Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.12.2001, Az.: 7 KN 55/01
Deich; Deichschutz; Deichverband; Derogation; geschütztes Gebiet; Grenze; Grenzänderung; Wasserverband
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.12.2001
- Aktenzeichen
- 7 KN 55/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40457
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 11.12.2003 - AZ: BVerwG 7 CN 2.02
Rechtsgrundlagen
- Art 31 GG
- § 23 WVG
- § 24 WVG
- § 6 Abs 3 DeichG ND
- § 9 Abs 3 DeichG ND
- § 7 Abs 3 DeichG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Ermächtigung der oberen Deichbehörde durch §§ 6 Abs. 3, 9 Abs. 3 NDG, die Grenzen des deichgeschützten Gebietes eines Deichverbandes im Sinne von § 7 Abs. 3 NDG durch Verordnung zu bestimmen oder zu ändern, ist mit dem Inkrafttreten des Wasserverbandsgesetztes am 1. Mai 1991 gemäß Art. 31 GG derogiert worden.
Tatbestand:
Der Antragsteller wendet sich als Eigentümer des Grundstücks A. H. 166 bis 176 in O. gegen eine Verordnung der Bezirksregierung Weser-Ems, mit der sie die Grenzen des geschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes neu festgesetzt hat.
Die Bezirksregierung hatte, nachdem das Huntesperrwerk von ihr durch Verordnung vom 16. Oktober 1979 (ABl. RB Weser-Ems S. 1267) deichrechtlich gewidmet worden war, die Verordnung des Präsidenten des Niedersächsischen Verwaltungsbezirkes Oldenburg vom 20. September 1977 (ABl. VB Oldenburg S. 546) über die Festsetzung des geschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes durch Verordnung vom 22. Oktober 1981 (ABl. RB Weser-Ems S. 1013) aufgehoben sowie die seitlichen und rückwärtigen Grenzen des Deichbandes neu festgesetzt, um das im Schutz des Sperrwerks gelegene Gebiet in das Verbandsgebiet des Deichbandes einzubeziehen. Die Verordnung vom 22. Oktober 1981 war von dem Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 27. März 1986 - 3 OVG C 6/84 - mit der Begründung für nichtig erklärt worden, sie bestimme die rückwärtige Grenze des geschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes angesichts der für seine Hauptdeiche maßgebenden Sturmflutwasserstände und des für das H.-Sperrwerk maßgebenden höchsten Tide-Hochwasserstandes rechtswidrig nach der 5 m-Höhenlinie; wegen dieser Wasserstände erscheine allein die 6 m-Höhenlinie als sachlich angemessene Grundlage für eine Bestimmung dieser Grenze.
Die Bezirksregierung hatte daraufhin mit Verordnung vom 28. August 1986 (ABl. RB Weser-Ems S. 952) rückwirkend zum 21. November 1981 die rückwärtige Grenze des II. Oldenburgischen Deichbandes entlang der 6 m-Höhenlinie neu festgesetzt, die seitlichen Grenzen des Deichbandes zum I. Oldenburgischen Deichband sowie zum III. Oldenburgischen Deichband bestimmt und die o.a. Verordnung vom 20. September 1977 aufgehoben. Die Verordnung vom 28. August 1986 war von dem Oberverwaltungsgericht durch Urteile vom 22. Februar 1993 - 3 OVG C 4/86 - und - 3 OVG C 10/88 - ebenfalls für nichtig erklärt worden. Die Bestimmung der Grenze des von Deichen und dem H.-Sperrwerk geschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes beruhe nur zum Teil auf einer gesetzlichen Ermächtigung; die in der Präambel der Verordnung als Rechtsgrundlage angeführten §§ 1, 6 Abs. 1 bis 3 und 9 Abs. 3 des Niedersächsischen Deichgesetzes (NDG) ermächtigten die obere Deichbehörde nicht, die Grenzen des von einem Sperrwerk geschützten Gebietes durch eine Verordnung zu bestimmen.
Nachdem der Landesgesetzgeber mit dem 3. Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Deichgesetzes vom 15. Oktober 1993 (Nds. GVBl. S. 443) § 6 Abs. 2 Satz 1 NDG durch eine Ermächtigung zur Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebietes bei Hauptdeichen durch die Worte "und Sperrwerken" ergänzt hatte, bestimmte die Bezirksregierung Weser-Ems durch Verordnung vom 17. November 1993 (ABl. RB Weser-Ems S. 1299) zur Änderung der o.a. Verordnung vom 20. September 1977 die rückwärtigen Grenzen des geschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes sowie seine seitlichen Grenzen zum I. Oldenburgischen Deichband und zum III. Oldenburgischen Deichband.
Der Landkreis Wesermarsch zog den Antragsteller sodann mit Bescheiden vom 19. August 1994 als Eigentümer/Erbbauberechtigten der Flurstücke ...und ..., ..., ..., ...Flur ...Gemarkung Eversten zur Mitgliedschaft im II. Oldenburgischen Deichband heran, da die Flurstücke in dem durch die Verordnung vom 17. November 1993 erweiterten Gebiet des Deichbandes belegen seien. Der Antragsteller hat nach seinen Angaben Widerspruch gegen diese Bescheide erhoben.
Der Antragsteller hat am 28. Februar 1994 Antrag auf Normenkontrolle wegen dieser Verordnung mit der Begründung gestellt, die Verordnung sei nichtig, da sie gegen höherrangiges Recht verstoße. Ihr fehle insbesondere eine wirksame Ermächtigungsgrundlage, wenn die Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1 und 2, 9 Abs. 1 NDG über die Begründung der Mitgliedschaft in einem Deichverband seit dem Inkrafttreten des Wasserverbandsgesetzes (WVG) im Jahre 1991 nach Art. 31 GG nichtig seien. Das Wasserverbandsgesetz regele abschließend den Erwerb der Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband. Ein Grundstückseigentümer könne Mitglied eines Deichverbandes nur durch seine Heranziehung zu dem Verband durch einen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde, d.h. der unteren Deichbehörde, nicht aber durch die Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebietes mittels einer Verordnung der oberen Deichbehörde werden. Ein Mitglied, das aus einem Verband ausscheiden wolle, habe dementsprechend bei dem Vorstand des Verbandes nach § 24 WVG eine Aufhebung seiner Mitgliedschaft - durch Verwaltungsakt - zu beantragen. Es sei allerdings zweifelhaft, ob das Wasserverbandsgesetz verfassungsgemäß sei. Es könne, soweit es Deichverbände betreffe, nicht auf eine Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 74 oder 75 Nr. 4 GG gestützt werden. Der Bund sei auch nicht kraft Sachzusammenhanges im Hinblick auf die Aufgaben eines Wasser- und Bodenverbandes nach § 2 WVG zuständig. Das Wasserverbandsgesetz sei außerdem mit dem Föderalismusprinzip nach Art. 30, 70 GG nicht vereinbar.
Der Antragsteller beantragt,
die Verordnung der Bezirksregierung Weser-Ems vom 17. November 1993 (ABl. RB Weser-Ems S. 1299) zur Änderung der Verordnung über die Festsetzung der Grenzen des deichgeschützten Gebietes des II. O. Deichbandes vom 20. September 1977 (ABl. VB Oldenburg S. 546) für nichtig zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und erwidert, die streitige Verordnung sei rechtmäßig. Sie und ihre Ermächtigungsgrundlage widersprächen nicht höherrangigem Recht. Die Verfassungsmäßigkeit des Wasserverbandsgesetzes und des Niedersächsischen Deichgesetzes begegneten keinen Zweifeln. Das Wasserverbandsgesetz regele wie zuvor die Erste Wasserverbandverordnung insgesamt Gegenstände der Bundesgesetzgebung. Es falle unter die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes nach Art. 74 Nrn. 11, 14, 17 bis 21, Art. 75 Nrn. 3 und 4 GG. Der Landesgesetzgeber könne die Heranziehung zur Mitgliedschaft in einem Deichverband abweichend von dem Wasserverbandsgesetz regeln. Dieses Gesetz regele nur die inneren Verhältnisse der Wasser- und Bodenverbände, enthalte aber keine materiellen Regelungen für ihre Aufgabengebiete. Die Länder seien nach Art. 72 GG für die Regelung des materiellen Deichrechts und des zu ihm gehörenden Organisationsrechts zuständig, da der Bund von seiner Zuständigkeit zur materiell-rechtlichen Regelung des Küstenschutzes nach Art. 74 Nr. 17 GG keinen Gebrauch gemacht habe. § 6 Abs. 2 NDG enthalte materielles Deichrecht. Die Mitgliedschaft in dem Deichband werde entgegen der Annahme des Antragstellers nicht durch die streitige Verordnung, die lediglich die Grenzen des deichgeschützten Gebietes bestimme, sondern in einem wasserverbandsrechtlichen Heranziehungsverfahren durch Verwaltungsakt nach § 23 Abs. 2 WVG begründet. Der II. Oldenburgische Deichband falle außerdem nicht unter die Bestimmungen des Wasserverbandsgesetzes. Er sei durch besonderes Gesetz, die Deichordnung für das Herzogtum Oldenburg vom 8. Juni 1855 (Old. GBl. Bd. 14 S. 765), errichtet worden. Das Wasserbandsgesetz sei gemäß § 4 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes nur auf die Deichverbände anzuwenden, die durch § 7 Abs. 2 NDG gegründet worden seien. Der II. Oldenburgische Deichband gehöre nicht zu dieser Art von Deichverbänden. Er sei durch § 7 Abs. 3 NDG i.V.m. Abschnitt II der Anlage zu § 7 Abs. 1 NDG auf das geschützte Gebiet ausgedehnt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten einschließlich der Akten 3 K 1263/94 und die beigezogenen Vorgänge der Bezirksregierung Weser-Ems verwiesen. Die Vorgänge sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, soweit die Entscheidung auf ihnen beruht.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
Der Antragsteller ist zu einem Normenkontrollantrag gegen die streitige Verordnung befugt. Seine Antragsbefugnis beurteilt sich, da er den Normenkontrollantrag bereits am 28. Februar 1994 gestellt hat, nicht nach der Neufassung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO durch das 6. Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626). Die Neufassung gilt nicht für Normenkontrollanträge, die vor dem 1. Januar 1997 anhängig geworden sind (BVerwGE 106, 237, 238 ff.). Einen Normenkontrollantrag gegen eine Rechtsvorschrift kann gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der bis zu dem Inkrafttreten des o.a. Änderungsgesetzes geltenden Fassung (a.F.) jede natürliche Person stellen, die durch die Rechtsvorschrift oder ihre Anwendung einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Der Antragsteller hat einen derartigen Nachteil erfahren, indem er durch die streitige Verordnung selbst oder - wie der Antragsgegner annimmt - durch ihre Anwendung mit seinem Grundstück A. H. 166 bis 176 in Oldenburg Mitglied des II. Oldenburgischen Deichbandes geworden ist.
