Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.07.2000, Az.: 3 M 561/00
Abwägungsmangel; anerkannter Naturschutzverband; aufschiebende Wirkung; Aussetzungsentscheidung; Aussetzungsverfahren; Einwendung; Erörterung; Klage; Mitwirkungsrecht; Naturschutzverband; Nichtigkeit; Planfeststellung; Planfeststellungsbeschluß; Planfeststellungsverfahren; Planung; Planänderung; sofortige Vollziehbarkeit; Sofortvollzug; Verfahrensfehler; wesentliche Änderung; Wiederherstellung; Änderung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.07.2000
- Aktenzeichen
- 3 M 561/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41936
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.10.1999 - AZ: 1 B 3319/99
Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs 5 VwGO
- § 44 Abs 1 VwVfG
- § 73 VwVfG
- § 60c Abs 1 NatSchG ND
- § 75 Abs 1a VwVfG
- § 19c BNatSchG
- § 44 Abs 3 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Planfeststellungsbeschluss durch Beschluss nach § 80 V VwGO wiederhergestellt, entfällt die bindende Wirkung des Gerichtsbeschlusses im Falle einer wesentlichen Änderung des Planfeststellungsbeschlusses (im Anschluss an BVerwG, Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 4).
2. Ein Planfeststellungsbeschluss ist nicht nichtig, wenn die Behörde im Planfeststellungsverfahren Einwendungen gegen den Plan nicht mündlich erörtert hat.
3. Eine Verletzung des Mitwirkungsrechts eines anerkannten Naturschutzverbandes im Planfeststellungsverfahren führt, falls der Verband auch inhaltliche Mängel der Planungsentscheidung geltend machen kann, nur dann zur gerichtlichen Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, wenn die nicht nur abstrakte Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensfehler sich auf die Sachentscheidung der Planfeststellungsbehörde ausgewirkt hat (im Anschl. An BVerwGE 107, 1 = NVwZ 1998, 961).
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Antrag der Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den von der Antragsgegnerin für sofort vollziehbar erklärten Planfeststellungsbeschluss vom 14. August 1998 in der Fassung ihres Planergänzungsbeschlusses vom 22. Juli 1999 ist von dem Verwaltungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt worden.
Die aufschiebende Wirkung war nach der zutreffenden Auffassung des Verwaltungsgerichts entgegen der Annahme der Antragsteller nicht bereits deswegen wiederherzustellen, weil die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung angeordnet hat, obwohl das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 14. August 1998 durch rechtskräftigen Beschluss vom 26. November 1998 - 1 B 3953/98 - wiederhergestellt hatte.
Es ist der Behörde nach einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO durch das Gericht zwar grundsätzlich verwehrt, die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes selbst bei einer Änderung der Sach- oder Rechtslage erneut anzuordnen; sie kann unter dieser Voraussetzung eine sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes grundsätzlich nur in dem Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erreichen. Ordnet sie gleichwohl die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes erneut an, ist auf Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung allein wegen der Nichtbeachtung der sogenannten Bindungswirkung des Gerichtsbeschlusses wiederherzustellen (OVG Münster OVGE 30,1; Eyermann VwGO 10. Aufl. § 80 RN 93; a.A. Kopp/Schenke VwGO 11. Aufl. § 80 RN 172; VGH Mannheim Beschl. v. 18.10.1988 - 8 S 2797/88 - NVwZ-RR 1989, 398: Aufhebung der Vollziehungsanordnung; a.A.: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll VwGO § 80 RN 116; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner VwGO § 80 RN 299: Feststellung der aufschiebenden Wirkung). Die Bindungswirkung des Gerichtsbeschlusses steht aber, wovon das Verwaltungsgericht im Einklang mit einer verbreiteten Meinung (vgl. Schoch Vorläufiger Rechtsschutz S. 1664 f m.w.Nachw.) ausgegangen ist, einer erneuten Anordnung der sofortigen Vollziehung seitens der Behörde nicht entgegen, wenn das Gericht die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt hat, weil die Vollziehungsanordnung nicht gemäß § 80 Abs. 3 VwGO begründet oder eine Anhörung des Betroffenen, sofern sie für erforderlich gehalten wird, vor der Anordnung der sofortigen Vollziehung unterlassen worden war. Der Behörde ist es dann unbenommen, unter Vermeidung des formellen Fehlers die sofortige Vollziehung erneut anzuordnen. Ob allerdings - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - Gleiches schlechthin für den Fall zu gelten hat, dass die aufschiebende Wirkung von dem Gericht ohne eine eigene Interessenabwägung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein wegen eines Fehlers der Anordnung der sofortigen Vollziehung, insbesondere auch eines materiell-rechtlichen Fehlers wie etwa der hier von dem Verwaltungsgericht in seinem o.a. Beschluss vom 26. November 1998 beanstandeten teilweisen Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses vom 14. August 1998 wiederhergestellt worden ist (so Schenke JZ 1996, 1155, 1164; a.A. die ganz h. M.: Kopp/Schenke aaO § 80 RN 172), mag, was den Antragstellern zuzugestehen ist, als fraglich erscheinen. Diese Frage bedarf jedoch im vorliegenden Falle keiner Entscheidung.
Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht und damit auch die Bindungswirkung seiner Entscheidung beschränken sich auf die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes. Der Behörde steht es daher grundsätzlich frei, den angefochtenen Verwaltungsakt insbesondere durch einen neuen inhaltlich geänderten Verwaltungsakt zu ersetzen und die sofortige Vollziehung dieses Verwaltungsaktes anzuordnen (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner aaO § 80 RN 361; Kopp/Schenke aaO § 80 RN 173 f m.w.Nachw.). Sie ist demgemäß, worauf das Verwaltungsgericht in seinem angefochtenen Beschluss mit Recht hingewiesen hat, durch die bindende Wirkung einer gerichtlichen Aussetzungsentscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nicht gehindert, die sofortige Vollziehung eines angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses jedenfalls nach seiner wesentlichen Änderung erneut anzuordnen. So liegt der Fall hier.
Ein Planfeststellungsbeschluss kann dadurch wesentlich geändert werden, dass seine ursprüngliche Planungsentscheidung im Ergebnis bestätigt wird und seine Regelungen unverändert bestehen bleiben, die der Planungsentscheidung zu Grunde liegende Abwägung aber in einem "zentralen" Punkt geändert wird (BVerwG, Beschl. v. 20.12.1991 - BVerwG 4 C 25.90 - Buchholz 316 § 76 VwVfG Nr. 4). Es handelt sich dann insgesamt um eine neue Planungsentscheidung, die nur der äußeren Form nach auf zwei Verwaltungsakte, den Planfeststellungsbeschluss in seiner ursprünglichen Fassung und seine Änderung verteilt ist (BVerwG aaO). Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss wird dadurch in seiner ursprünglichen Fassung einschließlich einer in ihm angeordneten sofortigen Vollziehung prozessual erledigt, so dass der Gerichtsbeschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO, durch den dem Kläger vorläufiger Rechtsschutz gegen ihn gewährt worden war, gegenstandslos wird (BVerwG aaO).
Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht infolge der Einfügung eines Abs. 1 a in § 75 VwVfG durch Art. 1 Nr. 9 des Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetzes - GenBeschlG - vom 12. September 1996 (BGBl I S. 1354) überholt. Erhebliche Mängel bei der Abwägung führen gemäß § 75 Abs. 1 a Satz 2 VwVfG nur dann zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses oder einer Plangenehmigung, wenn sie nicht durch eine Planergänzung oder ein ergänzendes Verfahren behoben werden können. Diese Regelung dient dem Grundsatz der Planerhaltung (Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG 5. Aufl. § 75 RN 34 m.w.Nachw.). Sie schränkt die Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses durch die Gerichte bei erheblichen Abwägungsmängeln ein; es bleibt hingegen der Behörde überlassen, ob sie zur Behebung eines solchen Fehlers eine Planergänzung vornimmt, ein ergänzendes Verfahren oder ein völlig neues Planfeststellungsverfahren durchführt (Jarass, DVBl. 1997, 795, 800 f m.w.Nachw.). Die Behörde muss auf Grund dieser Regelung jedoch nicht als mit dem Grundsatz der Planerhaltung verbundenen Nachteil in Kauf nehmen, dass ein zu ihren Lasten ergangener gerichtlicher Aussetzungsbeschluss, der sich auf den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss bezieht, seine Wirkung selbst bei einer wesentlichen Änderung des Planfeststellungsbeschlusses behält und dass die bindende Wirkung eines derartigen Aussetzungsbeschlusses allein bei dem Erlass eines neuen Planfeststellungsbeschlusses entfällt. Die Folgen einer wesentlichen Änderung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses durch die Behörde, die auch in einer Änderung der Abwägung in einem "zentralen" Punkt bestehen kann, für den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses beurteilen sich vielmehr nach allgemeinem Verwaltungsrecht und die Folgerungen, die sich daraus für ein Verwaltungsstreitverfahren über den Planfeststellungsbeschluss in seiner ursprünglichen Fassung einschließlich einer gerichtlichen Aussetzung seiner in dem Planfeststellungsbeschluss angeordneten sofortigen Vollziehung ergeben, nach Prozessrecht. Es muss deshalb dabei verbleiben, dass sich die wesentliche Änderung eines Planfeststellungsbeschlusses danach - wie das Bundesverwaltungsgericht (aaO) dargelegt hat - rechtlich als Erlass einer neuen Planungsentscheidung darstellt, die den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss einschließlich einer Vollziehungsanordnung prozessual erledigt und dass infolgedessen auch ein gerichtlicher Aussetzungsbeschluss, der sich auf diese Vollziehungsanordnung bezieht, gegenstandslos wird.
Der von dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller in einem bei dem erkennenden Senat anhängigen Parallelverfahren vertretenen Auffassung, der Planergänzungsbeschluss vom 22. Juli 1999 habe den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss vom 14. August 1998 nicht "inkorporieren" können, da er wegen einer unzureichenden Beteiligung der Antragsteller vor seinem Erlass nichtig, jedenfalls rechtswidrig sei, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Der Planergänzungsbeschluss hätte allerdings, wenn er infolge des von den Antragstellern gerügten Verfahrensfehlers nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG i.V.m. 44 Abs. 1 VwVfG nichtig wäre, den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss nicht durch eine wesentliche Änderung seiner Abwägung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (aaO) in eine neue Planungsentscheidung mit der Folge verändern können, dass der Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. November 1998 - 1 B 3953/98 - gegenstandslos geworden ist. Nichtige Verwaltungsakte sind nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG, 44 Abs. 3 VwVfG unwirksam, d.h. sie haben nicht die von der Behörde beabsichtigten Rechtswirkungen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 43 RN 46 m.w.N.). Ein Verwaltungsakt ist nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG, 44 Abs. 1 VwVfG jedoch nur nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Besonders schwerwiegend in diesem Sinne sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welcher der Senat folgt, nur Fehler, die den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechthin unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein lassen (BVerwG, Urt. v. 22.02.1985 - BVerwG 8 C 107.83 -, NJW 1985, 2658, 2659; vgl. a. Urt. v. 17.10.1997 - BVerwG 8 C 1.96 -, Buchholz 401.0, § 125 AO Nr. 1 m.w.N.; Beschl. d. Sen. v. 17.04.2000 - 3 M 561/00 -). Die von den Antragstellern gerügten Verfahrensfehler, die Antragsgegnerin habe das bisherige Planfeststellungsverfahren nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses fortgesetzt, ohne das ergänzende Verfahren formell einzuleiten, die in diesem Verfahren vorgelegten weiteren Unterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung und neuen Verträglichkeitsstudie nicht mündlich erörtert und in ihrem Schreiben vom 10. Mai 1999, mit dem sie ihnen diese Unterlagen übersandt habe, nicht darauf hingewiesen, dass sie den Abschnitt "Verträglichkeitsuntersuchung" ihres Planfeststellungsbeschlusses umgestalten wolle, sind weder für sich betrachtet noch insgesamt besonders schwerwiegend in jenem Sinne. Der Folgerung der Antragsteller jedoch, es fehle mangels formeller Einleitung und mündlicher Erörterung ein ergänzendes Verfahren überhaupt, kann nicht zugestimmt werden. Die Antragsgegnerin hat vielmehr - wie das Verwaltungsgericht auch nach Auffassung der Antragsteller zutreffend angenommen hat - das Planfeststellungsverfahren wieder aufgegriffen und es nach Lage ihrer beigezogenen Vorgänge als schriftliches Verfahren durchgeführt. Sie hat mit Schreiben vom 10. Mai 1999 nicht nur den Antrag des NLWK auf eine erneute Anordnung der sofortigen Vollziehung ihres Planfeststellungsbeschlusses mit Anlagen, sondern auch weitere nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses entstandene Unterlagen mit dem Hinweis übersandt, es komme aufgrund dieser