Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.12.2001, Az.: 11 LB 2808/01
Albanien; Asyl; Asylantragsteller; Asylbewerber; Ausländer; Dienstgrad; Herabstufung; Offizier; politische Verfolgung; privater Racheakt; Regierungswechsel; Verfolgung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.12.2001
- Aktenzeichen
- 11 LB 2808/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40315
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 30.05.2002 - AZ: BVerwG 1 B 144.02
Rechtsgrundlagen
- Art 16a Abs 1 GG
- § 51 Abs 1 AuslG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein hochrangiger albanischer Offizier, der sein Heimatland im Juli 1996 wegen drohender politischer Verfolgung verlassen hat, muss im Falle der Rückkehr angesichts der Änderung der dortigen politischen Verhältnisse nicht mit einem Wiederaufleben seiner Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit rechnen.
Tatbestand:
Mit seiner Klage wendet sich der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) dagegen, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) den Beigeladenen -- albanischen Staatsangehörigen -- Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Albanien zugebilligt hat.
Der im Februar 1956 in Elbasan/Albanien geborene Beigeladene zu 1) reiste am 24. Juli 1996 -- nach seinen Angaben mit einem Direktflug der makedonischen Fluggesellschaft MAT von S nach H -- in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 16. Oktober 1996 folgten ihm -- nach deren Angaben ebenfalls auf dem Luftweg mit einem Zwischenstopp in Rom -- seine im Januar 2000 im Bundesgebiet verstorbene Ehefrau und seine beiden Kinder, der im März 1987 in Tirana/Albanien geborene Beigeladene zu 2) und die im Juli 1982 gleichfalls in Tirana geborene Beigeladene zu 3), nach.
Am 7. August 1996 beantragte der Beigeladene zu 1) seine Anerkennung als Asylberechtigter. In einem mit anwaltlichem Schreiben vom 12. August 1996 überreichten Statement und bei der Anhörung vor dem Bundesamt am nachfolgenden Tage machte er zur Begründung im Wesentlichen geltend: Nach dem Abitur an einem Militärgymnasium und achtmonatiger Leistung gemeinnütziger Arbeit habe er dreieinhalb Jahre die Militärakademie in Tirana besucht. Nach weiterem Truppenpraktikum sei er als Kompaniechef und Bataillonskommandeur tätig gewesen. 1985 habe er an der Universität in Tirana nebenamtlich als Dozent u.a. Militärgeschichte gelehrt und gleichzeitig selbst ein Geschichtsstudium begonnen. Nach dem Beginn der demokratischen Ära in Albanien Ende 1990 habe er bis Anfang 1992 zahlreiche Artikel in Militärzeitungen zur Demokratisierung des Militärs und der Gesellschaft veröffentlicht. Von März bis Anfang August 1992 sei er Direktor/Abteilungsleiter für auswärtige/internationale Beziehungen im Verteidigungsministerium gewesen. Von August 1992 bis Anfang August 1993 habe er dann in Deutschland das Bundessprachenamt in Hürth besucht; seine Ehefrau und seine Kinder seien im Mai/August 1993 nachgefolgt. Von Ende August 1993 bis Ende Juni 1994 habe er als erster albanischer Offizier die Generalstabsausbildung an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg durchlaufen. Danach sei er -- damals im Rang eines Majors -- mit seiner Familie nach Albanien zurückgekehrt. Im Januar 1995 sei er zum Oberstleutnant, im November 1995 zum Oberst befördert worden. Im selben Monat habe er den Doktorgrad mit einer militärgeschichtlichen Arbeit erworben. Im Jahre 1995 habe er noch dreimal Deutschland besucht: im Mai 1995 als Mitglied einer albanischen Militärdelegation (Abteilung Militärpolitik) das Bundesverteidigungsministerium, im Oktober 1995 in der Funktion des Direktors des Instituts für strategische Studien der neu geschaffenen Führungsakademie in Tirana die Führungsakademie in Hamburg sowie im Dezember 1995 als Delegationsleiter erneut die Führungsakademie. Im November 1995 sei er schon nach etwa zwei Wochen ohne Begründung seines Postens als Direktor des Instituts für strategische Studien enthoben und als Kommandeur des Generalstabskollegs der Führungsakademie in Tirana eingesetzt worden. Schon seit seiner Rückkehr aus Deutschland Mitte 1994 habe er beruflich zunehmend mehr Schwierigkeiten bekommen. Ihm seien seine vielfältigen guten Kontakte zu Offizieren der Bundeswehr und deutschen Privatpersonen in Deutschland und Albanien vorgehalten worden. Misstrauen habe insbesondere auch geweckt, dass er 1993 seine Familie nach Deutschland habe nachkommen lassen können; er sei gefragt worden, aus welchen Quellen er die dafür erforderlichen Mittel erhalten habe. Er sei -- zu Unrecht -- vom damaligen Verteidigungsminister Z. der Regierung Berisha, zu dem er früher ein gutes Verhältnis gehabt habe, und anderen Entscheidungsträgern im Verteidigungsministerium einer Agententätigkeit für die Bundesrepublik Deutschland und des Geheimnisverrats politischer