Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.01.2003, Az.: 11 LA 394/02
Dienstaufsichtsbeschwerde; Disziplinarverfahren; Petition; Rechtsschutzbedürfnis; Richter
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.01.2003
- Aktenzeichen
- 11 LA 394/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 47652
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 11.09.2002 - AZ: 6 A 1783/00
Rechtsgrundlagen
- § 26 Abs 2 DRiG
- Art 17 GG
- § 124 Abs 2 Nr 1 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 2 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 3 VwGO
- § 124 Abs 2 Nr 5 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Petent hat keinen Anspruch auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen einen Richter
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch.
1. An der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche sind dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000, NJW 2000, 1163 = DVBl. 2000, 1458). Dies ist dem Kläger im Berufungszulassungsverfahren nicht gelungen.
Der Kläger, der vom Beklagten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Rahmen einer von ihm gegen einen Richter des Amtsgerichts C., der auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung der Wohnung des Klägers in D. wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz mit Beschluss vom 17. Februar 1998 angeordnet hatte, erhobenen Dienstaufsichtsbeschwerde begehrt, rügt die nicht ordnungsgemäße Bescheidung seiner Dienstaufsichtsbeschwerde durch den Beklagten mit Schreiben vom 11. Mai 2000. Nach seiner Ansicht werde dieses Schreiben seinem Anliegen, dass die Durchsuchungsanordnung unverhältnismäßig gewesen sei und der Präsident des Landgerichts C. die Angelegenheit fehlerhaft behandelt habe, nicht gerecht. Dass der Präsident des Landgerichts Aurich lediglich zu einem Gespräch mit dem betreffenden Richter am Amtsgericht nach § 26 Abs. 2 DRiG veranlasst worden sei, reiche nicht aus, sondern sei eine untaugliche Maßnahme.
Dagegen hat sich das Verwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, da der Beklagte mit dem Schreiben vom 11. Mai 2000 auf das Begehren des Klägers eingegangen sei, so dass sich die von ihm in der Sache gerügte Untätigkeit erledigt habe.
Der Senat teilt diese Auffassung des Verwaltungsgerichts. Denn der Beklagte hat die Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers mit Schreiben vom 11. Mai 2000 ordnungsgemäß beschieden. Der Kläger geht zu Unrecht davon aus, dass „über ein aliud entschieden“ worden sei. Gegenstand des Schreibens vom 11. Mai 2000 waren aber gerade die von dem Kläger erhobenen Vorwürfe gegen den betreffenden Richter am Amtsgericht C. und die seiner Ansicht nach falsche Handhabung der Angelegenheit durch den Präsidenten des Landgerichts C.. Der Beklagte hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Vorgang gegenüber dem Kläger nicht in jeder Hinsicht korrekt verlaufen sei und er deswegen den Präsidenten des Landgerichts C. veranlasst habe, ein Gespräch mit dem betreffenden Richter zu führen. Ein weitergehender Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Insbesondere kann er nicht verlangen, dass gegen den betreffenden Richter ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird. Zwar können mit einer (persönlichen) Dienstaufsichtsbeschwerde auch Verhaltensweisen der Organe der rechtsprechenden Gewalt angegriffen werden (vgl. Becker-Kavan, Die Dienstaufsichtsbeschwerde, DÖD 2000, 273, 276). Nach § 26 Abs. 2 DRiG umfasst die Dienstaufsicht, soweit nicht die Unabhängigkeit des Richters beeinträchtigt wird, auch die Befugnis, die ordnungswidrige Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts vorzuhalten und zu ordnungsgemäßer, unverzögerter Erledigung der Amtsgeschäfte zu ermahnen. Ist die Dienstaufsicht führende Stelle der Auffassung, dass Vorhalt oder Ermahnung nicht genügen, kann der Richter auch disziplinar zur Verantwortung gezogen werden (vgl. dazu