Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.07.2000, Az.: 12 L 2641/00

Aufklärungsrüge; Beweisanregung; Darlegung; Gehörsrüge; Sachaufklärung; Verfahrensfehler; Verfahrensmangel; Zulassungsantrag; Zulassungsgrund; Zulassungsrecht; Überraschungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.07.2000
Aktenzeichen
12 L 2641/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41581
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 4 A 100/97

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Aufklärungsrüge


2. Zur Gehörsrüge

Gründe

1

Die Zulassung der Berufung erfordert, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO bezeichneten Zulassungsgründe eindeutig geltend gemacht und innerhalb der Antragsfrist aus sich heraus verständlich näher dargelegt (§ 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO) wird, dass und aus welchen Gründen dieser Zulassungsgrund vorliegen soll. An die Darlegung sind nicht geringe Anforderungen zu stellen (vgl. Senat, Beschl. v. 16.9.1997 - 12 L 3508/97 -, NdsVBl. 1997, 282 und st. Rspr.; Bader, DÖV 1997, 442; ders. in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO 1999, RdNrn. 27 ff zu § 124a; Seibert, DVBl. 1997, 932; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl.1998, RdNr. 7 zu § 124a). Die dem Revisionsrecht nachgebildete Darlegungspflicht bestimmt als selbständiges Zulässigkeitserfordernis den Prüfungsumfang des Rechtsmittelgerichts. Sie soll den Aufwand für die Bearbeitung des Zulassungsantrages "reduzieren", dadurch das Zulassungsverfahren beschleunigen und verlangt, wie der Hinweis auf den Vertretungszwang (§ 67 Abs. 1 VwGO) in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/3993, S. 13) erhellt, qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen. Das bloße Benennen oder Geltendmachen eines Zulassungsgrundes genügt dem Darlegungserfordernis ebenso wenig wie eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder gar eine - ergänzende - Bezugnahme hierauf (vgl. Bader, NJW 1998, 409 (410)). Insgesamt ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, Beschl. v. 21.1.2000 - 2 BvR 2125/97 -, DVBl. 2000, 407).

2

Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist nur dann gemäß § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Wird ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht, muss dementsprechend substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist, oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Senat, st. Rspr. unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328).

3

Gemessen daran erweist sich der Zulassungsantrag im Ergebnis als unzulänglich, da die Klägerin nicht in die Betrachtung einstellt, dass die als unterblieben gerügte weitere Sachaufklärung des Verwaltungsgerichts bereits von ihr selber im erstinstanzlichen Verfahren angeregt worden war, dann aber dies von ihr nicht weiter verfolgt worden ist und insbesondere im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2000 ein in den Augen der Klägerin - nach ihrem Bekunden im Zulassungsverfahren weiterhin - bestehender Aufklärungsbedarf keinen Niederschlag gefunden hat, obwohl sie in dieser Sitzung anwaltlich vertreten gewesen ist. Der Zulassungsantrag greift insofern das Urteil des Verwaltungsgerichts mit dem Argument an, das Verwaltungsgericht hätte nicht auf der Grundlage des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (Dr. V.) vom 9. April 1997 über die Pflegebedürftigkeit der Klägerin entscheiden dürfen, das "Gericht <habe> unter Verstoß gegen die eigene Sachaufklärungspflicht kein weiteres Gutachten eingeholt" (Zulassungsantrag Seite 2 oben); soweit das Verwaltungsgericht darauf hinweise, "unter Berücksichtigung des Pflegeprotokolls <sei> kein Hinweis auf erhöhten Pflegebedarf ersichtlich" (Zulassungsantrag Seite 3 oben), gehe dieser Hinweis fehl; dazu und zu den mit der Problematik einer Einstufung in Pflegeklassen verbundenen Fragen - auch zur zeitlichen Nähe einer eventuellen weiteren Begutachtung zu dem für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Zeitraum - stellt der Zulassungsantrag vor dem Hintergrund des angegriffenen Urteils ergänzende Überlegungen und Erwägungen an, nach denen sich nach seiner Auffassung u.a. sinngemäß ergibt, dass das o.a. Gutachten sowohl aus formalen als auch materiellen Gründen nicht verwertbar gewesen sei und das Urteil sich nicht hätte darauf "stützen" dürfen; hierin liege ein Verfahrensfehler, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhe auf diesem Fehler (Zulassungsantrag Seite 3 Mitte).

