Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.12.2001, Az.: 8 KN 38/01

Befahrensverbot; Befreiung; Erholungseignung; Fließgewässer; Kanusport; Landschaftsbild; Landschaftsschutzgebiet; Naturhaushalt; Naturschutz; Schutzzweck; Übermaßverbot

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.12.2001
Aktenzeichen
8 KN 38/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40453
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über die Gültigkeit von Bestimmungen der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide".

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Der Antragsteller zu 1) ist der Dachverband der ca. 165 Kanuvereine in Niedersachsen, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Förderung des Kanusports, insbesondere die Durchführung von Wettkämpfen, Wanderfahrten und Lehrgängen, gehört. Im Zusammenhang mit diesen Aufgaben führt er u. a. auf der Örtze regelmäßig Wanderfahrer-Grundschulungen durch. Der Antragsteller zu 2) ist ein in H. angesiedelter Sportverein, der sich seit 1984 schwerpunktmäßig dem Kanusport widmet. Die Antragstellerin zu 3) ist seit 1956 Mitglied im Paddel-Klub H. e.V.; sie erwarb 1981 ein Wochenendhausgrundstück an der Örtze, um auf diesem Gewässer Wanderfahrten durchzuführen. Der Antragsteller zu 4) bis 6) sind ebenfalls aktive Kanusportler und seit 1986 Mitglieder des Antragstellers zu 2). Der Antragsteller zu 4) ist zudem als Wanderwart und Übungsleiter des Antragstellers zu 2) tätig.

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Die Örtze, auf der die Antragsteller dem Kanusport nachgehen, fließt auf einer Strecke von ungefähr 40 km durch das ca. 50.000 ha große Landschaftsschutzgebiet "Südheide", das der Antragsgegner durch die Verordnung des Landkreises Celle über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide" vom 25. September 1992 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk L. vom 15. Dezember 1992) unter Schutz stellte.

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Diese Landschaftsschutzgebietsverordnung, die durch die Verordnungen vom 19. November 1993 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk L. vom 15. Januar 1994), 29. Juni 1994 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk L. vom 1. Juni 1995) und 8. Juli 1997 (Amtsblatt für den Landkreis C. vom 2. Oktober 1997) hinsichtlich der Grenzen des Landschaftsschutzgebiets geringfügig geändert wurde, enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

           § 3

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           Verbote

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Im Landschaftsschutzgebiet sind gemäß § 26 Abs. 2 NNatG folgende Handlungen verboten, soweit sie nicht gem. Abs. 2 grundsätzlich zulässig bzw. gem. § 4 im Rahmen einer Befreiung zugelassen worden sind bzw. werden:

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d)            Fließgewässer mit Booten und Fahrzeugen aller Art zu befahren;

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(2)  Von den Verboten des Abs. 1 werden nicht erfasst:

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       d)  das Befahren mit Booten bis 1 m Breite und 6 m Länge auf dem Fließgewässer Örtze im Streckenabschnitt Müden (unmittelbar oberhalb der Örtzebrücke an der Landesstraße 280) bis Wolthausen (unmittelbar an der Örtzebrücke an der Bundesstraße 3) in der Zeit vom 16.07. bis 30.09. eines jeden Jahres zwischen 8.00 und 19.00 Uhr und in der Zeit vom 01.10. bis 28.02. eines jeden Jahres zwischen 8.00 und 16.00 Uhr.

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Nach dem Inkrafttreten der Landschaftsschutzgebietsverordnung stellte der Antragsteller zu 2) beim Antragsgegner den Antrag, ihm für Trainingsfahrten auf der Örtze mit Kindern und Jugendlichen in Gruppen von maximal 10 Personen eine Befreiung von dem Verbot des Befahrens der Fließgewässer zu erteilen. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner durch Bescheid vom 29. März 1993 mit der Begründung ab, dass die Kanuten beim Befahren der Örtze gefährdete Tierarten wie Eisvogel, Schwarzstorch, Wasseramsel, Wasserläufer und Äsche stören könnten.

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Unter dem 12. August 1993 beantragte der Antragsteller zu 1) die Erteilung einer Befreiung von den Verboten der Landschaftsschutzgebietsverordnung für eine Wanderfahrer-Grundschulung im Bereich des Wehres in Wolthausen im Mai oder Juni jedes Jahres. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag durch Bescheid vom 4. Oktober 1993 ab. Zur Begründung gab er an, dass die geplanten Veranstaltungen die ungestörte Reproduktion gefährdeter Arten in diesem Bereich, der seit Jahren einen Schwerpunkt seiner Naturschutzarbeit darstelle, beeinträchtigen würden.

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Die Antragsteller haben daraufhin am 8. Dezember 1997 einen Normenkontrollantrag gestellt.

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Danach hat der erkennende Senat durch Urteile vom 24. August 2001 in den Normenkontrollverfahren 8 KN 40/01 und 8 KN 41/01 die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "S." in der Fassung der Änderungsverordnungen hinsichtlich des § 3 Abs. 1 Buchst. b und g für nichtig erklärt. Diese Urteile sind inzwischen rechtskräftig.

