Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.01.2023, Az.: 5 OA 136/22
Festsetzung des Streitwerts für beamtenrechtliche schriftliche Missbilligungen gegen Bundesbeamte
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.01.2023
- Aktenzeichen
- 5 OA 136/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 10259
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:0117.5OA136.22.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 19.12.2022 - AZ: 7 A 324/19
Rechtsgrundlagen
- § 6 S. 1, 2 BDG
- § 52 Abs. 2 GKG
Fundstellen
- NVwZ-RR 2023, 383-384
- NordÖR 2023, 122-123
Amtlicher Leitsatz
Bei außerhalb eines Disziplinarverfahrens nach allgemeinen beamtenrechtlichen Regelungen ergehenden schriftlichen Missbilligungen gegen Bundesbeamte ist - unabhängig davon, ob mit der Missbilligung ein Dienstvergehen zur Last gelegt wird oder nicht - ein Streitwert von 300 EUR anzusetzen.
Tenor:
Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer - vom 19. Dezember 2022 geändert.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 300,00 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Die Beschwerde hat Erfolg.
1. Die Streitwertbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der Frist des §§ 68 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 3 Satz 2 Gerichtskostengesetz - GKG - eingelegt worden.
Die für die Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde erforderliche Beschwer der Rechtsmittelführerin liegt ebenfalls vor. Der Senat versteht die der Auslegung zugängliche Beschwerdeschrift vom 22. Dezember 2022, in der es heißt "legen wir gegen die Streitwertfestsetzung aus dem Beschluss vom 19.12.2022 Beschwerde ein" dahingehend, dass die Prozessbevollmächtigten die Beschwerde im Namen der Beklagten eingelegt haben.
Denn die für die Zulässigkeit der Streitwertbeschwerde erforderliche Beschwer eines Rechtsmittelführers ist bei Streitwertbeschwerden, die durch Prozessbevollmächtigte im eigenen Namen eingelegt worden sind, allein dann zu bejahen, wenn eine zu niedrige Streitwertfestsetzung angegriffen, also eine Heraufsetzung des Streitwertes erstrebt, wird (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17.8.1998 - 25 WF 143/98 -, juris Rn. 1). Die Beschwer eines Beteiligten als Rechtsmittelführer ist hingegen regelmäßig dann gegeben, wenn eine Herabsetzung des Streitwertes begehrt - also eine zu hohe Streitwertfestsetzung gerügt - wird (vgl. BGH, Beschluss vom 12.2.1986 - IVa ZR 138/83 -, juris Rn. 4; OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.5.2004 - 7 W 5/04 -, juris Rn. 5). Da bei der Auslegung der Beschwerdeschrift stets davon auszugehen ist, dass der Rechtsmittelführer ein zulässiges Rechtsmittel einlegen will (vgl. Laube, in: BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Dien, Stand: 1. Oktober 2022, GKG § 68 Rn. 25 m. w. N.; vgl. in Bezug auf Prozesshandlungen zur Berücksichtigung dessen, was nach Maßstab der Prozessordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Partei entspricht: BGH, Beschluss vom 22.5.1995 - II ZB 2/95 -, juris Rn. 11), legt der Senat die mit dem Ziel der Herabsetzung des Streitwertes erhobene Beschwerde als im Namen der Beklagten eingelegt aus.
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Der von dem Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert in Höhe von 5.000 EUR ist auf 300 EUR herabzusetzen.
Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert unter Bezugnahme auf § 78 Satz 2 Bundesdisziplinargesetz - BDG - i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG mit der Begründung, die wirtschaftliche Bedeutung der Ermahnung und deren Entfernung aus der Personalakte für Beamte sei - auch mangels einer entsprechenden Regelung - nicht konkret zu bestimmen, mit den Auffangstreitwert bemessen.
Dies hält einer beschwerdegerichtlichen Überprüfung nicht stand.
