Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.12.2001, Az.: 2 OA 3485/01
Anwalt; Beschwerdewert; PKH; Prozesskostenhilfe; Rechtsanwalt; unzulässige Rechtsausübung; Vergütungsanspruch; Verjährung; Verjährungseinrede
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.12.2001
- Aktenzeichen
- 2 OA 3485/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 40359
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.09.2001 - AZ: 11 A 3350/93
Rechtsgrundlagen
- § 146 Abs 3 VwGO
- § 121 BRAGebO
- § 128 Abs 4 S 1 BRAGebO
- § 196 Abs 1 Nr 15 BGB
- § 242 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Vorschrift des § 146 Abs. 3 VwGO bezieht sich nicht auf Beschwerden nach § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO.
2. Der Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwaltes gegen die Staatskasse (§§ 121 ff. BRAGO) verjährt gemäß § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB in zwei Jahren.
3. Die Staatskasse kann sich gegenüber dem beigeordneten Rechtsanwalt gemäß § 222 BGB auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen.
4. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Geltendmachung der Verjährungseinrede durch die Staatskasse das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht.
Tatbestand:
Durch Beschluss vom 27. Juni 1996 (2 L 3304/96) hatte der Senat dem Kläger für den zweiten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und ihm den Beschwerdeführer beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 3. März 1997 zeigte Rechtsanwältin B. dem Senat an, dass der Kläger sie mit seiner weiteren Vertretung beauftragt habe und dass das Mandat zu dem Beschwerdeführer erloschen sei. Mit Schriftsatz vom 10. April 1997 beantragte Rechtsanwältin B., den Beschluss des Senats vom 27. Juni 1996 ab Antragstellung zu ändern und sie dem Kläger beizuordnen. Durch Beschluss vom 11. Juni 1997 (2 L 3748/96) hob der Senat die mit dem Beschluss vom 27. Juni 1996 vorgenommene Beiordnung des Beschwerdeführers auf und ordnete dem Kläger ab dem 4. März 1997 Rechtsanwältin B. bei. Der Rechtsstreit endete durch den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juli 1997 (9 B 551.97).
Mit Schriftsatz vom 16. Juli 2001 bat der Beschwerdeführer das beschließende Gericht um Mitteilung, ob das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beendet sei. Rechtsanwältin B. habe ihn zwischenzeitlich davon unterrichtet, dass der Kläger sie bevollmächtigt habe. Ihm sei nach dem Beschluss des Senats vom 27. Juni 1996 nichts mehr mitgeteilt worden. Nachdem das beschließende Gericht den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. Juli 2001 unter Beifügung eines Abdrucks des Beschlusses vom 11. Juni 1997 davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass das Verfahren 2 L 3748/96 beendet sei, beantragte dieser unter dem 30. Juli 2001 die Festsetzung seiner Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt in Höhe von 322,46 DM. Gegen den geltend gemachten Anspruch erhob der Bezirksrevisor bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht mit Zustimmung des Präsidenten des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts die Einrede der Verjährung. Daraufhin lehnte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 14. September 2001 den Festsetzungsantrag des Beschwerdeführers ab. Die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen diesen Beschluss wies das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 26. September 2001 zurück. Gegen den Beschluss vom 26. September 2001 hat der Beschwerdeführer am 10. Oktober 2001 Beschwerde eingelegt, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO zulässig, da der Beschwerdegegenstand, der sich auf 322,46 DM beläuft, 100,-- DM übersteigt. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht die Vorschrift des § 146 Abs. 3 VwGO entgegen, nach der vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben ist in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 400,-- DM nicht übersteigt. Denn § 146 Abs. 3 VwGO bezieht sich nicht auf Beschwerden nach § 128 Abs. 4 Satz 1 BRAGO, für die ein abweichender Beschwerdewert festgesetzt ist (vgl. Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 146 Rn. 10; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 146 Rn. 3 und 12).
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht und der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts sind in den Beschlüssen vom 26. September 2001 und 14. September 2001 rechtsfehlerfrei zu der Einschätzung gelangt, dass dem von dem Beschwerdeführer gemäß §§ 121 ff. BRAGO geltend gemachten Vergütungsanspruch die Einrede der Verjährung entgegensteht.