Mitglieder der Verbände für die Deicherhaltung, zu denen gemäß § 7 Abs. 1 NDG i.V.m. Abschnitt II der Anlage zu dieser Bestimmung der II. Oldenburgische Deichband gehört, sind gemäß § 9 Abs. 1 NDG die nach § 6 NDG Deichpflichtigen, nämlich die Eigentümer und Erbbauberechtigten aller im Schutze der Deiche und Sperrwerke gelegenen Grundstücke, des sog. geschützten Gebietes (Abs. 1 Satz 1 und 2 aaO), dessen Grenzen die obere Deichbehörde gemäß §§ 6 Abs. 2 und 3 i.V.m. 9 Abs. 3 NDG nach dem 30. April 1974 durch Verordnung bestimmt oder ändert. Die dingliche Mitgliedschaft (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 WVG) des Antragstellers in dem II. Oldenburgischen Deichband ist hinsichtlich seines o.a. Grundstücks entweder durch die streitige Verordnung selbst begründet worden, indem sie das Grundstück durch eine Änderung der Grenzen des geschützten Gebietes dieses Deichverbandes in das Verbandsgebiet einbezogen hat. Seine Mitgliedschaft beruht hinsichtlich dieses Grundstücks jedenfalls auf einer Anwendung dieser Verordnung, wenn die Mitgliedschaft in einem Deichverband - wie der Antragsgegner ausführt - in einem wasserverbandsrechtlichen Heranziehungsverfahren gemäß § 23 Abs. 2 WVG begründet wird. Der Landkreis Wesermarsch hat den Antragsteller mit Bescheiden vom 19. August 1994 als Eigentümer des Grundstücks (Flurstücke ... und ..., ..., ..., ..... Flur .. Gemarkung E.) mit der Begründung als Mitglied im II. Oldenburgischen Deichband herangezogen, das Grundstück sei in dem durch die streitige Verordnung erweiterten Gebiet des Deichbandes belegen.
Dem Antragsteller fehlt außerdem nicht ein Rechtsschutzinteresse für seinen Antrag. Diese Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrages ist nicht erfüllt, wenn sich die Inanspruchnahme des Gerichtes als nutzlos erweist, weil der Antragsteller seine Rechtsstellung mit der von ihm begehrten Entscheidung nicht verbessern kann (BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 - BVerwG 4 CN 5.99 -, Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 134 m.w.Nachw.). Es entspricht allerdings dem weiten Begriff des Nachteils i.S. von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO (a.F.) ein entsprechend weites Verständnis des Rechtsschutzinteresses (BVerwG, Beschl. v. 25.5.1993 - BVerwG 4 NB 50.92 -, aaO Nr. 79). Es ist bereits dann gegeben, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die gerichtliche Entscheidung für den Antragsteller ggf. von Nutzen sein kann (BVerwG, Urt. v. 10.3.1998 - BVerwG 4 CN 6.97 - aaO Nr. 123 m.w.Nachw.). So liegt der Fall auch hier, selbst wenn die dingliche Mitgliedschaft des Antragstellers in dem II. Oldenburgischen Deichband, wie der Antragsgegner annimmt, hinsichtlich seines o.a. Grundstücks nicht bereits durch die Neufestsetzung der Grenze seines geschützten Gebietes mittels der streitigen Verordnung, sondern erst durch die Heranziehungsbescheide des Landkreises Wesermarsch vom 19. August 1994 begründet worden sein sollte. Die von dem Antragsteller begehrte Entscheidung des erkennenden Gerichts über die Nichtigkeit der streitigen Verordnung würde dann eine der gesetzlichen Voraussetzungen für seine dingliche Mitgliedschaft entfallen lassen, auf die der Landkreis Wesermarsch seine o.a. Bescheide gestützt hat. Es ist für die Heranziehung eines Grundstückseigentümers zu einem Deichverband nach der Auffassung des Antragsgegners kein Raum, wenn und solange die obere Deichbehörde nicht nach Maßgabe der §§ 6 Abs. 2 und 3 i.V.m. 9 Abs. 3 NDG die Grenzen des geschützten Gebietes bestimmt oder geändert hat, in dem das fragliche Grundstück gelegen ist. Selbst wenn dem Landkreis Wesermarsch infolge der Entscheidung des erkennenden Senats über die Wirksamkeit der streitigen Verordnung eine Bestimmung der Grenzen des geschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes in eigener Zuständigkeit obliegen sollte, lässt sich nicht ausschließen, dass dem Antragsteller die von ihm begehrte gerichtliche Entscheidung bei der Anfechtung der o.a. Bescheide von Nutzen sein kann, zumal die Heranziehung zur Mitgliedschaft oder die Erweiterung einer bestehenden Mitgliedschaft nach § 23 Abs. 2 WVG in das Ermessen der Aufsichtsbehörde gestellt ist.