Der Senat geht - wie durch das Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt - in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei außerhalb eines Disziplinarverfahrens nach allgemeinen beamtenrechtlichen Regelungen ergehenden schriftlichen Missbilligungen (zu denen die hier gegenständliche Ermahnung zählt) gegen einen niedersächsischen Landesbeamten, unabhängig davon, ob mit der Missbilligung ein Dienstvergehen zur Last gelegt wird oder nicht, gemäß §§ 40, 52 Abs. 1 GKG (hier in der zum Zeitpunkt der Einleitung des ersten Rechtszugs [18.9.2019] geltenden Fassung) ein Streitwert von 300 EUR anzusetzen ist (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 10.10.2008 - 5 OA 320/08 -, juris Rn. 3 f.; vom 9.9.2009 - 5 LA 155/08 -, vom 22.1.2013 - 5 LB 227/11 - und vom 5.12.2017 - 5 OA 211/17 -, jeweils n. v.).
Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Senats war dabei eine Entscheidung über eine auf Heraufsetzung des erstinstanzlich auf 300 EUR festgesetzten Streitwertes für eine beamtenrechtliche Missbilligung gerichtete Beschwerde. In seinem Beschluss führte der Senat aus, dass es nicht zu beanstanden ist, sich für die Wertfestsetzung an der Rechtsprechung des Senats zu orientieren, die den Streitwert im Fall der Anfechtung eines Verweises mit 300 EUR bemisst, weshalb der Streitwert nicht heraufzusetzen war (Beschluss vom 10.10.2008 - 5 OA 320/08 -, juris Rn. 3). Die in Bezug genommene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zu einem Verweis nach § 7 Niedersächsisches Disziplinargesetz - NDiszG - (Beschluss vom 6.1.2010 - 19 OD 13/19 -, juris Rn. 4) beruht wiederum auf der Annahme, dass ein Verweis (§ 7 NDiszG) eine mildere Disziplinarmaßnahme als eine Geldbuße (§ 8 NDiszG) ist, deren für die Streitwertbemessung maßgebliche Höhe nach Erfahrungswerten meist unter 500 EUR liegt. Um einen Abstand bei der Streitwertbemessung der Anfechtung von Verweisen einerseits und der (durchschnittlichen) Geldbuße andererseits zu wahren, erachtet das Oberverwaltungsgericht 300 EUR als Streitwert für die Anfechtung eines Verweises in ständiger Rechtsprechung als angemessen.
Zwar ist die beamtenrechtliche schriftliche Missbilligung - ebenso wie die vormals in § 6 Abs. 2 der am 1. Januar 2006 außer Kraft getretenen Niedersächsischen Disziplinarordnung a. F. - NDO - sowie weiterhin in § 6 Satz 2 BDG enthaltene Missbilligung - keine Disziplinarmaßnahme im eigentlichen, sondern wenn überhaupt nur im weiteren Sinne (vgl. Hummel/Köhler/Mayer, Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, 5. Auflage 2012, § 7 BDG Rn. 4 unter Bezugnahme auf BDiG, Beschluss vom 31.7.1997 - IV BK 11/96 -, juris Rn. 14 ff.). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 6 Satz 2 BDG. Allerdings ist sie der untersten Disziplinarmaßnahme, dem Verweis (§ 6 Satz 1 BDG, § 7 NDiszG), gleichwohl angenähert. Die von der Belastung für den Beamten ähnliche Gewichtung legt nahe, Verfahren betreffend die beiden Maßnahmen hinsichtlich des Gegenstandswertes gleich zu behandeln, beziehungsweise den Wert der wenn überhaupt geringer wiegenden Maßnahme - der beamtenrechtlichen schriftlichen Missbilligung - jedenfalls nicht höher als den Wert eines disziplinarrechtlichen Verweises zu bemessen.
Für eine weitere Abstufung der Streitwerte für einen Verweis und eine schriftliche Missbilligung besteht kein Anlass, da die Missbilligung der Wertigkeit des Verweises für den Betroffenen letztlich zumindest nahe kommt und sich eine Festsetzung des für die Missbilligung anzunehmenden Streitwertes auf weniger als 300 EUR innerhalb derselben Wertstufe der Anlage 2 zur § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG oder der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - gebührenrechtlich nicht auswirken würde.
Würde der Streitwert für eine beamtenrechtliche Missbilligung betreffend Bundesbeamte hingegen mit 5.000 EUR bemessen, käme es zu einem erheblichen Wertungswiderspruch zu dem für einen Verweis sowie für eine beamtenrechtliche Missbilligung betreffend Landesbeamte angenommenen Streitwert von 300 EUR. Für eine derartige Ungleichbehandlung von Landes- und Bundesbeamten sind für den Senat keine sachlichen Gründe ersichtlich.
Zudem ist - wie aus § 78 Satz 2 BDG ersichtlich - auch in den Verfahren, die gerichtliche Disziplinarverfahren der Bundesbeamten betreffen und solchen nach dem Bundesbeamtenrecht, eine übergreifende Stimmigkeit der Wertfestsetzungen zumindest anzustreben (vgl. diesbezüglich zu dem Recht der Landesbeamten: Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2008 - 5 OA 320/08 -, juris Rn. 3). Zwar sieht das BDG, ebenso wie das RVG, für Verfahren über eine Disziplinarklage in erster Instanz mit einem Antrag auf Verweis lediglich eine Festgebühr vor, welche die Wertfestsetzung in diesen Verfahren entbehrlich macht (nach § 78 Satz 1 BDG, Nr. 16 der Anlage zu § 78 BDG in Höhe von 60 €). Ein vollständiger Gleichlauf der Wertgebühren ist damit aufgrund der sich - selbst bei Festsetzung des Streitwertes auf der untersten Wertstufe bis 500 EUR nach der Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG - für ein verwaltungsgerichtliches Verfahren betreffend eine beamtenrechtliche Missbilligung ergebenden Gebühren in Höhe von 114 EUR (38 EUR * 3) nicht möglich. Allerdings spricht dies dafür, den Wert zumindest innerhalb der untersten Wertstufe bis 500 EUR und nicht mit dem Auffangwert von 5.000 EUR, der ein Achtfaches der Festgebühr betragende (161 EUR * 3 = 483 EUR) Gerichtsgebühren auslösen würde, zu bemessen.
Der Erwägung des Verwaltungsgerichts, der Streitwert von 300 EUR sei in dem vorliegenden Fall bereits deshalb nicht angemessen, da das Begehren des Klägers nicht nur auf die Aufhebung der Ermahnung, sondern darüber hinaus auch auf deren Entfernung aus der Personalakte gerichtet sei, ist entgegenzuhalten, dass es sich bei dem Begehren auf Entfernung der Ermahnung und der mit ihr im Zusammenhang stehenden Schreiben aus seiner Personalakte in der vorliegenden Konstellation um einen unselbständigen Annexantrag handelt, der sich nicht streitwerterhöhend auswirkt (vgl. Ziffer 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, NVwZ-Beilage 2013, 57). Denn stimmt der betreffende Beamte der Entfernung - wie er mit dem Klageantrag deutlich macht - zu, so sind Unterlagen, so sie sich als unbegründet oder falsch erwiesen haben, unverzüglich aus der Personalakte zu entfernen; dem Antrag kommt somit kein selbständiger materieller Gehalt zu (vgl. zu § 93 NBG: Nds. OVG, Beschluss vom 5.12.2017 - 5 OA 211/17 - n. v.).
Soweit mitunter in der obergerichtlichen Rechtsprechung abweichend hiervon für qualifizierte Missbilligungen der Auffangstreitwert von 5.000 EUR festgesetzt worden ist (so z. B. Sächs. OVG, Beschlüsse vom 24.1.2022 - 2 A 39/21 -, juris Rn. 19 und vom 18.2.2014 - 2 A 448/12 -, juris Rn. 43; Bay. VGH, Beschluss vom 27.1.2015 - 6 ZB 14.2121 -, juris Rn. 9; OVG NRW, Beschluss vom 23.5.2011 - 6 A 2594/09 -, juris Rn. 3; Hess. VGH, Beschluss vom 24.1.2019 - 1 E 2464/18 -, juris Rn. 3; OVG LSA, Beschluss vom 17.5.2016 - 1 L 176/15 -, juris Rn. 29), gibt dies dem Senat keinen Anlass, von seiner ständigen Rechtsprechung (s. o.) abzuweichen. Überwiegend enthalten die eingangs angeführten Entscheidungen neben der Nennung der der Festsetzung zugrunde liegenden Vorschriften keine weitere Begründung für die Annahme des Auffangstreitwertes und setzen sich im Übrigen weder mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats noch den vorstehend genannten, für einen niedrigeren Streitwert sprechenden Gründen inhaltlich auseinander.
3. Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.