Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.07.2000, Az.: 10 L 3437/99

Ausbildungsförderung; Behinderung; Förderungshöchstdauer; Krankheit; Verlängerung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.07.2000
Aktenzeichen
10 L 3437/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41841
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 10 A 1032/97

Gründe

1

Der Zulassungsantrag des Klägers hat keinen Erfolg, da die einzelnen nach § 124 Abs. 2 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. der Kläger diese nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 1 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt hat. Dazu ist im einzelnen aufzuführen:

2

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat unter Heranziehung von § 15 Abs. 3 Nr. 1 BAföG im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger die von ihm geltend gemachten Krankheitsgründe anhand der überreichten ärztlichen Atteste nicht in einem solchen Umfang nachgewiesen hat, als dass sie die lange Verzögerung des regulären Studienablaufs im förderungsrechtlichen Sinne rechtfertigen könnten. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. neben dem in der angefochtenen Entscheidung erwähnten Urteil vom 13.10.1998 - 5 C 36.97 - auch Urt. v. 25.1.1995 - 11 C 9/94 -, Buchholz 436.36 § 15 BAföG Nr. 40 = DVBl. 1995, 695) beruhende Feststellung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, dass Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus nur geleistet werden kann, wenn der Auszubildende innerhalb der angemessenen Nachholzeit unter der weiteren Einbeziehung der Möglichkeit einer Studienabschlussförderung nach § 15 Abs. 3a BAföG seine Ausbildung tatsächlich berufsqualifizierend abschließen kann.

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Nachdem der Kläger seine Ausbildung nicht bis zum Ende der Förderungshöchstdauer, d.h. mit Ende des Wintersemesters 1994/95 abschließen konnte, müsste er die eine Verlängerung der Förderung rechtfertigenden Gründe nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 oder auch Nr. 5 BAföG bis einschließlich des Sommersemesters 1997 nachweisen, um unter Hinzunahme einer anschließenden Studienabschlussförderung die die Ausbildung abschließende Magisterprüfung ablegen zu können. Diese Einschätzung beruht auf der Prognose des BAföG-Beauftragten der Beklagten vom 23. November 1995, die von vier nachzuholenden Semestern (bis Ablauf des Wintersemesters 1996/97) und einem Prüfungssemester (Sommersemester 1997) mit der Möglichkeit der Studienabschlussförderung ausgeht, und der tatsächlichen Entwicklung des Studiums bis einschließlich des Sommersemesters 1997 und eines sich anschließenden Prüfungssemesters (Wintersemester 1997/98 bis zur Abschlussprüfung am 27. Februar 1998). Die vom Kläger angeführten Krankheitsgründe müssten also nicht nur die von ihm grundsätzlich vom Studentenwerk Hannover in dem angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 1996 zuerkannten zwei Verlängerungssemester - im Ergebnis den vorliegend streitbefangenen Bewilligungszeitraum - abdecken, sondern darüber hinaus auch noch die Zeit bis einschließlich des Sommersemesters 1997, also drei weitere Semester.