4

Mit diesen Ausführengen verkennt der Zulassungsantrag aber, dass sich dem Verwaltungsgericht eine weitere Sachaufklärung jedenfalls im vorliegenden Einzellfall nicht gemäß § 86 VwGO hätte aufdrängen müssen; denn der vorliegende Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, worauf die Klägerin selber zutreffend hinweist, dass mit Schriftsatz (ihrer Prozessbevollmächtigten) vom 28. Oktober 1997 (bereits) angeregt wurde, "zur Abkürzung des Verfahrens kurzfristig einen Obergutachter zu beauftragen, um die Hilfebedürftigkeit erneut zu überprüfen" (Gerichtsakte Blatt 27). Im Verlauf des weiteren erstinstanzlichen Verfahren ist der Beklagte dieser Anregung entgegengetreten (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 6. November 1997 = Gerichtsakte Blatt 28), soweit die erneute Begutachtung in der Vergangenheit liegende Zeiträume anbelangen sollte, aber insoweit ausdrücklich offen geblieben für Zeiträume in der Gegenwart und Zukunft (Gerichtsakte Blatt 29). Dem Beklagtenvorbringen ist die Klägerin insoweit nicht weiter entgegengetreten, insbesondere hat sie ihr Begehren, eine weitere Begutachtung durchführen zu lassen, schriftsätzlich nicht weiterverfolgt, so dass schon danach - in Anbetracht dieses Beteiligtenvorbringens - zweifelhaft ist, ob das Verwaltungsgericht zwingend gehalten gewesen wäre - wie die Klägerin meint -, von Amts wegen im Sinne von § 86 VwGO noch Aufklärung zu betreiben, nachdem das ursprüngliche Ansinnen der Klägerin, zudem lediglich gekleidet in die Form einer Anregung (siehe zuvor), möglicherweise nunmehr als überholt und erledigt betrachtet werden konnte. Aber jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen die Sach- und Rechtslage Erörterung gefunden hat, hätte von der Klägerin dieses Anliegen zur Sprache gebracht, wenn es denn noch aktuelle Relevanz besessen haben sollte, und zudem in die prozessrechtlich statthafte und auch allein beachtliche Form eines (Beweis-)Antrags gekleidet werden müssen, wenn die von der Klägerin im Zulassungsantrag behauptete Entscheidungserheblichkeit wegen der vermeintlichen Unbrauchbarkeit der anderen Erkenntnismittel des Verwaltungsgerichts aus Sicht der Klägerin vorgelegen hätte; da Letzteres offensichtlich unterblieb, die Klägerin - stattdessen - vielmehr ihren Klageantrag als unbedingten Hauptantrag gestellt hat (vgl. zum Ganzen das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 2000 = Gerichtsakte Blatt 53 ff), hatte das Verwaltungsgericht keine Veranlassung, vor einer Sachentscheidung zunächst noch weitere Sachaufklärung zu betreiben, was erst recht unter Einbeziehung der Prozessgeschichte (siehe zuvor) gilt. Danach kann die vom Zulassungsantrag erhobene Aufklärungsrüge keinen Erfolg (mehr) haben - mit dieser Bewertung des vorliegenden Sachverhalts sieht sich der beschließende Senat im Grundsatz auch in Einklang mit der Rechtsprechung anderer Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts, z.B. der des 1. Senats (Beschluss vom 27. Oktober 1999 - 1 L 3982/99 -), der insoweit ausgeführt hat:

5

"Der allein auf Verfahrensfehler gestützte Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg. Die Rüge der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht erfordert zum einen die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächliche Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328). Zum anderen muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Verwaltungsgericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge stellt nämlich kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Vorinstanz zu kompensieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.5.1986 - 8 C 10.84 -, BVerwGE 74, 222/223)." (aaO.)

6

Soweit schließlich der Zulassungsantrag - zugunsten der Klägerin - dahin zu verstehen ist, neben der Aufklärungsrüge werde zugleich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtliches Gehörs gerügt, auch liege eine sogenannte Überraschungsentscheidung vor, kann dies dem Zulassungsantrag ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

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Ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist nur dann gemäß § 124a Abs. 1 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Die Rüge, das rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) sei verletzt, erfordert regelmäßig die substantiierte Darlegung dessen, was die Prozesspartei bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruches geeignet gewesen wäre (Senat, st. Rspr. unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 19.8.1997 - BVerwG 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328).

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Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Nichtbescheidung eines nur schriftlich angekündigten, im Verhandlungstermin nicht gestellten Beweisantrages nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen kann (vgl. Beschluss des 1. Senats vom 11. Mai 2000 - 1 L 1694/00 -); dazu hat der 1. Senat, dem der beschließende Senat auch insoweit folgt, festgehalten:

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"Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung betreffen die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung und nicht den mit der Verfahrensrüge allein der berufungsgerichtlichen Kontrolle zuzuführenden Verfahrensablauf (BVerwG, Beschl. v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 -, NVwZ-RR 1996, 359). ... Die Formulierung eines Beweisantrages in einem Schriftsatz stellt nur eine Ankündigung dar. Gestellt und beschieden werden Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung. Einen Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG kann deshalb nur rügen, wer die prozessualen Mittel ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschl. v. 3.12.1979 - 2 B 16.78 -, Buchholz 310, § 138 VwGO Ziffer 3, Nr. 30). ... Die angekündigten Beweisangebote, auf die im Zulassungsantrag Bezug genommen wird, sind im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht als Beweisanträge gestellt worden." (Beschluss vom 11. Mai 2000, aaO.)

