Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.10.2023, Az.: 1 KN 168/20
Bestandsschutz; Dienstleistungsrichtlinie; Einzelhandel; Einzelhandel; Ausschluss; Einzelhandel, zentrenrelevant; Einzelhandels- und Zentrenkonzept; Einzelhandelskonzept; Fachmarktzentrum; Gewerbegebiet; großflächig; Großflächigkeit; Sonderstandort; Sortiment; zentrenrelevant; Beschränkung zentrenrelevanten Einzelhandels auf zentrale Versorgungsbereiche
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.10.2023
- Aktenzeichen
- 1 KN 168/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2023, 44084
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:1204.1KN168.20.00
Rechtsgrundlagen
- AEUV Art. 49
- BauGB § 1 Abs. 6 Nr. 11
- BauGB § 1 Abs. 7
- GG Art. 3 Abs. 1
Fundstellen
- BauR 2024, 480-483
- DÖV 2024, 244
- NVwZ-RR 2024, 587
- NordÖR 2024, 66-69
- ZfBR 2024, 56-58
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Beschränkung zentrenrelevanten Einzelhandels auf zentrale Versorgungsbereiche verstößt nicht gegen die Dienstleistungsrichtlinie (Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG).
- 2.
Soweit das Einzelhandels- und Zentrenkonzept 2011 der Landeshauptstadt Hannover vorsah, zentrenrelevanten Einzelhandel an zentrenfernen Sonderstandorten auf den Bestandsschutz einer bestehenden Baugenehmigung zu beschränken, begegnet die Umsetzung dieses Grundsatzes im Rahmen der Bauleitplanung grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken.
Tenor:
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Antragstellerin wendet sich gegen die 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 1369, weil diese zentrenrelevanten Einzelhandel auf den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken ausschließt.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke F. in Hannover-Lahe, die mit Einzelhandelsimmobilien bebaut sind. Gegenwärtig genutzt werden die Gebäude durch einen Tierfachmarkt, einen Drogeriemarkt sowie ein Fahrradgeschäft; ein Ladengeschäft steht leer. Die Antragstellerin möchte auf ihren Grundstücken einen großflächigen Lebensmittelmarkt oder ein Marken-Outlet, alternativ einen nicht großflächigen Non-Food-Discounter und einen ebenfalls nicht großflächigen Bio-Supermarkt ansiedeln. Verschiedene Bauvoranfragen aus den Jahren 2018 hat die Antragsgegnerin abgelehnt; hinsichtlich der nicht großflächigen Märkte sind diese Gegenstand eines anhängigen Klageverfahrens (VG Hannover, 4 A 5015/20).
Die im Nordosten der Stadt unmittelbar an der Stadtgrenze zur Gemeinde Isernhagen, Ortsteil Altwarmbüchen, gelegenen Grundstücke der Antragstellerin sind Teil eines gemeindegrenzenübergreifenden Gewerbegebiets ("Fachmarktzentrum Lahe/Altwarmbüchen"), das durch - auch großflächigen - Einzelhandel mit zentren- und nicht zentrenrelevanten Sortimenten geprägt ist. In der Nachbarschaft befinden sich unter anderem drei großflächige Möbelmärkte, ein Baumarkt, ein Einkaufszentrum mit etwa 24.000 qm Verkaufsfläche ("A2-Center" mit u.a. ehemals Real/heute Kaufland, Saturn, Rossmann, Smyths Toys, C&A, CB Mode, Esprit, Deichmann, Intersport, Reno) sowie zahlreiche weitere Fachmärkte. Das Gebiet grenzt im Südosten an die Autobahn 2 mit der nahegelegenen Abfahrt Hannover-Lahe. Die nächstgelegenen verdichteten Wohnsiedlungen befinden sich in einer Entfernung von deutlich mehr als 500 m in Isernhagen-Altwarmbüchen sowie - getrennt durch die Autobahn - in Hannover-Lahe und Bothfeld.