und insbesondere auch militärischer Informationen verdächtigt worden; in meist "4-Augen-Gesprächen" habe ihn der Verteidigungsminister gefragt, wer eigentlich sein Dienstherr sei und welchen Landes Uniform er trage: Albanien oder Deutschland? Dabei sei ihm vorgehalten bzw. vorgeworfen worden, dass er sich stets für starke und gute Beziehungen zwischen Albanien und Deutschland eingesetzt habe. Dem Ansinnen des Verteidigungsministers, ein theoretisches Konzept zur Installierung einer starken albanischen Armee unter besonderer Berücksichtigung der amerikanischen Verhältnisse zu entwickeln, habe er sich widersetzt. Diesbezüglich habe er unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Albanien gegenüber dem Verteidigungsminister auch sein Missfallen darüber bekundet, dass die amerikanische Militärmission in demselben Gebäude residiere wie das albanische Verteidigungsministerium. Erst später habe er erfahren, dass der Kommandeur der Heeresakademie in Hannover, General v. S., zu dem er -- der Beigeladene zu 1) -- keinen Kontakt gehabt habe, bei internen Gesprächen in Tirana daran ebenfalls Kritik geäußert und zusätzlich nachgefragt habe, weshalb nicht er -- der Beigeladene zu 1) -- Kommandeur der Führungsakademie in Tirana sei; wegen der Übereinstimmung in den Einschätzungen sei ihm der Verdacht der Absprache entgegengehalten worden. Seine eigenen Vorstellungen zur Notwendigkeit einer Demokratisierung des albanischen Militärs, die geprägt gewesen seien von seinen Kenntnissen der Institutionen in Deutschland, habe er nicht durchsetzen können; er habe deshalb in Gesprächen mit dem Verteidigungsminister und anderen Entscheidungsträgern damit gedroht, seine Vorstellungen notfalls in Zeitungsartikeln publik zu machen. Eine erste deutliche "Warnung" nach dem Motto: "Kannst Du Dir vorstellen, dass es durchaus Schlimmeres geben kann?", sei ihm Ende August/Anfang September 1995 erteilt worden. Er sei damals gegen Mittag auf dem Rückweg vom Verteidigungsministerium nach Hause als Radfahrer im Bereich der Nationalbank, wo sich damals der Schwarzmarkt für Devisenschmuggler befunden habe, beim Rechtsabbiegen von einem Fahrzeug angefahren worden. Er habe lediglich Verletzungen am Knie und an der Hand davongetragen. Die Insassen des Kraftfahrzeugs, das nach Angabe eines der umstehenden Devisenhändler ein Kfz-Kennzeichen des albanischen Geheimdienstes SHIK getragen habe, hätten ihm angeboten: "Möchten Sie nach Hause gefahren werden, wir fahren sowieso in die gleiche Richtung", was -- weil er insoweit nichts geäußert habe -- eindeutig darauf hinweise, dass sie ihn gekannt hätten. Seit Anfang 1996 sei die Situation eskaliert. Nach Rückkehr von seinem letzten Besuch der Führungsakademie in Hamburg habe er festgestellt, dass die Tür seines Dienstbüros aufgebrochen und sein Schreibtisch und die Bibliothek durchsucht worden seien; Nachfragen bei Vorgesetzten und Kollegen hätten keinen Erfolg gehabt; Durchsuchungen hätten zwar bereits früher stattgefunden, aber verdeckter. Seitdem sei er vom internem Informationsfluss ausgeschlossen worden. Er habe deshalb General V., den Vertreter des Stabs, gebeten, seine Beschwerden dagegen beim Verteidigungsminister vorzubringen. Beruflich "erpressbar" sei er durch einen nachfolgenden Krankenhausaufenthalt wegen Kreislaufproblemen für die Dauer etwa vom 10. bis 24. Januar 1996 geworden. Obwohl seine Ehefrau die Erkrankung alsbald gemeldet habe, sei ihm gegenüber bei Dienstantritt nach Wiedergenesung der Vorwurf erhoben worden, unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben zu sein. Sein Posten sei bereits durch einen Nachfolger besetzt gewesen. Er habe sein Büro räumen müssen. Zwei Telefongespräche mit dem Verteidigungsminister selbst hätten keinen Erfolg gebracht. Auch ein Gespräch mit dem Vizeverteidigungsminister Ende Januar 1996 sei ohne Ergebnis geblieben. Danach hätten vier Termine im Ministerium als Teil eines förmlichen Disziplinarverfahrens stattgefunden. Der Vizeverteidigungsminister habe ihm im Ergebnis "als Kompromiss" die Stelle eines Dozenten an der Führungsakademie angeboten, was er wegen der damit einhergehenden Herabstufungen im militärischen Rang und in der Gehaltsstufe abgelehnt habe. Als er am Ende auf eine weitere Verwendung entsprechend seiner Qualifikation und seinem militärischen Rang beharrt habe, habe ihm der Vizeverteidigungsminister unverblümt erklärt, dass der von ihm eingeschlagene Weg ins Gefängnis führe. Gehalt habe er danach nur noch für sechs Wochen erhalten. Parallel zu der deshalb aufgenommenen privaten Tätigkeit als Dolmetscher und Übersetzer habe er in der Folge die offizielle Entlassung aus dem Militärdienst verlangt. Das sei ihm -- trotz vieler Telefonanrufe und persönlicher Vorsprachen -- verweigert worden. Im April 1996 sei es dann zu einem Gespräch mit dem Verteidigungsminister gekommen, der ihn an den Personaldirektor weiterverwiesen habe. Dieser habe ihm sowohl die Aushändigung einer Entlassungsurkunde als auch die Gehaltsweiterzahlung verweigert. Ende April 1996 habe ihm danach der Personaldirektor einen Befehl des Verteidigungsministers eröffnet, wonach er -- der Beigeladene zu 1) -- die Stelle eines Lektors in einer Dienststelle in Tirana habe antreten sollen, was mit einer erheblichen Dienstgrad-Herabstufung (zwei oder drei Stufen) verbunden gewesen wäre. Er habe die Ausführung des Befehls verweigert, woraufhin ihm erneut mit dem Gefängnis gedroht worden sei. Als er wiederum um ein persönliches Gespräch mit dem Verteidigungsminister nachgesucht habe, habe ihm der Personaldirektor nach Rücksprache mit dem Minister mitgeteilt, er solle schriftlich um seine Demission bitten, was er dann auch getan habe. Der Verteidigungsminister habe die Demission aber abgelehnt und ihm mitteilen lassen, wenn er dem vorgenannten Befehl nicht gehorche, werde er ins Gefängnis geschickt. Er habe dann mehrfach ohne Erfolg versucht, ein persönliches Treffen mit Präsident B. zu arrangieren. In dieser Zeit habe er festgestellt, dass er nunmehr offen durch den Geheimdienst observiert worden sei. Ende April/Anfang Mai 1996 habe er seinen Fall dem Vizepräsidenten der Demokratischen Partei offenbart. Dieser habe ihn eindringlich davor gewarnt, seine Klagen -- wie an sich geplant -- in einem bereits vorbereiteten Presseartikel jedenfalls vor den damals anstehenden Parlamentswahlen an die Öffentlichkeit zu bringen. Am 12. Mai 1996 sei ihm noch einmal eine eindringliche Warnung zuteil geworden. Gegen 21.00 Uhr sei er auf dem Heimweg nach Hause von zwei Motorradfahrern bedroht worden, die ihm den Weg versperrt hätten. Sie hätten ihn offenbar genau gekannt und ihm gesagt, er denke zu viel an Zeitungsartikel. Sie hätten ihm demonstrativ ein Messer und eine Schusswaffe gezeigt und der Erwartung Ausdruck gegeben, er -- der Beigeladene zu 1) -- sei nicht so dumm, "solche Sachen zu machen"; er habe schließlich eine schöne Frau und zwei Kinder und wisse, was er zu machen habe. Am folgenden Tage habe er seinen Fall einem Bekannten, der beim Geheimdienst SHIK arbeite, geschildert. Dieser habe ihn am 14. Mai 1996 abends in der Wohnung aufgesucht und ihm gesagt, er befinde sich in großer Lebensgefahr; man bereite seine "Festnahme, Verhaftung oder noch Schlimmeres" vor. Er habe ihm geraten, zu verschwinden und das Land zu verlassen. Von seiner Frau habe er später gehört, dass seine Wohnung wenige Tage nach seiner Flucht kontrolliert und durchsucht worden sei. Seine Frau habe alles hingenommen. Die Polizisten hätten nicht gesagt, worum es gehe, und hätten auch keinen Durchsuchungsbeschluss oder Ähnliches vorgezeigt. Es sei nichts aus der Wohnung mitgenommen worden. Er -- der Beigeladene zu 1) -- habe vor seiner Flucht noch alle schriftlichen Unterlagen, die in irgendeiner Weise hätten verfänglich sein können, vernichtet.
Die Ehefrau des Beigeladenen zu 1) bestätigte bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 6. November 1996 die Angaben zur Wohnungsdurchsuchung, gab aber an, die Polizisten hätten einen Durchsuchungsbefehl vorgezeigt, den sie aber nicht gelesen habe. Sie habe danach die Wohnung nur noch abends verlassen, aber nicht feststellen können, ob sie verfolgt oder beschattet worden sei. Das Telefon sei ihnen schon abgeklemmt worden, als sie 1994 von Deutschland nach Albanien zurückgekehrt seien.
Das Bundesamt holte Stellungnahmen mehrerer deutscher Offiziere ein, auf deren Zeugnis sich der Beigeladene zu 1) berufen hatte.
Oberstleutnant im Generalstab G. gab am 3. März 1997 an: Während seiner Zeit als Stellvertretender Verteidigungsattaché in Albanien bis September 1995 habe ihn anfangs der Beigeladene zu 1) betreut. Später sei ihm aufgefallen, dass der Vorgesetzte H. dieser Betreuung ablehnend gegenübergestanden habe. Er habe zunehmend den Eindruck gewonnen, dass der Beigeladene zu 1) schließlich von ihm gänzlich abgeschottet worden sei. Eigene Versuche, mit dem Beigeladenen zu 1) Kontakt aufzunehmen, seien von H. mit der Nichtverfügbarkeit des Beigeladenen zu 1) abgelehnt worden. Er habe den Beigeladenen zu 1) dann noch einmal in Albanien getroffen, wobei dieser zum Ausdruck gebracht habe, dass man ihn kaltstellen wolle; ihm sei -- verbunden mit unterschwelligen Drohungen -- vom albanischen Verteidigungsminister nahe gelegt worden zu verschwinden; eine ultimative Warnung -- so der Beigeladene zu 1) damals -- sei ein inszenierter Autounfall gewesen. Nach dessen Ankunft in Deutschland sei es noch zu sporadischen Kontakten gekommen. Der Beigeladene zu 1) habe geschildert, dass er in Albanien größten Schwierigkeiten ausgesetzt gewesen sei, Morddrohungen eingeschlossen, und auf Rat eines mit ihm befreundeten Geheimdienstchefs seine Heimat verlassen habe (Bl. 153 BA A).
Oberstleutnant W. gab am 11. März 1997 an, dass der Beigeladene zu 1) im Januar/Februar 1996 durch den albanischen Verteidigungsminister ohne Angabe von Gründen seines Postens enthoben worden sei. Er habe ohne Gerichtsverfahren zum Hauptmann degradiert werden sollen. Da er die Degradierung abgelehnt habe, sei ihm mit Verhaftung und Gefängnis gedroht worden. Er sei dann untergetaucht. Seitdem habe er -- der Zeuge -- keinen Kontakt mehr zum Beigeladenen zu 1) gehabt (Bl. 157 BA A).
Oberst Dr. B., der frühere Lehrgruppenleiter der Generalstabsausbildung für ausländische Offiziere an der Führungsakademie in Hamburg, führte in einer Stellungnahme vom 12. März 1997 aus: Bei Gesprächen während der Zeit in Hamburg von September 1993 bis Juni 1994 habe sich der Beigeladene zu 1) außerordentlich interessiert gezeigt an der demokratisch verfassten Rechts- und Gesellschaftsordnung in Deutschland. Mit zunehmender Dauer seines Aufenthalts in Hamburg habe er eine wachsende kritische Haltung gegenüber den Gegebenheiten in seinem Heimatland erkennen lassen, ohne dabei jedoch seine grundsätzliche Position als herausgehobener Vertreter seines Landes zu vernachlässigen. Der Aufenthalt in Hamburg sei ihm von verschiedenen Seiten -- auch finanziell -- sehr erleichtert worden, so dass er seine Familie habe nachholen können. Sein -- des Zeugen -- abschließender Eindruck sei gewesen, dass der Beigeladene zu 1) einen ausgeprägten Interessenschwerpunkt in Bezug auf die politische, verfassungsmäßige, gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation entwickelt habe mit dem ausgesprochenen Ziel, die in Deutschland erfahrenen Prinzipien in seinem Heimatland zur Geltung zu bringen. Ein nächstes Treffen mit dem Beigeladenen zu 1) habe im Mai 1995 anlässlich eines Besuches im Bundesministerium der Verteidigung stattgefunden. Im Verlauf des Gespräches habe er -- der Zeuge -- den Eindruck gewonnen, dass der Beigeladene zu 1) sich in seinem Heimatland "kaltgestellt" fühlte; seine Einstellung und Haltung werde mit Argwohn beobachtet. Er habe auf Befragen zu verstehen gegeben, der Lehrgangsbesuch in Hamburg habe ihm in seinem Heimatland "nicht unbedingt Vorteile gebracht". Nähere Einzelheiten seien jedoch nicht zur Sprache gekommen. Nachfragen nach dem Beigeladenen zu 1) bei einer albanischen Delegation, die im Mai 1996 unter Leitung des stellvertretenden Generalstabschefs der albanischen Streitkräfte das Bundesministerium der Verteidigung besuchte, hätten zu seinem -- des Zeugen -- damaligen Erstaunen nur ausweichende, vage Antworten gebracht; er habe den Eindruck gewonnen, dass der Beigeladene zu 1) zumindest zu diesem Zeitpunkt offensichtlich eine Art "Unperson" gewesen sei. Diese Einschätzung sei im Sommer 1996 in einem überraschenden privaten Treffen mit dem Beigeladenen zu 1) in Hamburg bestätigt worden. Dieser habe mitgeteilt, dass er aufgrund lebensbedrohlicher Umstände sein Heimatland durch Flucht verlassen habe. Ursache sei seine Weigerung, gewisse politische und wirtschaftliche Praktiken auch höchster Führungsebenen in seinem Heimatland zu tolerieren bzw. mitzumachen. Zu diesem Zeitpunkt habe ihn noch die Hoffnung bewegt, gegebenenfalls von außen durch Gespräche auf die politische Leitung seines Heimatlandes Einfluss nehmen zu können, um rehabilitiert zurückkehren zu können. Zugleich habe er aber auch beabsichtigt, seine zu diesem Zeitpunkt noch in Albanien verbliebene Familie zu deren Schutz nach Deutschland zu holen und gegebenenfalls einen Asylantrag zu stellen. Wiederholt habe er versichert, dass er sich in akuter Lebensgefahr befinde und Flucht und Asyl wahrscheinlich die einzige Chance des Überlebens für ihn darstelle (Bl. 161 f. BA A).
Mit Bescheid vom 30. Juni 1997, dem Bundesbeauftragten zugestellt am 18. Juli 1997, lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Beigeladenen und der verstorbenen Ehefrau ab, weil eine Einreise in das Bundesgebiet auf dem Luftweg nicht glaubhaft gemacht worden sei. Es stellte weiterhin fest, dass in ihrer Person die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Albanien vorliegen. Hierzu führte es aus, dass der Beigeladene zu 1) und mit ihm seine Ehefrau und die Kinder unter dem Gesichtspunkt der Sippenhaft bei einer Rückkehr nach Albanien asylrelevante Verfolgungsmaßnahmen zu besorgen hätten.
