Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.07.2000, Az.: 4 L 1967/00
Arbeitsbemühung; Arbeitssuche; Arbeitsverweigerung; Arbeitsweigerung; Bemühung um Arbeit; Hilfe zum Lebensunterhalt; Nachrang; Sozialhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.07.2000
- Aktenzeichen
- 4 L 1967/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 42036
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 30.03.2000 - AZ: 15 A 1254/99
Rechtsgrundlagen
- § 2 BSHG
- § 18 BSHG
- § 25 Abs 1 BSHG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die in Anwendung der §§ 18 ff., 25 Abs. 1 BSHG von einem Hilfesuchenden zu erwartenden Bemühungen um Arbeit sind im Hinblick darauf zu bemessen, daß diese Bestimmungen "Hilfenormen" sind. Es kommt nicht darauf an, welche Anforderungen beispielsweise die Zivilgerichte hinsichtlich nachweislicher Bemühungen um Arbeit stellen, wenn es um die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen des volljährigen Hilfesuchenden geht.
2. Welche Bemühungen um Arbeit erforderlich, zumutbar und ausreichend sind, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten des Hilfesuchenden, seiner Vor- und Ausbildung und seinen bisherigen beruflichen Erfahrungen, seinen persönlichen und familiären Verhältnissen, dem Grad seiner Flexibilität sowie nach der Lage auf dem regionalen und örtlichen Arbeitsmarkt. Daher fehlt eine sachliche Grundlage für die Bildung einer Regel für den Mindestumfang der Bemühungen (i.S. von beispielsweise "mindestens drei Bewerbungen im Monat").
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht den Regelsatz der der Klägerin gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt gekürzt hat.
Die im Jahre 1971 geborene Klägerin schloss im Oktober 1997 ihr Studium der Sozialwissenschaften ab und bezog seitdem ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie erzielte aus einer Tätigkeit in einem Seniorenheim ein monatliches Einkommen i. H. von ca. 500,- DM. Seit November 1997 war sie durchgehend beim Arbeitsamt Hannover als arbeitssuchend gemeldet und sprach dort regelmäßig vor. Sie bewarb sich gezielt auf Stellenanzeigen und legte der Beklagten monatlich fünf Bewerbungen vor.
Im Oktober 1998 forderte die Beklagte die Klägerin mündlich auf, ab November 1998 monatlich 15 bis 20 Bewerbungen vorzulegen. Mit Schreiben vom 10. 11. 1998 forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihr die Arbeitsbemühungen ab sofort durch die Vorlage von wöchentlich fünf qualifizierten Bewerbungen nachzuweisen. Zugleich wies sie darauf hin, dass im Fall des Nichtbefolgens im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens die Hilfe zum Lebensunterhalt zunächst um 25% gekürzt werden könne.
Mit Bescheid vom 14. 12. 1998 kürzte die Beklagte die Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Januar 1999 um 25% des für die Klägerin maßgeblichen Regelsatzes und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, sich ernsthaft um Arbeit zu bemühen. Zugleich forderte die Beklagte die Klägerin auf, ihre Arbeitsbereitschaft durch Vorlage von wöchentlich fünf qualifizierten Bewerbungen nachzuweisen, und hörte sie zu ihrer Absicht an, die Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 01. 02. 1999 um 50% des Regelsatzes zu kürzen.
Die Klägerin legte am 22. 12. 1998 Widerspruch ein. Am 28. 12. 1998 suchte sie um einstweiligen Rechtsschutz nach und führte im Wesentlichen aus, mit monatlich fünf Bewerbungen bemühe sie sich ausreichend um Arbeit. Das Verwaltungsgericht verpflichtete daraufhin die Beklagte durch Beschluss vom 18. 01. 1999 -- 15 B 8500/98 -- im Wege der einstweiliger Anordnung, der Klägerin ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt aus Sozialhilfemitteln zu gewähren.
