Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.12.2001, Az.: 1 MB 2768/01
Außenwohnbereich; Belästigung; Geruchsbelästigung; Nachbarschutz; Nachbarschutz gegen Rinderstall; Rinderstall; Umweltverträglichkeitsprüfung; UVPG
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.12.2001
- Aktenzeichen
- 1 MB 2768/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39542
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 18.06.2001 - AZ: 4 B 1792/01
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs 1 BauNVO
- § 3c Abs 1 S 1 UVPG
- § 12 UVPG
- § 25 Abs 1 UVPG
- § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 BImSchV 4
- § 19 BImSchG
- § 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG
- § 10 Abs 3 BImSchG
- § 10 Abs 6 S 1 BImSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Es bestehen nach wie vor keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, Nachbarn würden durch Stäube, welche von größeren Tierstallungen ausgehen, Gesundheitsgefahren ausgesetzt.
2. Geruchsbelästigungen, die von Rinderställen ausgehen, sind Nachbarn eher zuzumuten als Immissionen von Schweineställen.
3. Zur Schutzwürdigkeit von sog. Außenwohnbereichen.
4. Auch nach seiner Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz (vom 27.7.2001, BGBl. I S. 2350) vermittelt das Umweltverträglichkeitsrecht dem Nachbarn keinen weitergehenden Schutz gegen Immissionen, welche von Tierställen ausgehen, als er schon nach dem bisher geltenden Recht vermittelt wird.
5. Zum Maßstab bei Eilanträgen von Nachbarn gegen emittierende Anlagen.
Gründe
Der Antragsteller begehrt zur Abwehr von Geruchs- und Staubemissionen von seinem östlich des angegriffenen Vorhabens gelegenen Wohngrundstück vorläufigen Rechtsschutz gegen die Errichtung einer rund 30 m x 10,8 m großen Halle, in der der Beigeladene insgesamt rund 71 Stück Rindvieh in Liegeboxen und auf Spaltenböden halten will. Das Gebäude soll in westöstlicher Richtung aufgestellt und mit einer Traufen-First-Lüftung versehen werden. Die Gülle soll (u.a.) in zwei rund 1,50 m tiefen Güllekanälen gelagert werden, welche unterhalb der Betonspalten liegen und zwei Entnahmestellen an der Westseite des Stalles aufweisen.
Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag mit der angegriffenen Entscheidung stattgegeben. Die Beschwerde des Beigeladenen hat der Senat durch Beschluss vom 13. August 2001 - 1 MA 2335/01- wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit dieser Entscheidung zugelassen. Die Beteiligten streiten im Wesentlichen um die Fragen, welchen Schutz der Antragsteller beanspruchen kann, ob er wegen der Hauptwindrichtungen und an windarmen Tagen insbesondere durch die Güllelagerung und ihrer Entnahme unzumutbar belästigt werden wird, eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte durchgeführt werden müssen und er zudem durch die in den Stallstäuben enthaltenen Schadstoffe Gesundheitsgefahren ausgesetzt werde. Er sieht die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Genehmigung noch nicht in einer Weise gesichert, welche allein eine Antragsablehnung rechtfertigen könne.
