Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.09.2000, Az.: 1 L 96/00

Baugenehmigung; Baugrundstück; bauliche Anlage; Dia-Projektions-Werbeanlage; Diaprojektionswerbeanlage; Werbeanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.09.2000
Aktenzeichen
1 L 96/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2000, 42080
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 24.06.1999 - AZ: 4 A 2030/98

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Verbot des § 4 Abs. 2 NBauO, daß eine bauliche Anlage nicht auf mehreren Baugrundstücken gelegen sein darf, gilt nicht für Diaprojektionswerbeanlagen, weil bei diesen Anlagen keine Gefahr besteht, daß die Anforderungen des öffentlichen Baurechts durch ein unterschiedliches Schicksal der Baugrundstücke unterlaufen werden.

Tatbestand:

1

Die Klägerin, eine GmbH, die Großflächenwerbung betreibt, erstrebt die Baugenehmigung für eine Dia-Projektions-Werbeanlage.

2

Die Anlage besteht aus einem Dia-Projektor mit einem Trage-Gerüst. Bei Dunkelheit werden die Bilder auf eine Giebelwand geworfen. Die Projektionsfläche beläuft sich auf ca. 75 qm. Die Werbe-Dias sollen jeweils 10 Sekunden sichtbar sein.

3

Der vorgesehene Standort befindet sich in der Pstraße, einer verkehrsreichen Ausfallstraße nahe der Innenstadt der Beklagten, zwischen Rstraße und Sstraße. Der Projektor mit der Trage-Konstruktion soll auf dem Dach einer Tankstelle ... auf der südlichen Seite der Straße errichtet werden. Die Werbe-Dias sollen auf die Giebelwand des westlichen Nachbarhauses Pstraße ... geworfen werden.

4

Die Klage hatte beim  OVG Erfolg.

Entscheidungsgründe

5

Die erstrebte Baugenehmigung scheitert schließlich nicht an § 4 Abs. 2 NBauO. Nach dieser Vorschrift darf eine bauliche Anlage nicht auf mehreren Baugrundstücken gelegen sein, wenn es wie hier an einer (Vereinigungs-)Baulast nach § 4 Abs. 1 Satz 2 NBauO fehlt. Die Werbeanlage ist zwar auf beiden betroffenen Grundstücken "gelegen", weil sie die Projektionsfläche auf dem Nachbargrundstück notwendig einschließt. Darauf, ob die Werbeanlage auf beiden Grundstücken mit dem Erdboden verbunden ist, kommt es nicht an. Die Vorschrift ist hier aber gar nicht anwendbar. § 4 Abs. 2 NBauO soll mit dem Verbot der Belegenheit einer baulichen Anlage auf mehreren Baugrundstücken verhindern, dass die Wahrnehmung privatrechtlicher Befugnisse, welche den Eigentümern verschiedener Grundstücke zustehen, zu baurechtswidrigen Zuständen führen (Beschluss des Senats vom 11.1.2000 -- 1 L 4588/99 --, NdsVBl 2000, 147). Wesentliche Anforderungen der Niedersächsischen Bauordnung beziehen sich auf das Baugrundstück: Die Zugänglichkeit nach § 5 NBauO, die Grenzabstände nach § 7 ff NBauO, die Lage der notwendigen Einstellplätze nach § 47 Abs. 7 NBauO und der Spielplätze nach § 2 Abs. 1 NSpielPlG sind auf das Baugrundstück ausgerichtet. Wird das Baugrundstück nach der Errichtung der baulichen Anlage verändert, besteht die Gefahr, dass die erwähnten Vorschriften nicht mehr eingehalten werden. Dies gilt auch, soweit bei der Trennung verschiedener Buchgrundstücke eines einheitlichen Baugrundstücks wesentliche Teile eines Baukörpers, wie das Treppenhaus oder die Tiefgaragenzufahrt, auf einem anderen Grundstück zu liegen kommen und damit Gefahren für die Zugänglichkeit des Gebäudes und die Einstellplätze entstehen können. Bei Veränderungen eines Buchgrundstücks durch Teilung gewährleistet die Teilungsgenehmigung nach § 94 NBauO die Einhaltung der Anforderungen des Landesbaurechts. Besteht das Baugrundstück aus mehreren Buchgrundstücken, ist ohne Baulast nach § 4 Abs. 1 Satz 2 NBauO nicht gewährleistet, dass der Eigentümer des einen Grundstücks auf die Bebauung des Nachbargrundstücks soweit Rücksicht nimmt, dass die bauliche Anlage das öffentliche Baurecht nicht verletzt. Die Dia-Projektions-Werbeanlage stellt allerdings eine besondere bauliche Anlage dar, bei der eine derartige Gefahr auch dann nicht besteht, wenn sie auf mehreren Grundstücken gelegen ist. Anders als eine bauliche Anlage, deren Baukörper die Grenze zweier Buchgrundstücke überschreitet, oder die für die Einhaltung der grundstücksbezogenen Anforderungen auf mehrere Buchgrundstücke angewiesen ist, gibt es bei der hier umstrittenen Werbeanlage wegen der nur "optischen Verbindung" zwischen Projektor und Projektionsfläche keine grundstücksbezogenen Anforderungen des öffentlichen Baurechts, die bei einem unterschiedlichen Schicksal der beiden Grundstücke (Aufstellungsort des Projektors und Projektionsfläche) unterlaufen werden könnten. Wenn die Eigentümer mit ihren Grundstücken ohne Rücksicht auf die Dia-Projektions-Anlage verfahren, würde das gegebenenfalls zur Funktionslosigkeit der Anlage führen, aber nicht zu einem Zustand, der mit dem öffentlichen Baurecht nicht übereinstimmt.