Durch Bescheid vom 24. 02. 1999 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin vom 22. 12. 1998 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin sei gemäß § 18 BSHG verpflichtet, sich soweit um Arbeit zu bemühen, dass sie ihren gesamten Lebensunterhalt selbst decken könne. Gemäß § 2 Abs. 1 BSHG erhalte Sozialhilfe nicht, wer die erforderliche Hilfe von anderen erhalte. Die Mutter der Klägerin sei aufgefordert worden, zur Wiederherstellung dieses Nachranggrundsatzes Unterhaltszahlungen an die Klägerin zu erbringen, die sie als bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsanspruch schulde. Die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Mutter der Klägerin habe nämlich ergeben, dass diese zur Unterhaltszahlung in der Lage sei. Die Unabhängigkeit von der Sozialhilfe hänge hier von der Realisierung dieses Unterhaltsanspruches ab. Die Durchsetzung des Anspruchs sei aber nur möglich, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Erwerbsobliegenheiten in ausreichendem Maße nachkomme. Um Unterhaltsansprüche gegenüber ihrer Mutter zu realisieren, sei die Klägerin verpflichtet, sich intensiv um Arbeit zu bemühen. Die Klägerin habe jedoch in den vergangenen Monaten lediglich fünf Bewerbungsnachweise monatlich vorgelegt. Diese Anzahl sei aber nicht ausreichend, um Unterhaltsansprüche zu verwirklichen.
Am 16.03.1999 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung hat sie sich auf die Gründe des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 18.01.1999 (15 B 8500/98) berufen und ergänzend ausgeführt: Der Beklagten gehe es offensichtlich darum, ihr, die inzwischen weit über 60 Bewerbungen hinter sich habe, unter Androhung der Regelsatzkürzungen und letztlich Versagung der Sozialhilfeleistungen zu -- offensichtlich sinnlosen -- weiteren Bewerbungen zu zwingen, damit sie beim Familiengericht bessere Chancen habe, einen auf sie übergeleiteten Unterhaltsanspruch bei der Mutter durchzusetzen. Dass dies nicht Sinn und Zweck der Regelungen des Bundessozialhilfegesetzes sei, habe das Gericht in dem genannten Beschluss festgestellt. Sie, die Klägerin, bemühe sich auch ernsthaft um eine Arbeit. Sie beschränke sich nicht auf Stellenbewerbungen in ihrem erlernten Beruf oder warte, bis ihr das Arbeitsamt einen Vermittlungsvorschlag zuschicke, sondern bewerbe sich auf Zeitungsannoncen auf alle möglichen Stellen. Darunter befänden sich anspruchsvollere und auch einfache Tätigkeiten bei Firmen aller Branchen, zuletzt u. a. in einem Blumenladen, einem Weingeschäft, in einer Arztpraxis, bei einer Druckerei. Die Nachweise lägen der Beklagten vor. Sie, die Klägerin, habe es auch zu keinem Zeitpunkt abgelehnt, eine oder mehrere Teilzeitstellen anzunehmen und übe ja auch bereits eine Teilzeitbeschäftigung aus.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14. 12. 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. 02. 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr -- der Klägerin -- ungekürzte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe des ihr zustehenden Regelsatzes zu gewähren..