Der zum Stadtgebiet der Antragsgegnerin gehörende Teil des Gewerbegebiets liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 1369, dessen Ursprungsfassung im Jahr 2001 rechtsverbindlich wurde. Der Plan setzt für die südlich der Straße Varrelheide liegenden Grundstücke - darunter die Grundstücke der Antragstellerin - ein Sondergebiet "Gewerbe und Einzelhandel" fest, in dem Einzelhandelsbetriebe ohne Größen- und Sortimentsbeschränkungen zulässig sind. Für das nur teilweise im Stadtgebiet liegende Einkaufszentrum setzt der Plan ein entsprechendes Sondergebiet mit einer gebietsbezogen formulierten Verkaufsflächenbeschränkung auf 10.000 qm (zzgl. 34.000 qm im Gebiet der Gemeinde Isernhagen) fest. Die im Jahr 2006 rechtsverbindlich gewordene 1. Änderung sowie die 2. Änderung aus dem Jahr 2012 trugen der Absicht eines Investors Rechnung, das Einkaufszentrum umzubauen und ergänzend einen Möbelmarkt zu errichten. Grenzübergreifend waren danach (unter anderem) ein Einkaufszentrum ohne Sortimentsbeschränkungen mit etwa 24.000 qm und ein Möbelmarkt mit etwa 40.000 qm Verkaufsfläche möglich. Beides wurde realisiert. Die Festsetzungen für das Grundstück der Antragstellerin blieben unverändert.
Zwischenzeitlich, im Jahr 2011, hatte der Rat der Antragsgegnerin das "Einzelhandels- und Zentrenkonzept für die Landeshauptstadt Hannover" beschlossen. Das Konzept sieht eine Konzentration des zentrenrelevanten Einzelhandels auf im Einzelnen definierte Zentren vor. An anderer Stelle soll zentrenrelevanter Einzelhandel ausgeschlossen werden, um die Zentren zu stärken. Den Standort Varrelheide stuft das Konzept als - planerisch unerwünschten - Sonderstandort für Einzelhandel ein, wo lediglich eine Bestandssicherung, aber kein weiterer Einzelhandel ermöglicht werden solle.
Im Jahr 2017 gab es Bestrebungen, auf einem den Grundstücken der Antragstellerin benachbarten Grundstück einen nach dem Bebauungsplan Nr. 1369 zulässigen großflächigen Lebensmittel-Discounter anzusiedeln. Die Antragsgegnerin nahm dies zum Anlass für die hier streitgegenständliche 3. Planänderung, die zunächst auf einen Ausschluss nur von Lebensmitteleinzelhandel, nach einem Hinweis der Region Hannover auf § 1 Abs. 4 BauGB dann auf den Ausschluss von großflächigem zentrenrelevanten Einzelhandel und schließlich - nach Eingang der Bauanträge der Antragstellerin - von jeglichem zentrenrelevantem Einzelhandel gerichtet war. Während der Öffentlichkeitsbeteiligung äußerte sich die Antragstellerin ablehnend und verwies insbesondere auf eine Ungleichbehandlung gegenüber dem A2-Center, ihre Interessen als Eigentümerin und die Vereinbarkeit der Ansiedlung auch großflächigen zentrenrelevanten Einzelhandels mit dem Raumordnungsrecht. Der Rat der Antragsgegnerin wies diese Einwendungen am 23. April 2020 zurück und fasste den Satzungsbeschluss. Mit der Veröffentlichung im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover am 14. Mai 2020 trat der Plan in Kraft.
