Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.10.2023, Az.: 1 OA 117/23

Fortsetzungsfeststellungsklage; Stilllegungsverfügung; Streitwert; Streitwert für Feststellungsklage gegen Stilllegungsverfügung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.10.2023
Aktenzeichen
1 OA 117/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 38476
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1020.1OA117.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 17.07.2023 - AZ: 4 A 2045/21

Fundstelle

  • NordÖR 2023, 674

Amtlicher Leitsatz

Die Praxis, den Streitwert für die Klage gegen eine Stilllegungsanordnung mit der Hälfte Streitwerts für eine Nutzungsuntersagung zu beziffern ist gerechtfertigt, da Stilllegungsverfügungen dem Bauherrn zwar eine geldwerte Nutzung versperren, dies jedoch im Unterschied zu einer Nutzungsuntersagung schon, bevor er die untersagten Baumaßnahmen abgeschlossen hat, was typischerweise mit weiteren Kosten verbunden wäre.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 17. Juli 2023 teilweise geändert.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für den Zeitraum bis zum 28. Februar 2022 auf 13.320 EUR, für den Zeitraum danach auf 6.660 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG durch den Einzelrichter zu entscheiden ist, hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

1.

Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, den Streitwert für den Zeitraum, in dem die Klägerin lediglich noch ihr Fortsetzungsfeststellungsbegehren verfolgt hat, zu erhöhen. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Streitwertkatalog in der für vor dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren geltenden Fassung (NdsVBl. 2002, 192) angewandt, da das Klageverfahren beim Verwaltungsgericht am 11. Mai 2021 eingegangen ist. Die Orientierung der Streitwertfestsetzung an Streitwertkatalogen beinhaltet notwendigerweise Pauschalierungen, die im Interesse der Vorhersehbarkeit der anfallenden Anwalts- und Gerichtskosten für die Beteiligten sowie der Überschaubarkeit des im Rahmen der Nebenentscheidungen zu leistenden Ermittlungs- und Beratungsaufwands aber hinzunehmen sind. Da der Streitwertkatalog auf das Eingangsdatum des in Rede stehenden Verfahrens abstellt, ist unerheblich, wie lange dieses gedauert hat und wer für die Dauer verantwortlich ist.

Der Einzelrichter sieht keinen Anlass, bei der Streitwertfestsetzung von der im Streitwertkatalog a.F. niedergelegten Praxis, das nach § 52 Abs. 1 GKG maßgebliche Interesse eines Klägers an der Aufhebung einer Stilllegungsanordnung mit der Hälfte des Jahresnutzwertes zu beziffern, abzurücken. Diese ist bei der gebotenen pauschalierenden Betrachtungsweise gerechtfertigt, da Stilllegungsverfügungen dem Bauherrn zwar eine geldwerte Nutzung versperren, dies jedoch im Unterschied zu einer Nutzungsuntersagung schon, bevor er die untersagten Baumaßnahmen abgeschlossen hat, was typischerweise mit weiteren Kosten verbunden wäre.

Auch der im Streitwertkatalog a.F. niedergelegten Praxis, das Fortsetzungsfeststellungsinteresse des Klägers mit der Hälfte des Aufhebungs- (Anfechtungssituation) bzw. Vornahmeinteresses (Verpflichtungssituation) zu veranschlagen, fehlt die Sachgerechtigkeit nicht in einer Weise, dass sich eine Anwendung verböte. Die genannte Praxis trug dem Gedanken Rechnung, dass das Fortsetzungsfeststellungsinteresse in der Regel ein minus gegenüber dem Aufhebungs- bzw. Vornahmeinteresse ist. Gerade bei der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses spricht die Unsicherheit, ob die weiteren Anspruchsvoraussetzungen neben der Rechtswidrigkeit (insbes. behördliches Verschulden) vorliegen, dagegen, das Fortsetzungsfeststellunteresse mit dem Aufhebungs- bzw. Vornahmeinteresse gleichzusetzen. Das gilt gerade auch im vorliegenden Fall: Die hier entscheidende Frage, ob die Baumaßnahmen der Klägerin die Identität des Vorhabens veränderten, hätte gut vertretbar auch zu deren Lasten beantwortet werden können, wie dies das Verwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ja auch getan hat. Ausschlaggebend waren letztlich Wertungsgesichtspunkte. Angesichts dessen dürfte es der Klägerin schwerfallen, dem Beklagten in einem etwaigen Amtshaftungsprozess ein Verschulden nachzuweisen. Dass der Senat in seinem für ab dem 1. Juni 2021 eingegangene Verfahren anwendbaren Streitwertkatalog (NdsVBl. 2021, 247) dazu übergegangen ist, auf einen Abschlag für den Übergang von der Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungklage zu verzichten, trägt dem Interesse an einer Vereinheitlichung der bundesweiten Festsetzungspraxis sowie an der Vermeidung geteilter Streitwertfestsetzungen (s.u.) Rechnung und ist damit ebenso vertretbar wie die frühere Praxis, jedoch keineswegs zwingend.

2.

Zu ändern ist die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts allerdings deshalb, weil sie nicht berücksichtigt, dass die Klägerin erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vom Anfechtungs- zum Fortsetzungsfeststellungsbegehren übergegangen ist. Für Gebührentatbestände, die bereits in der ersten Prozessphase verwirklicht wurden, ist der Streitwert für eine Anfechtungsklage maßgeblich; dem ist durch eine geteilte Streitwertfestsetzung Rechnung zu tragen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).