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Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags tragen die Antragsteller folgendes vor: Sie seien antragsbefugt, weil sie geltend machen könnten, durch die Landschaftsschutzgebietsverordnung in eigenen Rechten verletzt zu sein. Der Antragsteller zu 1) werde durch das Verbot des Befahrens der Fließgewässer im Landschaftsschutzgebiet in seiner Vereinsarbeit beeinträchtigt. Seine satzungsgemäßen Aufgaben beschränkten sich nicht auf die überregionale Betreuung seiner Mitglieder, sondern umfassten auch die Durchführung von Wettkämpfen, Lehrgängen und Wanderfahrten mit Kanus. Die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 2) leite sich aus dem in § 2 seiner Satzung verankerten Vereinszweck ab, den Sport in der Gemeinde Hermannsburg zu fördern und durch die Ermöglichung sportlicher Übungen und Leistungen zu verwirklichen. Dieser Vereinszweck schließe die Durchführungen von Trainings- und Vereinsfahrten mit Kanus sowie damit zusammenhängende Veranstaltungen in Hermannsburg ein, die vor allem auf der Örtze, seinem "Hausgewässer", stattfänden. Die Antragsteller zu 3) bis 6) seien ebenfalls  antragsbefugt, weil mit der teilweisen Untersagung des Befahrens der Gewässer im Landschaftsschutzgebiet eine Beschränkung des Gemeingebrauchs einhergehe. Der Antragsteller zu 4) sei überdies in der von ihm wahrgenommenen Funktion als Wanderwart und Übungsleiter des Antragstellers zu 2) betroffen. Die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide" verstoße gegen höherrangiges Recht, weil die Verwaltungsvorgänge keine Anhaltspunkte dafür böten, dass das unter Schutz gestellte Gebiet im Sinne des § 26 Abs. 1 NNatSchG schutzbedürftig sei. Die Verordnung sei außerdem hinsichtlich des § 3 Abs. 1 Buchst. d zu beanstanden, der das Befahren der Fließgewässer mit Booten und Fahrzeugen aller Art untersage. Dieses absolute Verbot sei nicht berechtigt, weil nicht festgestellt werden könne, dass das Befahren der Gewässer dem Charakter des Landschaftsschutzgebiets oder dem Schutzzweck der Verordnung generell zuwiderlaufe. Das Befahren der Fließgewässer habe keine negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild und die Erholungsfunktion des Landschaftsschutzgebiets. Es gebe auch keine naturschutzfachlichen Erkenntnisse darüber, dass das Befahren immer nennenswerte nachteilige Einflüsse auf den Naturhaushalt habe. Der Antragsgegner habe keine detaillierte Bestandsaufnahme der Flora und Fauna im Bereich der Fließgewässer vorgelegt. Es fehle auch an einer Bewertung der dort vorhandenen Flora und Fauna. Außerdem sei nicht untersucht worden, welche Auswirkungen der Kanusport in seinen unterschiedlichen Ausprägungen auf die Lebensgemeinschaften der Fließgewässer habe. Der vom Antragsgegner angeführte Schutz des Schwarzstorchs rechtfertige die Beschränkung des Kanusports nicht, weil der Schwarzstorch nicht gewässergebunden sei. Entsprechendes gelte für den Schutz des Fischotters, da dieser nachtaktiv sei und durch das Befahren der Gewässer während der Tageszeit nicht beeinträchtigt werde. Es lägen auch keine konkreten Hinweise darauf vor, dass eine maßvolle Nutzung der Fließgewässer durch disziplinierte Kanusportler zu einer Vertreibung des Rotwildes oder anderer Tiere führe. Außerdem sei wissenschaftlichen Arbeiten zu entnehmen, dass nicht jegliche Benutzung der Fließgewässer durch Kanusportler nachteilige Auswirkungen auf das Ökosystem habe. Geübte Kanuten seien im Gegensatz zu unkundigen Bootsführern in der Lage, im Stromstrich zu fahren und Grundberührungen zu vermeiden. Sie benötigten lediglich eine Gewässerbreite von 2 m bis 2,5 m und eine Gewässertiefe von 0,20 m, da die Kajaks einen Tiefgang von 0,15 m hätten und die Paddel nur bis zu einer Tiefe von 0,20 m eingetaucht würden. Diese Voraussetzungen seien in der Örtze, die eine durchschnittliche Wassertiefe von 0,50 m aufweise, der Wietze und anderen Gewässern gegeben. Die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide" weise auch erhebliche Abwägungsfehler auf. Der Antragsgegner habe den abwägungsrelevanten Sachverhalt nicht umfassend ermittelt und die Vorschläge zu Befahrensregelungen, zur Ausgabe von Berechtigungsscheinen und zur Beschränkung bestimmter Veranstaltungen nicht hinreichend berücksichtigt. Darüber hinaus habe er die Auswirkungen des Befahrensverbots auf die Ausübung des ordnungsgemäßen Kanusports und die Aktivitäten der Kanusportvereine unzureichend gewürdigt. Die organisierten Kanuten, die sich aufgrund ihrer Schulung besonders umweltgerecht verhielten, würden unverhältnismäßig benachteiligt, weil Kanu-Wanderungen im traditionellen Sinne, die mindestens einen Tag dauerten und über 20 bis 50 km gingen, mangels ausreichend langer Strecken nicht mehr möglich seien. Gleichwohl enthalte die Verordnung keine Differenzierung zwischen dem Befahren der Gewässer durch organisierte fachkundige Wassersportler und ungeübte Ausflügler, die sich bei einem der zahlreichen gewerblichen Bootsvermieter Boote besorgten und insbesondere an Feiertagen in großer Zahl die Fließgewässer beführen. Schließlich verstoße die Landschaftsschutzgebietsverordnung auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil es eine Reihe milderer Mittel gebe, um mögliche Störungen und Einflüsse auf den Naturhaushalt zu verhindern. So sei es beispielsweise möglich, Mietboote nur unter sachkundiger Leitung einzusetzen, Fahrten nur in kleinen Gruppen mit höchstens sechs Booten durchzuführen und im begrenztem Umfang Berechtigungsscheine an Freizeitpaddler auszugeben. Außerdem könne das Befahren der Gewässer vom Wasserstand abhängig gemacht werden, um Sedimentaufwirbelungen und Grundberührungen zu vermeiden. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Möglichkeiten der Kanuten, auf andere Gewässer auszuweichen, sehr begrenzt seien. Im Landkreis Celle gebe es 350 km Fließgewässer, die für das Befahren mit Kanus geeignet seien. Seit dem Inkrafttreten der Verordnung stünden aber nur noch 165 km ganzjährig befahrbare Kanu-Gewässer zur Verfügung.