In ihrem Geltungsbereich, der etwa zwei Drittel der südlich der Straße Varrelheide gelegenen Grundstücke erfasst, schließt die 3. Planänderung Einzelhandelsbetriebe mit im Einzelnen definierten zentrenrelevanten Sortimenten aus, soweit es sich nicht lediglich um Randsortimente handelt. Die Begründung bezieht sich auf Erfordernisse der Raumordnung sowie das Einzelhandelskonzept. Angesichts von Leerständen u.a. auf einem 9.000 qm großen Grundstück und drohenden Neuansiedlungen von zentrenrelevantem Einzelhandel müsse eine Verschlechterung der Situation vermieden werden. Gegenwärtig seien im Plangebiet nur drei zentrenrelevante Einzelhandelsbetriebe, darunter der Drogeriemarkt auf dem Grundstück der Antragstellerin, vorhanden, deren Nutzungen zukünftig lediglich noch Bestandsschutz genössen. Es bleibe aber ausreichend Raum, um die Grundstücke für nicht zentrenrelevanten Einzelhandel und Gewerbe zu nutzen. Zu den Einwänden der Antragstellerin führte die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung aus, eine Ungleichbehandlung gegenüber dem A2-Center liege nicht vor; im Jahr 2012 habe man keine weitergehende Reduzierung des zentrenrelevanten Einzelhandels vornehmen können. Das raumordnungsrechtliche Integrationsgebot verbiete die Ansiedlung weiteren zentrenrelevanten Einzelhandels, zumal das Entstehen einer Agglomeration drohe.
Die Antragstellerin hat am 14. Dezember 2020 Normenkontrollantrag gestellt und zu dessen Begründung zunächst nur geltend gemacht, die Antragsgegnerin messe bei ihrer Planung mit zweierlei Maß. Während sie im Bereich des A2-Centers weiterhin zentrenrelevanten Einzelhandel zulasse, entziehe sie ihr diese Möglichkeit. Das widerspreche auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache "Visser". Mit der ergänzenden Antragsbegründung vom 19. Oktober 2021 trägt die Antragstellerin vor, der Plan sei abwägungsfehlerhaft, weil sich die Antragsgegnerin in Widerspruch zu ihrem eigenen Einzelhandelskonzept setze. Das Konzept sehe vor, dass am Standort Varrelheide der vorhandene (bauplanungsrechtliche) Bestand gesichert werden solle. Entsprechend sei sie auch hinsichtlich des A2-Centers verfahren, wo noch die 2. Änderung aus dem Jahr 2012 die Grundlagen für den vorhandenen großflächigen Einzelhandel geschaffen habe. Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung ausgeführt habe, das Landesraumordnungsprogramm (LROP) 2017, konkret das Integrationsgebot und das Beeinträchtigungsverbot, seien zu berücksichtigen gewesen, treffe das nicht zu. Das Integrationsgebot enthalte Ausnahmetatbestände, die erfüllt seien; es handele sich insofern um einen "Erhalt gewachsener Strukturen". Das Beeinträchtigungsverbot sei nicht berührt. In der Abwägung heiße es, es stehe außer Frage, dass zusätzlicher zentrenrelevanter Einzelhandel im Plangebiet von den benachbarten Standorten Kaufkraft abziehen werde. Das reiche nicht aus und rechtfertige insbesondere keine Planung zum Schutz des A2-Centers. Schließlich liege ein Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG vor. Es fehle entweder an einem kohärenten Einzelhandelskonzept oder aber an der gebotenen Wettbewerbsneutralität der Planung.