Die zugelassene Beschwerde hat Erfolg. Das Interesse des Beigeladenen, den Bauschein vom 28. November 2000 ausnutzen zu können, überwiegt das Interesse des Antragstellers, hiervon bis zur rechtskräftigen Bescheidung des dagegen eingelegten Rechtsbehelfs verschont zu bleiben. Dafür sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
In Verfahren nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ist "ausgewogener" Rechtsschutz zu gewähren. Denn nicht nur auf Seiten des Nachbarn drohen vollendete, weil unumkehrbare Tatsachen einzutreten, wenn das Vorhaben verwirklicht wird. Auch auf der Seite des Bauherrn können solche nicht mehr wieder gutzumachenden Folgen eintreten. Diese bestehen im Falle einer Antragsstattgabe in jedem Fall darin, dass die durch den Aufschub verlorene Zeit mit der Folge nicht nachgeholt werden kann, dass auch die in dieser Zeit erzielbaren Gewinne nicht mehr realisiert werden können. Von den Folgen des § 945 ZPO bleibt der Antragsteller im verwaltungsgerichtlichen Nachbarstreit verschont. Aus diesem Grunde kommt in Verfahren des einstweiligen Nachbarrechtschutzes den Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Sachverhalt ist dabei in aller Regel nur summarisch zu überprüfen. Das Ergebnis dieser Prüfung gibt dem Vollzugsinteresse des Bauherrn entgegen der Annahme des Antragstellers indes nicht erst dann den Vorrang, wenn die Baugenehmigung danach mehr oder minder zweifelsfrei Nachbarrechte dieses Antragstellers nicht verletzt. Ein derartiger Rechtsschutz wäre nicht ausgewogen, weil er das Risiko, die Rechtmäßigkeit des Bauscheins bei nur summarischer Prüfung nicht vollständig zweifelsfrei ermitteln zu können, einseitig auf den Bauherrn überwälzte. Mit anderen Worten: Es fehlt die innere Rechtfertigung dafür, dem Bauherrn eine Zurückstellung seiner Bauabsichten schon dann zuzumuten, wenn noch nicht vollständig erwiesen ist, das "sein" Bauschein Nachbarrechte nicht verletzt, und damit den Belangen des Nachbarn selbst dann einstweilen Vorrang einzuräumen, wenn derzeit Überwiegendes, wenngleich nicht vollständig zweifelsfrei für die Annahme spricht, dass der nachbarliche Rechtsbehelf voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. Dies wäre nicht nur unausgewogen, sondern widerspräche auch der Wertung des Gesetzgebers, der durch § 212 a BauGB tendenziell den Bauabsichten Vorrang eingeräumt hat.
Die sonach anzustellende Prüfung führt aus den Gründen, welche der Senat bereits in seinem Zulassungsbeschluss vom 13. August 2001 - 1 MA 2335/01 - aufgeführt hat, zu einem Erfolg der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hat dem Eilantrag des Antragstellers zu Unrecht stattgegeben. Es sprechen derzeit keine so gewichtigen Gründe für die Annahme, der Bauschein vom 28. November 200 verletzte Nachbarrechte des Antragstellers, dass eine Eilantragstattgabe zu rechtfertigen wäre.
Die nunmehr in den Vordergrund gerückte Sorge, vom angegriffenen Stall könnten Stäube ausgehen, deren Fracht über das Maß des Zumutbaren hinaus seine Gesundheit anzugreifen geeignet seien, kann dem Eilantrag nicht zum Erfolg verhelfen. Das ergibt sich schon aus prozessualen Gründen, weil es der Antragsteller unterlassen hat, diese Frage dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Selbst wenn man es zur Sache untersuchte, griffe dieser Einwand nicht durch. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass hierzu gesicherte Erkenntnisse noch nicht vorliegen. Der Umstand allein, dass die niedersächsische Landesregierung Anlass für einen Forschungsauftrag gesehen hat, bioaerosol übermittelten Krankheitskeime im Umfeld von Geflügelställen nachzugehen (vgl. Entschließung des Niedersächsischen Landtages vom 11.11.1999, LT-Drucks. 14/1157; Unterrichtung der Landesregierung vom 31.5.2000, LT-Drucks. 