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Der Normenkontrollantrag war ursprünglich darauf gerichtet, die Landschaftsschutzgebietsverordnung insgesamt für nichtig zu erklären.

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Die Antragsteller beantragen, nachdem sie den Normenkontrollantrag im übrigen zurückgenommen haben,

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die Verordnung des Landkreises Celle über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide" vom 25. September 1992 in der Fassung der Verordnung zur ersten Änderung der Verordnung vom 19. November 1993, der Verordnung zur zweiten Veränderung der Verordnung vom 29. Juni 1994 und der Verordnung zur dritten Änderung der Verordnung vom 8. Juli 1997 hinsichtlich des § 3 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 Buchst. d für nichtig zu erklären.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen,

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und erwidert: Das unter Schutz gestellte Gebiet sei im Sinne des § 26 Abs.1 NNatSchG schutzwürdig, weil es für die naturnahe Erholung von großer Bedeutung sei. Außerdem stellten viele Bereiche des Gebiets wichtige Lebensräume für wildwachsende Pflanzen und wildlebende Tiere dar. Das gelte auch für die Örtze, die nach dem Landschaftsrahmenplan die Wertigkeit eines Naturschutzgebiets aufweise, einen vorrangig schutz- und entwicklungsbedürftigen Ökosystemtyp darstelle und gefährdeten Tierarten eine Lebensstätte biete. Daher habe das Land Niedersachsen die Örtze aufgrund der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU dem Bundesamt für Naturschutz als FFH-Gebiet gemeldet. Demnach komme diesem Gewässer als Lebensraum des Fischotters, des Bachneunauges, der Groppe, der Grünen Keiljungfer und der flutenden Gewässervegetation europaweite Bedeutung zu. Die gegen das Verbot des Befahrens der Fließgewässer vorgebrachten Einwände seien gleichfalls unberechtigt. Dieses Verbot bezwecke, einen Rückgang wildwachsender Pflanzen und wildlebender Tiere an den Heidebächen zu verhindern, und sichere damit die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und die Nutzbarkeit der Naturgüter. Durch das Befahren der Heidebäche würden sowohl die Flora als auch die Fauna beeinträchtigt und verdrängt. Die Einwirkungen der Bootskörper und Paddel auf den Gewässergrund, insbesondere die dortigen Sand- und Kiesbänke, sowie die Uferzone führten zu Schäden und Veränderungen der Lebensraumverhältnisse in den Fließgewässern. Die Mobilisierung von Feinsand und Schlamm bewirke auch einen Sauerstoffmangel, der insbesondere die Larven der Wirbellosen und den Fischlaich beeinträchtige. Des Weiteren behindere die auf die Aufwirbelung von Feinsand und Schlamm zurückzuführende Trübung des Wassers alle im Wasser auf Sicht jagenden Tiere wie Fischotter, Bachforelle, Eisvogel und Schwarzstorch. Bootsfahrer vertrieben auch Rotwild, Fischotter, Fische und Vögel aus ihren Refugien. Eisvögel und Schwarzstörche würden schon durch einzelne Kanusportler gestört und an der Nahrungsaufnahme gehindert. Diese Belastungen der Lebensgemeinschaften an den Fließgewässern, die von Freizeitpaddlern und geübten Sportkanuten gleichermaßen ausgingen, seien während der Phase der Reproduktion, die bei vielen gefährdeten und geschützten Arten im Frühjahr und Frühsommer liege, besonders schwerwiegend und irreversibel. Da die Tiere nicht ohne weiteres in andere Lebensräume ausweichen könnten, sei das Verbot des Kanufahrens zwingend notwendig, um sie an der Örtze und den anderen Heidebächen im Landschaftsschutzgebiet zu schützen. Schließlich seien ihm bei dem Erlass der Landschaftsschutzgebietsverordnung keine Abwägungsfehler unterlaufen. Vor dem Erlass der Verordnung habe man fünf verschiedene Regelungsmodelle zum Befahren der Heidebäche mit Booten und Fahrzeugen entwickelt und in den Ausschüssen beraten. Die dagegen vorgebrachten Einwände hätten wiederholt zu Änderungen der Konzeption geführt, die im Umweltausschuss diskutiert worden seien. Dabei habe man sich auch mit dem Vorschlag auseinandergesetzt, das Befahren der Örtze von einem bestimmten Wasserstand abhängig zu machen. Dieser Verschlag sei nicht realisierbar gewesen, weil ein Wasserstand von 0,50 m weder in der Örtze noch in den kleineren Gewässern durchgängig gewährleistet sei. Weiterhin habe man eine Beschränkung der Zahl der Boote pro Tag erwogen, aber verworfen, weil schon eine einziges Boot zum falschen Zeitpunkt Tiere wie z. B. die extrem störanfälligen Schwarzstörche nachhaltig stören könne. Eine Differenzierung zwischen organisierten Kanuten und ungeübten Anfängern sei ebenfalls nicht möglich gewesen, weil auch geübte Kanuten störungsempfindliche Tiere vergraulten. Das Ergebnis dieses aufwendigen Abwägungsprozesses sei ein Kompromiss zwischen den Naturschutzbelangen und den Interessen der Betroffenen. Daher verstoße das Befahrensverbot auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (Beiakten A - H) und die Beiakten B - E der Verfahren 8 KN 40/01 und 8 KN 41/01 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Antragsteller den Normenkontrollantrag zurückgenommen haben.

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In dem noch streitigen Teil ist der Normenkontrollantrag zulässig und begründet.

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Der Antrag ist statthaft, weil die Verordnung des Landkreises C. über das Landschaftsschutzgebiet "S." - VO - gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V m. § 7 Nds. VwGG der Normenkontrolle durch das Oberverwaltungsgericht unterliegt.

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Der Antrag ist auch im übrigen zulässig, zumal die Antragsteller antragsbefugt sind. Da sie den Normenkontrollantrag nach dem 1. Januar 1997 gestellt haben, gelangt § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO i. d. F. des 6. VwGO-ÄndG vom 1. November 1996 (BGBl. I S. 1626) zur Anwendung (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.3.1998 - 4 CN 12/97 - DVBl. 1997 S. 775 [BVerfG 10.04.1997 - 2 BvF 1/95]; Beschl. v. 17.5.2000 - 6 CN 3.99 -). Danach kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Da an die Geltendmachung einer derartigen Rechtsverletzung keine höheren Anforderungen gestellt werden können, als sie für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO gelten, genügt es, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtsatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 - DVBl. 1999 S. 100; Urt. v. 17.12.1998 - 1 CN 1.98 - BVerwGE 108, 182 (184); Beschl. v. 17.5.2000, a.a.O.). Das ist im vorliegenden Fall geschehen.

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Der Antragsteller zu 1) hat geltend gemacht, dass seine Vereinsarbeit, insbesondere die Durchführung von Wettkämpfen, Wanderfahrten und Lehrgängen auf dem Gebiet des Kanusports, die gemäß § 3 Nr. 3.1, 3.2, 3.2.1 seiner Satzung zu seinen Aufgaben gehöre, durch das Verbot des Befahrens der Fließgewässer mit Booten und Fahrzeugen unmittelbar beeinträchtigt werde. Der Antragsteller zu 2) hat vorgetragen, durch das Befahrensverbot bei der Durchführung von Trainingsfahrten, Vereinsfahrten und damit zusammenhängenden Veranstaltungen auf der Örtze erhebliche Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Daher erscheint es als möglich, dass die Antragsteller zu 1) und 2) durch § 3 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 Buchst. b VO in einem subjektiven Recht verletzt werden. Als möglicherweise verletztes Recht kommt Art. 9 Abs. 1 GG allerdings nicht in Betracht. Dieses Grundrecht schützt zwar auch vor Eingriffen in den Kernbereich des Vereinsbestandes und der Vereinstätigkeit (BVerfG, Beschl. v. 15.6.1989 - 2 BvL 4/87 - BVerfGE 80, 244 (252 f.), m. w. Nachw.), gewährt dem gemeinsam verfolgten Vereinszweck aber keinen weitergehenden Schutz als dem individuell verfolgten Zweck (BVerfG, Urt. v. 1.7.1980 - 1 BvR 247/75 - BVerfGE 54, 237 (251); Beschl. v. 12.10.1995 - 1 BvR 1938/93 - NJW 1996 S. 1203). Betätigungen, die auf die externe Verfolgung des Vereinszwecks gerichtet sind, werden daher nicht durch Art. 9 Abs. 1 GG, sondern durch andere Grundrechte geschützt (vgl. von Mangold/Klein/Starck, GG, Komm., Band 1, 4. Aufl., Art. 9 Abs. 1 Rn. 29; von Münch-Kunig, GG, Komm., Band 1, 5. Aufl., Art.  9 Rn. 16; Maunz-Dürig, GG, Komm., Art. 9 Rn. 87; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 - 1 BvR 449/82 - BVerfGE 70, 1(25)). Die Antragsteller zu 1) und 2) können jedoch einen Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG geltend machen, da Art. 2 Abs. 1 GG gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen des Privatrechts Anwendung findet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985, a.a.O.). Das gilt um so mehr, als das in § 3 Abs. 1 Buchst. d, Abs, 2 Buchst. b VO enthaltene Verbot sie unmittelbar betrifft, weil sie schon vor dem Inkrafttreten der Landschaftsschutzgebietsverordnung Wettkämpfe, Schulungen, Trainingsfahrten und Wanderfahrten auf dem Gebiet des Kanusports im Landschaftsschutzgebiet durchgeführt haben. Daher handelt es sich bei ihnen nicht um beliebige juristische Personen, die durch das von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO bezweckte Verbot der Popularklage von der Antragstellung ausgeschlossen sein sollen (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 17.5.2000, a.a.O.). Die Antragsteller zu 3) bis 6) können ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG geltend machen, weil sie dem Kanusport im Landschaftsschutzgebiet "Südheide", insbesondere auf der Örtze, seit langem nachgehen und durch das Befahrensverbot in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt werden.

