Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.07.2000, Az.: 12 M 2503/00

Aberkennung; Alkohol; Ausland; ausländische Fahrerlaubnis; Begründung; Beschwerde; Beschwerdezulassung; Bindung; Bindungswirkung; Darlegung; Darlegungsgebot; Eignung; Entscheidungsergebnis; Entziehung; Ergebnis; Ergebnisbezogenheit; ernstlicher Zweifel; Fahreignung; Fahrerlaubnis; Fahrerlaubnisentziehung; Inland; Rechtsmittel; Rechtsmittelzulassung; Richtigkeitszweifel; Strafbefehl; Strafurteil; temporäre Aberkennung; Trunkenheitsfahrt; Zulassung; Zulassungsgrund

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
17.07.2000
Aktenzeichen
12 M 2503/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 42063
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 21.06.2000 - AZ: 5 B 18/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ernstliche Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nur dann vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels (mindestens) so wahrscheinlich ist wie der Mißerfolg (str.).

Erweist sich der angefochtene Beschluß zwar nicht nach der ihm beigegebenen Begründung, wohl aber im Ergebnis als richtig, so kann eine Zulassung des Rechtsmittels nicht erfolgen.

2. Auch bei der Aberkennung des Rechts, im Inland eine ausländische Fahrerlaubnis auszunutzen, ist, wie dies die Bestimmung des § 3 Abs. 1 S. 2 StVG n. F zeigt, die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG n. F. zu beachten.

3. Zur Frage der Bindungswirkung, wenn der Strafrichter im Strafbefehl Trunkenheitsfahrten zum Anlaß genommen hat, die Eignung des Kraftfahrers nur vorübergehend zu verneinen (Maßnahme der temporären Aberkennung i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 2 bzw. temporäre Entziehung), und wenn der Strafbefehl hierzu eine Begründung nicht enthält.

4. Bei einer "als offen" zu beurteilenden Erfolgsaussicht des Widerspruchs ist es im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Interessenabwägung nicht zu beanstanden, wenn das VG zugunsten des Kraftfahrers entscheidet, weil die diesem vorzuhaltenden Trunkenheitsfahrten nunmehr zehn bzw. fünf Jahre zurückliegen, ferner nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Kraftfahrer unter Alkoholbeeinflussung am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat oder in Zukunft teilnehmen wird.

Gründe

1

Der Antrag, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2000 zuzulassen, bleibt ohne Erfolg; denn der allein geltend gemachte Grund für die Zulassung der Beschwerde - Bestehen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4  i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsgerichtsordnung  i. d. F.  des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze v. 1.11.1996, BGBl. I S. 1626 - VwGO) - greift nicht durch.

2

1.1 Die Zulassung der Beschwerde erfordert, dass einer der in den §§ 146 Abs. 4, 124 Abs. 2 VwGO bezeichneten Zulassungsgründe eindeutig geltend gemacht und innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt (§ 146 Abs. 5 Satz 3 VwGO) wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (vgl. Senat, Beschl. v. 16.9.1997 - 12 L 3580/97 - , NdsVBl. 1997, 282 und st. Rspr. ; Bader, DÖV 1997, 442; ders., in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 1999, RdNr. 7 zu § 124a; Seibert, DVBl. 1997, 932; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, RdNr. 7 zu § 124a). Die dem Revisionsrecht nachgebildete Darlegungspflicht bestimmt als selbständiges Zulässigkeitserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie soll den Aufwand für die Bearbeitung des Zulassungsantrages 'reduzieren', dadurch das Zulassungsverfahren beschleunigen und verlangt, wie der Hinweis auf den Vertretungszwang (§ 67 Abs. 1 VwGO) in der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 13/3993, S. 13) erhellt, qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinander setzen. Das bloße Benennen oder Geltendmachen eines Zulassungsgrundes genügt dem Darlegungserfordernis ebenso wenig wie eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder gar eine - ergänzende - Bezugnahme hierauf (vgl. Bader, NJW 1998, 409(410)).

3

1.2 Für den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 146 Abs. 4  i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist für die Darlegung als Mindestvoraussetzung zu verlangen, dass geltend gemacht wird, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist, und die Sachgründe hierfür bezeichnet und erläutert werden.

