Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.12.2001, Az.: 7 L 5659/98
Abfall; Abfallbeseitigungspflicht; Abfallbesitz; Abfallbesitzer; Bebauungszusammenhang; Betretungsrecht; Bundeswasserstraße; Freistellung; Grundstück; Sachherrschaft; Schiffsliegestelle; Sonderabfall; Sonderabfallentsorgung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.12.2001
- Aktenzeichen
- 7 L 5659/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40444
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 15.07.1998 - AZ: 1 A 380/96
- nachfolgend
- BVerwG - 08.05.2003 - AZ: BVerwG 7 C 15.02
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 4 Nr 1 WaStrG
- § 5 WaStrG
- § 8 WaStrG
- § 3 Abs 1 AbfG
- § 3 Abs 6 KrW-/AbfG
- § 28 BNatSchG
- § 10 Abs 1 AbfG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das für den Abfallbesitz i.S.d. § 3 Abs. 1 AbfG a.F. (= § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG) erforderliche Mindestmaß an Sachherrschaft ist nicht gegeben, wenn das Grundstück aufgrund eines gesetzlichen Betretungsrechts (hier: § 5 WaStrG i.V.m. § 1 Abs. 4 Nr.1 WaStrG, § 28 BNatSchG) frei zugänglich ist. Der Begriff des Abfallbesitzers kann durch landesrechtliche Regelungen (hier: § 10 Abs. 1 NAbfG) nicht dahingehend erweitert werden, dass sich die Freistellung von der Pflicht zur (Sonder-)Abfallentsorgung nur auf Grundstücke bezieht, die in der freien Landschaft außerhalb von Bebauungszusammenhängen liegen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich dagegen, der Beklagten die Kosten zu erstatten, die diese für die Entsorgung von am Mittellandkanal abgelegten Sonderabfällen aufgewandt hat.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Mittellandkanals, der durch das Stadtgebiet der Beklagten führt. Dort unterhält sie die Hindenburgschleuse in H.-A. und Schiffsanlegestellen im Bereich des Nordhafens in Ha.-St.. Beide Betriebsgrundstücke sind nicht eingezäunt, die Uferwege bzw. -straßen sind mit Schotter, Asphalt oder Pflastersteinen befestigt und können mit Fahrzeugen befahren werden. An den Zufahrten hat die Klägerin jeweils folgendes Hinweisschild angebracht:
"Betriebsgelände
der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes
Benutzen
strompolizeilich
verboten",
sowie darunter jeweils als Zusatzschild:
"Ausgenommen Fußgänger und Radfahrer
auf eigene Gefahr"
oder
" Ausgenommen Schiffahrtstreibende,
Ausrüster, Radfahrer und Fuß-
gänger auf eigene Gefahr".
Zur Beseitigung des auf beiden Betriebsanlagen anfallenden Restabfalls hält die Klägerin auf dem Betriebsgelände Hindenburgschleuse und an dem Südufer des Betriebsgeländes Nordhafen insgesamt 25 sog. Nischen jeweils mit einem oder zwei 1,1 m³-Abfallcontainer vor, die der Abfallwirtschaftsbetrieb der Beklagten gebührenpflichtig entleert. An den Nischen hat die Klägerin folgende Hinweisschilder angebracht:
"Das Ablegen von öl- und
fetthaltigen Schiffsbetriebs-
abfällen, gebrauchten Gebinden
und übrigen Sonderabfällen
ist verboten."
Trotz des Verbotsschildes deponierten Unbekannte schadstoffhaltige Sonderabfälle (u.a. Altöl, Altlacke, Farben, Bleiakkus) siebenmal zwischen dem 14. November 1994 und dem 27. April 1995 an der Hindenburgschleuse und fünfmal zwischen dem 19. Dezember 1994 und dem 04.September 1995 am Nordhafen. Die Klägerin entsorgte die widerrechtlich abgelagerten Sonderabfälle trotz Aufforderung durch die Beklagte nicht. Daraufhin ließ die Beklagte die Sonderabfälle durch ihren Abfallwirtschaftsbetrieb beseitigen.
Da schon seit längerem zwischen den Beteiligten streitig war, wer für die Entsorgung der schadstoffhaltigen Abfälle aufzukommen habe, schlossen die Klägerin und die Beklagte am 18. Juli 1995 einen Vertrag mit dem Ziel, eine gerichtliche Klärung dieser Frage herbeizuführen. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung verzichtete die Klägerin gegenüber der Beklagten auf die Androhung der Ersatzvornahme und die Anhörung sowohl vor ihrer Durchführung als auch zur Höhe ihrer Kosten.
Die Beklagte setzte mit Bescheiden vom 17. August 1995 und vom 13. November 1995 gegenüber der Klägerin die für die Beseitigung der Sonderabfälle zu tragenden Kosten auf 1.506,54 DM und auf 1.151,84 DM fest.
Zur Begründung führte die Beklagte jeweils aus: Die vorgefundenen Sonderabfälle seien wassergefährdend gewesen, von ihnen sei wegen ihrer Beschaffenheit und Zusammensetzung eine gegenwärtige Gefahr ausgegangen. Da die jeweiligen Verursacher nicht zu ermitteln gewesen seien und die Klägerin sich geweigert habe, die Abfälle einzusammeln und ihr zu überlassen, habe sie die Sonderabfälle durch ihren Abfallwirtschaftsbetrieb entsorgen lassen. Die entstandenen Kosten seien von der Klägerin zu erstatten, weil diese als Grundstückseigentümerin und damit Abfallbesitzerin zur ordnungsgemäßen Beseitigung der Sonderabfälle verpflichtet sei. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass diese Sonderabfälle denen vergleichbar seien, die im Wald oder in der übrigen freien Landschaft verbotswidrig lagerten, weil die Hindenburgschleuse und der Nordhafen weder unbebaute noch mit natürlicher Pflanzung versehene Grundstücke seien, für die es überdies ein dem Betretungsrecht des Landeswaldgesetzes vergleichbares Recht nicht gebe.
Die von der Klägerin mit Schreiben vom 25. August 1995 und 28. November 1995 erhobenen Widersprüche wies die Bezirksregierung Hannover mit Widerspruchsbescheiden vom 04. Januar und 14. Mai 1996 zurück. Sie räumte ein, dass zwar ein wasserstraßenrechtliches Betretungsrecht bestünde, dieses aber nicht im Allgemeininteresse liege, sondern der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs diene. Deshalb werde das Betriebsgelände der Klägerin vom Merkmal "übrige freie Landschaft" des § 10 des Niedersächsischen Abfallgesetzes - NAbfG - nicht erfasst.
Die Klägerin hat am 19. Januar und 11. Juni 1996 Klage erhoben. Beide Verfahren hat das Verwaltungsgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei nicht Abfallbesitzerin an den "wild" abgelagerten Sonderabfällen geworden. Der Abfallbesitz erfordere ein Mindestmaß an Sachherrschaft. Diese könne sie schon deshalb nicht ausüben, weil die Bundeswasserstraßen und die dazu gehörenden Liegestellen und Schleusenanlagen von jedermann im Rahmen des Schifffahrtsrechts befahren und betreten werden könnten und sie deshalb die Betriebsanlagen nicht dem Zugriff der Allgemeinheit entziehen dürfe. Der abfallrechtliche Begriff "übrige freie Landschaft" könne nicht durch einen Rückgriff auf das Landeswaldgesetz verengt werden. Vielmehr sei er in dem Sinne auszulegen, dass er alle Grundstücke beschreibe, auf denen der Eigentümer keine Sachherrschaft ausüben könne. Ihre Inanspruchnahme als Zustandsstörerin im Sinne des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts komme ebenfalls nicht in Betracht, da der Kreis der nach dem Abfallrecht des Bundes zur Entsorgung Verpflichteten nicht durch Landesrecht erweitert werden könne.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 17.August 1995 und vom 13. November 1995 sowie die Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung Hannover vom 04. Januar 1996 und vom 14. Mai 1996 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung der Klägerin zur Beseitigung der Abfälle eine Nebenpflicht der dem Bund zugewiesenen Aufgabe sei, Grundstücke für Zwecke des Schifffahrtsverkehrs bereit zu halten.
Mit Urteil vom 15. Juli 1998 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt:
Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Klägerin zu den Entsorgungskosten sei § 66 NGefAG, da sie als Eigentümerin der Betriebsanlagen ihrer Entsorgungspflicht als Abfallbesitzerin nicht nachgekommen sei. Die Sachherrschaft der Klägerin über ihre Betriebsgrundstücke sei nicht durch den Gemeingebrauch der Öffentlichkeit eingeschränkt. Der Mittellandkanal sei der Schifffahrt gewidmet und stehe nicht im Gemeingebrauch. Des weiteren habe die Klägerin die erforderliche Anstaltsgewalt zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Schleusenbetriebes, den sie ohne Ausübung von tatsächlicher Sachherrschaft auf der Betriebsanlage Hindenburgschleuse nicht wahrnehmen könne. Dies gelte in gleicher Weise auch für die Schiffsanliegestellen. Mit dem Aufstellen der Abfallcontainer komme die Klägerin ihren Pflichten als Eigentümerin der Betriebsgrundstücke im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwanges an die öffentliche Abfallentsorgung der Beklagten nach. Zu ihren Pflichten gehöre auch eine Überwachung des auf dem Grundstück angefallenen Abfalls, welche rechtlich zwingend die Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft durch die Klägerin voraussetze. Die Klägerin sei auch nicht nach § 10 NAbfG von der Entsorgungspflicht "wild" abgelagerter Sonderabfälle freigestellt, da die Betriebsanlagen im städtischen Bereich der Landeshauptstadt Hannover gelegen seien. Die gesetzliche Zuweisung von Pflichten an die entsorgungspflichtige Körperschaft bei "wild" abgelagerten Sonderabfällen im Wald oder in der freien Landschaft beruhe auf der gesetzgeberischen Wertung, dass nach § 1 Abs. 1 des niedersächsischen Gesetzes über die Ordnung von Feld und Forst - FFOG - jedermann den Wald und die übrige freie Landschaft betreten und sich dort erholen dürfe. Eine vergleichbare Erholungsfunktion für die Allgemeinheit komme den in Rede stehenden Betriebsanlagen der Klägerin weder tatsächlich noch rechtlich zu.
Gegen dieses Urteil führt die Klägerin die vom Senat mit Beschluss vom 23. Dezember 1998 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, dass der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren angesprochene Anschluss- und Benutzungszwang für die Beseitigung verbotswidrig abgelagerter Sonderabfälle nicht entscheidungserheblich sei.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist darauf, die von der Klägerin eingerichteten Restabfallcontainer hätten erst die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass neben der zulässigen Müllentsorgung diese Grundstückssituation für eine verbotswidrige Abfallentsorgung missbraucht worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Kostenbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S.1 VwGO).
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Kostenbescheide, die die Beklagte auf § 66 NGefAG i.V.m. § 3 Abs. 1, 3, 4 AbfG a.F. i.V.m. 11 Abs. 2 NAbfG gestützt hat, ist bereits deshalb fraglich, weil die Beklagte möglicherweise sachlich nicht befugt war, gegen die Klägerin im Wege der Ersatzvornahme vorzugehen und die an den Schiffsanlegestellen im Bereich der Hindenburgschleuse und des Nordhafens "wild" abgelagerten Sonderabfälle auf deren Kosten zu beseitigen. Die Behörden der Gefahrenabwehr sind grundsätzlich nicht ermächtigt, ordnungsbehördliche Anordnungen zur Gefahrenabwehr, für die andere Verwaltungsträger verantwortlich sind, gegen diese zu erlassen und mit Zwangsmittel durchzusetzen, wenn und soweit dadurch in deren hoheitliche Tätigkeit, d.h. ihre öffentlich-rechtlichen Zuständigkeiten eingegriffen wird (grundlegend BVerwG, Urt. v. 16.01.1968 - I A 1.67 -, BVerwGE 29, 52 (59); vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 08.11.1990 - 3 L 105/89 -, ZfW 1992, 317 (318); HessVGH Beschl. v. 07.03.1996 - 14 TG 3967/95 -, NVwZ 1997, 304 und Beschl. v. 25.07.1997 - 14 TZ 1755/97 -, juris; a.A. Götz, Polizei- und Ordnungsrecht, 13. Aufl., Rn. 240; in Bezug auf Ersatzvornahmekosten auch Friauf in: Badura/Breuer/Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. Rn. 104). Die zwischen den Beteiligten bislang nicht erörterten Fragen, ob die Beseitigung der Sonderabfälle durch die Beklagte im Wege der Ersatzvornahme den hoheitlichen Tätigkeitsbereich der Klägerin berührt hat und wie in diesem Zusammenhang die zwischen den Beteiligten getroffene Musterprozessabrede rechtlich zu bewerten ist, kann der Senat im Ergebnis offen lassen, weil die angefochtenen Kostenbescheide aus einem anderen Grund rechtswidrig sind.
Die Klägerin ist nicht Abfallbesitzerin des jeweils "wild" auf ihrem Betriebsgrundstück abgelagerten Sonderabfalls geworden, so dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AbfG a.F. nicht vorlagen.
Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für den Abfallbesitz i.S.d. § 3 Abs. 1 AbfG a.F. ein Mindestmaß an Sachherrschaft erforderlich ist. Diese fehlt, wenn ein Grundstück für die Allgemeinheit aufgrund von Betretungsrechten frei zugänglich ist, weil die Eigentümer diese Flächen nicht dem Zugriff oder Zutritt Dritter entziehen können (BVerwG, Urt. v. 11.02.1983 - 7 C 45.80 -, BVerwGE 67, 8 (11) = DVBl. 1983, 637 (638)). Zu diesen Grundstücken gehören nicht nur die, für die ein naturschutz- oder waldrechtliches Betretungsrecht gegeben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.01.1989 - 7 C 82.87 -, DVBl. 1989, 522 = NuR 1989, 304 (305) im Hinblick auf § 21 Abs. 1 BayNatSchG), sondern dies gilt auch für Wasserflächen (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.09.1983 - 4 C 5.80 -, DVBl. 1984, 225 (227)), wenn sie allgemein zugänglich gehalten werden müssen.
Auf gleicher Linie liegt - im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten - das auf eine Entscheidung des OVG Münster ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 1997 (- 7 C 58.96 -, DVBl. 1998, 336 ff), nach dem ein Landwirt Abfallbesitzer des auf seinem flussnahen, landwirtschaftlich genutzten Grundstück bei Hochwasser angeschwemmten Unrats geworden ist. Maßgeblich hat es darauf abgestellt, dass der Eigentümer eines der Allgemeinheit nicht frei zugänglichen Grundstücks überlassungspflichtiger Besitzer der Abfälle werde, die auf sein Grundstück gelangten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich im Hinblick auf das Betretungsrecht der Allgemeinheit die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen von der in Niedersachsen unterscheidet: Während dort nach § 49 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Landschaftsgesetzes in der freien Landschaft das Betretungsrecht für landwirtschaftlich genutzte Flächen ausgenommen ist (vgl. auch die Rahmenrechtsvorschrift des § 27 Abs. 1 BNatSchG), schließt § 1 Abs. 2 Nr. 2 des niedersächsischen Feld- und Forstordnungsgesetzes - FFOG - das allgemeine Betretungsrecht gemäß § 1 Abs. 1 FFOG auf Äckern nur in der Zeit vom Beginn der Bestellung bis zum Ende der Ernte aus.
Für den Mittellandkanal und die Liegestellen an der Hindenburgschleuse sowie im Nordhafen besteht ein allgemeines Betretungsrecht. Nach § 5 Satz 1 Wasserstraßengesetz - WaStrG - hat jedermann das Recht, im Rahmen der Vorschriften des Schifffahrtsrechts eine Bundeswasserstraße mit Wasserfahrzeugen zu befahren. Der Mittellandkanal ist gemäß § 1 Abs. 1 WaStrG i.V.m. Nr. 33 des Verzeichnisses der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen des Bundes eine Bundeswasserstraße. Die Hindenburgschleuse und die Schiffsliegestellen sind nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 WaStrG Zubehör der Bundeswasserstraße, unterliegen ihrer wegerechtlichen Widmung und teilen damit ihr rechtliches Schicksal (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.07.1969 - VII C 26.65 -, BVerwGE 32, 299 (304)). Auch sie können im Rahmen dieser Widmung von jedem Schiffsführer betreten werden. Die Klägerin darf auch den Zugang vom öffentlichen Straßen- und Wegenetz zu den Schleusen und Schiffsliegestellen - etwa durch eine Umzäunung - nicht verhindern, weil sie den Binnenschiffern an den Schiffsliegestellen jederzeit den motorisierten Zugang an das öffentliche Straßensystem zu gewährleisten hat. Auch für Ausrüster und Sportbootführer ist der Zugang "von der Landseite" zu den Betriebsanlagen offen zu halten.