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Der Normenkontrollantrag ist begründet, weil die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide" hinsichtlich des § 3 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 Buchst. d höherrangigem Recht widerspricht. Diese Bestimmung verstößt gegen § 26 Abs. 2 NNatSchG, der die Naturschutzbehörde dazu ermächtigt, die Handlungen innerhalb des Landschaftsschutzgebiets zu untersagen, die den Charakter des Gebiets verändern oder dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, insbesondere das Landschaftsbild oder den Naturgenuss beeinträchtigen.

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Nach § 3 Abs. 1 Buchst. d VO ist es verboten, die Fließgewässer im Landschaftsschutzgebiet mit Booten und Fahrzeugen aller Art zu befahren. Von diesem Verbot wird nach § 3 Abs. 2 Buchst. d VO das Befahren der Örtze im Streckenabschnitt Müden bis Wolthausen in der Zeit vom 16. Juli bis 30. September eines jeden Jahres zwischen 8.00 und 19.00 Uhr und in der Zeit vom 1. Oktober bis 28. Februar eines jeden Jahres zwischen 8.00 und 16.00 Uhr mit Booten bis 1 m Breite und 6 m Länge nicht erfasst.

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Dieses Befahrensverbot stellt ein repressives Verbot ohne Erlaubnisvorbehalt dar. Ein derartiges Verbot ist in einer Landschaftsschutzgebietsverordnung nur zulässig, wenn von vornherein feststeht, dass die verbotene Handlung den Charakter des unter Schutz gestellten Gebiets schlechthin verändert oder dem besonderen Schutzzweck schlechthin zuwiderläuft, weil landschaftsschutzrechtliche Verbote nicht weiter reichen dürfen, als es im Interesse der gesetzlich anerkannten Schutzgüter erforderlich ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.1956 - I C 91.54 - Buchholz 406.40, § 24 NatSchG Nr. 3, m.w.N.; Senatsurt. v. 24.8.2001, a.a.O.; Bay.VGH, Urt. v. 1.8.1988 - 9 N 87.01708 - NuR 1998 S. 182; Blum/Agena/Franke, Nieders. Naturschutzgesetz, Komm., § 26 Rn. 10 a, m.w.N.; Carlsen/Fischer-Hüftle, NuR 1993 S. 311, 316). Handlungen, die dem Gebietscharakter oder dem besonderen Schutzzweck nicht generell abträglich sind, dürfen daher nur mit präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt belegt werden, die es der Naturschutzbehörde ermöglichen, die Vereinbarkeit der Maßnahmen mit den Schutzgütern der Verordnung in jedem Einzelfall zu überprüfen, und einen Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis begründen, wenn die Schutzgüter nicht beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.7.1956, a.a.O.; Senatsurt. v. 24.8.2001, a.a.O.; Blum/Agena/Franke, § 26 Rn. 10 b, m.w.N.). Präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt sind auch für solche Maßnahmen vorzusehen, die allein weder den Gebietscharakter verändern noch dem besonderen Schutzzweck zuwiderlaufen, bei einer Häufung jedoch nicht unerhebliche Beeinträchtigungen dieser Schutzgüter zur Folge haben können (Senatsurt. v. 24.8.2001, a.a.O.; Blum/Agena/Franke, § 26 Rn. 10 b; Carlsen/Fischer-Hüftle, NuR 1993 S. 311, 318). Dass die Kontrolle präventiver Verbote und die Überprüfung der Vereinbarkeit der Handlungen mit dem Schutzzweck der Verordnung einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand zur Folge haben kann, ändert daran nichts, weil der Verwaltungsaufwand die Naturschutzbehörde nicht dazu berechtigt, Verbote weiter zu fassen, als es im Interesse der Schutzgüter des § 26 Abs. 2 NNatSchG notwendig ist.

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Gemessen an diesen rechtlichen Vorgaben verstößt § 3 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 Buchst. d VO gegen das Übermaßverbot, weil nicht von vorneherein feststeht, dass das Befahren der Fließgewässer mit Booten und Fahrzeugen den Charakter des unter Landschaftsschutz gestellten Gebiets schlechthin verändert oder dem besonderen Schutzzweck der Verordnung generell zuwiderläuft.

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Der Charakter des Landschaftsschutzgebiets "Südheide" wird nach § 2 Abs. 1 VO durch die geringe Zersiedlung und Zerschneidung durch Verkehrswege, großflächige Nadelholzforste mit vereinzelt eingestreuten naturnahen Laubflächen, teilweise naturnahe Heidebäche, Bachniederungen mit überwiegend Grünland, landwirtschaftlich genutzte Bereiche, Zwergstrauchheiden, Wacholderheiden und Moore geprägt. Dass das Befahren der Fließgewässer diesen Gebietscharakter verändert, ist nicht erkennbar.

32

Das Befahren der im Landschaftsschutzgebiet vorhandenen Fließgewässer mit Booten oder Fahrzeugen führt auch nicht schlechthin zu einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder des Naturgenusses, weil das Kanufahren dem Landschaftsbild und dem Naturgenuss, d.h. der Teilnahme der Allgemeinheit am Erlebnis der unter Schutz gestellten Natur (vgl. dazu Louis, Nieders. Naturschutzgesetz, Komm., § 26 Rn. 8 B), nicht generell abträglich ist.

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Weiterhin lässt sich nicht feststellen, dass das Befahren der Fließgewässer im Landschaftsschutzgebiet mit Booten und Fahrzeugen dem in § 2 Abs. 3 VO bezeichneten besonderen Schutzzweck schlechthin zuwiderläuft.

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Der Schutzzweck der Verordnung besteht nach § 2 Abs. 3 Satz 1 VO in der Sicherung des in § 2 Abs. 1 VO beschriebenen Landschaftscharakters und der in § 2 Abs. 2 VO aufgeführten Landschaftsfunktionen, insbesondere der Sicherung der Erholungseignung, des vielfältigen, eigenartigen und schönen Landschaftsbildes, des ruhigen und unzersiedelten Landschaftsraums, der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, der Nutzbarkeit der Naturgüter, der naturnahen Lebensräume für wildlebende Pflanzen und Tiere, der Eignung für die Grund- und Oberflächenwasserneubildung und der Regeneration der naturnahen Waldflächen.

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Das Befahren der Fließgewässer im Landschaftsschutzgebiet führt nicht generell zu einer Beeinträchtigung der Erholungseignung des unter Schutz gestellten Gebiets, weil die Eignung des Landschaftsschutzgebiets zur Erholung durch das Kanufahren nicht wahrnehmbar eingeschränkt wird. Das Kanufahren ist auch mit der von der Landschaftsschutzgebietsverordnung bezweckten Sicherung des vielfältigen, eigenartigen und schönen Landschaftsbildes und des ruhigen und unzersiedelten Landschaftsraumes nicht schlechthin unvereinbar. Entsprechendes gilt für die Sicherung der Eignung des Gebiets für die Grund- und Oberflächenwasserneubildung und die Regeneration naturnaher Waldflächen.

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Schließlich kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Befahren der Fließgewässer mit Booten und Fahrzeugen aller Art dem Schutzzweck der Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und der Nutzbarkeit der Naturgüter sowie der Sicherung naturnaher Lebensräume für wildwachsende Pflanzen und wildlebende Tiere generell zuwiderläuft. Da die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide" nach § 2 Abs. 3 VO nicht primär den Schutz von Tier- und Pflanzenarten bezweckt, sondern die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, die Nutzbarkeit der Naturgüter und naturnahe Lebensräume für wildwachsende Pflanzen und wildlebende Tiere sicherstellen will, läuft nicht jede Störung oder Beeinträchtigung von Tier- oder Pflanzenarten dem Schutzzweck der Landschaftsschutzgebietsverordnung im Sinne von § 26 Abs. 2 NNatSchG zuwider. Erheblich sind vielmehr nur nachhaltige Störungen oder Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt als Teil des Naturhaushalts oder spürbare Eingriffe in die Lebensgrundlagen der Flora und Fauna. Dass das Befahren der Fließgewässer im Landschaftsschutzgebiet "Südheide" mit Booten oder Fahrzeugen schlechthin derartige Folgen hat, lässt sich jedoch nicht feststellen.

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Bei dem Befahren der Fließgewässer kann es allerdings zur Beeinträchtigung wildwachsender Pflanzen und wildlebender Tiere kommen. Der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen, dass mechanische Einwirkungen der Bootskörper und Paddel auf den Gewässergrund, insbesondere die Sand- und Kiesbänke, sowohl zu einer Zerstörung von Pflanzen und Tieren als auch zu einer Veränderung ihres Lebensraums führen können. Dabei sind nicht nur direkte Schädigungen der Pflanzen und Tiere, sondern auch die Auswirkungen der Aufwirbelung von Feinsand und Schlamm auf den Laich von Fischen und die Larven von Wirbellosen sowie die auf Sicht jagenden Tiere bedeutsam. Außerdem können Menschen, die Fließgewässer befahren, störungsempfindliche Tiere, insbesondere die Vögel, die ihren Lebensraum an den Fließgewässern haben, beunruhigen oder aus ihren Refugien vertreiben. Daraus ergibt sich indessen nicht, dass das Befahren der Fließgewässer schlechthin zu nachhaltigen Störungen oder Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt oder zu spürbaren Eingriffen in die Lebensgrundlagen der Flora und Fauna führt.

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Eine Beeinträchtigung der am Gewässergrund lebenden Tiere und Pflanzen ist insbesondere dann zu erwarten, wenn Boote benutzt werden, die zu groß sind oder einen zu großen Tiefgang haben. Entsprechendes gilt, wenn Kanuten über unzureichende Fahrtechnik verfügen, Sandbänken und Uferzonen nicht ausweichen können, bei zu niedrigen Wasserstand fahren oder Gewässerabschnitte nutzen, die generell zu flach sind. Auch das Ein- und Aussetzen der Boote an dafür nicht geeigneten Stellen kann die am Gewässergrund lebenden Tiere und Pflanzen gefährden. Ob und in welchem Umfang die schutzwürdigen Fischarten, die in den Fließgewässern des Landschaftsschutzgebiets "Südheide" anzutreffen sind, nachhaltig gestört oder beeinträchtigt werden, hängt gleichfalls von der Gewässertiefe, dem Wasserstand, der Größe und dem Tiefgang der Boote ab. Darüber hinaus ist von erheblicher Bedeutung, ob die Gewässer während der Reproduktionsphase der Fische befahren werden und wie viele Boote dort verkehren. Eine nennenswerte Beeinträchtigung der Vögel, die an den Fließgewässern im Landschaftsschutzgebiet "Südheide" vorkommen, ist ebenfalls von der Anzahl der Wasserfahrzeuge und deren Größe abhängig. Maßgeblich ist ferner, ob die Gewässer während der Brut und der Aufzucht der Jungvögel befahren werden, weil die Störungsschwelle dann niedriger liegt. Außerdem ist das Verhalten der Wassersportler und deren Kenntnisse über die Empfindlichkeit des Fließgewässerökosystems von Bedeutung.

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Diese Einschätzung wird durch die vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen bestätigt. Dem Bericht "Kanusport und Artenschutz am Beispiel niedersächsischer Fließgewässer" von Altmüller (Jahrbuch für Naturschutz und Landschaftspflege, Heft 38) ist zu entnehmen, dass die von Paddlern ausgehenden Wirkungen auf die Tierwelt an und in Fließgewässern insbesondere von der Anzahl der Wassersportler abhängig ist. Nach Angaben von Altmüller werden Fische durch die Vielzahl von Wassersportlern gestresst. In welchem Umfang Wasserpflanzen mechanisch geschädigt werden, hängt gleichfalls von der Anzahl der Wassersportler ab. Bedeutsam ist außerdem das Fahrkönnen der Paddler.

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Der Untersuchung "Kanusport und Naturschutz, Konflikte und Lösungsmöglichkeiten betrachtet am Heidebach Örtze" von Behncke und Hengelbrock kann auch entnommen werden, dass die Zahl der Paddler, die ein Gewässer an einem Tag befahren, für Störungen von großer Bedeutung ist. So werden Fische - wie die Bachforellen - gestresst, wenn Wassersportler in großer Anzahl auftauchen; anhaltende Störungen können zu einer verringerten Nahrungsaufnahme und einer Abwanderung aus den angestammten Revieren führen. Der Grad der Störung der Eisvögel ist nach Behncke und Hengelbrock ebenfalls von der Anzahl der Boote auf den Fließgewässern abhängig. Während die Störung dieses Vogels durch einen Kanuten allenfalls 15 Minuten andauern kann, können bei der Durchfahrt vieler Paddler Störungen von mehreren Stunden auftreten, die das Brutgeschäft und die Versorgung der Nestlinge gefährden können. Da die Eisvögel zur Nahrungsaufnahme klares Wasser benötigen, um ihre Beute optisch fixieren zu können, werden sie auch durch die Trübung des Wassers aufgrund starker Frequentierung des Gewässers durch Wassersportler beeinträchtigt. Störungen der Vögel sind außerdem dann besonders nachhaltig, wenn sie in der Zeit der Revierbesetzung und Paarbildung sowie in die erste Phase der Jungenaufzucht fallen, weil Vögel in dieser Zeit besonders störanfällig sind. Demgegenüber ist die Gefährdung der Wirbellosenfauna nach den Feststellungen von Behncke und Hengelbrock außer von der Frequentierung der Fließgewässer auch von der Größe der Fließgewässer und dem Wasserstand abhängig. Sie nimmt zu, wenn der Wasserstand sinkt und die Zahl der Boote ansteigt. Der Laich der Bachforellen wird den     ebenfalls bei niedrigem Wasserstand gefährdet, weil es dann zu einer Berührung des Laichbereichs durch Bootsrümpfe und Paddel kommt. Die Beeinträchtigung der Fischotter ist nach den Angaben von Behncke und Hengelbrock auch von der Zahl und der Dauer der Störungen durch Kanuten abhängig. Müssen sich Fischotter zu lange im Wasser verborgen halten, werden sie gezwungen abzuwandern, da sie an starke Bewegungen gewöhnt sind. Diese Belastungen werden allerdings dadurch relativiert, dass die Fischotter hauptsächlich in der Abenddämmerung und während der Nacht aktiv sind.

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Die Untersuchung "Rheobionte Libellen (Odonata) in Fließgewässern der Lüneburger Heide (Niedersachsen)" von Bahlo (Braunschweiger naturkundliche Schriften, Heft 2, Oktober 1989) zeigt ferner, dass auch die Beeinträchtigung der an der Örtze vorkommenden Libellenart Fluss- und Keiljungfer von der Zahl der Paddler, die auf den Fließgewässern verkehren, und deren Verhalten abhängt. Der Hinweis auf Schäden und Gefährdungen durch Wassersportler (zahlreiche Paddler) in der Biotopkartierung durch das Niedersächsische Landesverwaltungsamt vom 19. Mai 1989 deutet gleichfalls darauf hin, dass die große Zahl der Wassersportler für Schäden und Gefährdungen der Flora und Fauna in und an der Örtze verantwortlich ist. Schließlich ist dem vom Antragsgegner überreichten Schreiben des Niedersächsischen Landesamts für Ökologie vom 10. Dezember 2001 zu entnehmen, dass bei einer Gewässerbreite von 3,0 m und einer Wassertiefe von 0,30 m ausgeschlossen werden kann, dass Kanuten mit Untiefen und Gewässerrändern in Berührung kommen. Eine derartige Wassertiefe finden Kanuten an den Fließgewässern im Landschaftsschutzgebiet "Südheide" jedenfalls zeitweilig vor. Nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Schreiben der Ingenieurgesellschaft H. und P. GmbH vom 6. Dezember 2001 weisen die Örzte und die Nebengewässer zwar auch flachere Bereiche auf, die bei Mittelwasserführung eine Wassertiefe von lediglich 30 cm oder weniger haben. Bei stärkerer Wasserführung sind diese Gewässer jedoch auch dort tiefer. Außerdem  weisen die Wietze und der Örztekanal schon bei Mittelwasserführung eine größere Wassertiefe auf. Damit steht die Gewässertiefe einem Befahren der Fließgewässer jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Wasserstand höher als durchschnittlich ist. Im übrigen ist ein geübter Kanut in der Lage, im Stromstrich zu fahren und Untiefen zu umgehen.

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Dementsprechend kann bei der gebotenen Gesamtschau nicht festgestellt werden, dass das Befahren der Fließgewässer im Landschaftsschutzgebiet "Südheide" schlechthin zu nachhaltigen Störungen oder Beeinträchtigungen der Tier- oder Pflanzenwelt oder spürbaren Eingriffen in die Lebensgrundlagen der Flora und Fauna führt. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass es auch dann generell zu solchen Störungen oder Beeinträchtigungen kommt, wenn die Fließgewässer von wenigen Personen mit guter Fahrtechnik und flachen Booten bei ausreichender Gewässertiefe und hohem Wasserstand befahren werden und der Zeitraum, in dem die Reproduktionsphasen der meisten besonders geschützten Tierarten liegen, weitgehend gemieden wird. Dass auch dann einzelne Tierarten gestört werden, weil es praktisch keinen Zeitraum gibt, in dem nicht irgendeine Tierart des Heidebachökosystems besonders störungsempfindlich ist (vgl. Behncke und Hengelbrock), ändert daran nichts. Die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Südheide" bezweckt nicht den Schutz einzelner Tierarten, sondern die Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und naturnaher Lebensräume für wildlebende Tiere. Damit sind die Verbote der Verordnung nicht auf den Schutz bestimmter Arten oder Lebensgemeinschaften ausgerichtet (vgl. Louis, Bundesnaturschutzgesetz, Komm., 2. Auflage, § 12 Rn. 63). Daher laufen  - wie bereits dargelegt - nur die Handlungen dem besonderen Schutzweck der Verordnung zuwider, die nachhaltige Störungen oder Beeinträchtigungen der Tier- und Pflanzenwelt als Teil des Naturhaushalts zur Folge haben oder spürbare Eingriffe in die Lebensgrundlage der vorhandenen Flora und Fauna darstellen. Abgesehen davon ist nach Angaben von Behncke und Hengelbrock auch in Zeiten besonderer Störungsempfindlichkeit die Dauer und Häufigkeit der Belastungen für den Rückgang von Tier- und Pflanzenarten maßgebend.

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Damit ist das Verbot des § 3 Abs. 1 Buchst. d VO wegen Verstoßes gegen das Übermaßverbot nichtig. Das gilt auch, soweit es das Befahren der Örtze im Abschnitt zwischen Müden und Wolthausen betrifft, weil das Befahrensverbot ein einheitliches Verbot, das nicht teilbar ist, darstellt. Die Nichtigkeit erstreckt sich auch auf § 3 Abs. 2 Buchst. d VO, da diese Bestimmung untrennbar mit § 3 Abs. 1 Buchst. d VO verbunden ist.

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Zur Klarstellung weist der Senat abschließend darauf hin, dass diese Entscheidung den Antragsgegner nicht daran hindert, das Befahren der Fließgewässer im Landschaftsschutzgebiet zum Schutz besonders gefährdeter Tiere und Pflanzen durch eine hinreichend differenzierte Befahrensregelung oder durch ein präventives Verbot mit Genehmigungsvorbehalt zu beschränken. Außerdem kann er, um besonders geschützten Tieren an und in den Fließgewässern Lebensstätten oder Lebensmöglichkeiten zu erhalten, das Befahren der Fließgewässer nach § 41 Abs. 2 Satz 1 NNatSchG für bestimmte Gebiete und begrenzte Zeit untersagen oder beschränken. Da dies nicht nur durch eine Verordnung, sondern auch durch eine Einzelanordnung erfolgen kann, hat es der Antragsgegner in der Hand, innerhalb kurzer Zeit Anordnungen zu treffen, die das Befahren der Fließgewässer bis zu einer Änderung der Landschaftsschutzgebietsverordnung regeln und erhebliche Beeinträchtigungen der Fauna durch den zunehmenden Kanutourismus verhindern.