Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.07.2000, Az.: 4 L 2110/00

Beerdigung; Beerdigungskosten; Begräbnis; Begräbniskosten; Bestattung; Bestattungskosten; Heimbewohner; Heimträger; Kosten; Kostenübernahme; Sozialhilfe; Sozialhilfeträger; Träger der Sozialhilfe; Übernahme

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.07.2000
Aktenzeichen
4 L 2110/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 42035
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 10.04.2001 - AZ: BVerwG 5 B 120.00
BVerwG - 30.05.2002 - AZ: 5 C 14/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Hat ein bedürftiger Heimbewohner im Heimvertrag vereinbart, dass im Falle seines Todes der Heimträger für die Beisetzung sorgen soll, wenn Angehörige nicht rechtzeitig erreicht werden können, hat der Heimträger, der in einem solchen Fall die Beisetzung veranlasst, Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Übernahme der erforderlichen, durch Leistungen anderer nicht gedeckten Kosten der Bestattung.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Bestattungskosten.

2

Am 11. Juni 1997 verstarb Frau G. in der vom Kläger betriebenen Einrichtung. Sie wurde seit 1983 in der Einrichtung des Klägers betreut; die Kosten trug die Beklagte aus Mitteln der Sozialhilfe. Angehörige der Verstorbenen sind nicht bekannt. Der Kläger veranlasste die Beisetzung der Verstorbenen auf. dem einrichtungseigenen Friedhof. Hierzu sah er sich durch die Regelung des § 7 Abs. 2 des Heimvertrages vom 23. Oktober 1991 berechtigt. Danach ist im Falle des Todes des Heimbewohners die Heimleitung berechtigt, die erforderlichen Anordnungen zur Beisetzung zu treffen, wenn dem Heimträger bekannte Angehörige oder gesetzliche Vertreter nicht innerhalb von 24 Stunden erreichbar sind. Die Aufwendungen für die Bestattung aus Sozialhilfekosten zu übernehmen beantragte der Kläger unter dem 12. Juni 1997 bei der Beklagten. Die Kosten der Beisetzung von insgesamt 4.335,75 DM setzten sich wie folgt zusammen:

3

Überführungsfahrt 327,75 DM,

4

Kosten für die Grabstelle 1.310,-- DM,

5

für das Aushebung und Schließen der Grube 698,-- DM,

6

für die Inanspruchnahme der Kirche während der Trauerfeier

7

(u.a. Kosten der Ausschmückung, Orgel) 272,-- DM,

8

Sarg 816,-- DM,

9

Einsargen und Träger für die Überführung in die Kühlzelle 185,-- DM,

10

Benutzung der Kühlzelle für fünf Tage 350,-- DM,

11

vier Träger für die Beerdigung 280,-- DM,

12

Erledigung aller Formalitäten 87,-- DM.

13

Die Beklagte lehnte die Übernahme dieser Kosten mit Bescheid vom 27. August 1998 im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger sei nicht als Verpflichteter im Sinne des § 15 BSHG anzusehen; die Kosten für die Beisetzung der Verstorbenen habe deshalb das Ordnungsamt des Sterbeortes als Gefahrenabwehrbehörde zu tragen.

14

Der hiergegen gerichtete Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1999 aus den gleichen Erwägungen zurückgewiesen.

15

Der Kläger hat am 8. Februar 1999 Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 8. Februar 2000 zurückgewiesen hat. Auf den Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 31. Mai 2000 zugelassen.

16

Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Er sei aufgrund des früheren Betreuungsverhältnisses mit der Heimbewohnerin verpflichtet gewesen, im Sinne des § 15 BSHG für die Bestattung der Verstorbenen zu sorgen. Aus dem Heimvertrag folge die Berechtigung, die erforderlichen Anordnungen hierfür zu treffen. Gegenüber den Auftragnehmern sei er deshalb verpflichtet, die daraus entstehenden Aufwendungen zu tragen und deshalb anspruchsberechtigt nach § 15 BSHG.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. August 1998 und des Widerspruchsbescheides vom 5. Januar 1999 zu verpflichten, die Kosten der Bestattung der Frau G. in Höhe von 4.335,75 DM zuzüglich 4% Zinsen seit dem 16. Juli 1998 aus Sozialhilfemitteln zu übernehmen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

21

Sie meint, der Erstattungsanspruch müsse sich gegen die Stadt H. richten, weil diese als Gefahrenabwehrbehörde für den letzten Aufenthaltsort der Verstorbenen zuständig gewesen sei. Sie, die Beklagte, sei zur Kostenerstattung nach § 15 BSHG nicht verpflichtet, weil der Erstattungsanspruch voraussetze, dass ein zur Kostentragung verpflichteter Dritter in Vorleistung getreten sei.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, sie sind in ihren wesentlichen Bestandteilen Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat kann gemäß § 130 a VwGO über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für im Wesentlichen begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu der in Aussicht genommenen Form der Entscheidung durch Beschluss gehört worden.

24

Die Berufung des Klägers ist im Wesentlichen begründet.

25

Nach § 15 BSHG hat der Träger der Sozialhilfe die erforderlichen Kosten einer Bestattung zu übernehmen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. In erster Linie ist der Erbe verpflichtet, die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers zu tragen (§ 1968 BGB). Erben der verstorbenen Heimbewohnerin G. sind nicht bekannt. Es liegen auch nicht die Voraussetzungen der §§ 1964 bis 1966 BGB für die Annahme vor, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe geworden ist. Nachrangig nach dem Erben hat der Unterhaltsverpflichtete die Kosten der Beerdigung des verstorbenen Unterhaltsberechtigten zu tragen (§§ 1615 Abs. 2, 1360 a Abs. 3, 1615 m BGB). Auch Unterhaltsverpflichtete sind hier nicht bekannt.

26

Unabhängig von der Stellung als Erbe oder Unterhaltsverpflichteter kann der nach öffentlichem Recht Bestattungspflichtige verpflichtet sein, die Kosten der Bestattung zu tragen (OVG NRW, Urt. v. 14.03.2000 -- 22 A 3975/99 --). In Niedersachsen fehlt es -- im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 der nordrhein-westfälischen Verordnung über das Leichenwesen vom 07.08.1980, GV NW S. 756, sowie ähnlichen Regelungen in anderen Bundesländern, s. die Hinweise bei Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 7. Aufl. 1997, S. 117 Fn. 10 -- an einer öffentlich-rechtlichen Regelung der Bestattungspflicht. § 2 des niedersächsischen Gesetzes über das Leichenwesen vom 29.03.1963 (GVBl. S. 142) regelt nur, wer die Leichenschau unverzüglich zu veranlassen hat (z.B. der Leiter eines Pflegeheims beim Tode eines Heimbewohners). Die niedersächsische Verordnung über die Bestattung von Leichen vom 29.10.1964 (GVBl. S 183) spricht nur von demjenigen, "der für die Bestattung sorgt", und enthält sich einer Bestimmung über die Bestattungspflichtigen. Aber selbst wenn es eine dem § 2 Abs. 1 der nordrhein-westfälischen Verordnung über das Leichenwesen vergleichbare Vorschrift gäbe, träfe den Heimträger nicht eine öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Bestattung eines verstorbenen Heimbewohners zu sorgen, da in jener Vorschrift nur Angehörige des Verstorbenen -- in bestimmter Reihenfolge -- genannt sind.

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Recht und Pflicht, für die Bestattung zu sorgen, können auch privatrechtlich geregelt werden. Träger des Rechts, Art und Ort der Bestattung zu bestimmen, ist derjenige, den der Verstorbene zu Lebzeiten mit der Wahrnehmung der sog. Totenfürsorge beauftragt hat (Palandt, BGB, 59. Aufl. 2000, Einl. vor § 1922 Rn. 9 und 10). Dieser muss nicht zum Kreis der an sich (gewohnheitsrechtlich) dazu berufenen Angehörigen zählen, sondern kann auch ein Dritter sein (Palandt, a.a.O.). Bestattungspflicht und Kostentragungspflicht können dann auseinanderfallen. Hat ein Anderer (Bestattungsberechtigter) die Bestattung veranlasst, so kann er von dem Kostentragungspflichtigen (Erben, Unterhaltsverpflichteten) Ersatz der aufgewendeten oder Übernahme der kraft Rechtsgeschäfts geschuldeten Kosten verlangen, soweit sie nicht durch Leistungen anderer (z.B. einer Sterbegeldversicherung) gedeckt sind (Gaedke, a.a.O.). Ebenso kann der Bestattungsberechtigte den Anspruch auf Übernahme der erforderlichen Kosten der Bestattung durch den Sozialhilfeträger nach § 15 BSHG geltend machen. Bestattungsberechtigter kann kraft Vereinbarung im Heimvertrag auch der Heimträger sein, der dann ebenfalls den Anspruch aus § 15 BSHG geltend machen kann. Hat also ein bedürftiger Heimbewohner im Heimvertrag vereinbart, dass im Falle seines Todes der Heimträger für die Beisetzung sorgen soll, wenn Angehörige nicht rechtzeitig erreicht werden können, hat der Heimträger, der in einem solchen Fall die Beisetzung veranlasst, Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf Übernahme der erforderlichen, durch Leistungen anderer nicht gedeckten Kosten der Bestattung (so im Ergebnis Urteil des Senats vom 14.08.1991 -- 4 L 146/90 -- und Beschluss des. 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 08.05.1998 -- 12 L 108/98 --, FEVS 49, 263). Nur diese Auslegung wird der vom Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 05.06.1997 -- BVerwG 5 C 13.96 --, BVerwGE 105, 51 = DÖV 1997, 1010 = DVBl. 1997, 1443 = NDV-RD 1997, 129 = FEVS 48, 1 = ZfSH/SGB 1998, 47) hervorgehobenen besonderen rechtlichen Qualität des § 15 BSHG als einer eigenständigen und speziellen Kosten- und Schuldübernahmeanordnung gerecht, die eine fürsorgerechtliche Verantwortung für eine würdige Bestattung Hilfebedürftiger begründet. Mit diesem besonderen Charakter der Norm verträgt es sich ebenfalls nicht, wenn der Sozialhilfeträger -- wie hier die Beklagte -- auf eine angeblich vorrangige Bestattungspflicht der örtlich zuständigen Ordnungsbehörde verweist; denn § 15 BSHG sieht einen solchen Vorrang gerade nicht vor, sondern nimmt den Sozialhilfeträger in die Pflicht, dem es seinerseits unbenommen bleibt, die aus seiner Sicht örtlich zuständige Ordnungsbehörde in Anspruch zu nehmen (12. Senat, a.a.O., S. 267).

28

Hier ist also der Kläger berechtigt, gegenüber der nach den §§ 93 Abs. 3, 100 Abs. 2 BSHG, 3 Abs. 2 Nds. AGBSHG örtlich und sachlich zuständigen Beklagten den Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten nach § 15 BSHG geltend zu machen. Denn er hat in dem im Heimvertrag geregelten Fall die Beisetzung der verstorbenen Heimbewohnerin G. veranlasst und dafür Kosten aufgewandt, die nicht durch Leistungen anderer gedeckt sind. Ihm ist als Heimträger auch nicht zuzumuten, diese Kosten ganz oder teilweise selbst zu tragen, da es an Anhaltspunkten dafür fehlt, diese Kosten könnten in dem nach Maßgabe des § 93 BSHG bemessenen Entgelt für die Heimbetreuung enthalten gewesen sein (so der 12. Senat in dem von ihm entschiedenen, ähnlich gelagerten Fall, a.a.O.). Aus § 3 des Heimvertrages, wonach in Anspruch genommene und erforderlich werdende Sonderleistungen, z.B. für Bestattungen, gesondert berechnet werden, soweit keine Erstattung seitens einer Krankenkasse oder des Kostenträgers erfolgt, ergibt sich vielmehr, dass solche Aufwendungen des Heimträgers nicht mit dem Heimentgelt abgegolten gewesen sind. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger einen einrichtungseigenen Friedhof vorhält (12. Senat, a.a.O., S. 269).

29

Zu den im Sinne des § 15 BSHG erforderlichen Kosten einer Bestattung gehören die ortsüblichen Aufwendungen für eine einfache, aber würdige Bestattung (vgl. Senat, Urt. v. 10.3.1999 -- 4 L 2846/98 -- m.w.N.). Die Beklagte geht ausweislich ihres Vermerks vom 25. Juli 1997 (Bl. 492 Beiakte B) davon aus, dass die Kostenansätze für Sarg, Einsargen, Benutzung der Kühlzelle, Träger für die Beerdigung nach ihren Richtlinien in Höhe von 3.946,-- DM dem Grunde nach anzuerkennen sind. Hinsichtlich der ungekürzt zu berücksichtigenden Positionen sieht der Senat deshalb von weitergehenden Ausführungen ab. Soweit die Beklagte Kürzungen für angezeigt erachtet (Träger für die Beerdigung anstatt 280,-- DM nur 235,-- DM und Erledigung aller Formalitäten nur 80,-- DM statt in Rechnung gestellter 97,-- DM), beruhen diese darauf, dass die Beklagte mit Bestattungsunternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich Regelungen getroffen hat, die sicherstellen, dass der insoweit anzuerkennende Bedarf mit diesem Betrag gedeckt werden kann. Die Bestattung der Verstorbenen hat jedoch außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs der Beklagten stattgefunden. Anhaltspunkte dafür, dass die zur Deckung des dem Grunde nach anerkannten Bedarfs in Ansatz gebrachten (geringfügig höheren) Beträge nicht mehr als erforderliche Kosten anzusehen sein sollten, hat der Senat nicht. Zu den eigentlichen Kosten der Bestattung gehören die Kosten der Überführung, für die der beauftragte Unternehmer 327,57 DM in Rechnung gestellt hat. Auch die Höhe der geltend gemachten Kosten ist danach insgesamt nicht zu beanstanden.

30

Die Klage bleibt indes erfolglos, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten weiter verfolgt, ihm 4% Zinsen für die Zeit vor Klagerhebung am 8. Februar 1999 zu gewähren. Er gründet diesen Anspruch offensichtlich auf den Gesichtspunkt des Verzuges. Verzugszinsen als Folge der Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Geldleistungen sind indes nur auf im Einzelfall einschlägige spezielle Regelungen zu stützen, die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über Verzugszinsen in den §§ 288, 284 BGB sind nicht generell entsprechend anwendbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1987 -- 2 C 3.84 --, DVBl. 1988, 347; Urt. v. 22.3.1990 -- 2 C 33.87 --, ZBR 1990, 265). Erfolgreich ist das Verzinsungsbegehren lediglich insoweit, als ein Anspruch auf Prozesszinsen geltend gemacht wird. Die Regelung des § 291 BGB, nach der ein Schuldner eine Geldschuld vom Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen hat, auch wenn er nicht in Verzug ist, ist im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden, wenn das einschlägige Fachrecht eine andere Regelung nicht enthält. Sie greift nicht nur bei Klagen auf eine Geldleistung ein, sondern auch bei Verpflichtungsklagen auf Erlass eines auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakts (BVerwG, Urt. v. 27.10.1998 -- 1 C 38.97 --, BVerwGE 107, 304 = NJW 1999, 1201 = Buchholz 437.1 BetrAVG Nr. 15).

31

Da der Kläger nur mit einem Teil des geltend gemachten Zinsanspruchs unterliegt, können die Kosten des Verfahrens der Beklagten gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO insgesamt aufgegeben werden. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

32

Ein Grund, die Revision gemäß § 132 Abs.2 VwGO zuzulassen, liegt nicht vor.