Für die Beurteilung, ob ein Mindestmaß an Sachherrschaft vorliegt, ist es nach Auffassung des Senats rechtlich ohne Belang, ob das jedermann zustehende Recht, fremde Grundstücke zu betreten, auf natur- und waldrechtlichen Benutzungsrechten oder auf einer anderen gesetzlichen Gestattung, z.B. Verkehrsrechten beruht (vgl. Schleswig-Holsteinisches OVG, Urt. v. 09.07.1996 - 4 L 17/96 - zu einem auf dem Parkplatz einer Bundesautobahn abgestellten 200 l-Fass mit verunreinigtem Heizöl/Dieseltreibstoff).
Dass das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 21.12.1998 - 7 B 211.98 -, Buchholz 451.222 § 2 BBodSchG Nr. 1) dies in einem obiter dictum für Parkplätze an einer Bundesfernstraße in Zweifel gezogen hat, führt hier zu keiner anderen Beurteilung. Seine Bedenken stützt es im wesentlichen darauf, dass Straßen gezielt durch Träger der öffentlichen Verwaltung dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmet werden, die freie Zugänglichkeit also nicht durch die Rechtsordnung auferlegt werde. Nur in den letztgenannten Fällen sei es nach den grundlegenden Wertungen des Abfallrechts unangemessen, den Eigentümer mit den Pflichten eines Abfallbesitzers zu belasten. Bundeswasserstraßen (ob natürlicher Fluss oder künstlich angelegter Kanal) sind jedoch - anders als Bundesfernstraßen - bereits durch Gesetz und damit durch die Rechtsordnung dem Schiffsverkehr gewidmet (Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 4. Aufl., § 5 Rn. 1).
In die gleiche Richtung weist auch § 28 BNatSchG, der der Klägerin aufgibt, Ufergrundstücke für die Erholung bereitzustellen, d.h. für die Allgemeinheit offen zu halten (vgl. Gassner u.a., BNatSchG, § 28 Rn. 4). Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob solche Grundstücke auch anderen Zwecken dienen (vgl. die Multifunktionalität des Waldes, § 1 BWaldG; Gassner a.a.O. Rn. 10). Pflichtig sind erholungsgeeignete Grundstücke. Angesichts der Fotos in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten mag diese Eigenschaft für den Bereich der Liegestellen am Nordhafen zweifelhaft sein, andererseits gehört nach Ausbau der Leinpfade auch dieser Abschnitt des Mittellandkanals zum "Korridorpark durch Hannover", der von den Radfahrern und Fußgängern genutzt wird, um zu Naherholungszwecken andere, attraktivere Uferbereiche zu erreichen, die teilweise sogar mit Parkbänken versehen sind.
Der im Zusammenhang mit dem Abfallbesitz erörterte Begriff der "Verkehrsauffassung" führt hingegen nicht weiter (zur Kritik auch: Fluck, KrW-/AbfG, § 3 Rn. 305). Die "Verkehrsauffassung" betrachtet die Sachherrschaft gerade nicht losgelöst vom Besitzbegründungswillen und gibt deswegen für den abfallrechtlichen Besitzbegriff wenig her, weil es auf subjektive Elemente gerade nicht ankommen soll (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.1997 - 7 C 58.96 -, DVBl. 1998, 336 (337)). So ist beispielsweise der Eigentümer eines Waldes nicht ohne Sachherrschaft an dort gelagerten Sachen, denn es dürfte kaum der Verkehrsauffassung entsprechen, z.B. zum Abtransport gelagertes Holz oder Wildfütterungsstellen für herrenlos zu halten. Gleichwohl wird er von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht als Besitzer von im Wald gelagerten Abfall angesehen.