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Hiernach ist für die Darlegung hinreichend, dass sich ein Antrag nicht darauf beschränkt, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung allgemein oder unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens anzuzweifeln, sondern hinreichend fallbezogen und substantiiert (insoweit hängen die Darlegungsanforderungen auch von Art und Umfang der Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ab) auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den für die Entscheidung maßgeblichen Rechts- und Tatsachenfragen eingeht, deren Unrichtigkeit mit zumindest vertretbaren, jedenfalls nicht unvertretbaren Erwägungen dartut und sich dazu verhält, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf diesen - aus der Sicht des Rechtsmittelführers fehlerhaften - Erwägungen beruht; nicht ausreichend sind Darlegungen zu Zweifeln an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente oder Sachverhaltsfeststellungen, wenn diese nicht zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses begründen (Senat, Beschl. v. 21.3.1997 - 12 M 1255/97 - und st. Rspr.). Rechts- oder Tatsachenfragen, die in der Begründung des verwaltungsgerichtlichen Entscheidung keine Rolle gespielt haben oder nicht zweifelhaft waren, brauchen dabei im Rahmen des Antrages auf Rechtsmittelzulassung nicht erörtert zu werden, um eine Entscheidungserheblichkeit darzulegen (BVerfG <1. Kammer des Zweiten Senats>, Beschl. v. 15.8.1994 - 2 BvR 719/94 - , NVwZ-Beil. 1994, 65(66) - zu § 78 Abs. 4 AsylVfG), soweit sich ihre Entscheidungserheblichkeit nicht aufdrängte. Für das - gesondert zu prüfende - Darlegungserfordernis reicht es auch bei einer - objektiv im Ergebnis (eindeutig) unrichtigen - Entscheidung jedenfalls nicht aus, dass die Unrichtigkeit lediglich allgemein behauptet wird, sich diese aber nicht aus dem Antrag selbst, sondern erst nach einer Durchsicht der Akten erschließt. Ernstliche Zweifel  i. S.  des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nur dann vor, wenn der Erfolg des Rechtsmittels (mindestens) ebenso wahrscheinlich ist wie der Misserfolg (vgl. Senat, Beschl. v. 18.1.1999 - 12 L 5431/98 - , NdsVBl. 1999, 93; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Januar 2000, RdNrn. 395g, h zu § 80; Kopp/Schenke, VwGO, aaO, RdNr. 7 zu § 124; Happ, in: Eyermann, VwGO, 10. Aufl. 1998, RdNr. 20 zu § 124). Die Annahme, der Erfolg des Rechtsmittels müsse wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.5.1997 - A 12 S 580/97 - , DVBl. 1997, 1327; HessVGH, Beschl. v. 4.4.1997 - 12 TZ 1079/97 - , NVwZ 1998, 195; Nds. OVG, Beschl. v. 31.7.1998 - 1 L 2696/98 - , NdsVBl. 1999, 93; Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, aaO, RdNr. 26 zu § 124; Bader, NJW 1998, 409) trifft nicht zu, sie vernachlässigt die Zweistufigkeit des Verfahrens, ist auch aus Gründen der System- und Funktionsgerechtigkeit - Entlastung der Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verfahrensbeschleunigung - nicht geboten und verweigert in einer Vielzahl von Verfahren den Zugang zu dem Beschwerdeverfahren, obwohl das Rechtsmittel Erfolg haben wird. Eine solche Auslegung wird dem Anliegen des Gesetzgebers (BT-Drucks. 13/3993, S. 13) weniger gerecht, grob ungerechte Entscheidungen zu verhindern, und schränkt damit den Zugang zu dem Beschwerdeverfahren auf eine aus Sachgründen nicht gebotene Weise unzumutbar ein.

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Nicht zuzustimmen ist der Auffassung von Roth (VerwArch 1997, 416) und Seibert (DVBl. 1997, 932) , ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung, die zur Zulassung der Beschwerde führen müssten, lägen bereits dann vor, wenn dieser Rechtsbehelf nicht offensichtlich aussichtslos sei, oder anders ausgedrückt, es nicht auszuschließen sei, dass die angefochtene Entscheidung unrichtig sei und das Rechtsmittel Erfolg haben werde. Diese Auffassung wird der Funktion und dem System des Beschwerdezulassungsverfahrens nicht gerecht, die Rechtsmittelverfahren zu beschleunigen (vgl. BT-Drucks. 13/3993, S. 13), und ist auch nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG geboten.

