Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.09.2000, Az.: 2 L 5176/98

Beurteilung; Beurteilungsrichtlinie; Beurteilungsspielraum; dienstliche Beurteilung; Polizeivollzugsdienst

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.09.2000
Aktenzeichen
2 L 5176/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 41884
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - AZ: 3 A 112/97

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Dass nach Nr. 54 Abs. 2 Satz 2 BRLPol vom 4.1.1996 bei der Bildung der (Leistungs-) Gesamtnote die Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale für den Dienstposten zu berücksichtigen ist, zwingt die Behörde nicht dazu, bei der Bildung der Gesamtnote allein oder vorrangig auf die Bewertung der besonders gewichteten Leistungsmerkmale abzustellen.
2. Der Beurteilungsspielraum lässt es vielmehr zu, auch entscheidend auf die Bewertung in nicht besonders gewichteten Leistungsmerkmalen sowie Befähigungen abzustellen; dies gilt insbesondere dann, wenn sich daraus deutliche Leistungsmängel ergeben.

Gründe

1

Die Zulassung der Berufung ist gerechtfertigt, weil sich aus den Darlegungen der Beklagten ergibt, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

2

Ernstliche Zweifel bestehen gegen die - das Urteil tragende - Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Beklagte habe bei der Bildung des Gesamturteils der streitigen dienstlichen Beurteilung für den Kläger gegen Nr. 5.4 Abs. 2 der hier noch maßgebenden, inzwischen außer Kraft getretenen Beurteilungsrichtlinien für den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen vom 4.1.1996 (Nds.MBl. S. 169, - BRLPol -) verstoßen bzw. die Bildung der Gesamtnote nicht hinreichend plausibilisiert, weil nicht sichtbar geworden sei, wie sich die - nach Nr. 5.4. Abs. 2 Satz 2 BRLPol gebotene - Berücksichtigung der gewichteten Merkmale bei der Bildung der Gesamtnote niedergeschlagen habe.

3

Gegen diese Ansicht bestehen deshalb Bedenken, weil in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung nicht aus dem arithmetischen Mittel von Einzelnoten gebildet werden darf (vgl. das bereits von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.1994 - 2 C 21/93 - BVerwGE, 97, 128, 131 f sowie zu § 30 Abs. 2 Satz 2 PolNLVO das Urteil des Senats vom 13.12.1995 - 2 L 6066/92 - S. 6 des Urteilsabdrucks). Wie das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 11.5.1999 - 5 L 3782/98 - S. 12 f. des UA) zwischenzeitlich ergänzend gerade zu der hier maßgebenden Fassung der Beurteilungsrichtlinien entschieden hat, darf sich das Gesamturteil nur nicht in Widerspruch setzen zu den Ergebnis der Einstufung der Leistungsbewertung und der Darstellung der Gesamtpersönlichkeit.

4

Der Kläger hat sich im Gerichtsverfahren nicht mehr gegen die Benotung von Einzelmerkmalen in seiner dienstlichen Beurteilung gewendet. Von ihm und dem Verwaltungsgericht ist lediglich die Bildung der Gesamtbewertung beanstandet worden. Wie sich aus den Ausführungen auf Seite 5 des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 21.7.1997 ergibt, hat die Beklagte jedoch erkannt, dass das arithmetische Mittel der 20 bewerteten Leistungsmerkmale ohne Rücksicht auf die besondere Gewichtung einzelner Merkmale im Durchschnitt eine Gesamtnote von "3,45" ergibt und sich diese Gesamtnote bei besonderer Berücksichtigung der gewichteten Merkmale - ohne dass hierfür allerdings ein Vervielfältigungsfaktor genannt wurde - auf etwa "3,5 bis 3,57" erhöhen würde;  im Ergebnis liege damit die Bewertung aller Leistungsmerkmale in der Mitte zwischen den Notenstufen "3" und "4". Darauf aufbauend ist im Widerspruchsbescheid unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Erstbeurteilers ausgeführt worden, dass dem Kläger letztlich deshalb die schlechtere Gesamtnote  "3" gegeben worden sei, weil er noch Schwierigkeiten habe, seine "Stellung in der polizeilichen Hierarchie zu finden". Er habe ein "nicht abgestimmtes, überzogen eigenmächtiges und insbesondere über die eigene Zuständigkeit hinausgehendes Verhalten ...." gezeigt.

5

Wenn das Verwaltungsgericht diese Ausführungen als nicht hinreichend plausibel bzw. als der Nr. 5.4 Abs. 2 BRLPol widersprechend einstuft, so bestehen hiergegen erhebliche Bedenken. Die Beklagte hat nämlich - wie dargelegt - zutreffend erkannt, dass bei Annahme eines rechnerischen "Zuschlags" für die in der Beurteilung besonders gewichteten Leistungsmerkmale das arithmetische Mittel aus den Einzelbewertungen der Leistungsmerkmale für den Kläger über der Note "3,5" liegt. Weitergehende Ausführungen, insbesondere die Angabe eines von dem Verwaltungsgericht erwogenen Vervielfältigungsfaktor für die Bewertung der besonders gewichteten Leistungsmerkmale, waren voraussichtlich nicht geboten, sondern hätten möglicherweise sogar gegen das gleichfalls in Nr. 5.4 Abs. 2 BRLPol nochmals hervorgehobene Verbot verstoßen, das Gesamturteil einer dienstlichen Beurteilung als arithmetisches Mittel von Einzelbewertungen zu verstehen. Im Anschluss an die demnach nicht weiter mathematisch zu verfeinernde Feststellung, dass die Leistungen des Klägers insgesamt zwischen den Notenstufen "3" und "4" einzustufen sind, haben die Beurteiler sich dann in einer voraussichtlich gerichtlich nicht zu beanstandenden Weise für die Vergabe der niedrigeren Notenstufe "3" entschieden. Dies ist im Widerspruchsbescheid der Beklagten noch einmal zusammenfassend dargestellt worden. Diese abschließende Bildung des Gesamturteils ist, wie die Beurteilung zu den einzelnen Merkmalen, ein Akt wertender Erkenntnis und fällt in den Kern des Beurteilungsspielraums der Behörden, in den das Gericht nicht eingreifen kann.

6

Deshalb wird voraussichtlich nicht zu beanstanden sein, dass dem Kläger von den zuständigen Beurteilern vor allem deshalb die Gesamtnote "3" gegeben worden ist, weil er erhebliche Schwierigkeiten hat, sich in die Hierarchie einzuordnen und statt dessen ein überzogen eigenmächtiges Verhalten zeigt. Diese Gesamtbewertung steht nicht im Widerspruch zu der Bewertung der Einzelmerkmale. Sie findet sich im Gegenteil eindeutig in den jeweils nur mit der Note "2" bewerteten Merkmalen der "Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten" und der "Beachtung von Vorschriften, Zusammenhängen und Prioritäten" ebenso wie in der nur "schwach ausgeprägt" bewerteten Kooperationsfähigkeit des Klägers wieder. Dass entscheidend auf diese Merkmale abgestellt worden ist, kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts voraussichtlich auch nicht mit der Begründung beanstandet werden, es handele sich insoweit nicht um besonders gewichtete Merkmale für den Dienstposten des Klägers. Zutreffend ist zwar, dass die genannten Leistungsmerkmale (und die angeführte Befähigung) nicht als besonders gewichtet gekennzeichnet worden sind. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts lässt sich jedoch weder aus den BRLPol noch aus allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen ein Rechtssatz des Inhalts entnehmen, dass auf der abschließenden Stufe der Bildung des Gesamturteils nicht auch entscheidend auf die Bewertung von sonstigen, nicht besonders herausgehobenen Leistungsmerkmalen abgestellt werden dürfte. Nr. 5.4 Abs. 2 Satz 2 BRLPol verlangt nur, dass bei der Bildung der Gesamtnote (für die Leistungsbeurteilung) - wie erfolgt - die Bedeutung der einzelnen Leistungsmerkmale für den jeweiligen Dienstposten "berücksichtigt" wird. "Berücksichtigt" werden die gewichteten Leistungsmerkmale jedoch bereits dann, wenn sie bei der Bildung der Gesamtnote beachtet werden; dass bei der Bildung der Gesamtnote nur oder ausschlagend auf die gewichteten Leistungsmerkmalen abgestellt werden darf, wird durch das Wort "berücksichtigen" hingegen nicht vorgeschrieben. Ebenso wenig ist ein dahingehender allgemeiner Bewertungsgrundsatz ersichtlich. Es erscheint im Gegenteil nachvollziehbar, dass gerade dann, wenn - wie hier - das Verhalten einer Führungskraft innerhalb der Polizei gegenüber ihren Vorgesetzten und ihre Kooperationsfähigkeit insoweit ganz deutlich unterdurchschnittlich bewertet worden sind, dem Betroffenen im Gesamturteil nicht die von ihm begehrte insgesamt über dem Durchschnitt liegende Beurteilung erteilt wird.

7

Ist danach schon die Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung gerechtfertigt, so kann dahinstehen, ob die Berufung außerdem - wie  von der Beklagten weiterhin geltend gemacht wird - wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen ist.

8

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 124 a Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz VwGO).

9

Die Berufung ist - ungeachtet der bereits im Zulassungsantrag enthaltenen Begründung - innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124 a Abs. 3 Satz 1, 4 u. 5 VwGO). Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, einzureichen (§ 124 a Abs. 3 Satz 2 VwGO).