Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.12.2001, Az.: 1 K 2682/98

Außerkrafttreten; Bebauungsplan; Feststellungsinteresse; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren; Satzung; Sperrzeit; Verlängerung; Veränderungssperre

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.12.2001
Aktenzeichen
1 K 2682/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40281
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Das Außerkrafttreten der Veränderungssperre während des Normenkontrollverfahrens steht dem Begehren der Feststellung, dass die Satzung unwirksam war, nicht entgegen, wenn ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung dargelegt wird.
2. Besondere Umstände, die die Verlängerung einer erneuten Veränderungssperre über eine Sperrzeit von drei Jahren hinaus rechtfertigen können, sind dann nicht gegeben, wenn das Bebauungsplanverfahren lediglich wegen Entscheidungsschwäche des Satzungsgebers nicht rechtzeitig abgeschlossen werden kann.

Tatbestand:

1

Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass die vom Rat der Antragsgegnerin am 17. März 1998 als Satzung beschlossene Verlängerung der Veränderungssperre Nr. 48 unwirksam war.

2

Die Antragstellerin ist Eigentümerin der unbebauten Flurstücke 1209/153, 1210/153 und 1140/155 der Flur 31 der Gemarkung O.. Bis zum Inkrafttreten des angegriffenen Bebauungsplanes galt für diesen Bereich der Bebauungsplan Nr. 375 aus dem Jahre 1972 in der Fassung der vereinfachten Änderung N-375 I aus dem Jahre 1981, der Gewerbegebiet (GRZ 0,8, GFZ 1,6 und zweigeschossige Bauweise) festsetzte. Bis auf das Grundstück der Antragstellerin ist der Geltungsbereich, im folgenden auch Fachmarktstandort S.weg genannt, mit großflächigen Einzelhandelsbetrieben bebaut (Real-Markt, Praktiker-Baumarkt, Möbel-Unger und Firma Meyer).

3

Am 22. März 1994 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin einen Bauvorbescheid zur Errichtung eines zweigeschossigen Elektro-Fachmarktes mit 2.300 m² Verkaufsfläche auf den genannten Eigentumsgrundstücken. Bereits zuvor hatte der Rat der Antragsgegnerin am 14. März 1994 beschlossen, den alten Bebauungsplan zu ändern, um die Ansiedlung der im Gewerbegebiet uneingeschränkt zulässigen großflächigen Handelsbetriebe besser steuern zu können. Zur Begründung wurde ausgeführt: Für die noch unbebaute Fläche und die Flächen der vorhandenen Handelsbetriebe werde unter Berücksichtigung der BauNVO 1990, die eindeutige Regelungen über die Zulässigkeit von großflächigen Handelsbetrieben enthalte, neu geplant. Der Aufstellungsbeschluss wurde am 30. März 1994 bekannt gemacht.

4

Zur Sicherung der Planung beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 19. September 1994 eine Veränderungssperre für den Bereich des Bebauungsplanes Nr. 375, bekannt gemacht am 14. Oktober 1994. Die Bauvoranfrage lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21. September 1995 unter Hinweis auf die Veränderungssperre ab. Nach Ablauf der Veränderungssperre stellte die Antragstellerin erneut unter dem 15. Oktober 1996 Bauvoranfrage und Bauantrag für das Vorhaben eines Elektro-Fachmarktes. Sie bezog sich dabei auf ein Gutachten der Gesellschaft für Wettbewerbsforschung und Handelsentwicklung mbH - GWH - vom 9. September 1996 zur Ansiedlung eines Elektro-Fachmarktes in O. - Gutachten zu marktanalytischen Grundlagen und zur städtebaulichen Verträglichkeit -. Die Bauvoranfrage stellte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. Dezember 1996 zurück. Dagegen richtete sich der Widerspruch der Antragstellerin vom 27. Dezember 1996.

5

Mit Zustimmung der Bezirksregierung Weser-Ems beschloss der Rat der Antragsgegnerin am 16. Dezember 1996 erneut eine Veränderungssperre Nr. 48, bekannt gemacht am 18. April 1997. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 17. März 1998 die erneute Veränderungssperre um ein Jahr zu verlängern. Die Bezirksregierung Weser-Ems stimmte dem unter dem 31. März 1998 zu. Die Bekanntmachung datierte vom 9. April 1998.

6

Die Antragstellerin hat am 11. Juni 1998 die Normenkontrolle gegen die Verlängerung der erneuten Veränderungssperre eingeleitet. Sie hat geltend gemacht, dass die Verlängerung allein dazu diene, ein von ihr beabsichtigtes Vorhaben der Errichtung eines Elektro-Fachmarktes im Geltungsbereich des in der Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes am Fachmarktstandort S.weg zu verhindern.

7

Während des Normenkontrollverfahrens ist der vom Rat der Antragsgegnerin am 13. Oktober 1998 beschlossene Bebauungsplan N-375 II am 23. Oktober 1998 in Kraft getreten. Der Bebauungsplan setzt überwiegend unter Einbeziehung der Flächen der Antragstellerin Sondergebiet (GRZ 0,5, eingeschossige Bauweise) fest. Großflächige Einzelhandelsbetriebe mit dem Sortiment "Elektroartikel" werden durch textliche Festsetzungen ausgeschlossen.

8

Die Antragstellerin verfolgt ihren Feststellungsantrag weiter. Zur Begründung führt sie aus: Die Feststellung des Inhalts, die angegriffene Satzung sei nichtig gewesen, sei zulässig, weil die Satzung während des Normenkontrollverfahrens außer Kraft getreten sei. Es bestehe auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Sie beabsichtige wegen der inzwischen vier Jahre andauernden Verhinderung ihres Vorhabens einen Verzögerungsschaden geltend zu machen. In der Sache sei der Antrag begründet. Die Antragsgegnerin habe ihr Vorhaben mit Hilfe der angegriffenen Satzung regelrecht abgeblockt, obwohl das Vorhaben in raumordnerischer Hinsicht positiv durch die Bezirksregierung Weser-Ems beurteilt und ihm auch durch verschiedene Gutachten die städtebauliche Verträglichkeit bescheinigt worden sei.

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Die Antragstellerin beantragt,

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festzustellen, dass die vom Rat der Antragsgegnerin am 17. März 1998 als Satzung beschlossene Verlängerung der erneuten Veränderungssperre Nr. 48 unwirksam war.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

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Sie erwidert: Die Verlängerung der erneuten Veränderungssperre sei erforderlich gewesen, um die städtebaulichen Planungsabsichten ausreichend abzusichern. Sie erstelle gegenwärtig ein Einzelhandelsentwicklungskonzept, mit dem die Auswirkungen von Ansiedlungsvorhaben auf die städtebauliche Struktur besser beurteilt werden könnten. Da dieser auch für die Stadtentwicklung bedeutungsvolle Vorgang ausreichend Zeit benötige, sei die Verlängerung angezeigt. Ansonsten verkehrten sich die positiven Ansätze, die mit der Erstellung eines Einzelhandelsentwicklungskonzeptes und der sich anschließenden Bauleitplanung verfolgt würden, ins Gegenteil.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag der Antragstellerin ist zulässig.

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Dem Begehren steht nicht entgegen, dass die angegriffene Satzung mit der Bekanntmachung des Bebauungsplanes N-375 II außer Kraft getreten ist. Tritt eine Veränderungssperre nach § 14 BauGB während der Anhängigkeit eines nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässigen Antrags auf Feststellung ihrer Ungültigkeit außer Kraft, kann der Antragsteller die Feststellung begehren, dass die Veränderungssperre ungültig war (BVerwG, Beschl. v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12). Besteht die Voraussetzung der Zulässigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fort, nämlich dass der Antragsteller geltend gemacht hat, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, wird der Antrag durch das Außerkrafttreten der Norm nicht unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruht dies darauf, dass das Normenkontrollverfahren nicht nur der objektiven Rechtskontrolle dient, sondern auch dem individuellen Rechtsschutz. Es soll dem Antragsteller schließlich zugute kommen, dass die Geltungsdauer einer Veränderungssperre immer zeitlich begrenzt ist und der Ausgang des von ihm eingeleiteten Normenkontrollverfahrens auch von der zeitlichen Verfahrensgestaltung durch das Gericht abhängt.

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Die Antragstellerin hat auch das berechtigte Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit der Satzung dargelegt. Das berechtigte Interesse an der Feststellung kann darin bestehen, die Geltendmachung von konkret in Aussicht genommenen Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen vorzubereiten (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.3.1998 - 4 C 14.96 -, DVBl 1998, 896). Es ist jedoch dann nicht gegeben, wenn ein Zivilprozess offensichtlich aussichtslos ist. Davon kann hier allerdings nicht ausgegangen werden. Ob eine Amtshaftungsklage Erfolg verspricht, kann dabei dahinstehen. Jedenfalls kommt hier ein Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff in Betracht, weil sich die rechtswidrige Versagung eines Bauvorbescheides oder einer Baugenehmigung (faktische Bausperre) als entschädigungsrelevanter Eingriff in das Eigentumsrecht darstellen kann (BGH, Urt. v. 12.7.2001 - III ZR 282/00 -, ZfBR 2001, 555). Die Antragstellerin beruft sich darauf, dass die Antragsgegnerin in rechtswidriger Weise über einen längeren Zeitraum die Erteilung eines Bauvorbescheides bzw. einer Baugenehmigung abgeblockt habe und ihr dadurch ein Verzögerungsschaden entstanden sei.

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Der Antrag ist auch begründet.

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Die Voraussetzungen für die Verlängerung der erneuten Veränderungssperre Nr. 48 der Antragsgegnerin waren nicht gegeben. Die Satzung war unwirksam.

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Der Rat der Antragsgegnerin hat nach Ablauf der zweijährigen ersten  Veränderungssperre am 16. Dezember 1996 eine erneute Veränderungssperre i.S. des § 17 Abs. 3 BauGB beschlossen. Deren Verlängerung wird mit der Normenkontrolle angegriffen. Nach § 17 Abs. 3 BauGB kann die Gemeinde mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass fortbestehen. Hat die Gemeinde die erneute Verlängerung nur für ein Jahr beschlossen, bestehen zwar keine Bedenken, ihr die Möglichkeit der Verlängerung um ein weiteres Jahr einzuräumen. § 17 BauGB gewährt der Gemeinde in den Absätzen 1 und 2 für die erste Verlängerungssperre ebenfalls zwei Verlängerungsmöglichkeiten, so dass ein Zeitraum von insgesamt vier Jahren als Sperre erreicht wird. Für die Verlängerung der erneuten Veränderungssperre müssen dann aber die Voraussetzungen erfüllt sein, die für die zweite Verlängerung der ersten Veränderungssperre gegeben sein müssen, also der Nachweis der besonderen Umstände (BVerwG, Urt. v. 10.9.1976 - IV C 39.74 -, BRS 30, Nr. 76, VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 17.1.1994 - 8 S 1853/93 -, BRS 56 Nr. 89).

21

Besondere Umstände liegen nur dann vor, wenn ein Planverfahren durch eine Ungewöhnlichkeit gekennzeichnet wird, die sich von dem allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt. Bei dieser Ungewöhnlichkeit kann es sich um Besonderheiten des Umfangs, des Schwierigkeitsgrads oder des Verfahrensablaufs handeln. Notwendig ist weiterhin ein ursächlicher Zusammenhang. Gerade die Ungewöhnlichkeit des Falles muss ursächlich dafür sein, dass die Aufstellung des Plans mehr als die übliche Zeit erfordert. Hinzukommen muss außerdem noch, dass die jeweilige Gemeinde die die Verzögerung verursachende Ungewöhnlichkeit nicht zu vertreten hat. Vertreten muss eine Gemeinde insoweit jedes ihr vorwerfbare Fehlverhalten, wobei im allgemeinen davon ausgegangen werden kann, dass Mängel, die in der Sphäre der Gemeinde auftreten, auf deren Fehlverhalten zurückzuführen sind. Das Erfordernis, dass besondere Umstände vorliegen müssen, setzt mit dem Ablauf des dritten Sperrjahres ein und steigert sich im Maß des Zeitablaufs (BVerwG, Urt. v. 10.9.1976 - IV C 39.74 -, a.a.O.). Solche besonderen Umstände für die Verzögerung der Planung liegen hier nicht vor.