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2. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe bestehen nicht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses vom 21. Juni 2000, mit dem das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die mit Sofortvollzug versehene Aberkennungsverfügung des Antragsgegners vom 12. April 2000 wiederhergestellt hat.

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2.1 Der Antragsgegner hat allerdings entgegen der Auffassung des Antragstellers hinreichend darlegen können, dass der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts aufgrund der ihm beigegebenen Begründung ernstlichen Zweifeln ausgesetzt ist; das Verwaltungsgericht führt nämlich einerseits aus, der Antragsteller habe sich zu Unrecht geweigert, sich der von ihm geforderten Begutachtung zu stellen, weshalb nach § 11 Abs. 8 FeV auf seine fehlende Eignung habe geschlossen werden können, andererseits kommt das Verwaltungsgericht aber zu einer für den Antragsteller positiven, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 11. Mai 2000 wiederherstellenden Wirkung, indem es auf ein fehlendes besonderes öffentliches Interesse für den angeordneten Sofortvollzug abhebt und hierzu ausführt, die letzte, dem Antragsteller vorzuhaltende Trunkenheitsfahrt liege nunmehr fünf Jahre zurück, auch sei der Antragsteller seitdem durch Verkehrsauffälligkeiten, insbesondere durch weitere Trunkenheitsfahrten nicht (mehr) in Erscheinung getreten. Sollte aber die vom Antragsteller angefochtene Aberkennungsverfügung vom 12. April 2000 (offenbar) rechtmäßig sein - wie das Verwaltungsgericht meint -, der Widerspruch vom 11. Mai 2000 mithin (ersichtlich) keine Erfolgsaussichten haben, so hätte das Verwaltungsgericht, wie dies die Darlegung zutreffend betont, nach der (ständigen) Rechtsprechung des Senats (seit dem Beschl. v. 3.6.1993 - 12 M 2023/93 - , OVGE 44, 327) bei (gegebener) offensichtlicher Rechtmäßigkeit einer Entziehungsverfügung - hier der Aberkennungsverfügung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über den internationalen Kraftfahrzeugverkehr (v. 12.11.1934, RGBl. I S. 1137, zuletzt geändert am 18.8.1998, BGBl. I S. 2214 - IntVO - ) - angesichts der Aussichtslosigkeit des Widerspruchs dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs) nicht stattgeben dürfen.

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2.2 Gleichwohl kann die unter Tz. 2.1 dargestellte Rechtsprechung des Senats nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages führen, weil sich der angefochtene Beschluss zwar nicht nach der ihm beigegebenen Begründung, wohl aber im Ergebnis als richtig erweist; stellt sich die angefochtene Entscheidung aber zumindest  im Ergebnis als zutreffend dar, so kann nach dem eingangs unter Tz. 1.2 Ausgeführten eine Zulassung nicht erfolgen.