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Dass die vom Kläger in diesem Zusammenhang vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen zu wenig aussagekräftig sind, als dass sie krankheitsbedingte Studienverzögerungen dieses Umfangs belegen oder nachweisen könnten, führt das angefochtene Urteil zutreffend aus. Die weitestgehenden Anhaltspunkte über das krankheitsbedingte Leistungsvermögen des Klägers lassen dem nervenärztlichen Attest des Nervenarztes D. O. vom 18. April 1995 entnehmen, das dem Kläger eine nicht volle bzw. eingeschränkte Studierfähigkeit für die Zeit von Februar 1993 bis April 1995 bescheinigt und zu der Prognose gelangt, dass der Kläger sein Studium erfolgreich werde abschließen können. Vergleichbares ist im nervenärztlichen Attest der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. N.-B. vom 18. Februar 1997 zu entnehmen, die den Kläger im Jahre 1995, d.h. während der letzten Zeit seines Studiums in T. (bis Ende des Wintersemesters 1994/95) betreute und ihm für den genannten Zeitraum eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit bescheinigte. Da diese beiden ärztlichen Bescheinigungen für einen Zeitraum von allenfalls gut zwei Jahren, im Wesentlichen für den Zeitrahmen vom Ende des sechsten Fachsemesters bis einschließlich des zehnten Fachsemesters lediglich von einer eingeschränkten, nicht aber fehlenden Studierfähigkeit sprechen, hält es der Senat in Übereinstimmung mit dem Ausgangsbescheid des Studentenwerks Hannover vom 28. Juni 1996 für angemessen, dem Kläger für zwei Semester - das entspricht in etwa der Hälfte des vom Nervenarzt O. angesprochenen Krankheitszeitraums - Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus zuzusprechen. Eine weitergehende Förderung rechtfertigt sich auch nicht mit Blick auf die weiteren ärztlichen Stellungnahmen. In Ihrer Rechnung vom 18. Juli 1995 diagnostiziert die Ärztin Dr. R. bei dem Kläger für den 2. Februar 1995 einen hochakuten Schmerzzustand im Kopf und Halswirbelsäulenbereich bei einer Depression, ohne indes eine Aussage zu seiner Studierfähigkeit zu treffen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B., der den Kläger in der Folgezeit ab April 1996 betreute, bescheinigt in seiner Stellungnahme vom 3. Juni 1996 mit der Feststellung, eindeutige Hinweise auf das Vorliegen einer endogenen Psychose nicht gefunden zu haben, ausdrücklich die Fähigkeit des Klägers, einem Studium nachzugehen, ohne dass nach ärztlicher Beobachtung insoweit Einschränkungen festgestellt worden seien. Schließlich enthält auch die nervenärztliche Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 4. Juni 1999 keine eindeutigen Angaben über die Studierfähigkeit des Klägers und deren zeitliche Eingrenzung, sondern beschränkt sich auf die Feststellung, der Kläger habe seine Ausbildung angesichts seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur in verlangsamter Form durchführen können, ohne dass eine zeitweise Beurlaubung insoweit hätte Abhilfe schaffen können.

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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des anhand der vorstehenden ärztlichen Bescheinigungen gewürdigten verwaltungsgerichtlichen Urteils lassen sich auch nicht durch Hinweise auf zusätzliche stationäre Aufenthalte des Klägers in der Medizinischen Hochschule H. vom 11. Februar 1995 bis 12. März 1995 sowie in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie L. vom 29. Februar 1996 bis 22. März 1996 und die Vorlage einer weitern ärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. vom 26. Juli 1999 begründen. Diesen erweiterten Tatsachenvortrag, den das Verwaltungsgericht mangels Vorbringens seiner Entscheidungsfindung nicht zugrundelegen konnte, kann der Senat im Rahmen des Berufungszulassungsverfahrens nicht berücksichtigen. Dabei kann es auf sich beruhen, ob erst nach Bekanntgabe der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geltend gemachte Beweismittel oder ein geänderter Tatsachenvortrag im Zulassungsverfahren überhaupt berücksichtigt werden können. Während die wohl überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur die Ansicht vertritt, dass nachträglich eingetretene Veränderungen der Sach- und Rechtslage wegen des auf Beschleunigung für die Überprüfung der "Richtigkeit" der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung angelegten Zulassungsrechts nicht zu berücksichtigen seien (vgl. 1. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 12.1.1998 - 1 M 5708/97 -; 6. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 5.3.1998 - 6 L 378/98 -; VGH Kassel, Beschl. v. 17.2.1997 - NVwZ-RR 1998, 78; OVG Münster, Beschl. v. 9.6.1997, DVBl. 1997, 1337; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 15.7.1997, VBlBW 1997, 422; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.12.1997, - NVwZ 1998, 414; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 16.2.1998, NVwZ 1998, 758; OVG Berlin, Beschl. v. 1.4.1998, NVwZ 1998, 1093; Hess. VGH, Beschl. v. 26.3.1998, DVBl. 1998, 1033; ferner Bader, NJW 1998, 409; Berkemann, DVBl. 1998, 446); richtet sich die gegenteilige Meinung mit einer wohl vorzugswürdigen Argumentation mehr an der materiellen Gerechtigkeit der Entscheidung aus (vgl. 12. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 9.2.1998, NdsVBl. 1998, 192; Bay.VGH, Beschl. v. 5.11.1997, Bay.VBl. 1998, 154; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.9.1997, DÖV 1998, 126; OVG Hamburg, Beschl. v. 17.2.1998, DVBl. 1998, 1087; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 19.6.1998, DVBl. 1998, 1086; ferner Atzler, NdsVBl. 1998, 153). Auch aus der zuletzt genannten Auffassung folgt jedoch nicht, dass durch einen neuen und erweiterten Sachvortrag sowie neue Beweismittel die erstinstanzliche Entscheidung stets in Zweifel gezogen werden könnte. Diese Möglichkeit ist vielmehr dahin zu begrenzen, dass von ihr zum einen innerhalb der Antragsfrist des § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO, also für das Berufungszulassungsverfahren innerhalb von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Urteils, Gebrauch zu machen ist und der Rechtsmittelführer zum anderen, da es um die "Richtigkeit" der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung geht, zuvor das ihm Zumutbare nicht unterlassen hat, die von ihm angestrebte "richtige" Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu erreichen. Liegen danach im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bereits die Tatsachen, Beweismittel oder Rechtserkenntnisse vor, die einerseits ein Verfahrensbeteiligter schuldhaft nicht vorgetragen hat und die andererseits vom Verwaltungsgericht nicht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes von Amts wegen im Verfahren zu prüfen waren, kann dies im Zulassungsverfahren nicht korrigiert werden. Sinn und Zweck des Zulassungsverfahrens ist es nicht, Verfahrensversäumnisse der Beteiligten in der ersten Instanz erst mit Hilfe des Zulassungsrechts zu bereinigen. Unberücksichtigt bleiben also regelmäßig neu vorgetragene Umstände, wenn sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bereits vorlagen und dem die Rechtsmittelzulassung beantragenden Beteiligten bekannt, für das Gericht dagegen nicht erkennbar waren (vgl. 9. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 3.11.1998, NdsVBl. 1999, 91; Senatsbeschl. v. 18.2.1999 - 10 L 230/98 -; Atzler aaO S. 154).

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Folgt man danach der Auffassung, die es für statthaft erachtet, unter den vorstehend erörterten Voraussetzungen einen neuen Tatsachenvortrag sowie weitere Beweismittel in das Zulassungsverfahren einzubeziehen, so ist für einen Erfolg des Antrags gleichwohl nichts gewonnen, da der Kläger die zusätzlichen Unterlagen, auf die er seine Begründung stützt, bereits in das verwaltungsgerichtliche Verfahren hätte einführen können. Dies gilt insbesondere für den Nachweis der beiden stationären Krankenhausaufenthalte, dessen Erbringung der Senat entgegen der Auffassung des Klägers auch in Ansehung von § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I für zumutbar erachtet. Nicht die Beklagte, sondern der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Gründe, die eine Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus rechtfertigen sollen, und für deren Ursächlichkeit in Bezug auf die Verzögerung des Studienabschlusses (BVerwG, Urt. v. 13.10..1988 - 5 C 35.85 -, BVerwGE 80, 290, 296 f.; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 7.3.1996 - 7 S 2149/95 -, FamRZ 1996, 978). Nicht zuletzt im Hinblick auf den zwischen den Beteiligten umstrittenen Kern des Rechtsstreits, ob sich der Kläger auf Verlängerungsgründe im Sinne des § 15 Abs. 3 BAföG berufen konnte, musste es sich ihm erschließen, dass allen mit seiner Krankheit zusammenhängenden Umständen ein entscheidender Stellenwert beizumessen war. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 67 SGB I, der dem Träger sozialer Leistungen die Möglichkeit eröffnet, Sozialleistungen, die er wegen fehlender Mitwirkung zuvor versagt hat, nachträglich zu erbringen. Darum geht es bei dem vorliegenden Angriff des Klägers gegen eine angeblich fehlerhafte Entscheidung der Vorinstanz nicht; maßgeblich sind insoweit vielmehr prozessuale Erwägungen im Hinblick auf einen geltend gemachten Zulassungsgrund, für den - wie ausgeführt - der Senat nur unter eingeschränkten Voraussetzungen einen erweiterten Tatsachenvortrag und die Heranziehung weiterer Beweismittel für statthaft erachtet.

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Aber auch wenn der Senat die mit dem Zulassungsantrag überreichten weiteren ärztlichen Stellungnahmen und Nachweise berücksichtigt, ist für die Annahme ernstlicher Zweifel am Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nichts gewonnen. Die Krankenhausaufenthalte des Klägers vom 11. Februar 1995 bis 12. März 1995 sowie vom 29. Februar 1996 bis zum 22. März 1996 belegen im Wesentlichen, dass der Kläger während der genannten Zeiträume, d.h. für ca. zwei Monate in den Jahren 1995 und 1996 keine Studienleistungen erbringen konnte. Dabei fällt der zuerst genannte Klinikaufenthalt in den oben beschriebenen Zeitrahmen bis einschließlich des Wintersemesters 1994/95, für den das Studentenwerk Hannover von der Annahme einer anzuerkennenden Überschreitung der Förderungshöchstdauer ausgegangen ist. Die stationäre Behandlung im Februar und März 1996 vermag darüber hinaus allenfalls zur Anerkennung einer zusätzlichen Förderung von einem Monat, nicht aber, wie es erforderlich wäre, von weiteren drei Semestern zu führen. Die Annahme einer weitergehenden Ursächlichkeit der stationären Behandlungen für eine Leistungsunfähigkeit oder stark eingeschränkte Studierfähigkeit verbietet sich schon deshalb, weil der Kläger nach seinen Darlegungen im Zulassungsantrag sowohl alsbald nach seiner Entlassung aus der Medizinischen Hochschule H., nämlich bereits am 23. März 1995 und 12. Juli 1995, als auch unmittelbar vor (1. und 6. Februar 1996) sowie einige Zeit (4. Juli 1996) nach dem Aufenthalt in der Klinik L. prüfungsrelevante Leistungsnachweise erbracht hat.

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Unabhängig davon, dass die ebenfalls mit dem Zulassungsantrag verbundene weitere nervenärztliche Bescheinigung des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. B. d. R.vom 26. Juli 1999 mit dessen ursprünglich und bereits nach dem Klinikaufenthalt in L.gefertigten Attest vom 3. Juni 1996 teilweise in Widerspruch zu stehen scheint, lassen sich mit ihr drei weitere, über die vom Studentenwerk Hannover anerkannten Verlängerungssemester hinaus nicht abdecken. Die Bescheinigung attestiert dem Kläger für die Vergangenheit deutliche psychische Krisen, die als psychotische Phasen bei einer schweren neurotischen Fehlentwicklung im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung zu bezeichnen seien, verzichtet aber darauf, diese Phasen zeitlich näher einzugrenzen und ihre Auswirkungen auf das inzwischen abgeschlossene Studium des Klägers, insbesondere seine Leistungsfähigkeit bzw. deren Einschränkung zu beschreiben. Die ärztliche Stellungnahme ist daher viel zu allgemein gehalten, als dass sie messbare Rückschlüsse auf die Studierfähigkeit des Klägers in der Zeit nach Beendigung des Wintersemesters 1994/95 zuließe.

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Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben sich auch nicht mit Blick darauf, dass es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, das Klagebegehren nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG zu würdigen. Eine zusätzliche Heranziehung dieser Norm ändert nichts an der Richtigkeit des von der Vorinstanz für zutreffend erachteten Ergebnisses, der Abweisung der Klage. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG kann Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus für eine angemessene Zeit und in der für den Auszubildenden günstigen Förderungsart des Zuschusses (§ 17 Abs. 1 und 2 Satz 2 Nr. 2 BAföG) geleistet werden, wenn die Förderungshöchstdauer unter anderem infolge einer Behinderung überschritten worden ist. Welche Anforderungen an die Annahme einer Behinderung zu stellen sind, umschreibt § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG nicht. Maßgebliches kann insoweit § 3 Abs. 1 SchwbG entnommen werden, nach dem unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht, zu verstehen ist, wobei regelwidrig der Zustand ist, der von dem für das Lebensalter typischen abweicht, und als nicht nur vorübergehend ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten gilt (vgl. OVG Münster, Urt. v. 13.12.1989 - 16 A 1908/89 -, FamRZ 1990, 1166 f.; vgl. ferner auch § 39 Abs. 1 BSHG iVm §§ 3, 4 EinglHVO).

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Danach kann nach den oben erläuterten ärztlichen Bescheinigungen, namentlich der Stellungnahme des Nervenarztes O. vom 18. April 1995, bei dem Kläger von einem regelwidrigen, vom Lebensalter typisch abweichenden, den Zeitraum von sechs Monaten überschreitenden Zustand, mithin einer seelischen Behinderung ausgegangen werden, die die Gewährung von Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus rechtfertigen könnte. Indes führt aber auch die auf § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG gestützte Feststellung einer behinderungsbedingten Studienverzögerung nicht zu der Annahme, dass dem Kläger Ausbildungsförderung in dem von ihm begehrten Umfang - für fünf weitere Semester - gewährt werden müsste, da es insoweit ebenfalls an der Ursächlichkeit zwischen der Behinderung und der Beeinträchtigung der Ausbildung fehlt. Dies hat der Senat in Würdigung der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen oben ausgeführt, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf jene Ausführungen Bezug genommen werden kann.

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Soweit der Kläger der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG offenbar die Aussage entnimmt, allein die Behinderung eines Auszubildenden rechtfertige eine die Förderungshöchstdauer überschreitende Förderung bis zu fünf weiteren Jahren, verkennt er, dass mit der Zeitangabe "bis zu fünf Jahren" nicht der zeitliche Rahmen für die Verlängerung der Förderungsdauer umschrieben wird, sondern es sich vielmehr um einen Teil der Tatbestandsvoraussetzungen handelt, nach denen eine vom Auszubildenden durchgeführte Pflege und Erziehung eines Kindes bis zur Vollendung von dessen fünften Lebensjahr die Verlängerung der Förderungshöchstdauer rechtfertigen kann. Die erforderliche Prüfung der Ursächlichkeit einer Behinderung für die Überschreitung der Förderungshöchstdauer wird hierdurch nicht infrage gestellt (dazu BVerwG, Urt. v. 13.10.1988, aaO).

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Anders als der Kläger meint ist die Berufung auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, da der vorliegende Rechtsstreit, den das Verwaltungsgericht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen hat, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten nicht aufweist. Dem Rechtsstreit liegt ein überschaubarer Sachverhalt zugrunde, der unter Berücksichtigung mehrerer ärztlicher Stellungnahmen im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 und 5 BAföG zu würdigen ist. Dass die vorliegende Rechtssache nicht dadurch zu einer schwierigen wird und ein anderes Ergebnis erwarten lässt, dass es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG als zusätzliche Anspruchsnorm heranzuziehen, hat der Senat vorstehend bereits unter dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gewürdigt, so dass es auch insoweit der Zulassung der Berufung nicht bedarf.

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Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt der vorliegenden Rechtssache ebenfalls nicht zu. Als grundsätzlich bedeutsam erweist sich eine Rechtssache nur dann, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss daher eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (so zuletzt Senatsbeschl. v. 10.7.2000 -10 L 2340/00). Soweit der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darin sieht, dass in dem angefochtenen Urteil eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zitiert wird, ohne dass die unterschiedliche Fallgestaltung zu dem hier zu entscheidenden Streitfall gesondert erwähnt wird, vermag der Senat dies nicht als grundsätzlich bedeutsam zu würdigen, dies schon deshalb nicht, weil der Kläger die Entscheidungserheblichkeit der von ihm als klärungsbedürftig angesehenen Frage nicht dargelegt hat. Sein Vorbringen lässt insoweit keine Auswirkungen auf das Ergebnis der Fallbeurteilung erkennen. Im Übrigen bezieht sich das Zitat des Verwaltungsgerichts, wie schon aus der Formulierung "vgl. nur" hervorgeht, auf die am Ende der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1998 (- 5 36/97 , NVwZ-RR 1999, 248 f. [BVerwG 13.10.1998 - BVerwG 5 C 36/97]) getroffene Feststellung, dass Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus nur geleistet wird, wenn der Auszubildende innerhalb der angemessenen Nachholzeit seine Ausbildung tatsächlich berufsqualifizierend abschließen kann.

