Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.09.2000, Az.: 11 M 2715/00

Altfallregelung; Aufenthaltserlaubnis; Ehebestandszeit; eheliche Lebensgemeinschaft; UN-Kinderrechtskonvention

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
06.09.2000
Aktenzeichen
11 M 2715/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41582
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 4 B 1056/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG in der seit dem 1. Juni 2000 geltenden Fassung setzt weiterhin eine bestehende Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Ehegatten voraus. Die erforderliche Ehebestandszeit von zwei Jahren kann nur durch einen ununterbrochenen Aufenthalt seit der (letzten) Einreise des Ausländers und seines Ehegatten erreicht werden. Die UN-Kinderrechtskonvention verschafft dem Einzelnen keine unmittelbaren Rechte; aus ihr ergeben sich auch keine über Art. 6 GG hinausgehenden Einschränkungen bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Unter den in der Antragsschrift dargelegten Gesichtspunkten weist die Rechtssache weder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf noch sind die Voraussetzungen für eine Grundsatzrüge gemäß § 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfüllt.

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1. Rechtliche Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nur dann vor, wenn die Rechtssache voraussichtlich in rechtlicher Hinsicht überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht (vgl.  Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. § 124 Rdnr. 9). Das ist hier aber nicht der Fall. Die von den Antragstellern in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen können ohne weiteres im Zulassungsverfahren beantwortet werden.

3

Der Antragstellerin zu 2) steht auch nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Ausländergesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 25. Mai 2000 (BGBl. I S. 742), mit dem die erforderliche Ehebestandszeit von vier auf zwei Jahre verkürzt worden ist, kein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu. Dies scheitert bereits daran, dass die Antragstellerin zu 2) nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1) (im März 1993) gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG verlängert werden könnte. Die Antragstellerin zu 2) besaß lediglich bis zum 11. Februar 1994 eine Aufenthaltserlaubnis. Seitdem hält sie sich mit Aufenthaltsgestattungen (Asylverfahren von Juli 1994 bis September 1997) und anschließend mit Duldungen (zuletzt aufgrund eines Asylfolgeantrags) in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Anwendung des § 19 Abs. 1 AuslG setzt aber - wie bisher (vgl. Hess. VGH, Beschl. v. 15.3.1995, NVwZ-RR 1995, 474 [OVG Rheinland-Pfalz 07.02.1995 - 7 A 10761/94] eine bestehende Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Ehegatten voraus. Dies folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Regelung, die ausdrücklich von einer Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten spricht und damit ein bestehendes, der Verlängerung zugängliches Aufenthaltsrecht des ausländischen Ehegatten voraussetzt. Für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist demgegenüber, gleichgültig ob es sich um die erneute oder aber um die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis handelt, im Rahmen des § 19 Abs. 1 AuslG weiterhin kein Raum. Durch die Neufassung ist insofern keine Änderung eingetreten. Im Übrigen kann der für die Zuerkennung des eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erforderliche Zeitraum nur durch einen ununterbrochenen Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft seit der (letzten) Einreise des Ausländers und des Ehegatten erreicht werden. Reist der Ausländer oder der Ehegatte mit der Folge des Verlustes seiner aufenthaltsrechtlichen Stellung aus der Bundesrepublik Deutschland aus, kann im Falle der Wiedereinreise und der erneuten Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet die Zeit, während der die eheliche Gemeinschaft während des Voraufenthaltes bestanden hat, nicht berücksichtigt werden (vgl. GK-AuslR, § 19 AuslG RdNr. 39). Es ist rechtskräftig festgestellt, dass die dem Antragsteller zu 1) erteilte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 44 Abs. 1 Nr. 2 AuslG erloschen ist (vgl. Beschl. d. Sen. v. 15.5.2000 - 11 L 1278/00 -). Zwar ist er 1996 oder 1997 nach Deutschland endgültig zurückgekehrt, doch erfolgte seine Einreise ohne das erforderliche Visum (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG , so dass ihm keine neue Aufenthaltserlaubnis erteilt werden konnte. Auch wenn er nach seiner Rückkehr nach Deutschland wieder mit der Antragstellerin zu 2) zusammenlebt, handelt es sich somit nicht um einen rechtmäßigen Aufenthalt. Dieser Umstand steht ebenfalls einem eigenständigen Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 2) nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG entgegen.

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Ohnehin bestehen erhebliche Zweifel daran, ob § 19 Abs. 1 Nr. 1 AuslG n. F.  überhaupt auf den Fall der Antragstellerin zu 2) Anwendung finden kann, da die eheliche Lebensgemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1) vom 26. Februar 1991 bis Anfang März 1993 bestand und somit die seit dem 1. Juni 2000 geltende Ehebestandszeit von lediglich zwei Jahren lange zurückliegt. Diese Frage konnte aber letztlich offen bleiben, weil der geltend gemachte Anspruch der Antragstellerin schon aus anderen Gründen ausscheidet.

5

Ebenso wenig kann sich die Antragstellerin zu 2) auf die Anordnung des Niedersächsischen Innenministeriums nach § 32 AuslG zur Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen an Ausländerinnen und Ausländer mit langjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ("Altfallregelung") vom 10. Dezember 1999 mit Erfolg berufen. Die Antragstellerin zu 2) und ihre Kinder, die Antragsteller zu 3) und 4), gehören nicht zu dem begünstigten Personenkreis. Es handelt sich nicht um eine "Asylbewerberfamilie" im Sinne der Altfallregelung. Die Antragstellerin zu 2) ist im Wege des Familiennachzugs zu ihrem Ehemann, dem Antragsteller zu 1), am 26. Februar 1991 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Ihr Ehemann war und ist aber kein Asylbewerber. Sie selbst hat einen Asylantrag erst Anfang Juli 1994 gestellt, nachdem ihre Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert worden war.

6

Soweit die Antragsteller geltend machen, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland voll integriert seien und deshalb eine Abschiebung in die Türkei unverhältnismäßig wäre, ist ihnen entgegenzuhalten, dass sie vollziehbar ausreisepflichtig sind. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Abschiebungshindernisse im Sinne von § 53 Abs. 4 AuslG nicht bestehen. Es ist davon auszugehen, dass die Antragsteller gemeinsam ausreisen, so dass die Familieneinheit gewahrt bleibt. Aber selbst eine vorübergehende Trennung wäre auch unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK hinzunehmen. Die UN-Kinderrechtskonvention, auf die sich die Antragsteller zu 3) und 4) zusätzlich berufen, verschafft dem Einzelnen keine unmittelbaren Rechte (vgl. Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl., § 45 RdNr. 36). Auch ergeben sich daraus keine über Art. 6 Abs. 1 und 2 GG hinausgehenden Einschränkungen bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 45 AuslG RdNr. 78).

7

2. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat.