Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.07.2000, Az.: 11 L 4906/99
Aufnahmeort; Beförderungsvereinbarung; einheitlicher Beförderungsvorgang; Krankentransport; Rettungsdienstbereich
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.07.2000
- Aktenzeichen
- 11 L 4906/99
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41856
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 6 A 6002/99
Rechtsgrundlagen
- § 25 Abs 1 S 3 RettDG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Der Transport von Dialysepatienten oder vergleichbare Fahrten zu Therapiemaßnahmen oder Untersuchungen in einen benachbarten Rettungsdienstbereich und der (höchstens einige Stunden) später erfolgende Rücktransport sind als einheitlicher Beförderungsvorgang anzusehen, dessen Aufnahme- und Einsatzort i. S. d. § 25 Abs. 1 Satz 3 NRettDG im Betriebsbereich des Unternehmers liegt, wenn die Beförderungsvereinbarung mit dem Patienten von vornherein auch dessen Rückholung umfasst.
Gründe
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
1. Es bestehen unter den von der Beklagten aufgezeigten Gesichtspunkten keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei einem Krankentransport in einen benachbarten Rettungsdienstbereich und den späteren Rücktransport um einen einheitlichen Beförderungsvorgang handele, dessen Aufnahme- und Einsatzort im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 3 NRettDG im Betriebsbereich des Unternehmers liege, wenn die Beförderungsvereinbarung mit dem Patienten von vornherein auch dessen Rückholung umfasse, ist im vorliegenden Fall, in dem es insbesondere um den Transport von Dialysepatienten (oder um Therapiemaßnahmen oder Untersuchungen) geht, nicht zu beanstanden. Denn in derartigen Fällen, in denen Hin- und Rücktransport nur durch einen Aufenthalt von höchstens einigen Stunden (im Falle von Dialysepatienten bis zu sechs Stunden) unterbrochen wird und der Rücktransport von vornherein fest steht und dementsprechend auch mit dem Patienten vereinbart ist, gebietet die vom Verwaltungsgericht zu Recht angewandte "natürliche Betrachtungsweise" einen einheitlichen Beförderungsvorgang anzunehmen (vgl. OVG Münster, Urt. v. 3.9.1998 - 13 A 1048/98 -, VRS 96, 300 ff., zu der § 25 Abs. 1 Satz 3 NRettDG entsprechenden Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 RettDGNW; a. A. Ufer, NRettDG, Kommentar, Stand: Mai 2000, § 4 Anm. 5). Es widerspräche einer solchen Betrachtungsweise und wäre für die Beteiligten (Krankentransportunternehmen und Patienten) schwer nachvollziehbar, einen solchen einheitlichen Transportvorgang in zwei Fahrten mit unterschiedlichen Aufnahme- und Einsatzorten im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 3 NRettDG aufzuspalten und demzufolge für die Rückholfahrt die Zuständigkeit eines anderen Rettungsdienstträgers anzunehmen mit der Konsequenz, dass, wenn dieser nicht gemäß § 22 Abs. 2 Satz 3 NRettDG mit einer Überschreitung des Betriebsbereichs einverstanden oder gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 NRettDG zu einer Ausnahmeregelung bereit ist, der Rücktransport durch einen anderen Krankentransportunternehmer aus dessen Bereich durchgeführt werden muss. Es dürfte dem Patienten - im Falle der Dialyse oft Langzeitpatienten , die zwei- bis dreimal in der Woche (oder häufiger) zum Dialyseort gefahren werden müssen - wegen der mit dem Wechsel des Transportunternehmens verbundenen Unsicherheit und dadurch eventuell entstehenden Wartezeiten auch kaum zuzumuten sein, jedes Mal ein anderes Transportunternehmen aus dem anderen Rettungsdienstbereich mit dem Rücktransport beauftragen zu müssen. Aus diesen Gründen ist bei derartigen Transporten als Aufnahme- und Einsatzort im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 3 NRettDG der Ausgangsort der Hinfahrt anzusehen, so dass es für den Rücktransport weder einer Zustimmung nach § 22 Abs. 2 Satz 3 NRettDG noch einer Ausnahmevereinbarung nach § 4 Abs. 3 Satz 2 NRettDG bedarf. Für diese Einschätzung spielt es auch keine Rolle, ob (wie die Beklagte in ihrem Schreiben an den Kläger vom 4.8.1999 gefordert hat) der Fahrer des Krankentransportfahrzeugs während der gesamten Behandlungsdauer vor Ort wartet oder diese Zeit anderweitig (sinnvoll) nutzt, indem er zwischendurch andere Fahrten durchführt, oder ob ein anderes Fahrzeug desselben Unternehmers den Patient abholt. Trotz einer den Rücktransport von vornherein umfassenden Beförderungsvereinbarung ist aber möglicherweise dann eine andere Beurteilung geboten, wenn zwischen Hin- und Rücktransport ein längerer Zeitraum (z.B. Rückholung erst am nächsten Tag) liegt. Bei den hier in Rede stehenden Fahrten des Klägers geht es aber nur um den Transport von Dialysepatienten (oder vergleichbare Fahrten, wie beispielsweise Fahrten zu Therapiemaßnahmen oder Untersuchungen) mit einer Unterbrechung von höchstens einigen Stunden.
2. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die Beklagte hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ein Krankentransportunternehmen ohne Zustimmung des zuständigen Trägers des Rettungsdienstes Rückholfahrten außerhalb seines Betriebsbereichs durchführen könne, wenn es dies nur vorher mit dem Patienten vereinbart habe. Diese Frage ist (in dieser Form) hier jedoch nicht entscheidungserheblich. Im vorliegenden Fall geht es um Transportvorgänge, die nur durch einen Aufenthalt von höchstens einigen Stunden unterbrochen werden. Es stellt sich hier nicht die Frage, ob auch dann noch von einem einheitlichen Vorgang die Rede sein kann, wenn zwar die Rückholung mit dem Patienten vereinbart worden ist, zwischen beiden Fahrten aber ein längerer Zeitraum liegt. Die hier entscheidungserhebliche Frage der Bewertung von Dialysefahrten (und vergleichbaren Fahrten) kann jedoch bei einer "natürlichen Betrachtungsweise" bereits im Zulassungsverfahren im oben genannten Sinne beantwortet werden, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
3. Schließlich liegt auch kein Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO vor.
Das Verwaltungsgericht hat hier nicht eine nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendige Beiladung unterlassen, da die Rechte anderer Rettungsdienstträger durch seine Entscheidung nicht beeinträchtigt worden sind. Denn nach dem oben Gesagten bedarf es für die Durchführung der hier in Rede stehenden Rücktransporte weder der Zustimmung der benachbarten Rettungsdienstträger nach § 22 Abs. 2 Satz 3 NRettDG noch einer Ausnahmeregelung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 NRettDG, weil der Aufnahme- und damit Einsatzort im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 3 NRettDG für den gesamten als Einheit anzusehenden Transportvorgang nicht im Zuständigkeitsbereich eines anderen Rettungsdienstträgers liegt.