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Ausgangspunkt der genannten ständigen Rechtsprechung des Senats zur Aussichtslosigkeit eines vorläufigen Rechtsschutzbegehrens nach § 80 Abs. 5 VwGO ist, dass die mit dem Widerspruch angefochtene straßenverkehrsrechtliche Verfügung nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens als offensichtlich rechtmäßig angesehen werden kann. Hiervon kann aber - entgegen der Einschätzung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss - bei der Aberkennungsverfügung des Antragsgegners vom 12. April 2000 nicht gesprochen werden. Die Verfügung vom 12. April 2000 sowie die ihr zugrundeliegende Aufforderung vom 8. November 1999 - in dieser wurde der Antragsteller aufgefordert, zu seiner Fahreignung ein Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen, welches sich mit der Frage befassen sollte, ob der Antragsteller zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder bei ihm Beeinträchtigungen aufgrund Alkoholabusus vorliegen - beziehen sich (nur) darauf, der Antragsteller habe mit zwei Trunkenheitsfahrten (vom 1. Oktober 1990 und vom 20. Januar 1995) hinreichenden Anlass geboten, an seiner - des Antragstellers - Fahreignung zu zweifeln. Da aber die erste Trunkenheitsfahrt vom 1. Oktober 1990 bereits durch Strafbefehl des Amtsgerichts vom 19. November 1990 - 3 Cs 33 Js 17268/90(859/90) - mit einer Geldstrafe für ein Vergehen nach § 316 Abs. 1 StGB sowie mit der Maßregel der Entziehung der dem Antragsteller unter dem 4. April 1985 erteilten (deutschen) Fahrerlaubnis der Klassen eins und drei gem. § 69 Abs. 1 StGB geahndet worden ist und da auch für die zweite Trunkenheitsfahrt vom 20. Januar 1995 durch den Strafrichter (Strafbefehl des Amtsgerichts vom 24. April 1995 - 3 Cs 33 Js 1794/95(265/95) - ) sowohl eine Geldstrafe als auch eine Maßregel - hier nach den §§ 69a, 69b StGB; die für die Dauer von 10 Monaten ausgesprochene "Entziehung", bedeutet tatsächlich die Aberkennung des Rechts, in Deutschland von der in Polen erworbenen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen - verhängt worden ist, stellt sich die - offenbar weder vom Antragsgegner noch vom Verwaltungsgericht bisher erörterte - Frage, ob der Antragsgegner, der in Bezug auf die beiden Trunkenheitsfahrten von demselben Sachverhalt ausgegangen ist, nicht aufgrund der Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG n. F. gehindert gewesen ist, insbesondere die zweite Trunkenheitsfahrt vom 20. Januar 1995 zum Gegenstand der Aufforderung vom 8. November 1999 bzw. zur Grundlage einer Aberkennungsverfügung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 IntVO zu machen; denn auch bei einer Aberkennung des Rechts, im Inland eine ausländische Fahrerlaubnis auszunutzen, ist, wie dies die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG n. F. zeigt, die Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG n. F. zu beachten.

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Für eine Bindungswirkung und damit für die Rechtswidrigkeit der Aufforderung vom 8. November 1999 sowie der auf die Regelung des § 11 Abs. 8 FeV gestützten Aberkennungsverfügung vom 12. April 2000 könnte sprechen, dass der Strafrichter im Strafbefehl vom 24. April 1995 dem Antragsteller nicht auf Dauer das Recht aberkannt hat, in Deutschland seine polnische Fahrerlaubnis auszunutzen, der Strafrichter die beiden Trunkenheitsfahrten und insbesondere die Trunkenheitsfahrt vom 20. Januar 1995 vielmehr offenbar nur zum Anlass genommen hat, vorübergehend, und zwar für die Dauer von 10 Monaten die Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu verneinen; denn im Strafbefehl vom 24. April 1995 wurde nur eine Maßregel der temporären Aberkennung ("Entziehung") gegen den Antragsteller verhängt. Sollte man zu dieser Einschätzung gelangen, so wäre es dem Antragsgegner nach § 3 Abs. 4 StVG n. F. verwehrt, nach Straßenverkehrsrecht (erneut) an die genannten Trunkenheitsfahrten Maßnahmen wie die Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens und die hier umstrittene Aberkennungsverfügung zu knüpfen. Andererseits ist zu bedenken, dass eine Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 StVG n. F. dann nicht eintritt, wenn die Entscheidung des Strafrichters zur Eignung bzw. zur fehlenden Eignung des Kraftfahrers keine Aussagen enthält (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.7.1988 - BVerwG 7 C 46.87 - , NJW 1989, 116 = BVerwGE 80, 43(86f.) = Buchholz 442,10 § 4 StVG Nr. 83, S. 36; Beschl. v. 1.4.1993 - BVerwG 11 B 82.92 - ; Beschl. v. 31.3.1995 - BVerwG 11 B 6.95 - ; Senat, Beschl. v. 15.8.1995 - 12 M 5004/95 - , zfs 1995, 438(439) u. Urt. v. 23.9.1996 - 12 L 2019/96 - ; Bonk, BA 1994, 238(247)). Hier enthält der Strafbefehl vom 24. April 1995 aber eine Aussage, und zwar die temporäre Aberkennung des Rechts des Antragstellers, in Deutschland von seiner polnischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, weshalb eine Bindungswirkung in dem Sinne bejaht werden könnte, der Strafrichter habe nach Ablauf der Ausnutzungssperre von 10 Monaten die Fahreignung des Antragstellers (wieder) mit der Folge bejaht, dass der Antragsgegner (als Straßenverkehrsbehörde) nunmehr die Trunkenheitsfahrten nicht (mehr) zum Anlass für die Aufforderung habe nehmen können, vom Antragsteller die Beibringung eines Gutachtens zu verlangen. Hiergegen könnte aber sprechen, dass die Trunkenheitsfahrt vom 20. Januar 1995 als (fahrlässige) Straßenverkehrsgefährdung gem. § 315c  Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 3 Nr. 2 StGB geahndet worden ist, bei einer derartigen Tat der Kraftfahrer nach § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Regel als ungeeignet anzusehen ist, der Strafbefehl vom 24. April 1995 zur Anordnung der nur temporären Aberkennung eine Begründung nicht enthält und schließlich nach § 409 Abs. 1 Satz 3  i. V. m.  § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO auch Strafbefehle, die an sich einer Begründung nicht bedürfen, insoweit zu begründen sind, als "die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69 a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden <ist>, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam", wenn die Maßregel nicht angeordnet worden ist. Sieht man den Sinn der Regelung des § 409 Abs. 1 Satz 3  i. V. m. § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO darin, der Straßenverkehrsbehörde Klarheit über den Umfang der Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 StVG n. F. zu verschaffen (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 14.12.1971 - 5 Ss 1010/71 - , DAR 1972, 131(132) - zu § 4 Abs. 3 StVG a. F. ; s. auch Meyer-Goßner, in: Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl. 1997, RdNr. 37 zu § 267 sowie RdNr. 11 zu § 409), so dürfte hier eine Bindungswirkung zu verneinen, der Antragsgegner mithin doch zu der Aufforderung vom 8. November 1999 berechtigt gewesen sein. Geht man demgegenüber von dem bloßen Wortlaut des § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO aus, so wird man eine Bindungswirkung anzunehmen haben; denn § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO spricht nur davon, dass (entgegen der Regel des § 69 Abs. 2 Nr. 1 StGB) die Fahrerlaubnis nicht entzogen - die entspricht bei der ausländischen Fahrerlaubnis der Aberkennung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 IntVO (s. § 69b Abs. 1 Satz 1 StGB) - oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB nicht angeordnet worden ist. Hier hat der Strafrichter im Strafbefehl vom 24. April 1995 aber eine Entziehung (Aberkennung) ausgesprochen, wenn er diese auch zeitlich befristet hat; diese Befristung könnte daher nicht unter den Begründungszwang des § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO fallen.