im Einzelnen Schmidt-Räntsch, DRiG, Kommentar, 5. Aufl. 1995, § 26 Rdnr. 26 und 29 sowie vor § 63 Rdnr. 10). Diese Regelungen verleihen dem Kläger jedoch keine subjektiven Rechte, so dass er weder ein Einschreiten der Dienstbehörde noch eine gerichtliche Überprüfung erzwingen kann. Im Übrigen ist der Beklagte dem Begehren des Klägers insoweit nachgekommen, als er veranlasst hat, dass der Präsident des Landgerichts C. mit dem betreffenden Richter ein Gespräch geführt hat, in dem – soweit nicht der Bereich der richterlichen Unabhängigkeit betroffen ist – die im Schreiben vom 11. Mai 2000 angeführten „Fehlleistungen“ erörtert worden sind. Damit hat sich die von dem Kläger erhobene Leistungsklage objektiv erledigt, so dass für eine Weiterverfolgung seines Begehrens das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Aber selbst wenn man keine Erledigung der Hauptsache annehmen sollte, würde dies dem Kläger nicht weiterhelfen. Denn die Klage ist auch – worauf das Verwaltungsgericht hilfsweise zutreffend hingewiesen hat – in der Sache unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 15.5.1992, NJW 1992, 3033 [BVerfG 15.05.1992 - 1 BvR 1553/90]) und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 13.11.1990, NJW 1991, 1936) rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass die Behandlung der Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 17 GG genügt. Darauf nimmt der Senat Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Es ist allgemein anerkannt, dass Dienstaufsichtsbeschwerden zu den Petitionen im Sinne des Art. 17 GG gehören (vgl. BVerwG, Beschl.v . 1.9.1976, NJW 1977, 118 [BVerwG 01.09.1976 - BVerwG VII B 101.75]; OVG Rhl.-Pf., Beschl. v. 20.11.1996 – 7 E 13031/96 -, zit. n. juris; Rauball, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Komm., Bd. 1, 5. Aufl., Art. 17 Rdnr. 10; Brenner, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Bonner Grundgesetz, Komm., Bd. 1, 4. Aufl., Art. 17 Rdnr. 25). Zwar verpflichtet Art. 17 GG die zuständigen Stellen zur Kenntnisnahme, sachlicher Prüfung und Bescheidung der bei ihnen eingereichten Bitten und Beschwerden, doch besteht kein Anspruch auf Entscheidung in der Sache oder gar im Sinne des Petenten (vgl. dazu die zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung). Diese Begrenzung des Petitionsrechts wirkt sich auch auf die gerichtliche Kontrolle aus. Gegenstand eines solchen Verfahrens ist nämlich nicht das mit der Petition verfolgte Sachanliegen, sondern allein der Anspruch auf die gebotene Behandlung und Beantwortung der Eingabe. Dies bedeutet, dass Art und Umfang der sachlichen Prüfung des Petitionsanliegens nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegen (so ausdrücklich BVerfG, Beschl. v. 15.5.1992, a.a.O.). Dabei besteht kein Unterschied zwischen Parlamentspetitionen und Dienstaufsichtsbeschwerden. Dies verkennt der Kläger, wenn er rügt, dass das Schreiben des Beklagten vom 11. Mai 2000 seinem Ansinnen nicht gerecht und eine völlig untaugliche Maßnahme ergriffen werde.
2. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Rechtssache weder besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch ihr grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Insbesondere sind die entscheidungserheblichen Rechtsfragen in der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt.
3. Ebenso wenig liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor. Es bestehen keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Berechtigung der Behauptung des Klägers, der entscheidende Einzelrichter sei möglicherweise voreingenommen gewesen. Dass dieser die Personalakten des Klägers angefordert hat, mag diese Annahme nicht zu rechtfertigen. Der Einzelrichter hat plausibel dargelegt, dass die Anforderung auf einem Versehen beruht habe, da er irrtümlich davon ausgegangen sei, dass sich der streitige Vorfall aus dem Jahre 1998 auch in den Personalakten des Klägers niedergeschlagen habe.