14/1649) bedeutet nicht, dass die ihr zugrunde liegende Annahme/Sorge bereits erwiesen ist oder gar zutrifft. Insofern verhält es sich nicht anders als beispielsweise auf den Gebieten des Elektrosmogs (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 19.1.2001 - 1 O 2761/00 -, NVwZ 2001, 456 = BauR 2001, 1250) und bestimmten Fragen aus dem Bereich der behaupteten Schädlichkeit von Windenergieanlagen, namentlich des Infraschalles (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 24.9.2001 -1 MA 2464/01 -). Eine Arbeitshypothese allein (die sich hier im Übrigen auf Geflügelintensivhaltung und nicht auf Rinderställe bezieht) begründet noch keinen Anlass, dem Bauherrn die Ausnutzung einer ihm erteilten Baugenehmigung einstweilen zu versagen. Stehen sich - wie namentlich im Bereich des Elektrosmogs/Mobilfunks und der Beurteilung nachteiliger Auswirkungen von Windenergieanlagen - wissenschaftliche Auffassungen bislang unversöhnt gegenüber, ohne dass sich die eine oder andere Richtung als herrschend hat durchsetzen können, ist es nicht Aufgabe der Gerichte, diesen "Wissenschaftsstreit" mit den Mitteln des Prozessrechts zu lösen (vgl. BVerfG, Beschl. vom 17.2.1997 - 1 BvR 1658/96 -, BRS 59 Nr. 183 = NJW 1997, 2509). Dasselbe gilt auch für die Frage, ob von Tierställen durch Luftübertragung vermittelte Emissionen Krankheitskeime enthalten, welche auch dem Menschen schädlich sein können. Die von der Landesregierung in Auftrag gegebene und mit finanzieller Unterstützung der EU zu erstattende Langzeituntersuchung wird voraussichtlich nicht vor dem Jahre 2003 vorliegen. Verlässliche Anhaltspunkte, welche bereits jetzt darauf hindeuteten, von allen Tierställen, namentlich von Rinderställen gingen jedenfalls bei den hier in Rede stehenden Abständen durch Luftübertragung vermittelte Krankheitskeime aus, welche die menschliche Gesundheit ernsthaft zu gefährden im Stande sind, liegen nicht vor (vgl. Senatsbeschluss vom 19.8.1999 - 1 M 2711/99 -, RdL 1999, 287 = NVwZ-RR 2000, 91 = AgrarR 2001, 94).
Es bestehen keine für eine Eilantragstattgabe ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, vom angegriffenen Rinderstall gingen Geruchsbeeinträchtigungen aus, welche dem Antragsteller nicht mehr zuzumuten wären. Schutz vor Geruchsbelästigungen kann er nur in dem Umfang beanspruchen, der in Dorfgebieten gewährt wird. Es mag zwar sein, dass die Zahl der voll- und nebenerwerbswirtschaftlich betriebenen Höfe in Stöckendrebber in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen ist. Dieser Rückgang hat nach der hier allein aufgrund der Aktenlage möglichen Beurteilung indes noch nicht zur Folge, die für die Beurteilung des Nachbarstreits maßgebliche Umgebung schon als allgemeines Wohngebiet einzustufen. Nach der Anlage 2 zur Eilantragsschrift sind vielmehr gerade in dem hier maßgeblichen räumlichen Bereich östlich der Stöckendrebber Straße zwischen den Einmündungen der Straße Zum Osthorn und der Junkernstraße sieben landwirtschaftlich genutzte Gebäude vorhanden. Das nötigt zur Annahme, jedenfalls in diesem Bereich liege noch ein Dorfgebiet vor, dessen Bewohner einen dementsprechend verringerten Anspruch vor Geruchsbeeinträchtigungen haben. Denn Dorfgebiete sind nicht erst dann anzunehmen, wenn sich die Zahl der landwirtschaftlich und der in sonstiger Weise im Sinne des § 5 Abs. 1 BauNVO genutzten Gebäude die Waage hält. Maßgeblich ist vielmehr, ob dort noch in einer ins Gewicht fallenden Weise landwirtschaftliche Nutzung vorhanden ist. Das lässt sich angesichts des Umfangs der dort neben andersartig genutzten Gebäuden stehenden landwirtschaftlich geprägten Vorhaben aller Voraussicht nicht leugnen. Das hat zugleich zur Folge, dass der Antragsteller nicht beanspruchen kann, von jedweder landwirtschaftlich geprägten Geruchsbeeinträchtigung verschont zu bleiben. Er hat nicht nur Geruchseinträge hinzunehmen, welche "irgendeine" landwirtschaftliche Fracht tragen (1 GE/cbm Luft), sondern in gewissem Umfang sogar solche, welche eine Identifikation des Tierbestandes gestatten (3 GE/cbm Luft).
Dabei trifft es im Grundsatz einerseits zwar zu, dass sich der auch dort noch zu beanspruchende Schutz nicht auf die Nutzung eines Gebäudes beschränkt. Auch Außenwohnflächen kommen vielmehr in den Genuss des Schutzes vor unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen. Als solche Außenwohnflächen sind indes nicht alle Grundstücksflächen anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt (vgl. z. B. Urt. vom 11.11.1988 - 4 C 11.87 -, NVwZ1989, 255 = UPR 1989, 110 = DVBl. 1989, 358; vgl. auch Urt. vom 21.5.1976 - IV C 80.74 -, BVerwGE 51, 15 = DVBl. 1976, 770 = BayVBl. 1976, 658) ist vielmehr die Schutzwürdigkeit außerhalb des Wohngebäudes gelegener Grundstücksflächen je nach ihrer Lage und bestimmungsgemäßen Nutzung konkret festzustellen. Dementsprechend genießen nur solche Außenflächen Schutz, die tatsächlich zum Wohnen im Freien dienen. Vorgärten etwa, die nur zum optischen Schmuck des Anwesens bepflanzt werden, im Übrigen aber nicht zum regelmäßigen Aufenthalt im Freien dienen, sind ebenso wenig schutzwürdig wie beispielsweise Balkone, wenn diese nicht zu einem dauernden Aufenthalt der Bewohner bestimmt sind.
Danach ergibt sich auf der Grundlage des Skizze, welche der Antragsteller als Anlage 3 seiner Eilantragsschrift beigefügt hat: Der schutzwürdige Bereich seines Grundstücks beginnt erst in einem Abstand von 52 m zur östlichen Giebelwand des angegriffenen Vorhabens. Denn dies ist der Abstand zu seiner Eingangstür. Außenwohnbereiche finden sich erst nordöstlich der Eingangstür ("Sitzgruppe am Seiteneingang") sowie noch weiter nach Osten gerückt als "Sitzecke im Garten".
Dieser Abstand ist so groß, dass der Antragsteller nach dem derzeit absehbaren Stand der Dinge nur in einem Umfang von landwirtschaftlichen Gerüchen des angegriffenen Vorhabens ausgesetzt sein wird, welcher Bewohner eines Dorfgebietes noch zugemutet werden kann. Der Senat orientiert sich insoweit, wie auf Seite 4 f. seines Zulassungsbeschlusses vom 13. August 2001 - 1 MA 2335/01 - bereits ausgeführt worden ist, an den Ergebnissen der Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen, welche die Bayerische Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München - Weihenstephan in den Jahren 1993 und 1997 durch Zeisig und Langenegger hat durchführen lassen und deren Ergebnisse im Juni 1999 als Gelbes Heft Nr. 63 der Landtechnischen Berichte aus Praxis und Forschung veröffentlicht worden sind. Deren Ergebnisse sind im Zulassungsbeschluss bereits zum Teil zusammengefasst worden. Danach ist vor allem folgendes maßgeblich: Die sogenannte Geruchsschwellenentfernung (1 GE/cbm Luft) ist im wesentlichen unabhängig von der Stallkapazität und der Bestandsgröße wie auch vom Besatz (Mast- oder Milchvieh; vgl. a.a. O. S. 31, 33). Unterschiede ergeben sich allerdings aus der Art des Stalles. Außenluftställe (Offenstallungen und Außenklimaställe) führen zu Geruchsschwellenentfernungen (Es riecht nach Landwirtschaft ohne angeben zu können, welcher Art sie ist."), welche eindeutig über den Werten konventioneller Ställe liegen (a. a. O. S. 42 und 66). Der hier in Rede stehende Stall ist indes nicht als Rinderoffenstall, in der die Tiere aufgrund der großen/"freien" Lüftung fast wie in freier Natur gehalten werden, sondern als konventioneller Stall im Sinne der Weihenstephaner Untersuchung anzusehen. Dieses ergibt sich aus den Ausführungen