Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.09.2000, Az.: 1 O 3119/00
Anfechtung; Beschwer; Erledigungsgebühr; Kostenfestsetzung; Rechtsanwalt
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.09.2000
- Aktenzeichen
- 1 O 3119/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2000, 42013
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 14.08.2000 - AZ: 2 A 2081/98
Rechtsgrundlagen
- § 165 VwGO
- § 24 BRAGebO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Erledigungsgebühr entsteht.
2. Der Senat lässt unentschieden, ob der Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung/Beschwerde einlegen kann.
Gründe
Der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) und Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung einer Erledigungsgebühr.
Die Kläger hatten sich mit ihrer Klage gegen eine dem Beigeladenen zu 2) erteilte Baugenehmigung des Beklagten für den Neubau und Betrieb eines Güllebehälters für Rindergülle und eines Fahrsilos für Gras- und Maissilage gewendet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzte der Beklagte die dem Beigeladenen zu 2) erteilte Baugenehmigung durch die Nebenbestimmung, dass die Befüllung des Güllebehälters so sorgfältig zu erfolgen habe, dass die Schwimmschlammschicht dabei möglichst nicht aufgerissen werde. Die Kläger und der Beklagte erklärten daraufhin den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.
Das Verwaltungsgericht versagte die vom Beschwerdeführer beantragte Festsetzung der Erledigungsgebühr mit Beschluss vom 14. August 2000.
Die dagegen gerichtete Beschwerde ist nicht begründet.
Der Senat lässt offen, ob der Beschwerdeführer im eigenen Namen zulässig gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss Erinnerung und Beschwerde einlegen kann
(dafür: OVG Lüneburg, B. vom 21.4.1972 -- III B 16/72 --, NJW 1972, 2015;
HessVGH, B. v. 21.1.1988 -- 2 TI 2628/87 -- DÖV 1988, 524; Bader in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, § 165 Rz. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 165 Rz. 4; Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 165 Rz. 4;
dagegen:
BVerfG, B. v. 15.7.1997 -- 1 BvR 1174/90 --, BVerfGE 96, 251 = NJW 1997, 3430; OVG Münster, B. v. 4.2.1977 -- X B 1340/76 --, KostRspr. § 165 VwGO Nr. 5; B. v. 8.12.1980 -- 10 B 1388/79 --, KostRspr. § 165 VwGO Nr. 7; BayVGH, B. v. 15.6.1977 -- 172 I 76 --, KostRspr. § 165 VwGO Nr. 6; OVG Bremen, B. v. 14.12.1987 -- 1 B 103/87 --, KostRspr. § 165 VwGo Nr: 6; OVG Hamburg, B. v. 15.1.1987 -- OVG Bs IV 682/86 --, AnwBl. 1987, 290; VG Frankfurt, B. v. 23.6.1988 -- V/VI 1048/88 --, NVwZ-RR 1989, 222 [VG Frankfurt am Main 23.06.1988 - V/V I 1048/88]; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 12. Aufl. 1997, § 165 AZ 2; Olbertz in Schoch, VwGO, § 165, Rz. 4; Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 165 Rz. 20).
Die Beschwerde hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
Der Rechtsanwalt erhält nach § 24 BRAGO eine volle Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts erledigt und der Rechtsanwalt bei der Erledigung mitgewirkt hat.
Die Vorschrift verlangt eine besondere, auf die Beilegung der Sache ohne Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zur Erledigung nicht nur unwesentlich beigetragen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.1981 -- 4 C 60.79 --, NVwZ 1982, 36; Urt. v. 04.10.1985 -- 8 C 68.83 --, BayVBl. 1986, 158; OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.12.1982 -- 6 OVG B 48/82 --, Anwbl 1983, 282; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.04.1990 -- 6 S 2474/89 --, VBlBW. 1990, 373; Beschl. v. 05.09.1991 -- 11 S 1005/91 --, NVwZ-RR 1992, 335; Beschl. v. 05.02.1993 -- 1 S 280/93 --, JurBüro 1994, 31; OVG Münster, Beschl. v. 28.01.1975 -- III B 927/74 --, NJW 1976, 261; Beschl. v. 25.05.1992 -- 19 E 510/92 --, NVwZ-RR 1993, 111; VGH München, Beschl. v. 17.09.1993 -- 24 C 93.30264 --, NVwZ-RR 1994, 299; VGH Kassel, Beschl. v. 30.08.1993 -- 5 TJ 1097/93 --, NVwZ-RR 1994, 300 [VGH Bayern 17.09.1993 - 24 C 93.30264]).
Diese, in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung nahezu einhellig vertretene Auffassung hat ihren Grund in dem der Vorschrift des § 24 BRAGO zugrunde liegenden Gesetzeszweck. Es sollte ein Gebührentatbestand für die Fälle geschaffen werden, in denen keine Vergleichsgebühr anfällt, weil die Rechtssache sich auf eine andere Weise als durch einen Vergleich der Beteiligten erledigt (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 23.04.1990, aaO; OVG Münster, Beschl. v. 28.01.1975, aaO; OVG Koblenz, Beschl. v. 14.12.1959 -- 1 C 22/58 --, NJW 1960, 934; s. auch von Eicken in: Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 13. Aufl. 1997, § 24 Rdnr. 7; Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl. 2000, § 24 Rdnr. 9).
Der Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts muss über die Tätigkeit hinausgehen, die bereits durch die Prozess- und Verhandlungsgebühr (§ 31 BRAGO) abgegolten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.08.1981, aaO; Urt. v. 04.10.1985, aaO; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 05.02.1993, aaO; OVG Münster, Beschl. v. 25.05.1992, aaO; VGH Kassel, Beschl. v. 30.08.1993, aaO).
Eine solche Tätigkeit hat der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) und Beschwerdeführer hier nicht erkennbar entfaltet. Ausweislich des Inhalts der vorliegenden Gerichtsakten hat der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) über seine schriftsätzlichen Äußerungen, mit denen er sich gegen das Vorbringen der Kläger gewandt hatte, keine (außerprozessualen oder prozessualen) Tätigkeiten entfaltet, die auf eine nichtstreitige Erledigung des Rechtsstreits abzielten. Auch das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung vom 14. Juni 2000 enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) über die Tätigkeit hinaus, die eine Prozess- und Verhandlungsgebühr entstehen ließ, tätig geworden ist. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Initiative zu der zur Erledigung führenden Änderung des angefochtenen Bescheids des Beklagten vom Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 2) ausgegangen sein könnte oder dass der Prozessbevollmächtigte auf den von ihm vertretenen Beigeladenen in irgendeiner Weise eingewirkt hat, um eine einvernehmliche Lösung zu erreichen. Dies hat der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) weder dargelegt noch auch nur behauptet.
Das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 2), er habe an der Erledigung des Rechtsstreits mitgewirkt, indem er die Ergänzung des Verwaltungsakts durch die Beklagte "abgenickt", wenn nicht sogar mündlich ausdrücklich gebilligt habe, rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, eine Gebühr nach § 24 BRAGO sei entstanden. Die Erledigung des Rechtsstreits ist nämlich allein durch die übereinstimmenden Erklärungen der Kläger und des Beklagten, der Rechtsstreit sei in der Hauptsache nach der Ergänzung des Verwaltungsakts erledigt, eingetreten. Die Rechtsfolge des § 161 Abs. 2 VwGO knüpft nach ganz herrschender Meinung -- unabhängig vom Wortlaut dieser Bestimmung -- allein an das Vorliegen zweier übereinstimmender Erledigungserklärungen der Hauptbeteiligten an. Auf eine (prozessrechtliche) Zustimmung des Beigeladenen zu 2) zu den übereinstimmenden Erledigungserklärungen kommt es nicht an; eine entsprechende Erledigungserklärung eines -- wenn auch notwendig -- Beigeladenen ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.06.1968 -- IV B 165.67 --, BVerwGE 30, 27; Beschl. v. 14.10.1988 -- 9 CB 52.88 --, NVwZ-RR 1989, 110; Urt. v. 15.11.1991 -- 4 C 27.90 --, NVwZ-RR 1992, 276; Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl. 1997, § 107 Rdnr. 17; J. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 161 Rdnr. 6).
Es ist nicht erkennbar, dass das "Abnicken" der Änderung des angefochtenen Bescheides unabdingbar Voraussetzung dafür war, dass die Kläger und der Beklagte das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Dafür hat der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) keiner konkreten Anhaltspunkte vorgetragen.
Es kommt auch nicht darauf an, dass das Abnicken der Änderung des angefochtenen Bescheides tatsächlich zur Erledigung des Rechtsstreits geführt hat. Denn eine Zustimmung des Beigeladenen zu 2) und eine damit verbundene tatsächliche Erledigung des Rechtsstreits zwischen allen Beteiligten ist für die Erledigung des Rechtsstreits zwischen den Klägern und dem Beklagten nicht erforderlich. Das Vorliegen eines tatsächlich erledigenden Ereignisses ist für die Erledigung eines Rechtsstreits nicht erheblich (BVerwG, Beschl. v. 27.10.1961 -- VII C 150.60 --, NJW 1960, 1076; Beschl. v. 20.10.1965 -- VIII C 72.64 --, DÖV 1966, 429; s. auch OVG Berlin, Beschl. v. 22.01.1985 -- 2 B 58/83 --, NVwZ 1986, 672; Redeker/von Oertzen, aaO, § 107 Rdnr. 16; Schmidt in: Eyermann, aaO, § 161 Rdnr. 6). Deswegen kommt es auch nicht auf die vom Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 2) aufgeworfene "Kontrollfrage" an, ob der Beigeladene zu 2) gegen den in der mündlichen Verhandlung durch den Beklagten geänderten Bescheid wohl noch Widerspruch einlegen könnte. Selbst wenn der Beigeladene zu 2) noch Widerspruch gegen die Beifügung der ihn belastenden Nebenbestimmung einlegen könnte und der Rechtsstreit im Hinblick auf diese Änderung des angefochtenen Bescheides noch nicht (endgültig) erledigt wäre, änderte sich nichts an der Erledigung des Rechtsstreits zwischen den Klägern und dem Beklagten in der Hauptsache.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Verfahrens hat der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 2) und Beschwerdeführer zu tragen, weil er selbst Beschwerde eingelegt hat, wie aus der Beschwerdeschrift hervorgeht.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 13 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).