Der Senat ist ebenso wie die ganz überwiegende Meinung der Auffassung, dass der Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwaltes gegen die Staatskasse (§§ 121 ff. BRAGO) nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB i. V. m. §§ 198, 201 BGB in zwei Jahren verjährt und dass sich die Staatskasse gegenüber dem beigeordneten Rechtsanwalt gemäß § 222 BGB auf den Ablauf der Verjährungsfrist berufen kann (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl. 2001, § 16 BRAGO Rn. 22 und § 121 BRAGO Rn. 29; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 13. Aufl. 1997, § 16 Rn. 22 und § 121 Rn. 8 m. w. Nachw. zum Meinungsstand; OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.2.1988 -- 2 WF 230/87 --, FamRZ 1988, 1184).
Da das Verfahren 2 L 3748/96 im Jahre 1997 beendet worden ist, ist die Verjährung des von dem Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruchs mit Ablauf des 31. Dezember 1999 eingetreten (vgl. § 16 BRAGO i. V. m. §§ 196 Abs. 1 Nr. 15, 198, 201 BGB).
Die Geltendmachung der Einrede der Verjährung ist allerdings unbeachtlich, wenn sie gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung verstößt (vgl. Hartmann, a.a.O., § 121 BRAGO Rn. 29; Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, a.a.O., § 16 Rn. 28; Palandt, BGB, 60. Aufl. 2001, Überbl v § 194 Rn. 10; OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.2.1988, a.a.O.). Eine solche Fallkonstellation ist hier jedoch nicht gegeben.
Der Beschwerdeführer wendet zwar zu Recht ein, dass ihm der seine Beiordnung aufhebende Beschluss vom 11. Juni 1997 erst mit Schreiben vom 18. Juli 2001 übersandt worden ist. Es trifft ferner zu, dass der Beschwerdeführer erstmals mit dem vorgenannten Schreiben eine förmliche Mitteilung über die Beendigung des Verfahrens erhalten hat. Die Geltendmachung der Einrede der Verjährung durch den Bezirksrevisor erweist sich jedoch auch bei Würdigung dieser Umstände nicht als rechtsmissbräuchlich. Denn der Zweck der Verjährungsregelung gebietet es, strenge Maßstäbe anzulegen und den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nur gegenüber einem wirklich groben Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) durchgreifen zu lassen, etwa wenn der Verpflichtete den Berechtigten durch sein Verhalten von einer Unterbrechung der Verjährung abgehalten oder ihn nach objektiven Maßstäben zu der Annahme veranlasst hat, die Geltendmachung der Einrede der Verjährung sei nicht zu erwarten (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1988 -- IX ZR 65/87 --, NJW 1988, 2245, 2247; Palandt, a.a.O.). Die von dem Beschwerdeführer gerügte bloße Untätigkeit der Verwaltungsgerichte begründet ebenso wie etwa bloßes Schweigen keinen Vertrauenstatbestand und rechtfertigt nicht das Unwerturteil einer unzulässigen Rechtsausübung (vgl. BGH, Urt. v. 21.1.1988, a.a.O.; Palandt, a.a.O.).
Gegen die Annahme, dass die Geltendmachung der Einrede der Verjährung durch den Bezirksrevisor gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung verstößt, spricht zudem das Verhalten des Beschwerdeführers nach dem Erlass des Beschlusses des Senats vom 27. Juni 1996. Der Beschwerdeführer hat entgegen seiner im Schriftsatz vom 21. Juni 1996 enthaltenen Ankündigung im Berufungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben. Er hat sich insbesondere auch nicht zu der Verfügung des Senats vom 14. Januar 1997 geäußert, mit der er zu der Möglichkeit einer Entscheidung über die Berufung nach § 130 a VwGO angehört worden ist. Da der Senat mit der vorgenannten Verfügung unter Setzung einer Stellungnahmefrist von drei Wochen dargelegt hatte, dass erwogen werde, die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten zurückzuweisen, also zu Gunsten des Klägers zu entscheiden, hätte es nahegelegen, sich nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne nach dem Verfahrensstand zu erkundigen. Das ist zunächst indes nicht geschehen, sondern erstmals etwa 4½ Jahre später mit dem Schriftsatz vom 16. Juli 2001.
Da der Geltendmachung der Einrede der Verjährung nach alledem nicht das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht, war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 Abs. 5 BRAGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO, 152 Abs. 1 VwGO).