auf Seite 15 (zu Nr. 4), wonach zu den Ställen konventioneller Bauweise auch Trauf-First-Lüftungsställe gehören. Für deren Beurteilung sind die Werte maßgeblich, wie sie in der Abbildung (S. 65) der Weihenstephaner Untersuchung niedergelegt worden sind. Danach sind Rinderstallgerüche deutlich wahrnehmbar in einer Entfernung von 50 m nur an ca. 2 % der Jahresstunden; schwach wahrzunehmen sind sie danach in dieser Entfernung an knapp 20 % der Jahresstunden. Die Erkennungsschwelle ist dabei als "worst case" für den Fall anzunehmen, dass die Gerüche infolge Westwindes praktisch an der östlichen Giebelwand im Luv austreten (a.a.O. S. 11, 60). Das Grundstück des Antragstellers liegt nach Mitteilung des Deutschen Wetterdienstes in der Hauptwindrichtung. Deutlich wahrnehmbare Rindergerüche von 3 GE/m³ sind dem Antragsteller indes in einem Dorfgebiet zuzumuten (vgl. Senatsurt. vom 19.1.1995 - 1 L 166/90 -, AgrarR 1995, 283 = BRS 57 Nr. 106 = NuR 1996, 42; vgl. auch Urteil vom 11.4.1997 - 1 L 7648/95 -, NdsVBl. 1997, 259 = AgrarR 1999, 187 = NuR 1998, 393 [OLG Düsseldorf 15.01.1998 - 2 Ss (Owi) 472/97]). Schädliche Umwelteinwirkungen liegen nach dieser Rechtsprechung des Senats keinesfalls vor, wenn der Geruchsschwellenwert ( 1 GE/m³ Luft) nur an bis zu 3 v. H. der Jahresstunden überschritten werde und in der übrigen Zeit keine Ekel oder Übelkeit auslösenden Gerüche zu erwarten sind. Dagegen liegen schädliche Umwelteinwirkungen vor, wenn deutlich wahrnehmbare, belästigende Gerüche (3 GE/m³ Luft) an mehr als 5 v. H. der Jahresstunden zu verzeichnen sind.
Die danach zu erwartenden Geruchseinträge sind dem Antragsteller aller Voraussicht nach zuzumuten. Sie überschreiten zwar, was ihre Häufigkeit anbetrifft, das Maß dessen, was nach den vorstehend wiedergegebenen Grundsätzen der bisherigen Senatsrechtsprechung auf jeden Fall als noch nachbarverträglich angesehen werden kann. Es ist indes nach Auffassung des Senats zwischen verschiedenen Gerüchen zu differenzieren (vgl. dazu auch Weihenstephaner Untersuchung Seiten 14 f.). Während namentlich Gerüche aus Schweinehaltungen eher belästigen, ist dies bei Rindergerüchen - wie dies der Senat selbst bei verschiedenen Ortsterminen hat bestätigt finden können - anders. Rindergerüche sind gleichsam dorfgebietstypisch und weit weniger belästigend als Gerüche aus Schweinehaltungen. Dementsprechend sind sie von dort lebenden Personen in größerem Umfang hinzunehmen. Bei einem knappen Fünftel der Jahresstunden ist nach der hier allein vorläufig möglichen Einschätzung noch nicht der Bereich erreicht, ab dem die Geruchseinträge aus der Rinderhaltung schon als eine Belästigung angesehen werden können, welche dem Antragsteller bei Abwägung der konkurrierenden Interessen angesichts der Lage seines Grundstücks in einem Dorfgebiet nicht mehr zugemutet werden kann. Es sind auch keine Anhaltspunkte für die Annahme vorhanden, der Antragsteller werde von mehreren Seiten solchen Gerüchen ausgesetzt sein. Nach den von ihm selbst als Anlage zur Eilantragsschrift eingereichten Plänen befinden sich die übrigen landwirtschaftlichen Betriebe vielmehr im wesentlichen außerhalb der Hauptwindrichtung. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass der Antragsteller außer vom angegriffenen Vorhaben wesentlichen Umfangs auch von dritten Betrieben geruchlich in Mitleidenschaft gezogen werden wird.