Der Senat vermag sich der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht anzuschließen, soweit es als Anhaltspunkte für eine tatsächliche Sachherrschaft der Klägerin deren Anstaltsgewalt zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Schleusenbetriebes und ihre Pflichten im Rahmen des Anschluss- und Benutzungszwanges der öffentlichen Abfallentsorgung heranzieht. Die Eigentümer forst- und landwirtschaftlich genutzter Flächen können auch nur wirtschaften, weil sie sowohl rechtlich als auch tatsächlich die Sachherrschaft über ihre Flächen haben. Auch sie sind befugt, aus bestimmten Gründen die Allgemeinheit vom Betreten ihrer Flächen auszuschließen (§ 5 FFOG), was ebenfalls eine Sachherrschaft voraussetzt. Gleichwohl sind sie durch § 10 Abs. 1 NAbfG von der Beseitigungspflicht aller Abfälle (nicht nur der Sonderabfälle) ausgenommen. Mit dieser Regelung hat der Landesgesetzgeber die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Februar 1983 (- 7 C 45.80 -, BVerwGE 67, 8 = DVBl. 1983, 637) gezogen (vgl. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 11/3535 S. 24 und Drucksache 12/5760 S. 18) und für den Bereich der im FFOG und im Landeswaldgesetz enthaltenen Betretungsrechte eine gesetzliche Regelung dahingehend geschaffen, dass (alle) Abfälle, die im Wald oder in der übrigen freien Landschaft verbotswidrig lagern, nicht von den Grundstückseigentümern zu entsorgen sind. Folge dieser Regelung kann jedoch nicht sein, dass die Eigentümer aller übrigen der Allgemeinheit aufgrund von Betretungsrechten zugänglichen Flächen als Abfallbesitzer gelten. Dem Landesgesetzgeber ist es verwehrt, durch landesrechtliche Regelungen den Kreis der zur Überlassung und Abfallentsorgung Verpflichteten gem. § 3 AbfG a.F. zu erweitern (BVerwG, Urt. v. 11.02.1983 - 7 C 45.80 -, a.a.O.; Urt. v. 02.09.1983 - 4 C 5.80 -, DVBl. 1984, 225 (226); Beschl. v. 30.10.1987 - 7 C 87.86 -, DVBl. 1988, 150 (151)). Eine derartige Erweiterung wäre jedoch gegeben, wenn der Kreis der Nichtüberlassungspflichtigen auf diejenigen beschränkt wäre, deren Grundstücke einem naturschutz- oder waldrechtlichen Betretungsrecht unterliegen, aber Eigentümer von Flächen, für die ein Betretungsrecht aufgrund anderer Rechtsgrundlage besteht, ausgeschlossen wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 11. Februar 1983 (- 7 C 45.80 -, a.a.O.) ausdrücklich Besitzer auch anderer, für die Allgemeinheit aufgrund von Betretungsrechten frei zugänglicher Grundstücke von der Pflicht zur Abfallbeseitigung ausgenommen. Vor diesem Hintergrund ist der Senat der Auffassung, dass jedes gesetzlich unmittelbar begründete Betretungsrecht zugunsten der Allgemeinheit zur Privilegierung gemäß § 10 Abs. 1 NAbfG führt, um mit höherrangigem Recht - hier § 3 Abs. 1 AbfG a.F. - vereinbar zu sein. Gerade bei Bundeswasserstraßen, die entweder künstlich angelegt (wie der Mittellandkanal) oder natürlich entstanden sind (wie z.B. Weser und Elbe) und sowohl durch die freie Landschaft führen als auch Städte und Industriegebiete erschließen, fehlt es an einem rechtlichen Anknüpfungspunkt, bei hinsichtlich des Betretungsrechts gemäß § 5 WaStrG stets gleicher Rechtslage den abfallrechtlichen Begriff der Sachherrschaft jeweils danach zu bestimmen, ob die Umgebung der Wasserstraße (oder diese selbst) "Natur" oder "Nicht-Natur" ist.