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Im Hinblick auf diese zuletzt genannte Feststellung weicht das angefochtene Urteil auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO von der herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab. Eine die Berufung eröffnende Divergenz im Sinne der genannten Norm erfordert die Darlegung eines inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatzes, mit dem das Verwaltungsgericht einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO bezeichneten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Divergenzgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Nds. OVG, Beschl. v. 18.12.1997 - 12 L 5228/97 -). Einen solchen Widerspruch zeigt der Zulassungsantrag nicht auf; er liegt im Übrigen auch nicht vor. Die angefochtene Entscheidung enthält anders als das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1998 (aaO) keine Ausführungen zur Auslegung des vorliegend nicht einschlägigen § 15 Abs. 3a BAföG, sondern erachtet, wie im Zusammenhang mit dem Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ausgeführt, die am Rande vom Revisionsgericht getroffene Feststellung für sich als verbindlich - ohne dieser zu widersprechen -, dass der Auszubildende innerhalb der als angemessen angesehenen Nachholzeit seine Ausbildung auch tatsächlich berufsqualifizierend abschließen kann.

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Schließlich beruht das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts auch nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO. Einen solchen sieht der Kläger darin begründet, dass das angefochtene Urteil im Hinblick darauf, dass es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, das Förderungsbegehren unter dem Gesichtspunkt des § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG zu würdigen, nicht mit Gründen versehen ist. Dieses Vorbringen reicht für die Annahme eines Verfahrensmangels nicht aus. Ein Verstoß gegen das Begründungsgebot des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann erst dann angenommen werden, wenn die Begründung gänzlich unterblieben ist oder die der Entscheidung beigegebenen Gründe dem Kernanliegen des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die tragenden Entscheidungsgründe knapp, aber verständlich zu vermitteln, nicht mehr genügen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.2.1977 - IV C 3.77 -, Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 10). Dies kann der Fall sein, wenn die Entscheidungsgründe unverständlich, verworren oder in sich so widersprüchlich sind, dass sie keinen Aufschluss mehr erlauben, welche tatsächlichen Feststellungen oder rechtlichen Erwägungen für das Gericht leitend gewesen sind (BVerwG, Urt. v. 30.6.1992 - 9 C 5.91 -, DVBl. 1993, 47 m.w.N.). Ein Begründungsdefizit als durchgreifender Verfahrensmangel liegt hingegen nicht schon dann vor, wenn die Gründe nicht überzeugen, sondern nur oberflächlich, sachlich unvollständig, unrichtig oder sonst fehlerhaft sind (BVerwG, Beschl. v. 13.6.1988 - 4 C 4.88 -, NVwZ-RR 1989, 334).

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Nach diesen Maßstäben greift die Begründungsrüge im vorliegenden Fall nicht durch. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist unzweideutig zu entnehmen, auf welche Überlegungen es seine Entscheidung gestützt hat, dem Kläger die Verlängerung seines Förderungsbegehrens abzusprechen. Wenn es in diesem Zusammenhang die besondere Anspruchsnorm des § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG nicht als anwendbar und erörterungswürdig angesehen hat, ändert dies ebenso wie für den Fall, dass die vom Kläger gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils vorgebrachten Zweifel in der Sache Platz greifen sollten, nichts daran, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung im zuvor erläuterten Sinne begründet hat. Ob unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) anderes zu gelten hat, wenn das Verwaltungsgericht im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung nicht auf ausdrückliches Vorbringen der Verfahrensbeteiligten eingegangen ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, da sich der Kläger gegenüber der Vorinstanz nicht ausdrücklich auf die Heranziehung von § 15 Abs. 3 Nr. 5 BAföG berufen hat.