Die vorstehend zusammengefassten Ergebnisse werden durch die Bemerkung des Antragstellers nicht entscheidend in Zweifel gezogen, bei dieser Art der Ermittlung sei die besondere Art, in welcher der Beigeladene seine Gülle lagern wolle, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, bei den von der Bayerischen Landesanstalt seinerzeit untersuchten Außenklimaställen sei die Gülle stets in Behältnissen gelagert worden, welche außerhalb der Ställe aufgestellt oder in die Erde eingelassen worden seien. Die Bemerkung in der Studie Seite 36, Gülle-, Festmist- und Silagegerüche seien nicht gesondert erfasst worden, weil sie auch nicht getrennt wahrgenommen würden, lässt einen derartigen Schluss nicht zu. Nr. 1.5.2 des Entwurfs zur VDI-Richtlinie "Tierhaltung - Rinder/Gerüche" Nr.: 3473 (dieser ist nur hinsichtlich seiner Abstandsregelungen zurückgenommen worden, nicht jedoch hinsichtlich seines ersten Teils, in dem die Aufstallungsformen beschrieben werden) zufolge wird Flüssigmist entweder unter dem Stall (Zirkulationssystem) oder in Tiefbehältern oder in Hochbehältern (mit Vorgrube und Pumpstation) gelagert. Damit gehört das vom Beigeladenen gewählte Lagerungssystem zu den konventionellen Systemen und besteht ein ausreichender Anlass für die Annahme, bei der Weihenstephaner Untersuchung seien derartige Ställe nicht Gegenstand der Untersuchung gewesen, nicht.
Selbst wenn in soweit zu Lasten des Antragstellers ein Unsicherheitsfaktor bestünde und man zudem die (vom Deutschen Wetterdienst unter dem 18. April 2001 mit 0,9 % der Jahresstunden bezifferten) Stadien relativer Windstille mit den ihnen für die Nachbarschaft drohenden Gefahren (vgl. dazu a. a. O. S. 71) addierte, ergäben sich noch nicht so ernsthafte Anhaltspunkte für die Annahme unzumutbarer Geruchsbeeinträchtigungen, dass eine Eilantragstattgabe und damit Zurückweisung der Beschwerde zu rechtfertigen wäre. Es ist vielmehr Aufgabe eines eventuellen Hauptsacheverfahrens, derartigen Zweifeln nachzugehen. Dem Antragsteller kann angesichts der Entfernung zwischen östlicher Giebelwand/Stallgebäude und seinem Wohnhaus (siehe oben) von etwa 52 m angesonnen werden, das Risiko einer eventuellen Fehlbeurteilung bis zur rechtskräftigen Bescheidung seines Rechtsbehelfs gegen den Bauschein vom 28. November 2000 hinzunehmen.
Keine ausreichenden Anhaltspunkte für unzumutbare Geruchsbeeinträchtigungen ergeben sich aus der Gülleabfuhr. Entgegen der Annahme des Antragstellers befinden sich beide Gülleentnahmestellen am Westende des Gebäudes und damit in einer Entfernung von gut 82 m zu seinem Wohngebäude. Selbst wenn dort ein- bis zweimal im Jahr Gülle zur Zwischenlagerung in einem offenbar vorhandenen separaten Güllebehälter (vgl. dazu die Stellungnahme der Landwirtschaftskammer vom 23.6. und 2.8.2000) abgepumpt werden müsste, sind nicht zuletzt wegen der Entfernungen nach dem derzeit absehbaren Stand der Dinge keine unzumutbaren Geruchsbelästigungen zu erwarten.
Aus dem Gesetz zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz (vom 27.7.2001, BGBl. I S. 1950) kann der Antragsteller ihm günstige Rechtsfolgen nicht herleiten.
Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob § 25 Abs. 1 UVPG in seiner Neufassung (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des UVPG vom 5.9.2001, BGBl. I S. 2350) eine Geltung des neuen Rechts auch für die Verfahren anordnet, in denen zwar ein Genehmigungsbescheid erlassen, dieser aber angefochten worden ist. Dafür könnte der Wortlaut dieser Vorschrift sprechen, wonach Verfahren nach § 2 Abs. 3 UVPG, die der Genehmigung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen und vor dem 3. August 2001 begonnen worden sind, nach den Vorschriften dieses Gesetzes, d. h. seiner Neufassung zu Ende zu führen sind. Diese Vorschrift weist eine erhebliche Ähnlichkeit zu § 67 Abs. 4 BImSchG auf, wonach bereits begonnene Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf dieses Gesetz gestützten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende zu führen waren. Dieser Vorschrift hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 12. Dezember 1975 (- IV C 71.73 -, BVerwGE 50, 49, 52; vgl. auch Urt. vom 18.5.1982 - 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313, 316f. = NVwZ 1983, 32) entnommen, dass das Verfahren auch dann noch nicht im Sinne der Überleitungsvorschrift abgeschlossen ist, wenn zwar ein Genehmigungsbescheid erteilt, dieser aber von einem Nachbarn angefochten worden ist. Denn der Verfahrensbegriff beurteile sich nicht allein aus der Sicht des Anlagenbetreibers, hier also des Bauherrn, sondern auch aus der Sicht des Nachbarn. Erst wenn über dessen Rechte abschließend mitbefunden worden sei, sei das Verfahren abgeschlossen; das geschehe unter anderem erst in einem von ihm betriebenen Widerspruchsverfahren.