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, hat ihre bisherige Rechtsauffassung wiederholt und weiter vorgetragen:
Vor dem Hintergrund der sozialhilferechtlichen Verpflichtungen aus § 18 BSHG und dem Nachranggrundsatz des § 2 BSHG fordere sie von der Klägerin den Nachweis, dass diese sich gleichsam täglich um Arbeit eigenständig bemühe. Es bestehe insoweit die Verpflichtung, mindestens fünf entsprechende Bewerbungen wöchentlich nachzuweisen. Da die Klägerin diesen Nachweis nicht geführt habe, habe sie die Rechtsfolgen des § 25 BSHG zu tragen. Die entsprechenden Unterhaltsansprüche gegen ihre Mutter seien sonst nicht durchsetzbar. Nach Aussagen der unterhaltspflichtigen Mutter komme die unterhaltsberechtigte Klägerin ihren Erwerbsobliegenheiten nicht nach. Zwischen den zivilrechtlichen und den sozialhilferechtlichen Erwerbsobliegenheiten könne es auch keinen Unterschied geben. Die Klägerin habe die Folgen zu tragen, soweit sie die geforderten fünf Bewerbungen wöchentlich nicht nachweise.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung ausgeführt:
Die Klage sei begründet. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ihren Bedarf aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu decken. Sie habe daher gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG einen Anspruch auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Voraussetzungen für eine Kürzung der ihr zustehenden Sozialhilfe gemäß § 25 BSHG lägen nicht vor.
Nach § 25 Abs. 1 BSHG habe u. a. wer sich weigere, zumutbare Arbeit zu leisten, nicht Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Hilfe sei in einer ersten Stufe um mindestens 25 v.H. des maßgebenden Regelsatzes zu kürzen. Eine Weigerung im Sinne des § 25 Abs. 1 BSHG könne sich auch darin ausdrücken, dass es ein Hilfesuchender ohne hinreichenden Grund unterlasse, sich um zumutbare Arbeit zu bemühen. So verliere seinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in der Regel, wer es ablehne, sich beim Arbeitsamt als arbeitssuchend zu melden oder Vermittlungsversuche des Arbeitsamtes vereitele. Eine Weigerung könne auch darin liegen, dass ein Hilfesuchender, der sich beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet habe und für das Arbeitsamt erreichbar sei, es ablehne, sich unabhängig von Bemühungen des Arbeitsamtes selbst auf den für ihn zugänglichen Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu suchen.
Die Klägerin weigere sich nicht, zumutbare Arbeit zu leisten. Das Gericht halte bei Fehlen besonderer Umstände regelmäßig die Aufforderung, drei eigenständige Bewerbungen pro Monat vorzulegen, für angemessen. Die Klägerin bemühe sich mit fünf Bewerbungen pro Monat in hinreichendem Maß um Arbeit. Die Aufforderung an die Klägerin, ihre eigenständigen Arbeitsbemühungen durch die Vorlage von fünf Bewerbungen wöchentlich nachzuweisen, sei weit überhöht.
Nicht durchdringen könne die Antragsgegnerin mit ihrem Argument, im Falle einer zivilrechtlichen Unterhaltsklage reichten fünf Bewerbungen pro Monat nicht zur Durchsetzung des Anspruchs aus. Die Kürzung des Regelsatzes nach § 25 Abs. 1 BSHG habe zum Ziel, den Hilfeempfänger wieder an die Arbeit heranzuführen und ihm in diesem Sinne eine Hilfestellung zu sein, als er dazu angehalten werden solle, sein Leben unabhängig von der Sozialhilfe zu führen. Mit dem Sinn und Zweck des § 25 BSHG als Hilfenorm lasse sich nicht vereinbaren, diese Vorschrift dazu zu nutzen, mittelbar die Chancen für die Durchsetzung von zivilrechtlichen Unterhaltsklagen zu erhöhen. Die Kürzung der Hilfe zum Lebensunterhalt als ultima ratio der Hilfe zur Arbeit solle nur dazu eingesetzt werden, den Hilfeempfänger in wohl verstandenem eigenen Interesse dazu anzuhalten, sich um zumutbare Arbeit zu bemühen.