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Die Antragsgegnerin begründet die Verlängerung der erneuten Veränderungssperre durch Ratsbeschluss vom 17. März 1998 mit der Notwendigkeit, das Ergebnis eines gegenwärtig erarbeiteten Einzelhandelsentwicklungskonzepts abzuwarten, mit dem die Auswirkungen von großflächigen Ansiedlungsvorhaben auf die städtebauliche Struktur besser beurteilt werden könnten. Umfangreiche Untersuchungen können zwar ein Grund dafür sein, dass ein Bebauungsplanverfahren nicht in dem vom Gesetzgeber als ausreichend angesehenen Zeitraum von drei Jahren abgeschlossen werden kann (OVG Münster, Urt. v. 2.3.2001 - 7 A 2983/98 -, BauR 2001, 1388). Die Antragsgegnerin hat aber keine hinreichenden Gründe dafür vorgetragen, dass verlässliche Entscheidungsgrundlagen für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich die Ansiedlung eines Elektrofachmarktes am Fachmarktstandort S.weg auf den Einzelhandel im Innenstadtbereich auswirken könnte, nicht hätten bereits bis zum Ablauf des dritten Sperrjahres beschafft werden können. Dabei kann dahinstehen, ob wegen der Zurückstellung des Baugesuches der Antragstellerin mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Dezember 1996 der Zeitraum bis zum Inkrafttreten der erneuten Veränderungssperre vom 18. April 1997 auf die Sperrzeit anzurechnen ist. Selbst für den - für die Antragsgegnerin günstigeren - Fall, dass auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verlängerung der erneuten Veränderungssperre am 9. April 1998 abzustellen wäre, ergäben sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin keine besonderen Umstände im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Die Antragsgegnerin hätte ihre Planung auch ohne Zuwarten auf das Ergebnis des Einzelhandelsentwicklungskonzeptes, für dessen Erstellung in einem Moderationsverfahren der Verwaltungsausschuss des Rates der Antragsgegnerin am 16. Dezember 1997 die GWH  als Gutachterin beauftragt hatte, vor Inkrafttreten der hier streitbefangenen Satzung abschließen können.

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Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 14. März 1994, den alten Bebauungsplan zu ändern, um die Ansiedlung der im Gewerbegebiet uneingeschränkt zulässigen großflächigen Handelsbetriebe besser steuern zu können. Dieser Beschluss ist eine Reaktion auf die schon im Vorfeld angekündigte Bauvoranfrage der Antragstellerin vom 22. März 1994, mit der diese einen positiven Bauvorbescheid für die Errichtung eines Elektro-Fachmarktes mit einer Verkaufsfläche von 2.300 m² am Fachmarktstandort S.weg begehrte. Die Antragstellerin verwies auf eine Untersuchung der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH - GMA - vom Juli 1992, in der dem Vorhaben der Ansiedlung eines Elektro-Fachmarktes am Fachmarktstandort S.weg die raumordnerische und städtebauliche Verträglichkeit bescheinigt wurde. Ausweislich einer Besprechungsniederschrift des Amtes 63 vom 2. Mai 1994 legte die Antragsgegnerin in einem Gespräch mit Vertretern der Antragstellerin zu deren Bauvoranfrage dar, dass die Aussage der Marktuntersuchung der GMA vom Juli 1992 im Rahmen einer von der Bezirksregierung Weser-Ems durchzuführenden raumordnerischen Beurteilung geprüft werden müsse. Eventuell sei auch eine Überarbeitung der Marktuntersuchung erforderlich, da diese vom Juli 1992 datiere. Die Antragstellerin legte daraufhin im September 1994 eine aktualisierte Marktuntersuchung der GMA vom Juli 1994 vor, die die gegenwärtige Wettbewerbssituation berücksichtigte. Die GMA gelangte erneut zu der Einschätzung, dass Auswirkungen auf die Raumordnung im Sinne einer Beeinträchtigung anderer zentraler Orte angesichts des hohen Kaufkraftvolumens im Einzugsgebiet, der Lage der zentralen Orte  zum Untersuchungsstandort O. und  der relativ geringen Marktabschöpfung aus dem übergemeindlichen Einzugsgebiet nicht zu erwarten seien. Zu der bauplanungsrechtlichen Vereinbarkeit mit dem innerstädtischen Einzelhandel wurde ausgeführt, dass nur ein Teil des Sortiments eines Elektro-Fachmarktes am Fachmarktstandort S.weg innenstadtbedeutsam sei und die Umverteilungswirkung insgesamt nicht von städtebaulicher Relevanz sei.

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Statt sich im Planungsverfahren mit diesen Aussagen auseinander zu setzen, wartete die Antragsgegnerin das Ergebnis der von der Bezirksregierung Weser-Ems erbetenen raumordnerischen Beurteilung des Vorhabens der Antragstellerin ab. Diese bescheinigte dem Vorhaben unter dem 15. Juni 1995 seine Vereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung. Das Vorhaben entspreche der zentralörtlichen Bedeutung der Antragsgegnerin und beeinträchtige die ausgeglichenen Versorgungsstrukturen nicht wesentlich. Obwohl danach sachverständige Aussagen zu den für die Planung maßgeblichen Gesichtspunkten vorlagen, trieb die Antragsgegnerin das Planungsverfahren nicht voran. Erst am 18. März 1996 beschloss der Rat der Antragsgegnerin, den ersten Planentwurf in der Zeit vom 15. April bis 15. Mai 1996 auszulegen. Der Entwurf enthält bereits die Festsetzung eines Sondergebietes 1 für großflächige Einzelhandelsbetriebe unter Ausschluss u.a. des Sortiments Elektroartikel. Die Begründung zu dem Bebauungsplan beschränkt sich darauf, die Festsetzung mit dem Schutz der vorhandenen Einzelhandelsstrukturen im Innenstadtbereich zu rechtfertigen. Eine Auseinandersetzung mit den gegenläufigen Aussagen der GMA findet nicht statt.

