Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.09.2000, Az.: 10 L 211/00
Benotung; Bewertung; Bewertungsspielraum; Fachfrage; Gewichtung von Prüfungsaufgaben; Prüfungsleistungen; Qualität; Überzeugungskraft
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.09.2000
- Aktenzeichen
- 10 L 211/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2000, 41527
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 17.07.1998 - AZ: 6 A 4138/97
Rechtsgrundlagen
- § 14 JAG ND
- § 13 JAG ND
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen der zweiten juristischen Staatsprüfung.
Nachdem ein erster Prüfungsversuch zu Beginn des Jahres 1996 ohne Erfolg geblieben war und der Kläger einen Ergänzungsvorbereitungsdienst abgeleistet hatte, wurde er im Oktober 1996 zur Wiederholungsprüfung zugelassen. In deren Rahmen fertigte er eine zivilrechtliche Hausarbeit, die Leistungen aus einem Werklieferungsvertrag unter Berücksichtigung eines geltend gemachten Rücktrittsrechts zum Gegenstand hatte und von beiden Prüfern übereinstimmend mit der Note "mangelhaft (1 Punkt)" bewertet wurde. Da der sich aus den Punktzahlen aller schriftlichen Prüfungsleistungen ergebende Anteil der Prüfungsgesamtnote niedriger als 1,8 Punkte lag, teilte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 27. Januar 1997 mit, dass er die zweite juristische Staatsprüfung erneut nicht bestanden habe.
Gegen die Prüfungsentscheidung des Beklagten erhob der Kläger am 10. Februar 1997 Widerspruch, den er damit begründete, dass die Prüfer mehrfach gegen den allgemeinen Bewertungsgrundsatz verstoßen hätten, nach dem eine richtige oder vertretbare Lösung nicht als fehlerhaft bezeichnet werden dürfe. Wie seine zahlreichen und im Einzelnen belegten Rügen zeigten, hätten beide Beurteiler sowohl Fragen des Aufbaues der Arbeit als auch die Erörterung mehrerer in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen als fehlerhaft bewertet, obwohl er, der Kläger, jeweils den Vorgaben namhafter Lehrbuchverfasser und der Rechtsprechung, namentlich der des Bundesgerichtshofes, gefolgt sei.
Nachdem der Beklagte auf die Einwendungen des Klägers zusätzliche Stellungnahmen der Prüfer eingeholt hatte, wies er den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1997 und der Begründung zurück, dass die Beurteiler bei der Bewertung der Hausarbeit nicht gegen anerkannte Bewertungsgrundsätze verstoßen hätten. Insbesondere könne ihnen nicht der Vorwurf gemacht werden, sie hätten vertretbare Lösungen als fehlerhaft angesehen. Im Mittelpunkt ihrer Kritik stehe vielmehr die Feststellung, dass der Kläger die fallspezifischen Aspekte nicht so erfasst und gewürdigt habe, wie die Prüfer es für sachgerecht hielten. Eine solche Beurteilung sei der Einteilung in "richtig" oder "falsch" weitgehend entzogen.
Daraufhin hat der Kläger am 11. Juli 1997 Klage erhoben und zu deren Begründung ausgeführt, dass das Widerspruchsverfahren eine Auseinandersetzung mit der Kritik an der Bewertung seiner Hausarbeit nicht habe erkennen lassen. Angesichts des Umstandes, dass ca. 70 % der Erstbeurteilung Gegenstand seiner Einwendungen gewesen sei, könne der Feststellung der Prüfer nicht gefolgt werden, er habe nur einige wenige relevante Punkte angesprochen, die keine Auswirkungen auf das Gesamtergebnis zeitigten und nach Auffassung des Zweitbeurteilers allenfalls bei der Bewertung überdurchschnittlicher Arbeiten von Gewicht sein könnten. Unter weiterer Vertiefung seiner im Widerspruchsverfahren geltend gemachten Bewertungsrügen hat der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 1997 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1997 aufzuheben.
