartige Anerkennung ausnahmsweise vermitteln könnte (BVerwG, Urt. v. 29.4.1976 – BVerwG VIII C 73.75 -, BVerwGE 51, 144(149)), berufen, weil er unstreitig nicht zu dem Kreis der heimatlosen Ausländer  i. S.  des § 1 HAuslG gehört. Auch die Art. 2 – 34 der Genfer Konvention (Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, v. 28.7.1951, Gesetz v. 1.9.1953, BGBl. II S. 559 – GK -) stellen entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht eine derartige, die Anerkennung vermittelnde Sonderregelung dar (ebenso: BayVGH, Urt. v. 3.3.1978 – Nr. 448 III 76 -, ZBR 1979, 84(85)). Allerdings genießt der Antragsteller als sog. Konventionsflüchtling nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge (v. 22.7.1980, BGBl. I S. 1057, zuletzt geändert durch Gesetz v. 29.10.1997, BGBl. I S. 2584(2588)) auch ohne Anerkennung als politisch Verfolgter nach Art. 16 a Abs. 1 GG die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach den Art. 2 – 34 GK. Art. 19 Nr. 1 GK und namentlich Art. 22 Nr. 2 GK – jeweils in Verbindung mit Art. 6 GK – verpflichten die Bundesrepublik Deutschland aber nur dazu, einem Flüchtling bei der Anerkennung von diesem in seinem Heimatland erworbener berufsqualifizierender akademischer Abschlüsse„eine möglichst günstige und in keinem Falle weniger günstige Behandlung <zu> gewähren, als sie Ausländern im allgemeinen unter den gleichen Bedingungen gewährt wird“ (Art. 22 Nr. 2 GK), wobei der Flüchtling aber alle die Bedingungen erfüllen muss, die er zu erfüllen hätte, wenn er nicht Flüchtling wäre (Art. 6 GK). Damit wird einem Flüchtling durch die Genfer Konvention auch in Bezug in seinem Heimatland erworbener akademischer Abschlüsse lediglich die Rechtsstellung vermittelt, die ihn mit einem Inländer oder einem Ausländer, der nicht Flüchtling ist, gleichstellt, den Flüchtling also gegenüber dem Inländer oder Ausländern nicht diskriminiert.  Dies bedeutet, dass der Flüchtling zwar eine – erschwerende – Sonderbehandlung hinsichtlich der hier interessierenden ersten juristischen Staatsprüfung (als berufsqualifizierenden Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst) nicht erfahren soll, der Flüchtling aber nicht gegenüber Inländern oder Ausländern ohne Flüchtlingseigenschaft etwa bei der Anerkennung bereits im Ausland erworbener juristischer Qualifikationen besser gestellt werden soll, wie dies etwa bei einem Spätaussiedler nach § 112 Abs. 1 DRiG  i. V. m.  § 10 Abs. 2 BVFG der Fall ist. Da aber im Ausland erworbene juristische Befähigungsnachweise in der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne weiteres anerkannt werden, Deutschland vielmehr, worauf das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss v. 20. November 2002 bereits zutreffend hingewiesen hat, bei dem Übereinkommen vom 21. Dezember 1979 über die Anerkennung von Studien, Diplomen und Graden im Hochschulbereich in den Staaten der europäischen Region (Gesetz v. 2.9.1994, BGBl. II S. 2321) einen Vorbehalt angebracht hat, so dass schon auf Grund dieses Vorbehalts eine Anerkennung des in Usbekistan von dem Antragsteller erwobenen Studienabschlusses ausscheidet, auch wenn der Antragsteller nicht Flüchtling, sondern Inländer oder Ausländer ohne Flüchtlingseigenschaft wäre, kann der Antragsteller auch aus der Genfer Konvention, namentlich dem Art. 22 Nr. 2  i. V. m. Art. 6 GK einen Anerkennungsanspruch nicht herleiten.

5

Wenn der Antragsteller demgegenüber meint, die Bundesrepublik Deutschland habe nur bei dem  Übereinkommen über die Anerkennung von Studien, Diplomen und Graden im Hochschulbereich in den Staaten der europäischen Region, nicht aber bei der Genfer Konvention einen entsprechenden Vorbehalt gemacht, gibt dies zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage Anlass. Der Antragsteller verkennt bei dieser Argumentation, dass die Genfer Konvention (Art. 6, 19 Nr. 1, 22 Nr. 2 GK) nur eine Gleichstellung mit Inländer bzw. Ausländern ohne Flüchtlingseigenschaft, nicht aber eine Besserstellung gebietet. Werden aber im Ausland erworbene juristische Befähigungsnachweise wegen des genannten Vorbehalts, der auch für Inländern und Ausländer ohne Flüchtlingseigenschaft gilt, nicht ohne weiteres in Deutschland als juristische Prüfungen anerkannt, so bedarf es für eine Besserstellung, d. h. für eine eine     Gleichwertigkeitsprüfung eröffnende Anerkennung (vgl. § 15 Abs. 1 HAuslG -) einer besonderen Norm (wie § 15 Abs. 1 HAuslG), um dem Antragsteller gleichwohl eine Anerkennung vermitteln zu können. Eine derartige besondere, zusätzlich zu den Bestimmungen der Genfer Konvention bestehende Norm existiert aber zu Gunsten des Antragstellers nicht; denn der Gesetzgeber hat bei den sog. Kontingentflüchtlingen anders als bei den heimatlosen Ausländern oder den Spätaussiedlern darauf verzichtet, eine entsprechende (begünstigende) Norm zu schaffen, worin auch angesichts des Gesetzgebers zukommenden weiten Gestaltungsspielraums gerade bei der Ausgestaltung der Rechtsstellung der im Rahmen von humanitären Hilfsaktionen in der Bundesrepublik Deutschland aufgenommener Flüchtlinge ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht gesehen werden kann.