Die Antragstellerin beantragt,
festzustellen, dass der vom Rat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 1369, 3. Änderung, bekannt gemacht im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover vom 14. Mai 2020, unwirksam ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Mit der angegriffenen 3. Änderung entspreche sie den Zielen der Raumordnung. Insbesondere das Integrationsgebot lasse die Ansiedlung großflächigen zentrenrelevanten Einzelhandels nicht zu. Ausnahmemöglichkeiten seien nicht einschlägig; der Standort liege nicht im Zusammenhang mit Wohnbebauung, und im Stadtgebiet gebe es zahlreiche Standortalternativen. Mit der Planung verfolge sie konsequent ihr Einzelhandelskonzept, nach dem jeglicher zentrenrelevanter Einzelhandel in den Zentren zu konzentrieren sei. Ein solches Zentrum sei der Standort Varrelheide nicht. Bestandssicherung bedeute insofern nicht Pflege des Einzelhandelsstandorts, sondern eine Beschränkung auf den tatsächlich vorhandenen genehmigten Bestand. Eine unzulässige Ungleichbehandlung gegenüber dem A2-Center und ein Verstoß gegen die Dienstleistungsrichtlinie lägen nicht vor. Mit der 2. Änderung aus dem Jahr 2012, die weiterhin zentrenrelevanten Einzelhandel im Bereich des A2-Centers ermögliche, habe sie der Tatsache Rechnung getragen, dass der Grundstückseigentümer im Besitz einer Baugenehmigung für ein weit größeres Einkaufszentrum mit 44.000 qm Verkaufsfläche gewesen sei. Deren Ausnutzung habe man mit der 2. Änderung, die einen großen Möbelmarkt bei Verkleinerung des Einkaufszentrums ermöglicht habe, verhindern können. Eine gänzliche Rücknahme der im Jahr 2006 ermöglichten Einzelhandelsnutzungen habe aufgrund von § 42 Abs. 2 BauGB im Jahr 2012 noch nicht erfolgen können. Eine vergleichbare Situation liege im Plangebiet der 3. Änderung nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der zulässige Normenkontrollantrag ist unbegründet.
Die Planung ist frei von beachtlichen Abwägungsfehlern. Das in § 1 Abs. 7 BauGB verankerte Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = juris Rn. 29). Zur Unwirksamkeit des Plans führen Mängel im Abwägungsvorgang nur, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB). Hiernach beachtliche Mängel im Abwägungsvorgang werden nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Gemessen daran ist der angegriffene Bebauungsplan nicht zu beanstanden.
I.
Binnen Jahresfrist hat die Antragstellerin allein geltend gemacht, der Bebauungsplan entziehe ihr die Möglichkeit, zentrenrelevanten Einzelhandel anzusiedeln, während ein vergleichbares Verbot für die benachbarte Fläche des A2-Centers nicht ausgesprochen werde. Damit verstoße die Antragsgegnerin gegen das Gebot, eine kohärente und wettbewerbsneutrale Einzelhandelsplanung zu betreiben. Das überzeugt nicht. Zutreffend betont die Antragstellerin zwar, dass sich die Bauleitplanung als Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen muss. Vergleichbare Anforderungen ergeben sich für die spezifisch auf die Steuerung des Einzelhandels abzielende 3. Änderung aus Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Abl. L 376/36 v. 27.12.2006) und der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV, die die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit enthalten (vgl. EuGH, Urt. v. 30.1.2018 - Rs. C-360/15 und C-31/16 -, Rn. 132). Nicht diskriminierende, d.h. unterschiedslos wirkende beeinträchtigende Maßnahmen können gerechtfertigt sein, wenn die mit der Maßnahme verfolgten Ziele zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen und der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist, d.h. die Maßnahmen geeignet sind, die Erreichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - 4 C 8.10 -, BVerwGE 138, 301 = BRS 76 Nr. 1 = juris Rn. 22). Regelungen eines Bebauungsplans zur Steuerung des Einzelhandels müssen vor diesem Hintergrund wettbewerbsneutral und von hinreichend gewichtigen städtebaulichen Gründen getragen sein. Das ist der Fall.
1.
Mit dem Ausschluss zentrenrelevanten Einzelhandels verfolgt die Antragsgegnerin ihr im Jahr 2011 beschlossenes Einzelhandels- und Zentrenkonzept. Das Konzept definiert - den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung entsprechend - verschiedene über das gesamte Stadtgebiet verteilte, hierarchisch gestufte Zentren ("zentrale Versorgungsbereiche"), die ein vielfältiges und attraktives Einzelhandelsangebot in direkter Nachbarschaft zu Wohnstätten sicherstellen und zugleich für eine Belebung auch außerhalb der Geschäftszeiten sorgen sollen (Einzelhandelskonzept, S. 3 f. und näher S. 18 ff.). Zu deren Schutz soll zentrenrelevanter Einzelhandel außerhalb der Zentren grundsätzlich nicht mehr angesiedelt werden (Einzelhandelskonzept, S. 24 f.). Soweit an verschiedenen Standorten außerhalb der Zentren bereits Einzelhandel angesiedelt ist, soll lediglich eine Bestandssicherung ohne Zulassung weiteren Einzelhandels erfolgen (Einzelhandelskonzept, S. 28).
Dieses Konzept ist sowohl verfassungs- als auch europarechtlich nicht zu beanstanden. Die Definition zentrenprägender Einzelhandelsbetriebe und deren Konzentration in zentralen Versorgungsbereichen in integrierter Lage zielt auf eine lebendige und lebenswerte Stadt mit kurzen Wegen. In Verbindung mit sonstigen Dienstleistungen und Gastronomie entstehen Bereiche, an denen städtisches Leben stattfindet und die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger gedeckt werden. Die städtebauliche Integration der Zentren in ihre Umgebung dient der Vermeidung unnötiger Verkehre, insbesondere mit dem Pkw, und damit dem Umwelt- und Klimaschutz. Eine unbeschränkte Ansiedlung von zentrenrelevantem Einzelhandel an zentrenfernen Standorten birgt dagegen die Gefahr, dass Kaufkraft abfließt, Geschäfte schließen und Zentren veröden. Das gefährdet die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung und erzeugt Verkehr insbesondere mit Kraftfahrzeugen. Im Ergebnis werden die städtische Lebensqualität und die Umwelt beeinträchtigt. Die im Einzelhandels- und Zentrenkonzept definierten Ansiedlungsregeln sind vor diesem Hintergrund geeignet, erforderlich und angemessen, um städtebauliche und umweltpolitische Ziele von höchstem Gewicht zu verfolgen. Sie sind zudem rechtlich wie tatsächlich wettbewerbsneutral, weil sie auf den Schutz der Zentren unabhängig von den dort konkret vorhandenen Betrieben abstellen.
2.
Auch die konkrete Umsetzung des Konzepts im Rahmen der 3. Änderung (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 11 und Abs. 7 BauGB) begegnet entgegen der Auffassung der Antragstellerin keinen Bedenken. Eine gleichheitswidrige bzw. wettbewerbsbeeinflussende Umsetzung ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Antragsgegnerin zentrenrelevanten Einzelhandel auf dem Grundstück des A2-Centers nicht ebenfalls ausgeschlossen hat.
Veranlasst ist die vorliegende Planung durch konkrete Ansiedlungsabsichten im Plangebiet. Auf einem benachbarten Grundstück sollte ein großflächiger Lebensmittel-Discounter entstehen; auch für die Grundstücke der Antragstellerin gab bzw. gibt es Pläne für zentrenrelevanten Einzelhandel. Vergleichbare Absichten zur Nutzung zusätzlicher Flächen für zentrenrelevanten Einzelhandel im Gebiet des A2-Centers sind nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund begegnet es mit Blick auf die oben genannten europa- und verfassungsrechtlichen Grundsätze keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin die 3. Planänderung auf die Grundstücke südlich der Straße Varrelheide beschränkt hat, die "in Bewegung" geraten waren. Weder der Grundsatz der Wettbewerbsneutralität noch der Gleichheitssatz gebieten es, ein planerisches Konzept ohne Rücksicht auf konkrete Veränderungsabsichten stadtweit in alle Pläne einfließen zu lassen. Vielmehr darf die planende Gemeinde abwarten, bis sich eine konkrete Planungsnotwendigkeit zeigt. Das gilt nach überzeugenden Ausführungen des verantwortlichen Stadtplaners der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung besonders in diesem Fall, in dem eine Erstreckung des Plangebiets auf das A2-Center wegen dessen grenzüberschreitender Lage einen qualifizierten Abstimmungsbedarf mit der Nachbargemeinde Isernhagen ausgelöst hätte. Diesen Aufwand musste die Antragsgegnerin ohne konkreten Anlass nicht auf sich nehmen. Mit den Plansicherungsvorschriften der §§ 14, 15 BauGB steht - das zeigt auch dieser Fall - ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung, um eine anlassbezogene spätere Planung gegen unerwünschte Veränderungen zu sichern.
Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin ihr Einzelhandels- und Zentrenkonzept nicht konsequent verfolgt oder mit der 3. Änderung gar einen Schutz des A2-Centers vor wirtschaftlicher Konkurrenz bezweckt, sieht der Senat entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht. Soweit diese vorbringt, der Bestandsschutz, den das Einzelhandels- und Zentrenkonzept für den Standort Varrelheide vorsehe, sei als "aktiver" Bestandsschutz im Sinne einer Sicherung des bauplanungsrechtlich zulässigen Bestands zu verstehen, das zeige auch die planerische Behandlung des A2-Centers im Jahr 2012, trifft das nicht zu. Die Aussage "Bestandssicherung, kein weiterer Einzelhandel" ist vielmehr in der gebotenen Zusammenschau mit den sonstigen Ausführungen des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts so zu verstehen, dass jeglicher Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten über den tatsächlich vorhandenen Bestand hinaus ausgeschlossen werden soll (vgl. insbes. Einzelhandelskonzept, S. 24). Nur eine solche Auslegung entspricht der Zielsetzung, zentrenrelevanten Einzelhandel in den zentralen Versorgungsbereichen zu konzentrieren. Wäre die Neuansiedlung von zentrenrelevantem Einzelhandel weiterhin auch außerhalb möglich, wäre mit einem unerwünschten zusätzlichen Kaufkraftabfluss zu rechnen. Zudem steht das Einzelhandels- und Zentrenkonzept in Bezug auf großflächigen Einzelhandel nur mit diesem Verständnis mit dem Landesraumordnungsprogramm - und zwar sowohl in seiner Fassung vom 8. Mai 2008 (Nds. GVBl. S. 132 ff.) als auch in seiner aktuellen Fassung vom 26. September 2017 (Nds. GVBl. S. 378 ff., geändert durch Verordnung v. 7.9.2022, Nds. GVBl. S. 521 ff.) - in Einklang. Das Integrationsgebot des Plansatzes Nr. 2.3 (03) LROP 2008 (Nr. 2.3 (05) LROP 2017) gestattet neue Einzelhandelsgroßprojekte mit zentrenrelevantem Sortiment nur in städtebaulich integrierten Lagen (vgl. zum Begriff des LROP 2008 Senatsbeschl. v. 17.5.2013 - 1 ME 56/13 -, juris Rn. 29 ff.; v. 29.9.2014 - 1 MN 102/14 -, BauR 2015, 232 = BRS 82 Nr. 11 = juris Rn. 26). Solche Lagen stellen die im Einzelhandelskonzept (S. 28) dargestellten Sonderstandorte allesamt nicht dar.
3.
Ein anderes Ergebnis ergäbe sich auch dann nicht, wenn man die angegriffene 3. Planänderung ungeachtet des zeitlichen Abstands und der zwischenzeitlich veränderten Sachlage im Zusammenhang mit der 2. Planänderung aus dem Jahr 2012 betrachten wollte. Soweit diese Planänderung für das Grundstück des A2-Centers weiterhin großflächigen Einzelhandel mit zentrenrelevanten Sortimenten gestattet, hat die Antragsgegnerin die Gründe dafür erläutert. Erstens habe der Eigentümer bereits über eine Baugenehmigung für ein Einkaufszentrum mit 44.000 qm Verkaufsfläche verfügt, sodass es im Hinblick auf die Zielsetzungen des Einzelhandelskonzepts sinnvoll gewesen sei, den Bebauungsplan so zu ändern, dass der Eigentümer seine alternative Vorstellung - Einkaufszentrum mit "nur" rund 24.000 qm und zusätzlich ein - im Wesentlichen nicht zentrenrelevanter - Möbelmarkt mit 40.000 qm - verwirklichen konnte (vgl. auch die Begründung zur 2. Änderung, S. 4). Die zentrenrelevante Einzelhandelsfläche habe sich so reduziert. Zweitens sei es - da der Vorgängerplan erst im Jahr 2006 in Kraft getreten sei - aufgrund von § 42 Abs. 2 BauGB nicht möglich gewesen, die zentrenrelevante Verkaufsfläche entschädigungslos zu reduzieren. Das beides unterscheidet die Planung für das A2-Center von der hier vorliegenden Planung; beide Unterschiede rechtfertigen schon für sich genommen und erst recht in der Zusammenschau die unterschiedlichen einzelhandelsbezogenen Festsetzungen.
Soweit die Antragstellerin dem in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten hat, die Antragsgegnerin habe den Ablauf der Frist des § 42 Abs. 2 BauGB und das weitere Verhalten des Investors abwarten können, ein Entgegenkommen sei insoweit nicht erforderlich gewesen, hätte auch das möglicherweise eine Handlungsoption sein können. Art. 3 Abs. 1 GG und das Abwägungsgebot zwingen die Antragsgegnerin jedoch nicht, einen bestimmten Weg zu wählen, wenn sachliche Gründe von erheblichem Gewicht - solche hat die Antragsgegnerin ins Feld geführt - für einen anderen Weg sprechen.
II.
Auch im Übrigen ist ein - von § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB nicht erfasster - Mangel im Abwägungsergebnis weder dargetan ersichtlich. Ein solcher Mangel liegt nur dann vor, wenn die getroffenen Festsetzungen so schlechthin, mit keiner Begründung, hätten abwägungsfehlerfrei beschlossen werden können (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschl. v. 20.11.2019 - 1 ME 117/19 -, BauR 2020, 220 = juris Rn. 10; Senatsurt. v. 15.6.2023 - 1 KN 122/21 -, ZfBR 2023, 595 = juris Rn. 27). Das ist nicht der Fall.
Die Antragstellerin wendet über die vorgenannten Argumente hinaus ein, der Bebauungsplan leide an einem Abwägungsausfall, weil sich die Antragsgegnerin durch das raumordnungsrechtliche Integrations- und Beeinträchtigungsverbot in ihrer Entscheidung gebunden gesehen habe. Damit macht sie lediglich einen Fehler im Abwägungsvorgang geltend. Ungeachtet dessen hat sich die Antragsgegnerin gemäß § 1 Abs. 4 BauGB zu Recht als verpflichtet angesehen, im Plangebiet großflächigen zentrenrelevanten Einzelhandel auszuschließen, weil dessen Neuansiedlung - wie ausgeführt - jedenfalls dem Integrationsgebot widerspricht. Soweit die Antragstellerin demgegenüber meint, eine Ausnahme nach Plansatz Nr. 2.3 (05) Satz 3 LROP 2017 sei einschlägig, trifft das nicht zu. Die Vorschrift gestattet neue Einzelhandelsgroßprojekte, deren Sortimente zu mindestens 90 vom Hundert periodische Sortimente sind, auf der Grundlage eines städtebaulichen Konzeptes ausnahmsweise auch außerhalb der städtebaulich integrierten Lagen innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes des Zentralen Ortes im räumlichen Zusammenhang mit Wohnbebauung, wenn eine Ansiedlung in den städtebaulich integrierten Lagen aus städtebaulichen oder siedlungsstrukturellen Gründen, insbesondere zum Erhalt gewachsener baulicher Strukturen, der Rücksichtnahme auf ein historisch wertvolles Ortsbild oder aus verkehrlichen Gründen nicht möglich ist. Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor. Weder besteht ein räumlicher Zusammenhang mit Wohnbebauung, noch ist eine Ansiedlung der in der Vorschrift genannten periodischen Sortimente in den städtebaulich integrierten Lagen der Antragsgegnerin nicht möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.