Selbst wenn hiernach die Vorschriften des neuen Rechts anzuwenden sind/sein sollten, verbesserten die Vorschriften des neuen Umweltverträglichkeitsrechts seine Position nicht. Sinn und Zweck des neuen Umweltverträglichkeitsrechts ist es allein, durch einheitliche Verfahrensvorschriften im Allgemeininteresse eine wirksame Umweltvorsorge zu treffen (vgl. Hien, NVwZ 1997, 422 f; Schmidt/Preuß, DVBl. 1995, 485, 494). Das zeigt gerade Nr. 7.12 der Anlage 1 zum UVPG (Liste der UVP-pflichtigen Vorhaben). Danach muss für Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren mit - wie hier - Plätzen für 50 Großvieheinheiten oder mehr eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls entsprechend § 3 c Abs. 1 Satz 1 UVPG durchgeführt werden. Diese Vorschrift ordnet eine Umweltverträglichkeitsprüfung an, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären. § 12 UVPG verpflichtet die Behörde aber nur dazu, bei Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben eine wirksame Umweltvorsorge zu treffen. Anspruch auf Umweltvorsorge hat ein Nachbar indes nicht. Denn das entspricht § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, auf den sich Nachbarn nicht berufen können (vgl. BVerwG, Urt. vom 18.5.1982 - 7 C 42.80 -, BVerwGE 65, 313, 318f.). Seine Rechtsmacht beschränkt sich vielmehr darauf, von schädlichen Umwelteinwirkungen verschont zu bleiben.
Nachbarliche Rechte kann der Antragsteller auch nicht daraus ableiten, dass/wenn das Vorhaben des Beigeladenen nach neuem Recht immissionsschutzrechtlicher Genehmigung und nicht mehr nur bauaufsichtsbehördlicher Genehmigung bedürfte. Das dürfte zwar zu bejahen sein. Denn § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der 4. BImSchV ordnet in der Fassung von Art. 4 Nr. 2 lit. a des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie usw. vom 27. Juli 2001 (a. a. O.) für die in Spalte 2 des Anhangs genannten Anlagen das vereinfachte Verfahren nach § 19 BImSchG an. In Spalte 2 des Anhangs zur 4. BImSchV sind unter Nr. 7.1, lit. b (unter anderem) Anlagen zum Halten oder zur Aufzucht von Nutztieren mit Plätzen für 50 Großvieheinheiten oder mehr aufgeführt.
Auch wenn danach zumindest im vereinfachten Verfahren eine immissionsrechtliche Genehmigung eingeholt werden müsste, um das streitige Vorhaben zu verwirklichen, beschränkte sich der Nachbarschutz des Antragstellers auf die Einhaltung des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG. Dieser geht indes nicht über das hinaus, was oben aus baurechtlicher Sicht ausgeführt worden ist. Erst jenseits der Unzumutbarkeitsschwelle kann der Antragsteller das Vorhaben abwehren. Daran änderte sich auch nichts, wenn die immissionsschutzrechtlichen Vorschrift - was § 19 Abs. 2 BImSchG durch die Anordnung fehlender Anwendbarkeit von § 10 Absätze 3 und 6 Satz 1 BImSchG indes gerade ausschließt - dem Antragsteller für das vereinfachte Verfahren Beteiligungsrechte sicherte. Denn diese allein vermitteln Nachbarschutz noch nicht, sondern erst dann, wenn sich ihre Wahrnehmung positiv auf seine Rechtsposition auswirkte (vgl. z.B. BayVGH vom 8.5.1996 - 22 CS 96.210 -, JURIS). Das ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall.