Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.10.2023, Az.: 5 ME 51/23

Bewerbungsverfahrensanspruch; Erledigung; Ernennung; Rechtsschutzbedürfnis; Rechtsschutzbedürfnis: Wegfall; Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes; Bewerbungsverfahrensanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.10.2023
Aktenzeichen
5 ME 51/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 37849
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1017.5ME51.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 22.05.2023 - AZ: 5 B 110/22

Fundstellen

  • DÖV 2024, 76
  • NVwZ-RR 2024, 163
  • NordÖR 2023, 673-674

Amtlicher Leitsatz

Der Bewerbungsverfahrensanspruch des bei der Auswahlentscheidung unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG geht durch die Ernennung des ausgewählten Bewerbers unter, wenn diese das Auswahlverfahren endgültig abschließt. Der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit erledigt sich grundsätzlich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle. Ein unterlegener Bewerber kann seinen Bewerbungsverfahrensanspruch allenfalls durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen (Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes).

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 22. Mai 2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens; die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird unter Änderung der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Streitwertfestsetzung für den ersten Rechtszug auf 24.580,80 EUR festgesetzt. Für den zweiten Rechtszug wird der Streitwert auf 25.269,06 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für das mit der Beschwerde weiterverfolgte Begehren des Antragstellers, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, vor einer erneuten Auswahlentscheidung den Beigeladenen auf eine der streitgegenständlichen 24 Beförderungsplanstellen der Besoldungsgruppe A 10 zu befördern, ist aufgrund der zum 1. Juni 2023 erfolgten Ernennung des Beigeladenen zum Polizeioberkommissar entfallen.

Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat sich durch die Ernennung des Beigeladenen prozessual überholt. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des bei der Auswahlentscheidung unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG geht durch die Ernennung des ausgewählten Bewerbers unter, wenn diese das Auswahlverfahren endgültig abschließt. Dies ist regelmäßig der Fall, weil die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, so dass das Amt unwiderruflich vergeben ist. In diesen Fällen bleibt dem unterlegenen Bewerber sowohl die erfolgreiche Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes als auch primärer Rechtsschutz in der Hauptsache grundsätzlich versagt. Der um eine Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit erledigt sich grundsätzlich mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle. Ein unterlegener Bewerber kann seinen Bewerbungsverfahrensanspruch allenfalls durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2.5.2016 - 2 BvR 120/16 -, juris Rn. 5 m. w. N., Beschluss vom 16.12.2015 - 2 BvR 1958/13 -, juris Rn. 57, Beschluss vom 24.9.2007 - 2 BvR 1586/07 -, juris Rn. 9; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 27, Beschluss vom 11.5.2009 - BVerwG 2 VR 1.09 -, juris Rn. 2, Beschluss vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, juris Rn. 16; Nds. OVG, Beschluss vom 20.2.2015 - 5 ME 3/15 -, n. v. [Beschlussabdruck S. 4]).

Der Antragsteller trägt keine Gründe für ein trotz prozessualer Überholung der angegriffenen Entscheidung fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis vor; solche sind auch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen folgt die Entscheidung aus § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Beschwerdeverfahren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil er weder einen eigenen Antrag gestellt - und damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt war (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) - oder das Verfahren gefördert hat.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (5. Juni 2023) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 -, juris Rn. 30 m. w. N.) der Besoldungsgruppe A 10 in Höhe von 4.110,12 EUR (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1, Abs. 2 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes - NBesG - in Verbindung mit der dortigen Anlage 5). Hinzu tritt die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 NBeamtVG ruhegehaltfähige Allgemeine Stellenzulage gemäß § 38 NBesG in Verbindung mit den dortigen Anlagen 9 (Nr. 2) und 10 in Höhe von 101,39 EUR. Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 25.269,06 EUR (4.211,51 EUR x 6); eine Reduzierung für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28).

Die Streitwertfestsetzung für den ersten Rechtszug folgt aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG. Im Zeitpunkt der Einleitung des ersten Rechtszugs (24. November 2022) betrug das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 10 3.998,17 EUR und die Allgemeine Stellenzulage 98,63 EUR, so dass der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren 24.580,80 EUR beträgt. Er war gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen entsprechend zu ändern.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).