Der Bundesbeauftragte hat am 28. Juli 1997 beim Verwaltungsgericht Anfechtungsklage erhoben, soweit den Beigeladenen Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zugebilligt worden ist. Nach dem Tod der Ehefrau des Beigeladenen zu 1) hat das Verwaltungsgericht das sie betreffende Verfahren abgetrennt (Beschl. v. 11.2.2000). Der Bundesbeauftragte hat geltend gemacht: Die Beigeladenen zu 2) und 3) hätten nicht mit politischer Verfolgung zu rechnen und ihr Heimatland auch nicht vorverfolgt verlassen. Der Beigeladene zu 1) habe, selbst wenn er vorverfolgt gewesen sei, bei einer Rückkehr nicht mit politischer Verfolgung zu rechnen. Im Übrigen halte er -- der Bundesbeauftragte -- den Vortrag des Beigeladenen zu 1) zu den fingierten Verkehrsunfällen nicht für glaubwürdig, ebenso nicht seine Angaben zu seiner beruflichen Benachteiligung und seiner Observation durch den albanischen Geheimdienst. Der Bundesbeauftragte hat hierzu eine Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26. November 1997 vorgelegt, in der es heißt:
"1. Der Antragsteller (der Beigeladene zu 1)) wurde aufgrund nicht ausreichender Leistungen seines Amtes enthoben. Er hat die Annahme einer anderen, niederrangigeren Position daraufhin verweigert und gekündigt. Die albanischen Behörden haben keine Angaben zu seinem derzeitigen Aufenthaltsort machen können.
2. Aufgrund des Regierungswechsels in Albanien nach den Wahlen Ende Juni ist auf keinen Fall mit einer politischen Verfolgung des Antragstellers zu rechnen, da die damaligen Amtsinhaber sämtlich ihrer Posten enthoben worden sind. Da der Antragsteller vorgibt, mit der Führung der alten Regierung in Konflikt geraten zu sein, wird ihm dies im Falle einer Rückkehr nach Albanien eher positiv angerechnet werden."
Mit Urteil vom 26. Februar 2001, auf dessen Begründung verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage des Bundesbeauftragten abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 16. August 2001 zugelassene Berufung des Bundesbeauftragten. Er hält die Angaben des Beigeladenen zu 1) zu seinem Vorfluchtschicksal nach wie vor zumindest nicht vollen Umfangs für glaubhaft. Jedenfalls habe der Beigeladene zu 1) aufgrund des Regierungswechsels in Albanien im Juni 1997 wegen etwaiger Konflikte mit der Führung der früheren Regierung bei einer Rückkehr nach Albanien heute nicht mehr mit politisch motivierten staatlichen Repressionen zu rechnen. Diese Einschätzung ergebe sich eindeutig auch aus der von ihm vorgelegten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26. November 1997. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, etwaige Racheakte Privater gegenüber dem Beigeladenen zu 1) seien dem albanischen Staat zuzurechnen, widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Der Bundesbeauftragte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Bundesamtes vom 30. Juni 1997 aufzuheben, soweit festgestellt worden ist, dass in der Person der Beigeladenen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Albanien vorliegen.
Die Beigeladenen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Beiakten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2001 verwiesen. Die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ergeben sich aus dem Schreiben des Senats vom 29. November 2001.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Bundesbeauftragten ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Unrecht abgewiesen. Den Beigeladenen steht nach der gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats (und auch schon derjenigen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts) ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Albanien jedenfalls nicht mehr zu.
1. a) Allerdings hat das Bundesamt unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Entscheidung (Ende Juni 1997) dem Beigeladenen zu 1) mit guten Gründen einen Anspruch auf Abschiebungsschutz zugesprochen; da die Voraussetzungen von § 51 Abs. 1 AuslG und Art. 16 a Abs. 1 GG deckungsgleich sind, soweit es die Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der Verfolgung betrifft (vgl. BVerwG, Buchholz 402.25 Nr. 1 zu § 7 AsylVfG), hätte es den Beigeladenen zu 1) sogar als Asylberechtigten anerkennen müssen, wenn -- was Streitgegenstand des Verfahrens 11 LB 2809/01 ist -- die behauptete Einreise des Beigeladenen zu 1) auf dem Luftweg als glaubhaft gemacht anzusehen wäre. Das ergibt sich daraus, dass nach der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Senats der Beigeladene zu 1) im Juli 1996 Albanien als sog. Vorverfolgter verlassen hat, weil er bereits Opfer asylrelevanter Verfolgungsmaßnahmen geworden war, jedenfalls aber solche Verfolgungsmaßnahmen in naher Zukunft begründet befürchten musste (vgl. BVerwGE 67, 184, 186). Da im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes vom 30. Juni 1997 (noch) mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung bei einer Rückkehr des Beigeladenen zu 1) nach Albanien zu rechnen war (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 18.2.1997, DVBl. 1997, 908), war die Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten jedenfalls ursprünglich unbegründet (zur Beanstandungsklage hinsichtlich der Anerkennung auch der Beigeladenen zu 2) und 3) als Abschiebungsschutzberechtigte vgl. nachfolgend 2.). Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:
Nach dem Ergebnis der Anhörung des Beigeladenen zu 1) hält der Senat die Angaben des Beigeladenen zu 1) zu seinem Vorfluchtschicksal insgesamt für glaubhaft. Sie sind in allen Punkten während des gesamten Verfahrens ohne relevante Widersprüche vorgetragen worden. Sie werden zudem durch die im Tatbestand dargelegten, vom Bundesamt eingeholten Stellungnahmen mehrerer hoher deutscher Offiziere, die übereinstimmend die hohe fachliche Kompetenz des Beigeladenen zu 1) und dessen aus ihrer Sicht überraschende "Kaltstellung" im albanischen Militär betont haben, nachdrücklich unterstrichen. Zwar besagen die Stellungnahmen des Oberstleutnants im Generalstab G. und des Oberst Dr. B., soweit sie den fingierten Autounfall Ende August/Anfang September 1995, die Bedrohung durch zwei Motorradfahrer am 12. Mai 1996 und die spätere Warnung des befreundeten Geheimdienstbeamten betreffen, lediglich, dass der Beigeladene zu 1) ihnen hiervon berichtet habe. Wenn es sich bei ihnen hiernach auch nur um bloße sog. Bekundungen vom Hörensagen handelt, so bestätigen sie immerhin die Widerspruchsfreiheit des Vortrags des Beigeladenen zu 1) im Gesamtverfahren. Dass die genannten Vorgehensweisen in Albanien unter der Regierung Berisha gegenüber missliebigen Personen gerade höheren Ranges, zumal wenn diese -- wie der Beigeladene zu 1) -- damit gedroht haben, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, ohne Weiteres vorstellbar sind, verdeutlicht im Übrigen die Feststellung im Lagebericht Albanien des Auswärtigen Amtes vom 6. April 2001 (S. 4), dass unter der Regierung Berisha von 1992 bis 1997 Missstände insbesondere im Bereich der Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit festzustellen waren. Im Unterschied zum Bundesbeauftragten sieht der Senat die Angaben des Beigeladenen zu 1) auch nicht durch die (schon ungewöhnlicherweise von einer Konsulatssekretärin z.A. unterzeichnete) Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26. November 1997 erschüttert, wonach der Beigeladene zu 1) aufgrund "nicht ausreichender Leistungen" seines Amtes enthoben worden sei und er die Annahme einer anderen, niederrangigen Position verweigert und "gekündigt" habe. Denn diese Auskunft beruht ersichtlich auf einer unzureichenden Auswertung der vorhandenen Erkenntnismittel. Dies wiederum dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass es der Bundesbeauftragte in seinem Auskunftsersuchen vom 31. Juli 1997 versäumt hat, darauf hinzuweisen, dass insbesondere auch das deutsche Militär in Tirana Aufschluss über die wirklichen Sachverhaltshintergründe geben könne. Dieses hätte nämlich ausweislich der vom Bundesamt eingeholten Stellungnahmen deutscher Offiziere, die dem Bundesbeauftragten im Zeitpunkt des Auskunftsersuchens bekannt waren, schwerlich die angeblich "nicht ausreichenden Leistungen" des Beigeladenen zu 1) bestätigt. Es begegnet außerdem Bedenken, dass die Auskunft nach eigenen Recherchen des Beigeladenen zu 1), deren Einzelheiten dieser in der Anhörung vor dem Senat glaubhaft dargestellt hat, als wesentliche Quelle auf ein Gespräch des deutschen Botschafters mit dem Verteidigungsminister Z. der Regierung Berisha noch vor dem Regierungswechsel im Juni 1997 abstellt, ohne dass sich die Botschaft bemüht haben soll, von der neuen Führung des albanischen Verteidigungsministeriums (Personen, die der früheren Regierung nahe standen, waren inzwischen aus ihren Ämtern entfernt worden, vgl. Lagebericht vom 6.4.2001, S. 4 und Auskunft vom 26.11.1997 unter 2.) -- was zumindest naheliegend gewesen wäre -- Erkundungen einzuholen.
In Ansehung der vom Senat hiernach für glaubhaft erachteten Angaben des Beigeladenen zu 1) zu seinem Vorfluchtschicksal hat dieser Albanien -- wovon auch das Bundesamt und das Verwaltungsgericht ausgegangen sind -- als so genannter Vorverfolgter verlassen.
Dahinstehen kann, ob die gegenüber dem Beigeladenen zu 1) verfügten Beeinträchtigungen seiner beruflichen Tätigkeit als Soldat ab Ende 1995 eine ausgrenzende Verfolgung aus politischen Gründen darstellen und daher schon für sich gesehen asylrelevant sind. Von vornherein unerheblich ist insofern allerdings, dass gegen ihn schon seit seiner Rückkehr Mitte 1994 von der Generalstabsausbildung in der Bundesrepublik Deutschland wegen seiner guten Kontakte zu deutschen Offizieren, seiner Präferenz, die albanische Armee nach deutschem und nicht nach amerikanischem Vorbild aufzubauen, Misstrauen aufgekommen und er insbesondere wegen der Tatsache, dass er finanziell in der Lage gewesen war, seine Familie in die Bundesrepublik nachkommen zu lassen, sogar einer Agententätigkeit für Deutschland verdächtigt worden ist. Denn damit gingen für den Beigeladenen zu 1) zunächst