Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.09.2000, Az.: 4 M 3107/00
Ausreisehindernis; EU-Laissez-Passer; Kosovo; Sozialhilfe für Ausländer
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.09.2000
- Aktenzeichen
- 4 M 3107/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 41814
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - AZ: 7 B 3076/00
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 AsylbLG
Gründe
Die vom Senat zugelassene Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind.
Der Antragsteller hat danach - zumindest derzeit - Anspruch darauf, dass ihm Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gewährt werden (§ 2 Abs. 1 AsylbLG). Dass der Antragsteller leistungsberechtigt i.S. des § 1 AsylbLG ist und er bereits für den in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Zeitraum Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten hat, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Es ist aber auch glaubhaft, dass sowohl seiner freiwilligen Ausreise als auch aufenthaltsbeendenden Maßnahmen rechtliche Gründe entgegenstehen.
Der Antragsteller verfügt nicht über einen nach dem jugoslawischen Passrecht gültigen Pass oder ein entsprechendes Passersatzpapier. Mit dem "EU-Laissez-Passer" Nr. 16270, das der Antragsgegner ihm am 22. August 2000 ausgestellt hat und in das er unter der Rubrik "Staatsangehörigkeit" nur "ungeklärt" eingetragen hat, kann der Antragsteller nach der von dem Antragsgegner vorgelegten "Vereinbarung über die Gestattung der Durchreise ausreisepflichtiger jugoslawischer Staatsangehöriger" vom 21. März 2000 nicht in den Kosovo, von dem aus er in die Bundesrepublik gekommen ist, zurückkehren. Denn die Vereinbarung regelt gem. deren Art. 1 Abs. 1 nur die Durchreise zurückkehrender jugoslawischer Staatsangehöriger durch das Staatsgebiet eines der Vertragsstaaten. Dabei wird in Art. 1 Abs. 2 S. 2 der Vereinbarung nur für solche Personen, die in den Kosovo zurückkehren, ein EU-Laissez-Passer (anstatt eines jugoslawischen Passes oder Passersatzes) als ausreichend bezeichnet. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Kosovo derzeit der jugoslawischen Verwaltung entzogen ist. Ein Absehen von dem Erfordernis der jugoslawischen Staatsangehörigkeit ergibt sich daraus nicht, zumal es eine Staatsangehörigkeit des Kosovo nicht gibt. Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit unterliegen deshalb nicht dem Anwendungsbereich der Vereinbarung. Mit dem ihm ausgestellten EU-Laissez-Passer kann der Antragsteller also aus rechtlichen Gründen weder freiwillig ausreisen (etwa des REAG- oder GARP-Programms für freiwillige Rückkehrer) noch können aufenthaltsbeendende Maßnahmen vollzogen werden. Er erfüllt somit die Voraussetzungen gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG für die Gewährung von Leistungen in entsprechender Anwendung des BSHG.
Der Anordnungsgrund, d.h. die Erforderlichkeit einer Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) ergibt sich aus der Art der begehrten Leistungen. Seiner ständigen Praxis gemäß spricht der Senat die Leistungsverpflichtung ab dem 01. des Monats der Entscheidung zu.