Unterlagen eine "Ergänzung" des Planfeststellungsbeschlusses in Betracht, und den Antragstellern ausdrücklich Gelegenheit zu einer Stellungnahme hierzu gegeben, die von ihnen im Übrigen auch genutzt worden ist. Sollte das Vorgehen der Antragsgegnerin sich mangels einer förmlichen Einleitung dieses Verfahrensabschnittes und/oder eines konkreten Hinweises auf das von ihr in diesem Abschnitt erstrebte Ziel einer Änderung der Begründung ihres Planfeststellungsbeschlusses als verfahrensfehlerhaft erweisen, ist der in diesem Verfahren zustande gekommene Planergänzungsbeschluss infolge dieser Fehler jedenfalls nicht nichtig, zumal diese Mängel den Planergänzungsbeschluss nicht als schlechthin unerträglich erscheinen lassen. Das trifft auch für den von den Antragstellern beanstandeten Umstand zu, dass die Antragsgegnerin die Einwendungen, die in diesem Verfahrensabschnitt erhoben worden sind, nicht mündlich erörtert hat. Selbst wenn zu Gunsten der Antragsteller davon auszugehen sein sollte, dass es auch in diesem Verfahrensabschnitt eines Erörterungstermins bedurft hätte, würde dieser Verfahrensfehler nicht zur Nichtigkeit des davon betroffenen Planergänzungsbeschlusses führen. Der von den Antragstellern angeführten Auffassung, die Unterlassung einer mündlichen Erörterung von Einwendungen in einem Planfeststellungsverfahren habe die Nichtigkeit der Planfeststellung zur Folge (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, aaO § 73 RN 120; vgl. a. Knack, VwVfG, 6. Aufl., § 73 RN 11.1 m.w.N.), kann nicht gefolgt werden. Ein derartiger Verfahrensfehler widerspricht nicht offenkundig tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen, zumal der Gesetzgeber selbst eine Erörterung von Einwendungen unter bestimmten Voraussetzungen nicht für geboten hält (so BVerwG, Urt. v. 18.10.1983 - BVerwG 1 C 13.81 -, NVwZ 1984, 578 f. unter Hinweis auf § 67 Abs. 2 VwVfG, der für das Anhörungsverfahren gemäß § 73 Abs.6 Satz 6 VwVfG entsprechend gilt; vgl. a. Knack, aaO m.w.N.; Kopp/Ramsauer, aaO, § 73 RN 87 m. w. N. vgl. auch § 76 Abs. 3 VwVfG, dazu Jarass, DVBl. 1997, 795/801).
Sollte der Planergänzungsbeschluss vom 22. Juli 1999 hingegen infolge der von den Antragstellern gerügten Verfahrensfehler lediglich rechtswidrig, aber nicht nichtig sein, würde er nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG, 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit seiner Bekanntgabe wirksam geworden sein und nach Abs. 2 aaO auch wirksam bleiben, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Er konnte daher im Falle seiner bloßen Rechtswidrigkeit durch eine wesentliche Änderung des Planfeststellungsbeschlusses der Antragsgegnerin vom 14. August 1998 eine neue Planungsentscheidung mit der Folge herbeiführen, dass der Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 26. November 1998 - 1 B 3953/98 - gegenstandslos wurde.
Dass die Antragsgegnerin ihren angefochtenen Planfeststellungsbeschluss durch diesen Planergänzungsbeschluss wesentlich verändert hat, indem sie ihre Abwägung in zentralen Punkten durch eine neue Verträglichkeitsprüfung nach § 19 c BNatSchG sowie eine erneute Prüfung von Deichbaumaßnahmen an der Ems als Alternative zu dem streitigen Ems-Sperrwerk aufgrund weiterer Untersuchungen geändert hat, ist von dem Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt worden. Eine Änderung dieser Art wird im Übrigen auch von den Antragstellern nicht in Abrede gestellt.
Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss in der hier maßgeblichen Fassung ist hingegen durch den Planergänzungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 24. März 2000 nicht - erneut - wesentlich geändert worden. Dieser Beschluss erschöpft sich vielmehr in einer Entscheidung über die Bereitstellung einer Fläche zum Zwecke des Vogelschutzes, die sich die Antragsgegnerin in dem Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Juli 1999 vorbehalten hatte, und einer Begründung dieser Entscheidung einschließlich der Anordnung ihrer sofortigen Vollziehung, ohne dass die ihrer Planungsentscheidung zu Grunde liegende Abwägung in einem "zentralen" Punkt davon betroffen würde.
Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Bindungswirkung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 26. November 1998 - 1 B 3953/98 - durch seinen Beschluss vom 9. August 1999 - 1 B 2771/99 - oder seinen hier angefochtenen Beschluss vom 26. Oktober 1999 berührt worden ist.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses der Antragsgegnerin vom 22. Juli 1999 ist entgegen der Annahme der Antragsteller auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben gegen das - meist - öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes voraus. Ein derartiges Vollzugsinteresse ist in der Regel dann gegeben, wenn bereits in dem Aussetzungsverfahren zu erkennen ist, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet; denn an der sofortigen Vollziehung eines offenbar zu Unrecht angefochtenen Verwaltungsaktes besteht regelmäßig ein besonderes Interesse. Erweist sich der Rechtsbehelf hingegen offensichtlich als begründet, wird in aller Regel das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegen. Ist jedoch der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der in dem Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung offen, kommt es auf eine Abwägung der Interessen an (st. Rspr. d. Sen., vgl. bereits Beschl. v. 30.07.1981 - 3 OVG B 31/81 -). So liegt der Fall auch hier.
Die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage der Antragsteller erscheinen bei einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage vor allem nach der Änderung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses durch den Planergänzungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 22. Juli 1999 als offen. Insbesondere lassen die von den Antragstellern gerügten Verfahrensfehler bei dem Zustandekommen des Planergänzungsbeschlusses die Klage nicht als offensichtlich begründet erscheinen. Die Verletzung des Mitwirkungsrechtes eines anerkannten Naturschutzverbandes, der - wie die Antragsteller - auch inhaltliche Mängel der angefochtenen Planungsentscheidung geltend machen kann (vgl. § 60 c Abs. 1 NNatSchG), führt nur dann zur Aufhebung eines Planfeststellungsbeschlusses, wenn die nicht nur abstrakte Möglichkeit besteht, dass dieser Verfahrensfehler sich auf die Sachentscheidung der Planfeststellungsbehörde ausgewirkt haben kann (BVerwG, Urt. v. 19.05.1998 - BVerwG 4 A 9.97 -, NVwZ 1998, 961, 962). Dass diese Voraussetzung hier gegeben ist, ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht offensichtlich. Das trifft zudem auch für die weitere Frage zu, ob der angefochtene Planfeststellungsbeschluss allgemein gegen Rechtsvorschriften verstößt, deren Verletzung die Antragsteller nach Maßgabe des § 60 c Abs. 1 NNatSchG geltend machen können (vgl. BVerwG, aaO, S. 962 ff. zu der inhaltlich gleichen Regelung in § 51 c Abs. 1 Schl.-H. NatSchG - GVOBl. Schl.-H. 1993, 215 -).
Die demnach gebotene Abwägung der von der Antragsgegnerin für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses in der hier maßgeblichen Fassung angeführten öffentlichen Interessen gegen die von den Antragstellern im Rahmen von § 60 c Abs. 1 NNatSchG vertretenen öffentlichen Interessen schlägt zum Nachteil der Antragsteller aus. Das mit dem streitigen Vorhaben verfolgte öffentliche Interesse an einer Verbesserung des Küstenschutzes überwiegt nach der Wertung, die auch der gesetzlichen Regelung über das Verhältnis der hier widerstreitenden Interessen in § 19 c Abs. 2 u. 3 BNatSchG zu Grunde liegt (vgl. a. Art. 4 Abs. 4 Vogelschutz-Richtlinie, Art. 6 Abs. 3 u. 4 FFH-Richtlinie), die naturschützerischen öffentlichen Interessen, die von den Antragstellern vertreten werden.