Als Folge einer zu hoch bemessenen Zahl von Bewerbungsbemühungen sehe das Gericht nicht eine im Einzelfall auf das Angemessene zu reduzierende Zahl, sondern lege seiner Entscheidung dann allenfalls die in der Regel als angemessen anzusehende Zahl von drei Bewerbungen zugrunde. Der Charakter des § 25 Abs. 1 BSHG als Hilfenorm verlöre an Bedeutung, wenn eine überzogene Zahl an Bewerbungsbemühungen nicht in ihrer Wirkung auf die Motivation des Hilfesuchenden, dieser Aufforderung nachzukommen, erkannt würde. Das Verlangen unverhältnismäßiger eigenständiger Bemühungen dürfte geeignet sein, in dem Hilfesuchenden die Haltung und Überzeugung zu begründen, den Anforderungen ohnehin nicht gerecht werden zu können, und deshalb dazu führen, dass der Hilfesuchende auch die Bemühungen nicht entfalte, zu denen er nach seinen persönlichen Verhältnissen und der Arbeitsmarktsituation in der Lage wäre. Andererseits solle der Sozialhilfeträger nicht von seiner Verpflichtung, im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die Zahl der zu fordernden eigenständigen Arbeitsbemühungen zu bemessen entbunden werden; er betreue regelmäßig den Hilfefall auch über persönliche Hilfe, § 8 BSHG, während eines längeren Zeitraumes und verfüge über fachlich ausgebildete Kräfte, die die Situation des Hilfesuchenden besser ergründen und beurteilen könnten als es dem Gericht möglich sei.
Die nach diesen Ausführungen zu fordernden drei monatlichen eigenständigen Bewerbungen habe die Antragstellerin trotz der überzogenen Anforderung des Antragsgegners erbracht und belegt. Die Meldung beim Arbeitsamt sei, wie sich ebenfalls aus den Verwaltungsvorgängen ergebe, erfolgt und die Antragstellerin stelle sich regelmäßig beim Arbeitsamt vor.
Die Unterstützung der Beklagten bei der Realisierung eines Unterhaltsanspruchs gehöre nicht zu den Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 BSHG. Die Einbettung des § 25 BSHG in die Hilfe zur Arbeit stelle klar, dass es sich um eine Norm handele, die dazu diene, dem Hilfeempfänger zur Deckung des Lebensbedarfs durch Arbeit zu verhelfen und nicht, um den allgemeinen Nachranggrundsatz des § 2 BSHG zu verwirklichen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin nicht fünf Bewerbungen pro Woche bei ihr einreiche, könne die Beklagte deshalb nicht den Schluss ziehen, dass sich die Klägerin weigere, ihren Lebensunterhalt durch eigene Arbeit zu decken. Die Klägerin schaffe lediglich nicht die Voraussetzungen, die die Beklagte in die Lage versetzten, aus übergeleitetem Recht den Unterhaltsanspruch der Klägerin ihrer Mutter gegenüber durchzusetzen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Beklagten ist nicht begründet.
Nach § 124 Abs. 2 VwGO (i.d.F. des 6. VwGO-Änderungsgesetzes vom 1. November 1996, BGBl. I S. 1626) ist die Berufung nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Im vorliegenden Verfahren liegt ein Zulassungsgrund nicht vor.
Die Beklagte meint, die Rechtssache sei wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zuzulassen, denn daraus, dass das Verwaltungsgericht regelmäßig drei Bewerbungen um Arbeitsstellen im Monat ausreichen lasse, das Amtsgericht Hannover aber zum Nachweis eines unterhaltsrechtlichen Bedarfs in derartigen Fällen wesentlich mehr (etwa 20) Bewerbungen im Monat verlange, ergäben sich für sie "überdurchschnittliche Schwierigkeiten bei der Formulierung der an die betreffenden Hilfeempfänger zu richtenden Erwerbsobliegenheiten". Damit ist aber das Vorliegen des Zulassungsgrundes gem. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht dargetan. Maßgeblich ist nämlich, ob die konkrete Rechtssache besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist, aber nicht, ob die Anwendung einer Norm allgemein in der Verwaltungspraxis schwierig ist. Im vorliegenden Fall wirft die Anwendung des § 25 BSHG besondere rechtliche Schwierigkeiten nicht auf.
Entgegen der Meinung der Beklagten hat die Rechtssache auch nicht grundsätzliche, d.h. über den Einzelfall hinausgehende, Bedeutung i.S. des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Beklagte hält es für allgemein klärungsbedürftig, "ob es zulässig ist, die an einen Hilfeempfänger nach § 18 BSHG zu stellenden Anforderungen danach zu bemessen, dass sich evtl. Unterhaltsansprüche durchsetzen lassen, und ob sich nicht gerade aus dem Nachranggrundsatz gem. § 2 BSHG auch eine Verpflichtung des Hilfeempfängers ergibt, alles Erforderliche zu tun, um für die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte, insbesondere Unterhaltsansprüche, erforderlichen Voraussetzungen zu erfüllen". Diese Frage lässt sich indessen, soweit es auf ihre Beantwortung überhaupt ankommt, anhand des Gesetzes und der dazu bereits vorliegenden Rechtsprechung beantworten, so dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens zu ihrer Klärung nicht bedarf.
Die Beklagte hat ihre von der Klägerin angegriffene Entscheidung auf § 25 BSHG gestützt. Zum Regelungsinhalt bzw. den sich aus § 25 BSHG ergebenden Rechtsfolgen hat das Bundesverwaltungsgericht z. B. in seinem Urteil vom 17. Mai 1995 -- 5 C 20.93 -- (BVerwGE 98, 203 = Buchholz 436.0 § 25 BSHG Nr. 8 = DVBl. 1995, 1186 = NJW 1995, 3200 = FEVS Bd. 46, 12) u.a. ausgeführt:
"Die Anwendung von § 25 Abs. 1 BSHG setzt, wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat, zweierlei voraus: die Feststellung, welche Arbeit dem Hilfesuchenden "zumutbar" ist, und die Feststellung, dass er sich "geweigert" hat, solche Arbeit zu leisten. Bei der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe kommt Sinn und Zweck der Vorschrift in ihrer Verknüpfung mit den §§ 18 ff. BSHG entscheidende Bedeutung zu. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dient § 25 Abs. 1 BSHG dazu, Maßnahmen der in §§ 18 ff. BSHG geregelten Hilfe zur Arbeit zu unterstützen (vgl. BVerwGE 67, 1 <5 f.>; 68, 91 <93 ff.>). Wegen seiner Koppelung mit diesen Hilfenormen ist § 25 Abs. 1 BSHG selbst Hilfenorm. Sein Hilfezweck zeigt sich insbesondere darin, dass die Weigerung, zumutbare Arbeit zu leisten, nicht zur Folge hat, dass der Hilfesuchende (Hilfeempfänger) aus der Betreuung des Sozialhilfeträgers entlassen wird, sondern lediglich den Verlust des Rechtsanspruchs auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach sich zieht. Der Träger der Sozialhilfe wird bei der Gestaltung der Hilfe und ihrer Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalles freier gestellt. Im Rahmen dieser Gestaltungsfreiheit kann z.B. -- mindestens zeitweise -- die Kürzung der Hilfe (bis auf das Unerlässliche) als ein Mittel in Betracht kommen, den Hilfesuchenden zur Arbeit anzuhalten, um ihn so letzten Endes auf den Weg zur Selbsthilfe zu führen (vgl. BVerwGE 67, 1 <6>; 68, 91 <94> jeweils m. w. N.). ...
Die anspruchsvernichtende Wirkung von § 25 Abs. 1 BSHG tritt deshalb nur ein, wenn ein Hilfesuchender (Hilfeempfänger) durch sein Verhalten zum Ausdruck bringt, dass ihm der Wille zur Selbsthilfe durch Einsatz seiner Arbeitskraft fehlt. Fehlende (mangelnde) Arbeitsbereitschaft in diesem Sinne zeigt sich insbesondere darin, dass es der Hilfesuchende unberechtigt -- sei es ausdrücklich, sei es konkludent -- ablehnt, eine ihm vom Arbeitsamt, dem Sozialhilfeträger oder einem Dritten angebotene oder nachgewiesene (zumutbare) konkrete Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Auch die Ablehnung einer nach § 19 BSHG für den Hilfesuchenden geschaffenen Arbeitsgelegenheit fällt unter § 25 Abs. 1 BSHG (BVerwGE 67, 1 <4 ff.>; 68, 91 <93 f.>; vgl. nunmehr auch § 25 Abs. 1 BSHG in der Fassung von Art. 7 Nr. 11 Buchst. a des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993, BGBl I S. 944)."
Aus dem beschriebenen Zweck des § 25 BSHG, Maßnahmen der in §§ 18 ff. BSHG geregelten Hilfe zur Arbeit zu unterstützen, folgt umgekehrt, dass die Möglichkeit, die Hilfe nach § 25 BSHG zu kürzen, nicht zur Durchsetzung anderer Ziele -- wie hier der Schaffung der Voraussetzungen für die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen -- genutzt werden darf.
Auch § 2 BSHG trägt die angegriffenen Bescheide nicht. Nach § 2 Abs. 1 BSHG erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe von anderen erhält. In diesen Fällen erkennt das Gesetz also schon einen sozialhilferechtlichen Bedarf nicht an (während § 25 BSHG die Kürzung der Leistung bei tatsächlich bestehendem Bedarf zulässt). Das gilt aber nur, wenn die Möglichkeit der Selbsthilfe tatsächlich besteht und realisierbar ist, es müssen also "bereite Mittel" vorhanden sein. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass auch Ansprüche und Rechte, die der gerichtlichen Durchsetzung bedürfen, als bereite Mittel in Betracht kommen, vorausgesetzt die gerichtliche Durchsetzung ermöglicht eine rechtzeitige Bedarfsdeckung (vgl. Urteil v. 15.12.1977 -- BVerwG V C 35.77 --, BVerwGE 55, 148 <152>: dass Abhilfe "allenfalls im Wege eines langwierigen Rechtsmittelverfahrens möglich ist", genügt als bereites Mittel nicht; Urteil v. 5.5.1983 -- BVerwG 5 C 112.81 --, BVerwGE 67, 163 <167>: als bereite Mittel sind Ansprüche berücksichtigungsfähig, die "im Wege der einstweiligen Verfügung" alsbald durchgesetzt werden können). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der der Klägerin gegen ihre Mutter evtl zustehenden Unterhaltsansprüche offensichtlich nicht gegeben. In dem Zeitraum, den die hier angegriffenen Bescheide betreffen, waren Unterhaltsansprüche der Klägerin nicht kurzfristig durchsetzbar; etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht. Die Beklagte war deshalb auch nicht nach § 2 Abs. 1 BSHG berechtigt, die Leistungen an die Klägerin einzuschränken.
Die von der Beklagten auch hervorgehobene Erwägung, dass "es im Sinne der Einheit der Rechtsordnung, der Verpflichtung zur Abstimmung von Rechtsvorschriften und der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist, identische Maßstäbe betreffend den Einsatz von Arbeitskraft anzusetzen", kommt hier unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Tragen. Sie ist im übrigen auch nicht richtig. Es ist nicht zwingend, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Voraussetzungen, unter denen ein Volljähriger Unterhaltsansprüche gegen seine Eltern hat, dieselben Maßstäbe anlegt wie bei der Regelung der Voraussetzungen, unter denen von einem Empfänger von Sozialhilfe -- also einer staatlichen Leistung -- der Einsatz seiner Arbeitskraft erwartet und im Falle des Nichteinsatzes der Arbeitskraft die Sozialleistung gekürzt wird. Beide Regelungen betreffen völlig unterschiedliche Interessenkonflikte, die unterschiedliche Lösungen rechtfertigen, wenn nicht sogar gebieten. Allein die Tatsache, dass beide Regelungsbereiche sich bei der Anwendung des § 2 Abs. 1 BSHG oder des § 91 BSHG berühren können, ändert daran nichts.
Die Berufung ist schließlich auch nicht wegen "ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts" (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen. Das Verwaltungsgericht hat, wie aus den vorstehenden Ausführungen ersichtlich ist, weder § 2 noch § 25 BSHG fehlerhaft angewendet. Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des VGH Bad.-Württ. vom 15.4.1999 -- 7 S 909/98 -- (NJW 2000, 376 = FEVS Bd. 51, 130) greift nicht durch. Die von dem Beklagten zitierte Bemerkung des VGH ("Es wäre mit dem Nachranggrundsatz nicht zu vereinbaren, wenn der Einzelne sich ohne Rücksicht auf die Möglichkeit, seinen Bedarf von dritter Seite zu befriedigen, an den Träger der Sozialhilfe mit der Bitte um Hilfe wenden könnte, um diesem dann auch die Durchsetzung seiner Ansprüche gegen Dritte zu überlassen.") betrifft den hier gerade nicht gegebenen Fall, dass die Ansprüche gegen den Dritten alsbald durchsetzbar -- "bereite Mittel" -- sind. Schließlich kann hier offen bleiben, ob der Meinung des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, in der Regel schon drei Bewerbungen im Monat seien i.S. der §§ 18 ff. BSHG ausreichende Bemühungen um Arbeit, (so schon dieselbe Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover in dem Beschluss vom 12.02.1998 -- 3 B 146/98.Hi -- info also 1998, 80; dagegen hält in der Regel zehn Bewerbungen für erforderlich das Verwaltungsgericht Braunschweig, Beschluss vom 16.10.1997 -- 4 B 4280/97 -- info also 1998, 142 mit ablehnender Anmerkung von Gottlieb, und Urteil vom 15.12.1997 -- 4 A 4279/97 -- ZfF 1999, 11). Der Senat hält es schon für zweifelhaft, ob im Regelfall eine solche "Meßlatte" angelegt werden darf, so sehr sie auch einem praktischen Bedürfnis der Verwaltung und der Gerichte entsprechen mag. Welche Bemühungen um Arbeit erforderlich, zumutbar und ausreichend sind, bestimmt sich nämlich immer nach den konkreten Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach den individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten des Hilfesuchenden, seiner Vor- und Ausbildung und seinen bisherigen beruflichen Erfahrungen, seinen persönlichen und familiären Verhältnissen, dem Grad seiner Flexibilität sowie nach der Lage auf dem örtlichen oder regionalen Arbeitsmarkt (vgl. Beschl. d. Sen. v. 18.03.1999 -- 4 M 876/99 --). Darauf stellt auch das Bundesverwaltungsgericht in dem genannten Urteil vom 17. Mai 1995 ab. In dem dort entschiedenen Fall kommt es zu dem Ergebnis, die Feststellung des Berufungsgerichts, die Bemühungen des Klägers um Arbeit (neun Bewerbungen in zwölf Monaten) seien ausreichend gewesen, auch wenn sich noch intensivere Bemühungen vorstellen ließen, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Hier ist -- mit dem Verwaltungsgericht -- festzuhalten, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles die Bemühungen der Klägerin um Arbeit, nämlich durchschnittlich fünf Bewerbungen pro Monat neben der Arbeitslosmeldung und den regelmäßigen Vorsprachen beim Arbeitsamt, jedenfalls ausreichend gewesen sind und entgegen der Auffassung der Beklagten nicht die Annahme gerechtfertigt haben, sie weigere sich, zumutbare Arbeit zu leisten; sie hat im Gegenteil die ihr vom Arbeitsamt angebotenen geringfügigen Beschäftigungen auch außerhalb ihres Berufs jeweils angenommen und auch dadurch ihren Arbeitswillen hinreichend bekundet.