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Dies entspricht auch insoweit der Rechtsprechung des 11. Senats des Gerichts (Beschluss vom 11. Februar 1999 - 11 L 487/99 -), der ausgeführt hat:

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"Auch der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch. Der Kläger sieht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht seinem Beweisantritt im Schriftsatz vom 27. November 1995 (zur individuellen Verfolgungssituation) nicht nachgegangen sei. Schriftsätzlich gestellte Beweisanträge sind jedoch nur als Ankündigungen von Beweisanträgen und als Anregungen für die Beweiserhebungen des Gerichts von Amts wegen zu werten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 86 Rdnr. 11 a). Es liegt im Ermessen des Gerichts, ob es derartigen Anregungen nachgeht. Dieses ist aber keine Frage der Gewährung rechtlichen Gehörs, sondern des Umfangs der Sachaufklärungspflicht. Eine etwaige Verletzung der gerichtlichen Sachaufklärungspflicht unterfällt allerdings nicht den Zulassungsgründen des § 78 Abs. 3 AsylVfG (vgl. Beschl. d. Sen. v. 11.1.1996 - 11 L 7823/95 -).

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Im übrigen kann von einer Versagung rechtlichen Gehörs dann nicht gesprochen werden, wenn der Betroffene oder sein Prozessvertreter es unterlassen haben, Gebrauch von den verfahrensrechtlich gebotenen Möglichkeiten zu machen, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerwGE 36, 264, 266). So liegt es hier. In der mündlichen Verhandlung sind die schriftsätzlich angekündigten Beweisanträge nämlich nicht gestellt worden. Dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war, muss sich der Kläger zurechnen lassen." (aaO.)

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Vorliegend hat die Klägerin nicht einmal einen Beweisantrag, sondern lediglich eine entsprechende Anregung (s.o.) schriftsätzlich erklärt und im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag nicht gestellt. Nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Beschluss vom 02. Dezember 1999 - 12 L 4537/99 -) hat die Klägerin damit nicht alles prozessual in ihren Möglichkeiten Stehende getan, um anschließend im Zulassungsverfahren noch erfolgreich die sogenannte Gehörsrüge erheben zu können - insoweit hat der Senat (ebenda) bereits ausgeführt:

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"Der Zulassungsantrag legt ferner nicht dar, der Bevollmächtigte des Klägers habe alle verfahrensrechtlichen Schritte ausgeschöpft, um dem Kläger rechtzeitig rechtliches Gehör zu verschaffen.

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... Mithin hätte aber der insoweit durch seinen Bevollmächtigten vertretene Kläger auch - wie erforderlich - alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen können und müssen, um sich Gehör zu verschaffen (vgl. auch: BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1997 - 8 B 2/97 -, Buchholz 310 § 102 VwGO Nr. 21). Selbst wenn der Kläger nach der im Zulassungsantrag vorgenommenen Wertung - ob diese überhaupt zutrifft, kann offen bleiben - mit der Entwicklung im Verhandlungstermin nicht gerechnet hat und insoweit meint, nicht rechtzeitig gehört worden zu sein, hätte er - durch seinen Bevollmächtigten - grundsätzlich Gebrauch von seinen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten machen müssen; im Falle des Unterlassens kann grundsätzlich "schwerlich" von einer Versagung des rechtlichen Gehörs gesprochen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1970 - BVerwG VI C 49.68 -, BVerwGE 36, 264-267 <266>.).

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Zugleich liegt nicht etwa - auch dahin könnte bei weiter Auslegung der Zulassungsantrag zugunsten der Klägerin deuten - eine "Überraschungsentscheidung" vor. Insoweit hat der Senat (Beschluss vom 21. Oktober 1999 -12 L 3780/99 -) zwar Folgendes entschieden:

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"Allerdings liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s. etwa die Beschl. v. 29.5.1991 - 1 BvR 1382/90 -, NJW 1991, 2823 f. u. v. 12.3.1992 - 2 BvR 721/91 - , InfAuslR 1992, 231) und des Bundesverwaltungsgerichts (s. z. B. die Beschl. v. 10.4.1991 - BVerwG 8 C 106.89 - u. v. 18.5.1994 - BVerwG 9 B 14.94 - jeweils m. w. Nachw.) ein den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzendes sog. Überraschungsurteil vor, wenn das Gericht (tragend) seine Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt hat, den es bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erörtert hat und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte." (aaO.)

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Ein solcher Gesichtspunkt (hier kommt als tatsächlicher Gesichtspunkt das o.a. Gutachten in Betracht, auf den das Verwaltungsgericht sein Urteil gestützt hat) liegt hier aber des Beiakte B gegen Ende der Heftung) - in das Verfahren eingeführt war und die Beteiligten selber das Gutachten zum Gegenstand ihrer schriftsätzlichen Auseinandersetzung bereits gemacht hatten (s.o.).