Bundeswasserstraßen können auch nicht aus der "übrigen freien Landschaft" i.S.d. § 10 Abs. 1 NAbfG mit dem Argument gedanklich ausgeschieden werden, der Baulastträger wolle den Verkehr auf seinen Grundstücken nicht nur dulden, sondern bewusst eröffnen (vgl. Kix/Nernheim/Wendenburg, NAbfG, § 10 Anm. 6.3). Zum einen fehlt es gemäß § 5 WaStrG gerade an einem Widmungsakt durch den Verkehrsträger. Zum anderen mag man für hausmüllartige Abfälle noch annehmen, dass er mit der Eröffnung des Verkehrs und Vorhalten von Liegeplätzen in Kauf nimmt, dass Verkehrsteilnehmer sich während der Nutzung des Verkehrsweges entstehender Abfälle entledigen. Dies kann für Sonderabfälle, zumal wenn sie mit dem eröffneten Verkehr nicht in Zusammenhang stehen, nicht unterstellt werden. Indem Kix/Nernheim/Wendenburg (a.a.O.) auf ein "In-Kauf-Nehmen" des einen Verkehr eröffnenden Baulastträgers abstellen, greifen sie nicht mehr auf das objektive Merkmal der Sachherrschaft zurück, sondern verwenden das subjektive, vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnte (vgl. zuletzt Urt. v. 11.12.1997 - 7 C 58.96 -, DVBl. 1998, 336 (337)) Merkmal eines Besitzbegründungswillens, mag dieser auch nur "bewusst fahrlässig" statt "bedingt vorsätzlich" sein.
In gleicher Weise zielt das Argument der Beklagten, die Klägerin habe durch den Bau der Nischen und dem Bereitstellen der Restabfallcontainer erst die Voraussetzungen für einen Missbrauch geschaffen, auf subjektive Elemente, denn objektiv lässt sich Sonderabfall nahezu überall lagern, mag auch dem verbotswidrig Handelnden der Umweltfrevel an der einen Stelle weniger schwerwiegend vorkommen als an einer anderen.
Eine andere rechtliche Bewertung mit der Folge einer Überlassungspflicht der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 8 WaStrG.
Diese Vorschrift grenzt den Umfang der Unterhaltungspflicht dahingehend ein, dass der Bund den ordnungsrechtlichen Zustand des Wasserabflusses und die Erhaltung der Schiffbarkeit zu gewährleisten hat. Sie erfasst nicht die Reinhaltung der Gewässer (oder Uferbereiche) vor Verunreinigungen; dies unterfällt den Regelungen des Abfallrechts (BVerwG, Urt. v. 28.10.1999 - 7 A 1.98 -, NuR 2000, 213 = NVwZ-RR 2001, 88 [BVerwG 27.10.2000 - BVerwG 11 VR 14/00]). Auch wenn § 8 Abs. 1 S. 2 WaStrG verlangt, dass bei der Unterhaltung den Belangen des Naturhaushaltes Rechnung zu tragen ist, bedeutet dies nur, dass die vorzunehmenden Arbeiten umweltverträglich zu gestalten, nicht jedoch, dass darüber hinaus Umweltschutzmaßnahmen zu ergreifen sind (vgl. Friesecke, WaStrG, § 8 Rn. 7 a). Soweit nach § 8 Abs. 4 WaStrG zur Unterhaltung auch die Arbeiten zur Beseitigung und Verhütung von Schäden an Ufergrundstücken gehören, die durch die Schifffahrt entstanden sind oder entstehen können, hat dies eine Beseitigungspflicht der Klägerin für Sonderabfälle ebenfalls nicht zur Folge. Sollten die Sonderabfälle zu Uferschäden am Mittellandkanal führen, so wären diese nicht durch die Schifffahrt, sondern nur durch verbotswidriges Abladen von Abfällen verursacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Revision ist gem. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, da entscheidungserheblich ist, wie der Begriff des Abfallbesitzers gemäß § 3 AbfG a.F. (jetzt § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG) auszulegen ist, wenn ein Betretungsrecht für die Allgemeinheit nicht auf naturschutz- oder waldrechtlicher Grundlage, sondern durch gesetzliche Widmung einer öffentlichen Sache eingeräumt ist.