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Nach Ablauf der zweijährigen Veränderungssperre beantragte die Antragstellerin unter dem 15. Oktober 1996 die Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben eines Elektro-Fachmarktes am Fachmarktstandort S.weg. Sie bezog sich dabei auf ein weiteres Gutachten der Rechtsnachfolgerin der GMA, der GWH, vom 9. September 1996, in dem ausgeführt wird, dass die Ansiedlung eines Elektro-Fachmarktes das städtebauliche Gefüge nicht in Gefahr bringe. Eine mehr als unwesentliche Beeinträchtigung des Gesamtgefüges lasse sich ausschließen, weil die führende Position der Innenstadt und des weitaus größeren Fachmarktstandortes W. nicht tangiert werde, die Angebotsvielfalt am Standort S.weg mit drei großflächigen Betrieben weit hinter den beiden anderen Zentrenbereichen zurückbleibe und das Vorhaben eines Elektro-Fachmarktes ein hoch spezialisiertes, schmales Sortiment repräsentiere, das nur begrenzt sei und anders als in der City und in W. kaum Gelegenheit zu Kopplungseinkäufen biete. Auch nach dieser sachverständigen Aussage sah sich die Antragsgegnerin nicht in der Lage, das Planungsverfahren abzuschließen. Erst am 16. Dezember 1997 beschloss der Verwaltungsausschuss des Rates, die GWH als Gutachterin für die Erstellung eines Einzelhandelsentwicklungskonzeptes zu beauftragen.

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Der aufgezeigte Verfahrensablauf lässt keine Besonderheiten erkennen, die es rechtfertigen, das Planungsverfahren in der geschilderten Art und Weise zu verschleppen. Das Planungsverfahren hätte ohne Weiteres in einem Zeitraum von drei Jahren zu Ende gebracht werden können. Hinderungsgründe hat die Antragsgegnerin im Antragsverfahren nicht vorgebracht. Die Entscheidungsschwäche des Rates der Antragsgegnerin entschuldigt nicht die dargestellte Verzögerung des Verfahrens. Die Unschlüssigkeit des Satzungsgebers rechtfertigt nicht, eine Planung (auch in ihrer das Eigentum) belastenden Auswirkung auf Dauer in der Schwebe zu halten.

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Die angegriffene Satzung war auch unwirksam, weil zum Zeitpunkt ihres Erlasses die allgemeinen Voraussetzungen für den Erlass einer Veränderungssperre gemäß § 14 Abs. 1 BauGB nicht mehr gegeben waren. Die Verlängerung der Veränderungssperre setzt ebenso wie der Neuerlass u.a. voraus, dass die Veränderungssperre für eine sachgerechte Planung noch erforderlich ist (Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl., 1998, § 17, Anm. 7). Es kann dahinstehen, ob die Planung der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt des Erlasses der ersten Veränderungssperre, beschlossen vom Rat am 19. September 1994, hinreichend konkretisiert war. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Beschlusses des Rates über die Verlängerung der erneuten Veränderungssperre am 17. März 1998 lagen eindeutige Gesichtspunkte dafür vor, dass der in der Aufstellung befindliche Bebauungsplan den rechtlichen Anforderungen würde nicht standhalten können. Nach dem im Verfahren 1 K 473/99 dargestellten Verfahrensablauf und den geschilderten Sachverständigenaussagen zeichnete sich bereits zu diesem Zeitpunkt eine unzulässige Verhinderungsplanung der Antragsgegnerin ab, die allein dem Ziel dienen sollte, das Vorhaben eines Elektro-Fachmarktes am Standort S.weg abzublocken. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen in dem Urteil 1 K 473/99 verwiesen, das am heutigen Tage mit denselben Beteiligten ergangen ist.

Sonstiger Langtext

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B e s c h l u s s

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Der Streitwert wird auf 248.000,-- DM festgesetzt (laut Bauantrag vom 15.10.1996 beträgt die Verkaufsfläche 2.480 m². Bei Zugrundelegung eines Betrages von 200,-- DM pro 1 m² Verkaufsfläche ergibt sich ein Betrag von 496.000,-- DM, der zu halbieren ist).