keine beruflichen Nachteile einher; er ist nachfolgend im Januar 1995 zum Oberstleutnant und im November 1995 zum Oberst befördert worden. Asylrechtserheblich wäre es ebenso wenig gewesen, wenn der Beigeladene zu 1) wegen der grundsätzlichen politischen Meinungsunterschiede zwischen der Leitung des Verteidigungsministeriums und ihm (Reformierung der albanischen Armee nach amerikanischem oder deutschem Vorbild) seiner herausgehobenen Dienstposten (Direktor des Instituts für strategische Studien der Führungsakademie in Tirana -- ab Oktober 1995 für die Dauer von etwa zwei Wochen -- und danach Kommandeur des Generalstabskollegs der Führungsakademie in Tirana) enthoben und -- ähnlich einem politischen Beamten nach deutschem Recht -- in den Ruhestand versetzt worden wäre. Auch das ist hier -- entgegen zwischenzeitlichen Überlegungen -- indessen nicht geschehen. Denn ein diesbezügliches Demissionsgesuch des Beigeladenen zu 1) ist vom damaligen Verteidigungsminister Z. Ende April/Anfang Mai 1996 endgültig abgelehnt worden verbunden mit dem -- ohne Durchführung eines förmlichen Gerichtsverfahrens -- für den Fall der Nichtbefolgung mit Androhung von Gefängnisstrafe versehenen Befehl, alsbald die mit einer erheblichen Dienstgradherabstufung (zwei oder drei Stufen) verbundene Stelle eines Lektors bei einer Dienststelle in Tirana anzutreten. Soweit es die angenommene Herabstufung im Dienstgrad anbetrifft, dürfte diese freilich trotz ihrer Schwere für sich allein gesehen nicht asylrechtserheblich sein. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (InfAuslR 1983, 258; InfAuslR 1988, 22; Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104; vgl. auch Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 30 Rdnrn. 36 ff. m.w.N.) stellen sich auch politisch motivierte Beeinträchtigungen im beruflichen Bereich regelmäßig erst dann als ausgrenzende Verfolgung dar, wenn die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen nicht durch anderweitige Beschäftigung oder auf sonstige Weise gewährleistet ist. Derartige Folgen waren beim Beigeladenen zu 1) wohl nicht zu besorgen. Denn er war nach seinen Angaben nach Einstellung der Gehaltszahlungen durch den Staat im Januar 1996 ohne größere Schwierigkeiten in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie durch private Tätigkeiten als Dolmetscher und Übersetzer sicherzustellen. Eine solche berufliche Ausweichmöglichkeit stand dem Beigeladenen zu 1) nach dem vorgenannten Befehl jedoch nicht sanktionslos offen. Vielmehr war ihm für den Fall der Nichtbefolgung des jeder Rechtsgrundlage entbehrenden Befehls angedroht worden, er werde ins Gefängnis geworfen. Dem lag nach den glaubhaften Angaben des Beigeladenen zu 1) zuletzt offenbar im Schwerpunkt seine gegenüber Z. und anderen Spitzenbeamten des Verteidigungsministeriums geäußerte Drohung, die er bei der Anhörung vor dem Senat als eigenen schweren Fehler bezeichnet hat, zugrunde, mit ihm bekannten Korruptionsvorfällen und Fällen von Waffenhandel an die Öffentlichkeit zu treten. Nimmt man hinzu, dass der albanische Geheimdienst -- wie glaubhaft gemacht -- deswegen alsbald auf den Beigeladenen zu 1) zurückgreifen wollte, so rechtfertigt dies den Schluss, dass dieser im Juli 1996 jedenfalls wegen ihm unmittelbar drohender politischer Verfolgung Albanien verlassen hat.
Im Zeitpunkt seiner Entscheidung (Ende Juni 1997) ist das Bundesamt schließlich zu Recht davon ausgegangen, dass die vom Beigeladenen zu 1) mit seinem Antrag geltend gemachte Gefahr erneuter Verfolgung bei einer Rückkehr nach Albanien (noch) fortbestand. Zwar war zu diesem Zeitpunkt als Ergebnis der Parlamentswahl vom Juni 1997 die Regierung Berisha bereits abgewählt und die erste Regierung der Sozialistischen Partei unter dem Premierminister N. im Amt. Der Regierungswechsel war indes mit anhaltenden Übergangsbelastungen verbunden, insbesondere weil die Demokratische Partei das Ergebnis der Wahl nicht anerkannte und bis Juli 1999 -- mit einer mehrmonatigen Unterbrechung im Frühjahr 1998 -- auch das Parlament boykottierte; noch im September 1998 kam es zumindest mit Billigung von Berisha sogar zu einem Putschversuch, der allerdings fehl schlug (vgl. Lagebericht vom 6.4.2001, S. 3). Angesichts dessen konnte jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesamtes noch nicht von einer politischen Stabilisierung der neuen Regierung der Sozialistischen Partei und von einer Neustrukturierung der Verwaltungen und Sicherheitsbehörden die Rede sein, derzufolge der Beigeladene zu 1) wegen eines Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände in seinem eigenen Staat schon damals wieder hinreichenden Schutz hätte finden können.
b) Zu Recht wendet der Bundesbeauftragte jedoch ein, dass unter Berücksichtigung der jetzigen Sach- und Rechtslage eine asylrechtlich relevante Rückkehrgefährdung des Beigeladenen zu 1) nicht mehr gegeben ist. Das führt zum Erfolg der Beanstandungsklage. Der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichts ist aus mehreren Gründen nicht zuzustimmen.