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Der Senat kann in diesem Zulassungsverfahren aber offen lassen, ob sich für den Strafbefehl vom 24. April 1995 aus § 409 Abs. 1 Satz 3  i. V. m.  § 267 Abs. 6 Satz 2 StPO eine Begründungspflicht ergab; denn die soeben zur Begründungspflicht und zur Reichweite der Bindungswirkung nach § 3 Abs. 3 Satz 4 StVG n. F. angestellten Überlegungen machen bereits deutlich, dass von einer offensichtlichen Rechtmäßigkeit der Aberkennungsverfügung vom 12. April 2000 nicht gesprochen werden kann. Verhält es sich aber so, so kann die o. g. Rechtsprechung des Senats hier nicht eingreifen, weshalb aus diesem Grund angesichts der somit als offen zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Widerspruchs vom 11. Mai 2000 eine Interessenabwägung zu erfolgen hat. Hinsichtlich dieser Interessenabwägung, die für die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden Entscheidung vorzunehmen ist, ist aber die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss vorgenommene Abwägung zugunsten des Antragstellers auch aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden; denn die dem Antragsteller vorzuhaltenden Trunkenheitsfahrten liegen nunmehr zehn bzw. fünf Jahre zurück, auch liegen nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller unter Alkoholbeeinflussung am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat oder in Zukunft teilnehmen wird, zumal nach Aktenlage auch anlässlich des Verkehrsunfalls vom 3. Mai 1999 in Hamburg nichts darauf hindeutet, der Antragsteller habe diesen alkoholisiert verursacht, vielmehr kann das Unfallgeschehen auch durch bloße Unachtsamkeit, die auch einem nicht unter Alkoholbeeinflussung stehender Kraftfahrer unterlaufen kann, verursacht gewesen sein.