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
Die streitige Verordnung der Bezirksregierung Weser-Ems vom 17. November 1993 (ABl. RB Weser-Ems S. 1299) erweist sich als unwirksam. Sie beruht, soweit sie durch § 2 die Grenzen des von Deichen und dem H.-Sperrwerk geschützten Gebietes des II. Oldenburgischen Deichbandes bestimmt, nach der zutreffenden Auffassung des Antragstellers nicht auf einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung. Die in der Präambel der Verordnung gemäß Art. 43 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung als Rechtsgrundlage angeführten §§ 1, 6 Abs.1 bis 3 und 9 Abs. 3 NDG vom 1. März 1963 (Nds. GVBl. S. 81) in der hier maßgeblichen Fassung vom 16. Juli 1974 (Nds. GVBl. S. 387), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Oktober 1993 (Nds. GVBl. S. 443) waren beim Erlass der Verordnung bereits unwirksam, soweit die §§ 6 Abs. 3 Satz 1, 9 Abs. 3 Satz 3 NDG die obere Deichbehörde, die Bezirksregierung (§ 30 Abs. 1 NDG), ermächtigen, durch Verordnung die Grenzen des geschützten Gebietes eines Deichverbandes zu ändern, der wie der hier fragliche II. Oldenburgische Deichband und seine beiden benachbarten Deichverbände, der I. und der III. Oldenburgische Deichband, durch § 7 Abs. 3 NDG i.V.m. Abschnitt II der Anlage zu § 7 Abs. 1 NDG als beim Inkrafttreten des Niedersächsischen Deichgesetzes bereits bestehende Verbände auf das sog. geschützte Gebiet ausgedehnt worden sind. Diese Ermächtigung ist mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz - WVG -) vom 12. Februar 1991 (BGBl. I S. 405) am 1. Mai 1991 (§ 82 WVG) gemäß Art. 31 GG derogiert worden, da sie den Vorschriften dieses Bundesgesetzes über die Heranziehung von Personen zur Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband, die Erweiterung einer bestehenden Mitgliedschaft oder die Aufhebung der Mitgliedschaft von Verbandsmitgliedern widerspricht.
Der erkennende Senat hat entgegen der Annahme des Antragstellers die Frage selbst zu entscheiden, ob die landesgesetzlichen Ermächtigungen der oberen Deichbehörde zur Änderung der Grenze eines geschützten Gebietes durch Verordnung und zur Bestimmung der Grenzen zwischen benachbarten Deichverbänden durch Verordnung mit dem späteren Inkrafttreten der §§ 23 und 24 WVG außer Kraft gesetzt worden sind. Sie war nicht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, da sich sein Entscheidungsmonopol nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht auf die Frage erstreckt, ob ein Landesgesetz mit späterem Bundesrecht unvereinbar ist (BVerfGE 65, 359, 373 [BVerfG 06.12.1983 - 2 BvL 1/82] m.w.Nachw.). Die zur Rechtsanwendung berufenen Stellen, d.h. Verwaltungsbehörden oder Gerichte haben vielmehr in eigener Verantwortung zu entscheiden, ob eine kraft konkurrierender Gesetzgebungskompetenz erlassene landesrechtliche Vorschrift ungeachtet einer nachfolgenden bundesrechtlichen Regelung fortgilt (BVerwG, Urt. v. 27.11.1992 - BVerwG 8 C 9.91 - NVwZ 1993, 1197 m.w.Nachw.). Das trifft hier nicht zu.
Mitglieder eines Deichverbandes sind - wie bereits ausgeführt - die Eigentümer und Erbbauberechtigten aller im Schutz der Deiche und Sperrwerke gelegenen Grundstücke (geschütztes Gebiet). Die Grenzen des geschützten Gebietes werden nach § 6 Abs. 2 NDG von der oberen Deichbehörde bestimmt; die Bestimmung oder Änderung der Grenzen des geschützten Gebietes geschieht gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 NDG nach dem 30. April 1974 durch Verordnung. Das gleiche gilt nach § 9 Abs. 3 NDG für die Festlegung der Grenze zwischen nebeneinanderliegenden Deichverbänden. Diese gesetzliche Verknüpfung des geschützten Gebietes eines Deichverbandes mit der Bestimmung oder Änderung der Grenzen des Verbandsgebietes führt angesichts der durch das Eigentum oder Erbbaurecht an einem Grundstück vermittelten dinglichen Mitgliedschaft in einem Deichverband dazu, dass jede Änderung der Grenzen des geschützten Gebietes durch Verordnung unmittelbar eine Änderung des Mitgliederbestandes eines Deichverbandes bewirkt. Je nach dem, ob die Grenze eines Deichverbandes durch die Verordnung erweitert oder zurückgenommen wird, werden Grundstückseigentümer und/oder Erbbauberechtigte in die Verbandsmitgliedschaft einbezogen oder aus ihr entlassen oder aber ihre Mitgliedschaft in dem Deichverband wird insoweit erweitert oder eingeschränkt. § 6 Abs. 2 NDG hat entgegen der Annahme des Antragsgegners jedenfalls insoweit zumindest auch einen organisationsrechtlichen Charakter. Für die Heranziehung eines Dritten zu der Mitgliedschaft in einem Deichverband oder die Entlassung eines Verbandsmitgliedes aus ihr ist mit anderen Worten eine Änderung der Grenze des Verbandsgebietes durch Verordnung der oberen Deichbehörde erforderlich, aber auch ausreichend. Einer zusätzlichen Maßnahme nach Wasserverbandsrecht in Gestalt einer Zuweisung durch Verwaltungsakt bedarf es danach insbesondere im Fall der Begründung oder Erweiterung der Mitgliedschaft entgegen der Annahme des Antragsgegners nicht (so bereits VG Oldenburg, Beschl. v. 9.1.1995 - 5 B 4338/94 u.a. -). Das trifft im Übrigen für die von dem Verwaltungsgericht (aaO) als erforderlich angesehene Änderung der Satzung des Deichverbandes ebenfalls zu. Das Recht der Wasser- und Bodenverbände galt gemäß § 9 Abs. 2 NDG für die Deichverbände nur subsidiär, d.h. soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergab. Die Änderung der Satzung infolge einer Änderung des geschützten Gebietes hatte unter diesen Umständen lediglich deklaratorische Bedeutung.
So sind im übrigen durch die streitige Verordnung zur Mitgliedschaft in dem II. Oldenburgischen Deichband auch die Eigentümer und Erbbauberechtigten herangezogen worden, deren Grundstücke außerhalb der durch die Verordnung vom 20. September 1977 (ABl. VB Oldenburg, S. 546) bestimmten Grenzen belegen waren und infolge der Ausdehnung seines geschützten Gebietes von der Höhenlinie NN + 5 m auf die Höhenlinie NN + 6 m, die Einbeziehung des von dem Hunte-Sperrwerk geschützten Gebietes sowie die Festlegung der Grenzen des II. Oldenburgischen Deichbandes zu den Nachbardeichverbänden, dem I. und dem III. Oldenburgischen Deichband, innerhalb der neuen Grenzen des Verbandsgebietes zu liegen gekommen sind.
Eine Begründung oder Erweiterung der Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband, aber auch ihre Beendigung oder Einschränkung durch Verordnung, einen Rechtsetzungsakt, widerspricht jedoch, wie der Antragsteller zu Recht ausführt, den Bestimmungen des Wasserverbandsgesetzes über die Heranziehung von Dritten zur Verbandsmitgliedschaft und der Entlassung von Mitgliedern aus ihr. Ein Dritter kann gemäß § 23 Abs. 1 WVG auf Antrag durch Entscheidung des Verbandsvorstandes als Verbandsmitglied in einen bestehenden Verband aufgenommen oder gegen seinen Willen nach Abs. 2 aaO durch die Aufsichtsbehörde zur Mitgliedschaft in ihm herangezogen werden. Die Aufnahme und auch die Heranziehung des Dritten geschieht durch Verwaltungsakt (Rapsch, Wasserverbandsrecht S. 74 f.) in einem durch § 25 WVG geregelten Verwaltungsverfahren. Das trifft auch für die Aufhebung der Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband gemäß § 24 WVG zu, über die nach Abs. 2 aaO der Vorstand des Verbandes entscheidet.
Die Zweifel des Antragstellers an der Verfassungsmäßigkeit des Wasserverbandsgesetzes sind nicht begründet. Der Bund hat hinsichtlich des Wasserverbandsrechts seine Zuständigkeit für die konkurrierende Gesetzgebung gemäß Art. 74 Nrn. 11, 14, 17 bis 21 GG und die Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Nrn. 3 und 4 GG geltend gemacht; die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz umfasse auch das zu ihren Materien gehörende Organisationsrecht (Begründung des Regierungsentwurfes eines Wasserverbandsgesetzes, BT-Drs. 11/6764 S. 21 f.). Dieser Auffassung folgt der erkennende Senat (so auch Rapsch aaO S. 6), zumal sie sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zur Fortgeltung des alten Wasserverbandsrechts, insbesondere der Ersten Verordnung über Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandverordnung - WVVO -) vom 3. September 1937 (RGBl. I S. 933 - BGBl. III 753 - 2-1) als Bundesrecht berufen kann, der sich auch der 3. Senat des Oberverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hatte. Die Wasserverbandverordnung galt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwGE 51, 115, 126 m.w.Nachw.) und des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 30.11.1979 - 3 OVG A 312/77 -, m.w.Nachw.) insgesamt als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 125 GG als Bundesrecht fort. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage nicht hinsichtlich sämtlicher Bestimmungen des Wasserverbandverordnung und für alle möglichen Aufgaben von Wasser- und Bodenverbänden nach § 2 Nrn. 1 bis 11 WVVO entschieden, sondern sie lediglich für Wasserbeschaffungsverbände im Hinblick auf die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 17 GG, die Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung und die Sicherung der Ernährung, ausdrücklich bejaht (BVerfGE 58, 45, 60 ff. [BVerfG 23.06.1981 - 2 BvL 14/79] m.w.Nachw.).
Für die Zuständigkeit des Bundes zum Erlass des Wasserverbandsgesetzes kann nichts anderes gelten, soweit sie jedenfalls Deichverbände als Wasser- und Bodenverbände mit der Aufgabe nach § 2 Nr. 5 WVG des Schutzes von Grundstücken vor Sturmfluten einschließlich notwendiger Maßnahmen im Deichvorland (vgl. zuvor § 2 Nr. 3 WVVO) betrifft. Diese Aufgabe, die auch dem hier fraglichen II. Oldenburgischen Deichband als Deichverband in Gestalt der Erhaltung von Hauptdeichen (§§ 7 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 NDG) zum Schutze eines Gebietes vor Sturmfluten und der Erhaltung des Deichvorlandes nach Maßgabe des § 21 NDG obliegt, fällt unter die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Nr. 17 GG für den Küstenschutz (vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl. Art. 74 RN 154 m.w.Nachw.). Die Zuständigkeit des Bundes für dieses Sachgebiet erstreckt sich auf das dazugehörende Organisationsrecht (BVerwGE 7, 17, 22 m.w.Nachw.; Gieseke, DÖV 1956, 645, 648; von Mangoldt/Klein/Starck, aaO; vgl. a. BVerfGE 58, aaO, für Wasserbeschaffungsverbände). Die Annahme des Antragsgegners, dem Bund fehle die Zuständigkeit für das Organisationsrecht zu diesem Sachgebiet, weil er von seiner Zuständigkeit für den Küstenschutz in materiell-rechtlicher Hinsicht bislang keinen Gebrauch gemacht habe, der niedersächsische Landesgesetzgeber könne deshalb die Heranziehung zur Mitgliedschaft in einem Deichverband abweichend von dem Wasserverbandsgesetz regeln, geht fehl. Die Zuständigkeit des Bundes für das zu den Sachgebieten des Art. 74 GG gehörende Organisationsrecht besteht entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht lediglich kraft Sachzusammenhanges. Eine solche Zuständigkeit setzt voraus, dass eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne dass zugleich eine ihm nicht zugewiesene andere Materie mit geregelt würde. Die Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs ist daher nur unter der Voraussetzung gegeben, dass der Bund von einer ihm ausdrücklich zugewiesenen Zuständigkeit Gebrauch gemacht hat (BVerfGE 26, 246, 256 f. [BVerfG 25.06.1969 - 2 BvR 128/66]). Das Organisationsrecht hingegen gehört nicht zu den selbständigen Sachgebieten i.S. der Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeit zwischen Bund und Länder durch das Grundgesetz. Es ist vielmehr durch den Zweck, dem die fragliche Organisation jeweils dient, mit einem Sachgebiet verbunden. Das Organisationsrecht wird daher von der Zuständigkeit für das Sachgebiet, zu dem es gehört, mitumfasst (Gieseke, aaO, S. 648). Es ist deshalb für die Verfassungsmäßigkeit organisationsrechtlicher Regelungen des Bundes auf dem Gebiet des Wasserverbandsrechts rechtlich ohne Belang, dass er seine Zuständigkeit zur konkurrierenden Gesetzgebung nach Art.74 Nr. 17 GG für den Küstenschutz insbesondere hinsichtlich des materiellen Deichrechts bislang nicht wahrgenommen hat.
Die Auffassung des Antragstellers, das Wasserverbandsgesetz sei mit Art. 30 und 70 GG, dem Föderalismusprinzip, nicht vereinbar, geht ebenfalls fehl. Eine rechtliche Schranke für die Ausübung von Gesetzgebungsbefugnissen im Bundesstaat für Bund und Länder folgt allerdings aus dem ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz der Bundestreue (BVerfGE 4, 115, 140; 14, 197, 215), der sich auf das bundesstaatliche Prinzip gründet (BVerfG 12, 205, 254). Der Bund verstößt jedoch durch die bloße Ausübung einer ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Zuständigkeit allein noch nicht gegen den Grundsatz der Pflicht zur Bundestreue (BVerfGE 14, aaO). Eine Verletzung dieses Grundsatzes durch die Inanspruchnahme seiner Kompetenz zur Gesetzgebung ist vielmehr erst anzunehmen, wenn er sie offenbar missbraucht (BVerfGE 14, aaO; 4, aaO). Der das gesamte verfassungsrechtliche Verhältnis zwischen Bund und Ländern beherrschende Grundsatz der wechselseitigen Pflicht des Bundes und der Länder zu bundesfreundlichem Verhalten, der auf den für die bundesstaatliche Struktur der Verfassungsordnung maßgebenden Vorschriften der Art. 30 und 70 Abs. 1 GG beruht, verlangt ebenfalls ganz allgemein eine gegenseitige Rücksichtnahme und schließt eine missbräuchliche Wahrnehmung der Interessen aus (BVerfGE 61, 149, 205 [BVerfG 19.10.1982 - 2 BvF 1/81]). Dass der Bund mit dem Erlass des Wasserverbandsgesetzes seine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das Wasserverbandsrecht missbräuchlich in Anspruch genommen und dadurch den Grundsatz der Bundestreue oder seine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verletzt haben könnte, kann ausgeschlossen werden. Es bestehen dafür keinerlei Anhaltspunkte. Der Bund hat mit diesem Gesetz insbesondere, was der Antragsteller verkennt, nicht etwa in eine je Bundesland unterschiedliche Ausgestaltung der Organisations- und Verbandsstruktur, in traditionell eigene Regelungsbereiche der Länder auf dem Gebiet des Bodenrechts, des Wasserrechts oder des Deichrechts eingegriffen, sondern eine bereits durch die Wasserverbandverordnung geschaffene, als Bundesrecht fortgeltende einheitliche Regelung des Wasserverbandsrechts lediglich fortgeführt und erneuert.
Die Vorschriften des Wasserverbandsgesetzes gelten nach seinen Übergangsbestimmungen grundsätzlich auch für Wasser- und Bodenverbände, die wie der hier fragliche Deichverband bei dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Mai 1991 (§ 82 WVG) bereits bestanden. Die Rechtsstellung dieser Verbände, der sog. Altverbände, ist gemäß § 79 Abs. 1 WVG durch das Außerkrafttreten des Gesetzes über Wasser- und Bodenverbände (BGBl. III 753-2) nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 WVG sowie der Wasserverbandverordnung nach Nr. 2 aaO mit ihren Ausführungsvorschriften nicht berührt worden. Ihre Satzung und innere Organisation sind allerdings nach Maßgabe des § 79 Abs. 2 WVG den Vorschriften dieses Gesetzes anzupassen. Das Landesrecht konnte für diese Altverbände innerhalb von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gemäß § 79 Abs. 3 WVG eine vereinfachte Möglichkeit der Auflösung, der Übertragung von Aufgaben und des Zusammenschlusses von Amts wegen zulassen. Das Wasserverbandsgesetz ist dagegen auf Verbände, die durch besonderes Gesetz errichtet worden sind oder errichtet werden, d.h. "Verbände auf besonderer gesetzlicher Grundlage", nach § 80 WVG nur anzuwenden, wenn dieses durch Rechtsvorschrift ausdrücklich angeordnet oder zugelassen worden ist. Der II. Oldenburgische Deichband gehört entgegen der Annahme des Antragsgegners nicht zu dieser Gruppe von Wasser- und Bodenverbänden, obwohl er - wie der Antragsgegner geltend macht - bereits durch die Deichordnung für das Herzogtum Oldenburg vom 8. Juni 1855 (Old. GBl. Bd. 14 S. 765) errichtet worden ist.
Das Wasserverbandsgesetz knüpft mit der Übergangsregelung in §§ 79 f WVG an die Rechtslage an, die unter der Geltung des o.a. Wasserverbandgesetzes des Reiches vom 10. Februar 1937 und der Wasserverbandverordnung bestand. So heißt es hierzu in der Begründung des Regierungsentwurfes eines Wasserverbandsgesetzes allgemein (BT.-Drs. 11/6764 S. 21):
"Der Entwurf enthält, wie die WVVO, keine erschöpfende Regelung für die Bildung von Wasser- und Bodenverbänden; vielmehr lässt er auch die Gründung von Wasser- und Bodenverbänden durch Sondergesetz zu ". Er bietet eine besondere Rechtsform - den Wasser- und Bodenverband als öffentlich-rechtliche Körperschaft - für die Durchführung bestimmter Aufgaben an. Damit folgt er einmal der wasserverbandsrechtlichen Tradition und zum anderen dem Wunsch der Länder, gewachsene Sonderregelungen in diesem Rechtsbereich fortführen und vom Bundesrecht abweichende Regelungen von Fall zu Fall durch besonderes Landesgesetz treffen zu können."
und insbesondere zu § 80 WVG "Verbände auf besonderer gesetzlicher Grundlage" (aaO S. 35):
"Die Vorschrift stellt für durch besondere Gesetze begründete Verbände klar, dass das neue Recht auf diese Verbände grundsätzlich keine Anwendung findet, es sei denn, seine Anwendung wird durch Rechtsvorschrift ausdrücklich angeordnet oder zugelassen. Die Vorschrift lässt auch die schon bisher bestehende Möglichkeit einer Neugründung von Großverbänden durch besonderes Landesgesetz unberührt."
Die Wasserverbandverordnung enthielt nämlich keine kodifikatorische, d.h. abschließende Regelung des gesamten Wasserverbandsrechts (BVerfGE 10, 89, 100 f [BVerfG 29.07.1959 - 1 BvR 394/58]; BVerwG, Urt. v. 20.6.1973 - BVerwG IV C 87.89 - Buchholz 445. 2 § 2 WVVO Nr. 2). Sie umfasste nicht alle Wasser- und Bodenverbände i.S. des Wasserverbandsgesetzes vom 10. Februar 1937, sondern nur die bei ihrem Inkrafttreten, dem 1. Januar 1938 (§ 192 Abs. 1 WVVO), bestehenden öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verbände sowie alle aufgrund der Wasserverbandverordnung errichteten Verbände (§ 1 WVO). Eine Reihe von Großverbänden unter den sog. Altverbänden blieb nach § 191 Abs. 2 WVVO ihrer bisherigen organisatorischen Sonderregelung unterstellt; der Reichsgesetzgeber, der die Länderzuständigkeit zum Erlass wasserverbandsrechtlicher Bestimmungen an sich gezogen hatte, konnte außerdem jederzeit neue Verbände durch Sondergesetz errichten (BVerfG aaO). Diese Zuständigkeit zu gesetzlichen Sonderregelungen stand nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes grundsätzlich den Ländern zu (BVerfG aaO; vgl. a. BVerwG aaO). Als Verband auf besonderer gesetzlicher Grundlage i.S. des § 80 WVG kommt daher nur ein Altverband in Betracht, der bereits von der Geltung der Wasserverbandverordnung ausgenommen war, sei es, dass er zu der Gruppe der von § 191 Abs. 2 WVVO umfassten Großverbände gehörte, nach dem Inkrafttreten der Wasserverbandverordnung durch besonderes Reichsgesetz oder unter der Geltung des Grundgesetzes durch Landesgesetz errichtet worden war. Der II. Oldenburgische Deichband zählt nicht zu dieser Art von Verbänden. Er gehört vielmehr als bei Inkrafttreten der Wasserverbandverordnung bereits bestehender, auf Landesrecht beruhender Deichband zu den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 WVVO fallenden öffentlich-rechtlichen Körperschaften, für die gemäß §§ 145 f WVVO im Rahmen der Neugestaltung der alten Wasser- und Bodenverbände (XII. Abschnitt WVVO) eine neue Satzung von der Aufsichtsbehörde zu erlassen war. Das ist im Übrigen den Umständen nach auch geschehen. So heißt es in § 1 Satz 1 seiner Satzung vom 10. November 1984 (ABl. RB. Weser-Ems S. 1159) ausdrücklich, der II. Oldenburgische Deichband sei ein Wasser- und Bodenverband i.S. der Ersten Wasserverbandordnung vom 3. September 1937 (Nds. GVBl. Sb. II S. 712), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 1982 (BGBl. I S. 1777).
Angesichts dieser Sach- und Rechtslage kann schließlich der Auffassung des Antragsgegners nicht gefolgt werden, das Wasserverbandsgesetz gelte nach § 4 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes (Nds. AG. WVG) vom 6. Juni 1994 (Nds. GVBl. S. 238) nicht für Deichverbände wie den II. Oldenburgischen Deichband. Das Wasserverbandsgesetz ist nach der aaO unter der Überschrift "Verbände auf besonderer gesetzlicher Grundlage" getroffenen Ausführungsregelung auf Wasser- und Bodenverbände anzuwenden, die als Unterhaltungsverband durch § 100 Abs. 2 des Nds. Wassergesetzes oder als Deichverband durch § 7 Abs. 2 NDG gegründet worden sind. Diese Regelung vermag, da insbesondere die unter § 7 Abs. 3 NDG fallenden Deichverbände nicht zu den Verbänden auf besonderer gesetzlicher Grundlage i.S. des § 80 WVG gehören, entgegen der Annahme des Antragsgegners nicht den Umkehrschluss zu rechtfertigen, das Wasserverbandsgesetz sei auf die in § 7 Abs. 3 NDG bezeichneten Deichverbände, die wie der II. Oldenburgische Deichband auf das geschützte Gebiet ausgedehnt worden sind, und die Deichverbände, die nach Abs. 4 aaO durch das Nds. Deichgesetz nicht verändert worden sind, nicht anzuwenden. Es kann demnach auch auf sich beruhen, dass keine sachlichen Gründe dafür zu erkennen sind, weshalb der Landesgesetzgeber nur die durch das Nds. Deichgesetz neu gegründeten Deichverbände den Bestimmungen des Wasserverbandsgesetzes hätte unterwerfen sollen. Das Wasserverbandsgesetz ist vielmehr für Deichverbände, die wie der II. Oldenburgische Deichverband unter § 7 Abs. 3 NDG fallen, bereits mit seinem Inkrafttreten am 1. Mai 1991 und damit vor Inkrafttreten der streitigen Verordnung am 27. November 1993 (§ 3 VO), aber auch des Nds. Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz am 28. Juni 1994 (§ 9 Abs. 1 Nds. AGVWVG) wirksam geworden.
Dem Normenkontrollantrag war deshalb stattzugeben.
Sonstiger Langtext
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 6.000,- DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 GKG a.F.).