Bei der gegebenen Sachlage trifft zunächst die Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht zu, für die Frage einer künftigen Verfolgungsgefährdung sei beim Beigeladenen zu 1) als Vorverfolgter der so genannte herabgestufte Prognosemaßstab anzuwenden; es komme also darauf an, ob eine erneute Verfolgung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne, was nicht der Fall sei. Die Erwägungen des Verwaltungsgericht hierzu beruhen auf einer fehlerhaften Anwendung der Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. Februar 1997 (a. a. O.) zur Maßgeblichkeit des so genannten herabgestuften Maßstabs bei erlittener Vorverfolgung entwickelt hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab nur Anwendung findet, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und der mit dem Asylbegehren geltend gemachten Gefahr erneuter politischer Verfolgung dergestalt besteht, dass bei einer Rückkehr in das Heimatland mit einem Wiederaufleben der ursprünglichen Verfolgung zu rechnen ist oder das erhöhte Risiko einer gleichartigen Verfolgung besteht. Dafür besteht im Fall des Beigeladenen zu 1) kein tragfähiger Anhaltspunkt. Soweit die ihm gegenüber verfügten beruflichen Repressionen darauf beruhten, dass er die politischen Konzeptionen der Regierung Berisha zur Reform der albanischen Armee nicht mittragen wollte, wird ihm dieses bei einer Rückkehr nach Albanien schwerlich erneut zum Nachteil geraten. Insoweit wird in der zitierten Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 26. November 1997 unter 2. angesichts der fortbestehenden erheblichen politischen Differenzen zwischen der Sozialistischen Partei und der Demokratischen Partei einleuchtend darauf hingewiesen, Konflikte mit der alten Regierung Berisha würden dem Beigeladenen zu 1) bei einer Rückkehr nach Albanien "eher positiv angerechnet werden". Auch im Hinblick auf die vom Beigeladenen zu 1) vor seiner Flucht erhobene Drohung, mit Informationen über Korruptionsfälle und Waffenhandel an die Öffentlichkeit zu treten, ist bei einer Rückkehr mit der Gefahr eines Wiederauflebens der ursprünglichen staatlichen Verfolgung nicht zu rechnen. Der Beigeladene zu 1) hat in diesem Zusammenhang zwar auch in der Anhörung vor dem Senat nicht näher dargestellt, von welchen potenziell kompromittierenden Vorgängen er Kenntnis hat; aus seiner Befürchtung, von der jetzigen Regierung als Zeuge gegen die frühere Regierung Berisha -- gegebenenfalls auch mittels Zwangs -- in Anspruch genommen zu werden, ergibt sich aber, dass er nicht über einschlägiges Wissen verfügt, bei dessen Offenbarung Führungskräfte auch des gegenwärtig im Amt befindlichen dritten Kabinetts der Sozialistischen Partei unter Premierminister Meta belastet werden könnten. Soweit es die Gefahr einer unmittelbaren staatlichen Verfolgung angeht, beruft sich der Beigeladene zu 1) somit auf Verfolgungsbefürchtungen, die keinen inneren Zusammenhang mit seiner Vorverfolgung aufweisen. Soweit er geltend macht, er habe seitens der früheren Machtinhaber, also seitens nicht staatlicher Stellen, Racheakte zu besorgen, handelt es sich ebenso wenig um eine -- im Übrigen dem Staat nicht zurechenbare (vgl. noch sogleich) -- gleichartige Verfolgung, die die Anwendung des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs rechtfertigt. Daraus folgt, dass bei der Beurteilung einer asylrelevanten Rückkehrgefährdung des Beigeladenen zu 1) entsprechend dem allgemeinen Maßstab darauf abzustellen ist, ob ihm dem Staat zurechenbare Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht.
Dafür bestehen indessen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Soweit es die Gefahr privater Racheakte angeht, ist diese zwar nicht von der Hand zu weisen. Sie ist jedoch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts dem albanischen Staat nicht zuzurechnen. Denn es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der albanische Staat nicht willens wäre, dem Beigeladenen zu 1) im Rahmen seiner Möglichkeiten Schutz zu gewähren. Dass diese Möglichkeiten nur begrenzt sind (hierfür führt das Verwaltungsgericht beispielhaft an, dass es dem albanischen Staat bislang nicht gelungen sei, die Tradition der Blutrache zu bekämpfen, und dass ein Großteil der albanischen Bevölkerung seit der Plünderung der Waffendepots im Frühjahr 1997 über Feuerwaffen verfüge, vgl. auch Lagebericht vom 6.4.2001, S. 6), begründet für sich allein keine Zurechnungslage. Derartigen Gefahrenlagen, denen im Übrigen nirgendwo -- auch nicht im Bundesgebiet -- sicher begegnet werden kann, könnte daher allenfalls durch die Zubilligung von Abschiebungsschutz nach § 53 AuslG Rechnung getragen werden, eine Frage, die allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. In diesem Zusammenhang ist es freilich als Indiz ernst zu nehmen, dass der jetzige albanische Premierminister M., ein früherer Schüler des Beigeladenen zu 1), diesem nach dessen glaubhaften Angaben bei einem Besuch in Hamburg in einem Vier-Augen-Gespräch geraten hat, besser nicht nach Albanien zurückzukehren. Soweit der Beigeladene zu 1) auch staatliche Repressalien für möglich hält -- er hält es insoweit nicht für ausgeschlossen, dass er wegen Desertion inhaftiert wird, um ihn gefügig zu machen, als Zeuge gegen die frühere Regierung Berisha aufzutreten --, handelt es sich nach eigenen Angaben um bloße Besorgnisse ohne konkreten Tatsachenhintergrund, mit denen dementsprechend nicht auf die Gefahr einer politischen Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit geschlossen werden kann. Das gilt um so mehr, als es in der Zeit der Regierungen der Sozialistischen Partei in Albanien -- abgesehen von zwei Ermittlungsverfahren wegen der Unruhen im März 1997 und des Putschversuchs im September 1998 -- bisher nicht zu Verfahren mit politischen Hintergrund gekommen ist (vgl. Lagebericht vom 6.4.2001, S. 5).
Nach alledem ist der Bescheid des Bundesamtes vom 30. Juni 1997 antragsgemäß aufzuheben, soweit dem Beigeladenen zu 1) Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG zugebilligt worden ist.
2. Entsprechendes gilt für die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG im genannten Bescheid zugunsten der Beigeladenen zu 2) und 3). Diese Entscheidung beruht auf der Einschätzung, die beigeladenen Kinder hätten wegen eines -- wie zuvor dargelegt indessen nicht mehr gegebenen -- Verfolgungsinteresses in Bezug auf den Beigeladenen zu 1) mit einer sippenhaftähnlichen Inanspruchnahme zu rechnen. Infolgedessen bedarf es keiner Aufklärung, ob in Albanien tatsächlich Sippenhaft praktiziert wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.