Wird die aufschiebende Wirkung ihrer Klage nicht wiederhergestellt, erweist sich aber die Klage in der Hauptsache später als begründet, so muss zwar mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass das streitige Sperrwerk bereits vor einer endgültigen Entscheidung zur Hauptsache vollendet und in Betrieb gesetzt wird, zumal nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand eine umfangreiche Beweiserhebung sowie eine Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Vorabendscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu Fragen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, die von den Antragstellern als geboten erachtet wird, nicht ausgeschlossen werden können. Die Beeinträchtigung naturschützerischer Belange durch die Errichtung des Sperrwerks, insbesondere auf Grund eines Verlustes von atlantischen Salzwiesen und der Beeinträchtigung eines Vogelschutzgebietes sowie weiterer naturschützerischer Belange infolge eines bestimmungsgemäßen Gebrauches des Sperrwerks zum Zwecke des Küstenschutz hat jedoch ein geringeres Gewicht, da sie voraussichtlich zumindest teilweise wieder rückgängig gemacht werden können und ihnen eine, wenn auch zeitlich von der Fertigstellung des Sperrwerks bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache begrenzte Verstärkung des Küstenschutzes für das hier fragliche Gebiet gegenübersteht.
Wird hingegen dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben, die Klage der Antragsteller später aber abgewiesen, drohen weitaus schwerere Nachteile für die Allgemeinheit. Zwar würden die von den Antragstellern vertretenen naturschützerischen Belange bis zu einer Entscheidung zur Hauptsache vor weiteren Beeinträchtigungen durch den Bau und Betrieb des Sperrwerks verschont bleiben und eine Rückgängigmachung bei dem Bau des Sperrwerks bereits eingetretener Beeinträchtigungen gemäß § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO in Betracht kommen. Es müsste aber nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die von der Antragsgegnerin in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung zutreffend dargelegt worden sind, mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass sich vor Fertigstellung des Sperrwerks und vor dem endgültigen Abschluss des Verfahrens zur Hauptsache eine Sturmflut derart ereignet, wie sie durch das Sperrwerk abgewehrt werden soll. Die beträchtlichen Verluste, die in einem solchen Falle in dem durch das Sperrwerk geschützten Gebiet zu gewärtigen sind, könnten als materielle Schäden zwar jedenfalls teilweise ausgeglichen, als immaterielle Schäden insbesondere an Leib und Leben der in dem geschützten Gebiet lebenden Menschen jedoch nicht wieder rückgängig gemacht werden.
Es mag daher auf sich beruhen, welches Gewicht dem von der Antragsgegnerin für die Anordnung der sofortigen Vollziehung außerdem angeführten, von den Antragstellern vor allem bestrittenen öffentlichen Interesse an einer Stärkung der Wirtschaftskraft der Region und einer langfristigen Sicherung der mit dem Wirtschaftsunternehmen der Beigeladenen verbundenen Arbeitsplätze in der Region bei der hier gebotenen Interessenabwägung beizumessen ist, zumal es das durch eine Verbesserung des Küstenschutzes für die Region begründete öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses, auch wenn es weniger schwer als von der Antragsgegnerin angenommen wiegen sollte, nur verstärken kann.
Dem Einwand der Antragsteller schließlich, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei mangels Eilbedürftigkeit des streitigen Vorhabens nicht erforderlich gewesen, kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes setzt nicht etwa voraus, dass er sofort oder alsbald vollzogen werden muss. Die sofortige Vollziehung kann vielmehr auch angeordnet werden, wenn das öffentliche Interesse zwar nicht eine unverzügliche Durchsetzung des Verwaltungsaktes, aber seine Vollziehung vor dem mutmaßlichen Abschluss eines Anfechtungsverfahrens gegen ihn erfordert (Beschl. d. Sen. v. 11.09.1987 - 3 OVG B 15/87 -). Das trifft auch hier zu. Bereits das öffentliche Interesse an einer Verbesserung des Küstenschutzes lässt eine alsbaldige Vollziehung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses als erforderlich erscheinen, zumal Sturmfluten, die durch das Sperrwerk abgewehrt werden sollen, wie die Antragsgegnerin in der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung überzeugend dargelegt hat, jederzeit und damit auch vor einer rechtskräftigen Entscheidung über den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss eintreten können. Es kann deshalb auf sich beruhen, ob auch die Beigeladene, was die Antragsteller vor allem in Abrede stellen, auf eine alsbaldige Errichtung des Sperrwerks angewiesen ist.