Der Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers, dass die Beurteilung seiner Hausarbeit Bewertungsfehler nicht erkennen lasse, entgegengetreten, hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 17. Juli 1998 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die angefochtene und zum endgültigen Nichtbestehen der Prüfung führende Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden sei. Die Bewertung der Hausarbeit, deren Ergebnis maßgeblich zum Misslingen der Prüfung beigetragen habe, sei frei von Verfahrensfehlern und lasse Verstöße gegen anerkannte Beurteilungsmaßstäbe nicht erkennen. Insbesondere hätten die Prüfer nicht gegen den Grundsatz verstoßen, dass zutreffende und brauchbare Lösungen nicht als fehlerhaft oder nicht vertretbar angesehen werden dürften. Die zahlreichen Einwände des Klägers beträfen zum überwiegenden Teil prüfungsspezifische Wertungsfragen, für die sich die Prüfer auf den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum berufen könnten. Soweit fachwissenschaftliche Fragen betroffen seien, rechtfertigten die Einwendungen des Klägers ebenfalls eine Neubewertung der Hausarbeit nicht.
Gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil führt der Kläger die durch Beschluss des Senats vom 17. Januar 2000 zugelassene Berufung, zu deren Begründung er ausführt: Im Hinblick auf seine zahlreichen Einwendungen habe die Vorinstanz nicht sorgfältig zwischen fachwissenschaftlichen und prüfungsspezifischen Beurteilungsaspekten unterschieden, vorschnell einen Beurteilungsspielraum der Prüfer anerkannt und somit die Bewertungsrügen einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung entzogen. Wäre das Verwaltungsgericht seiner durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgegebenen Verpflichtung nachgekommen, aus den Prüferbeurteilungen die fachwissenschaftlichen Aspekte herauszufiltern und diese auf ihre Richtigkeit und Vertretbarkeit zu überprüfen, so hätte es unschwer erkennen können, dass es sich bei der Erörterung der für den Prüfungsfall maßgeblichen Anspruchsgrundlagen um fachwissenschaftliche, nicht aber prüfungsspezifische Fragen handele, die er, der Kläger, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Einzelnen gewürdigt und die der Erstprüfer gleichwohl mit Wertungen wie "fernliegend" oder "sehr gewagt" abqualifiziert habe.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern, den Bescheid des Beklagten vom 27. Januar 1997 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1997 aufzuheben und den Kläger über das Bestehen der großen juristischen Staatsprüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Prüfungsentscheidung des Beklagten leidet nicht unter Mängeln, die seine Verpflichtung rechtfertigen könnten, die Hausarbeit des Klägers noch einmal zu korrigieren.
Zutreffend geht das angefochtene Urteil davon aus, dass der Beklagte seine Feststellung, der Kläger habe die zweite juristische Staatsprüfung abermals nicht bestanden, auf § 14 Abs. 1 Nr. 3 NJAG a.F. stützen durfte, da der sich aus den Punktzahlen aller schriftlichen Prüfungsleistungen ergebende Anteil der Prüfungsgesamtnote insgesamt niedriger als 1,8 Punkte ist. Ebenso wenig ist die Auffassung der Vorinstanz zu beanstanden, dass die Beurteilung der in die Bildung der Prüfungsgesamtnote eingehenden Hausarbeit mit der Note "mangelhaft (1 Punkt)" Bewertungsfehler nicht erkennen lässt. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht in seiner Auffassung, dass der Beklagte den nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erhobenen Einwendungen des Klägers durch Einholung weiterer Stellungnahmen der Prüfer hinreichend Rechnung getragen hat. Zwar hat sich der Beklagte in diesem Zusammenhang nicht auf die Durchführung eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens nach § 13 Abs. 4 Satz 1 NJAG a.F. beschränkt, sondern sogar ein Widerspruchsverfahren nach § 13 Abs. 5 NJAG in der für den Kläger nicht anwendbaren Fassung vom 16. Oktober 1996 (GVBl. S. 430) durchgeführt; hierdurch sind jedoch Verfahrensrechte des Klägers nicht beeinträchtigt worden.
Ferner ist die Auffassung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, dass die Bewertung der Hausarbeit des Klägers nicht auf Verstößen gegen anerkannte Beurteilungsmaßstäbe beruht. In diesem Zusammenhang geht das angefochtene Urteil zutreffend davon aus, dass sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle in materieller Hinsicht unter anderem darauf zu erstrecken hat, ob die von einem Prüfling gegebenen Antworten fachlich richtig oder zumindest vertretbar sind. Zutreffende Antworten oder brauchbare Lösungen dürfen nicht als falsch bewertet werden. Soweit die Richtigkeit der Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, muss dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden. Fachliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Prüfer und Prüfling sind der gerichtlichen Kontrolle daher nicht entzogen. Vielmehr hat das Gericht aufgrund hinreichend substantiierter Einwendungen des Prüflings darüber zu befinden, ob die von einem Prüfer als falsch bewertete Lösung im Gegenteil richtig oder jedenfalls vertretbar ist (BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, BVerfGE 84, 34, 54 f.; BVerwG, Urt. v. 24.2.1993, NVwZ 1993, 686 f. [BVerwG 24.02.1993 - BVerwG 6 C 38/92]). In diesem Zusammenhang sind unter Fachfragen alle Fragen zu verstehen, die fachwissenschaftlicher Erörterung zugänglich sind. Hierunter fallen sowohl Fragen, die fachwissenschaftlich geklärt sind, als auch solche, die in der Fachwissenschaft kontrovers behandelt werden. Dieses Verständnis vom Begriff der Fachfrage liegt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde, in der bezüglich der in Rede stehenden Abgrenzung entscheidend auf die Richtigkeit oder die Vertretbarkeit der Antworten des Prüflings abgestellt wird (BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997 - 6 B 55.97 -). Eine nicht so weitgehende gerichtliche Kontrolle findet dagegen im Hinblick auf prüfungsspezifische Wertungen statt. Soweit den Prüfern ein Bewertungsspielraum verbleibt, geht die gerichtliche Prüfung nur dahin, ob sie Verfahrensfehler begangen oder anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt haben oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen (BVerfGE, a.a.O., S. 53 f.; BVerwG, Beschl. v. 11.8.1998, DVBl. 1998, 1351). Zu diesen prüfungsspezifischen Fragen, die der Letztentscheidungskompetenz der Prüfungsbehörde überlassen bleiben, gehören insbesondere die Benotungsfrage (BVerfGE, a.a.O.; Senatsurt. v. 16.3.1999 - 10 L 377/97 -), die Gewichtungsfrage im Hinblick auf verschiedene Aufgaben untereinander (BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997, a.a.O.; Senatsurt. v. 27.1.1999 - 10 L 6146/96 -), die Einordnung des Schwierigkeitsgrades (BVerfGE, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v. 17.12.1997, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 2.7.1999 - 10 M 2240/99 -) und die Würdigung der Qualität der Darstellung (BVerfGE, a.a.O.; BVerwG, Beschl. 17.12.1997, a.a.O.; Senatsurt. v. 27.1.1999 - 10 L 6146/96 -). Art und Weise der Darstellung einer Prüfungsaufgabe hängt dermaßen vom konkreten Fall ab, dass es hier keine eindeutigen Antworten gibt. Da Darstellungsfragen nicht Fachfragen, sondern dem prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraum zuzurechnen sind, gibt es insoweit auch keinen Antwortspielraum des Prüflings.
Nach diesen Maßstäben sind die Bewertungen der Hausarbeit durch den Erst- sowie den Zweitprüfer rechtlich nicht zu beanstanden. Ausgehend von den Rügen, die der Kläger sowohl im Widerspruchsverfahren als auch im Klageverfahren geltend gemacht hat, ist dazu im Einzelnen auszuführen:
1. Sachbericht: Zutreffend geht das angefochtene Urteil davon aus, dass die kritische Auseinandersetzung der Prüfer, namentlich des Erstprüfers, mit dem Sachbericht des Prüfungsfalles von ihrem prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum umfasst wird. Entgegen der Annahme des Klägers streiten die Beteiligten nicht über die fachwissenschaftlicher Klärung zugänglichen Fragen, ob es aufbautechnisch statthaft ist, dem Sachbericht eine Einleitung in den Sach- und Streitstand voranzustellen, ob der Sachbericht einer Relation kurz zu fassen ist oder ob Unstreitiges eines Zivilprozesses auch im unstreitigen Sachverhalt oder in der sogenannten Klägerstation unterzubringen sei. Wie der Erstprüfer in seiner zusätzlichen Stellungnahme vom 20. Mai 1997 ausgeführt hat, knüpft seine Kritik, der Sachbericht lasse eingangs eine Einleitung in den Sach- und Streitstand vermissen, an die vom Kläger verfasste Einleitung an - und eine solche enthält der Sachbericht mit dem Hinweis, dass der Kläger des Prüfungsfalles Zündholzbriefe veräußere -, die er, der Prüfer, mangels Hinweises auf die Herstellerfunktion der klagenden Partei und deren Zahlungsbegehren als inhaltsleer und ungenau ansehe (zur klarstellenden Funktion nachträglicher Prüferäußerungen bei fehlender Ersetzung eines Korrekturmangels BVerwG, Beschl. v. 30.3.2000 - 6 B 8.00 -). Dass mit diesen kritischen Anmerkungen die Darstellung der Gedankengänge im Sachbericht angesprochen wird und diese prüfungsspezifischer Natur ist (ebenso BVerwG, Urt. v. 4.5.1999 - 6 C 13.98 -, UA S. 27; Urt. v. 14.7.1999 - 6 C 20.98 -, UA S. 6), führt die Entscheidung der Vorinstanz zutreffend aus. Entsprechendes gilt für die kritischen Anmerkungen der Prüfer zur fehlenden Exaktheit, Vollständigkeit und darstellerischen Ordnung des Sachberichts, so dass sich der Senat insoweit die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu eigen machen kann.
2. Klägerstation des Gutachtens: In der Bewertung des zivilprozessualen Gutachtens hält der Erstprüfer dem Kläger unter anderem vor, Schwierigkeiten bei der Herausstellung der für den Klaganspruch maßgeblichen Anspruchsgrundlage offenbart zu haben. Damit hat der Erstprüfer indes nicht die Tauglichkeit der vom Kläger im Einzelnen erörterten rechtlichen Ansatzpunkte, die das Begehren der im Prüfungsfall klagenden Partei rechtfertigen könnten, in Abrede gestellt, sondern die dem Kläger vorgehaltenen Schwächen in der Erarbeitung des von ihm für zutreffend erachteten Lösungsweges gesehen.
a) Diese Feststellung rechtfertigt sich zunächst für die Anmerkung des Erstprüfers, die Ausführungen des Klägers im Gutachten zu Ziffer 6 der AGB seien falsch aufgezäumt, indem sogleich die Wirksamkeit dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen an § 4 AGBG gemessen werde. Mit diesem Hinweis hat der Erstprüfer den Vorrang von Individualabreden vor den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht in Abrede gestellt, sondern, wie seine weitere Kritik erhellt, Ausführungen dazu vermisst, aufgrund welcher Erwägungen einschließlich der Auslegung des Sachverhalts die fragliche AGB-Klausel den Klaganspruch überhaupt habe tragen können. Zu Recht weist das angefochtene Urteil daher darauf hin, dass in diesem Zusammenhang der Vorwurf fehlender Gründlichkeit der Bearbeitung im Mittelpunkt der Prüferkritik steht und damit eine prüfungsspezifische Frage angesprochen ist.
b) Einen richtigen oder vertretbaren fachwissenschaftlichen Lösungsansatz hat der Erstprüfer nicht dadurch als fehlerhaft oder unrichtig bezeichnet, dass er die Erörterung eines Erfüllungsanspruches als Vertragsstrafe im Anschluss an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 29. Oktober 1985 (WM 1986, 73 = NJW-RR 1986, 211) als vorschnell oder etwas fernliegend bezeichnet hat. Mit dem Hinweis "fernliegend" hat der Prüfer, wie seine weiteren Ausführungen zeigen, den vom Bundesgerichtshof gewählten Lösungsansatz, dem der Kläger gefolgt ist, nicht von vornherein als unvertretbar angesehen, sondern dem Kläger vorgehalten, dass er die Unterschiede zwischen der Prüfungsaufgabe und dem Fall, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zugrunde lag, nicht gesehen und für den streitbefangenen Prüfungsfall nicht die Konsequenz eines logisch vorgeschalteten Prüfungsabschnittes - Beachtung des § 24 AGBG im Verhältnis zu § 11 Nr. 6 AGBG - gezogen habe. Im Mittelpunkt der Kritik des Erstprüfers steht daher auch in diesem Zusammenhang mangelnde Gründlichkeit bei der Bearbeitung einer herausgestellten Anspruchsgrundlage.
c) Mit einem Hinweis auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 29. Oktober 1985 (a.a.O.) lässt sich ein durchgreifender Bewertungsfehler an der Feststellung des Erstprüfers, "die Unwirksamkeitserklärung von Ziffer 7 AGB aus dem Gesichtspunkt des § 9 AGBG erscheine sehr gewagt", ebenfalls nicht begründen. Wie die weiteren kritischen Anmerkungen des Erstprüfers zeigen, hat er dem Kläger nicht die fehlende Vertretbarkeit des von ihm für richtig erachteten und an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes orientierten Lösungsansatzes entgegengehalten, sondern seinen Vorwurf damit begründet, dass es der Argumentation des Klägers an Substanz und konkretem Sachbezug mangele. Namentlich die Forderung nach einer den konkreten Prüfungsfall würdigenden Argumentation durch den Prüfling wird vom Beurteilungsspielraum des Prüfers umfasst, so dass seine Kritik, die sich auf das Fehlen einer derartigen fallbezogenen Argumentation bezieht, nicht allein mit einem Hinweis auf die rechtliche Würdigung von Fällen, denen ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde liegt, in Zweifel gezogen werden kann. Hierauf weist die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts zutreffend hin.
d) Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Prüfer auch im Zusammenhang mit der Erörterung der Inhaltskontrolle von AGB-Klauseln nicht einen seinem Lösungsansatz widersprechenden Standpunkt vertreten. Insbesondere haben sie den Ausgangspunkt seiner Betrachtung nicht in Zweifel gezogen, nachdem auch im Individualprozess von einer überindividuell-generalisierenden Betrachtungsweise auszugehen sei. Der Zweitprüfer hat dieser Rechtsansicht ausdrücklich die Richtigkeit bestätigt, im Hinblick auf ihre Darstellung aber hinzugefügt, dass der Prüfungsansatz des Klägers "in der Luft hänge". Dem Ausgangspunkt der Betrachtung des Zweitprüfers widersprechen auch nicht seine Randbemerkungen am Ende jenes Prüfungsabschnittes, an dem er angemerkt hat, dass der Kläger für die rechtlichen Interessen der klagenden Partei des Prüfungsfalles keine Anzeichen dargetan, sondern lediglich Abstraktes zusammengestellt habe. Damit knüpft der Zweitprüfer lediglich an die vorangehende Würdigung des Klägers an, in dem dieser die Interessen der beklagten Partei des Prüfungsfalles dargestellt hatte, ohne dann aber im weiteren Verlauf der Erörterung auf die jener Interessenlage gegenüberstehenden Belange der klagenden Partei einzugehen. Angemahnt werden daher seitens des Zweitprüfers lediglich Überzeugungskraft und Vollständigkeit der Falldarstellung; eine derartige Kritik wird vom prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum umfasst.
Durch die Randbemerkung "nicht unser Fall" vertritt der Erstprüfer ebenfalls nicht eine von der Auffassung des Klägers abweichende Rechtsansicht. Im Rahmen der Erörterung generaltypischer Fallgestaltungen bezieht sich der Hinweis des Prüfers auf die vom Kläger gewählte Darstellung einer Ausnahmesituation - unbedeutende Nebenpflichtverletzung -, ohne indes die Richtigkeit des rechtlichen Ausgangspunktes der Erörterung in Zweifel zu ziehen. Schließlich hat der Erstprüfer im Rahmen des Widerspruchsverfahrens ausdrücklich erklärt, dass Randbemerkungen, die er in seiner zusammenfassenden Beurteilung nicht aufgegriffen hat, keinen Einfluss auf die endgültige Benotung genommen hätten, so dass es selbst bei Annahme eines - tatsächlich nicht vorhandenen - Korrekturfehlers an der Kausalität für die Bewertung fehlen würde (dazu im Einzelnen: BVerwG, Urt. v. 4.5.1999 - 9 C 13.98 -, UA S. 23).
e) Mit seinem in Frageform gekleideten Hinweis auf die geltungserhaltende Reduktion von AGB-Klauseln hat der Zweitbeurteiler ebenfalls dem vom Kläger eingeschlagenen Lösungsweg nicht widersprochen, sondern im Hinblick auf den Umfang und die Überzeugungskraft des anzufertigenden juristischen Gutachtens auf einen zusätzlichen rechtlichen Aspekt aufmerksam gemacht. Eine entsprechende Randbemerkung wird auch dann von seinem prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraum erfasst, wenn es zu dem angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkt eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gibt. Im Interesse der Vollständigkeit eines Gutachtens kann von einem Prüfling dann verlangt werden, dass er - und sei es in der dann gebotenen Kürze - auf jene Rechtsprechung, die einer weiteren Vertiefung des Themas gegebenenfalls entgegensteht, eingeht. Im Übrigen hat der Zweitbeurteiler in seiner zusätzlichen Stellungnahme vom 30. Mai 1997 ausdrücklich in Abrede gestellt, dass sich seine Bewertung "schwach mangelhaft" auf die ihm im Widerspruchsverfahren vorgehaltenen Aspekte stütze und diese nicht geeignet seien, eine Änderung in seiner negativen Gesamtbetrachtung herbeizuführen.
f) Das vom Kläger vertretene Zwischenergebnis, nach dem § 7 Abs. 1 der im Prüfungsfall zu erörternden AGB nicht mit § 9 AGBG vereinbar sei, hat der Erstprüfer ebenfalls nicht als unvertretbar oder fehlerhaft eingestuft. Soweit er diesen Prüfungsabschnitt mit dem Attribut "sehr gewagt" umschrieben hat, hat er nicht etwa die vom Kläger vertretene Lösung in Zweifel gezogen, sondern, wie seine weiteren Ausführungen in der Bewertung selbst und in der zusätzlichen Stellungnahme vom 20. Mai 1997 belegen, eine überzeugende und fallbezogene Argumentation vermisst. Damit bezieht sich seine Kritik auf die Überzeugungskraft der Falldarstellung und wird mithin vom prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraum umfasst.
g) Entgegen der Annahme des Klägers vermag der Senat einen zu einem Bewertungsfehler führenden fachwissenschaftlichen Dissens zwischen Prüfling und Prüfer auch nicht im Hinblick auf die Erörterung eines vertraglichen Rücktrittsrechts nach §§ 636 Abs. 1, 634 Abs. 1 BGB festzustellen. Insbesondere ist der Erstprüfer im Rahmen seiner Kritik nicht von einer Identität der Begriffe "Verschulden" und "Verantwortlichkeit" ausgegangen, sondern hat dem Kläger lediglich vorgehalten, nach Darstellung des von ihm als maßgeblich angesehenen Obersatzes - Verantwortlichkeit des Herstellers - auf das fallbezogene Vorbringen der klagenden Partei, nämlich die Verzögerung des 2. Korrekturabzuges durch Betriebsferien, nicht eingegangen zu sein. Damit zielt die Kritik des Prüfers auf Vollständigkeit und Umfang der Begründung und bewegt sich ebenfalls innerhalb des prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraumes.
h) Entsprechendes gilt für den Hinweis des Erstbeurteilers, die Erörterung des Prüfungsfalles anhand der §§ 631, 162 BGB wirke "gekünstelt". Wie seine weitere Stellungnahme im Widerspruchsverfahren zeigt, hat er damit die vom Kläger verfolgte Anspruchsprüfung nicht als fernliegende oder gar abwegige Möglichkeit betrachtet, sondern hinreichende und klare Ausführungen zu dem vom Kläger gewählten und an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes orientierten Lösungsweg vermisst. Insoweit muss der Kläger sich im Rahmen des einem Prüfer zustehenden Beurteilungsspielraumes vorhalten lassen, dass auch ein fachwissenschaftlich vertretbarer und als solcher nicht beanstandeter Lösungsansatz unter Darstellungs- und Begründungsdefiziten leiden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.4.1991, a.a.O., S. 57).
i) Prüfungsspezifischer Natur ist auch die sich auf die Feststellung des Klägers in seiner Prüfungsaufgabe beziehende Kritik des Erstprüfers, die herrschende Literatur nehme in Fällen, in denen der Unternehmer das Werk noch nicht hergestellt habe, einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung an. Die kritischen Anmerkungen des Prüfers beziehen sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Annahme, dass die vom Kläger erörterte Rechtsfolge von der überwiegenden Meinung in der Rechtslehre vertreten wird, sondern darauf, dass er die einzelnen Vertreter der von ihm als herrschend bezeichneten Literaturmeinung in der Hausarbeit selbst - und nicht erst im Verlauf des Widerspruchsverfahrens - nicht im Einzelnen belegt und nachgewiesen hat. Auch insoweit steht daher nicht eine fachwissenschaftliche Kontroverse im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Prüfer und Prüfling, sondern Sorgfalt und Vollständigkeit der Argumentation des Prüflings.
j) Mit seiner weiteren kritischen Anmerkung, "der Kläger habe das Problem nicht in den Griff bekommen, was seine etwas hilflose Wendung auf Seite 32 der Arbeit zeige", hat der Erstprüfer nicht der fachlich zutreffenden Auffassung des Klägers widersprochen, dass die positive Vertragsverletzung gesetzlich nicht geregelt sei und daher eine Regelungslücke voraussetze. Den Kern der Beanstandung bildet in diesem Zusammenhang vielmehr die vom Beurteilungsvorrecht des Prüfers umfasste Feststellung, dass es der Hausarbeit weitgehend an Systematik, klarem Aufbau und nachvollziehbarer Gedankenführung fehle und dass die im Rahmen der Erörterung der positiven Vertragsverletzung seitens des Klägers getroffene Feststellung, es sei nicht geregelt, welche Rechtsfolgen einträten, wenn durch Verzug und Verweigerung der Mitwirkung des Bestellers die Herstellung des Werkes verhindert werde, das Problem der Prüfungsaufgabe sei.
k) Zu Unrecht rügt der Kläger weiterhin, dass der Zweitprüfer die in der Hausarbeit erörterte dogmatische Einordnung der Mitwirkungspflicht des Werkbestellers als irrelevant bezeichnet habe. Allein der Umstand, dass der Zweitprüfer die Randbemerkung "Relevanz" auf Seite 32 der Bearbeitung mit einem Fragezeichen versehen hat, deutet nicht darauf hin, dass er die Klassifizierung der Mitwirkungspflicht als Obliegenheit oder Nebenpflicht als unbeachtlich angesehen hat, sondern zeigt vielmehr, dass er von einem zusätzlichen Erläuterungsbedarf für die dogmatische Argumentation des Klägers ausgegangen ist. Die Anmerkung bezieht sich daher auf die Darstellung des vom Kläger beschrittenen Lösungsweges und wird vom Beurteilungsspielraum des Prüfers umfasst.
3. Mit Blick auf die Bearbeitung der sogenannten Beklagtenstation der Prüfungsaufgabe stimmen der Kläger und der Erstprüfer im Ergebnis darin überein, dass die Parteien des Prüfungsrechtsfalles ein Fixgeschäft nicht vereinbart haben, da ein bestimmter Leistungszeitpunkt nicht Inhalt des Vertrages geworden ist. Die Richtigkeit dieses Prüfungsabschnittes bescheinigt der Erstprüfer dem Kläger ausdrücklich in seiner Beurteilung. Soweit er allerdings von einer oberflächlichen Darstellung des Streitstoffes spricht und in diesem Zusammenhang auch ein Eingehen auf die unterschiedlichen Arten des Fixgeschäftes vermisst hat, spricht er wiederum Sorgfalt und Überzeugungskraft der Argumentation des Prüflings an, die prüfungsspezifischer Natur sind.
4. Im Zusammenhang mit der Erörterung einer Hilfsaufrechnung führt der Kläger bezogen auf deren prozessuale Zulässigkeit aus, dass eine entsprechende Erklärung in dem zu beurteilenden Prüfungsfall schriftsätzlich erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangen sei und daher als verspätet und unzulässig angesehen werden müsse. Die Richtigkeit dieser Feststellung hat der Zweitbeurteiler nicht mit der mit einem Fragezeichen versehenen Randbemerkung in Zweifel gezogen, ob § 156 ZPO unberührt bleibe. Die vom Kläger gegen die Richtigkeit dieser Randbemerkung angeführte Literaturmeinung (Sattelmacher/Sirp, Bericht, Gutachten und Urteil, 32. Aufl., S. 47) geht selbst davon aus, dass nach der mündlichen Verhandlung eingegangenes und damit für die Entscheidung des Rechtsstreits grundsätzlich unbeachtliches Vorbringen die Entscheidung allenfalls darin beeinflussen könne, dass es das Gericht zu Ausführungen veranlasst, dass die Voraussetzungen des § 156 ZPO nicht vorgelegen hätten. Mehr als eine derartige Anregung, auf § 156 ZPO in diesem in der Literatur erörterten Sinn einzugehen, kann der Randbemerkung des Zweitprüfers nicht entnommen werden.
5. Einen fachwissenschaftlichen Bewertungsfehler vermag der Senat schließlich auch nicht darin zu erkennen, dass es der Erstprüfer als verfehlt angesehen hat, in einer Relation bereits zu Beginn der Beweisstation Beweislastfragen zu erörtern. Unter Hinweis auf das Wesen der zivilrechtlichen Relationstechnik hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil insoweit zutreffend ausgeführt, dass für Beweislasterwägungen in der Regel erst dann Raum ist, wenn die Beweiswürdigung zu keinem überzeugenden Ergebnis geführt hat. Ob, wie vom Verwaltungsgericht ebenfalls erörtert, für einen von dieser Grundregel abweichenden Aufbau der Beweisstation dann Raum ist, wenn die Frage zu prüfen ist, ob ein vorhandener Beweisantritt von der richtigen Prozesspartei erklärt worden ist - wie der Kläger unter Hinweis auf die Anleitungen von Anders/Gele (4. Aufl., S. 78) für sich in Anspruch nimmt -, braucht vorliegend nicht abschließend geklärt zu werden, da der Bearbeitung der Relation Hinweise auf derartige Besonderheiten, also die Frage des Beweisantritts von der richtigen Partei, nicht zu entnehmen sind. Hierauf weist das angefochtene Urteil zutreffend hin.
6. Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht schließlich ausgeführt, dass der Zweitprüfer auch nicht insoweit gegen einen allgemein gültigen Bewertungsgrundsatz verstoßen hat, als er von unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben bei der Abstufung der Noten von Prädikatsarbeiten und misslungenen Leistungen ausgegangen sein könnte. Seiner Beurteilung vom 20. Januar 1997 ist unzweideutig zu entnehmen, in welchen Teilen der Arbeit er die zu der Note "mangelhaft" (1 Punkt) führenden gravierenden Mängel gesehen hat. An dieser Grundeinschätzung hat er in seinen weiteren Überlegungen vom 30. Mai 1997 auch unter Berücksichtigung der im Widerspruchsverfahren vorgebrachten Einwendungen festgehalten. Zutreffend weist das angefochtene Urteil insoweit darauf hin, dass der ergänzenden Stellungnahme des Zweitprüfers eindeutig zu entnehmen sei, dass dieser nach wie vor von einem völligen Misslingen der Hausarbeit ausgehe. Zu einer solchen Gesamtwürdigung einer Prüfungsleistung kann ein Prüfer auch dann gelangen, wenn er einzelne Teile der Arbeit als vertretbar oder noch brauchbar ansieht, ohne dass er diesen Teilaspekten bei der Benotung ein Gewicht beimessen müsste, das die festgestellten grundsätzlichen Mängel von vornherein ausgleichen könnte (vgl. dazu Senatsurt. v. 15.8.1995 - 10 L 5874/93 -). Der Zweitprüfer hat daher den Rahmen seines Bewertungsvorrechts, zu dem - wie eingangs ausgeführt - die Frage der Gewichtung verschiedener Prüfungsteile gehört, nicht dadurch überschritten, dass er bestimmten Teilaspekten bei der sogenannten Prädikatsabstimmung einen bestimmten Aussagewert beimisst, diese aber wiederum nicht als so gewichtig ansieht, dass sie Grundmängel einer Arbeit ausgleichen könnten.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 14 Abs. 1 und 3, 13 Abs. 1 GKG auf 20.000,-- DM festgesetzt.