Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.01.2023, Az.: 1 LB 23/22

Abweichung; Aufstellungsbeschluss; Ausfertigung; Ausnahme; Außenbereich; bedingte Baugenehmigung; Bebauungszusammenhang; Bedingung; Deichrecht; Ermessensreduzierung auf Null; Hafengebiet; Innenbereich; Veränderungssperre; Anspruch auf Baugenehmigung trotz Veränderungssperre

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.01.2023
Aktenzeichen
1 LB 23/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 17244
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0112.1LB23.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 22.02.2021 - AZ: 4 A 8680/17

Fundstelle

  • BauR 2023, 1478-1484

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    § 66 Abs. 6 NBauO gilt nur für Ausnahmen und Befreiungen, die ohne diese Vorschrift durch die Genehmigungsbehörde und nicht in einem besonders geregelten Verfahren zu erteilen wären.

  2. 2.

    In einem faktischen Industrie- bzw. Hafengebiet erwartet die Verkehrsauffassung große Freiflächen, jedenfalls wenn sie als Lager- und Verkehrsflächen ausgeprägt sind und sich die Bebauung ihnen dem Gewicht nach nicht klar unterordnet. Diese stehen der Annahme eines Bebauungszusammenhangs mithin nicht entgegen.

  3. 3.

    Der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan bedarf nicht der Ausfertigung.

  4. 4.

    Die Planungsabsichten einer Gemeinde können für den Erlass einer Veränderungssperre auch dann hinreichend konkret sein, wenn die Festsetzungstechnik hinsichtlich der angestrebten Art der baulichen Nutzung - hier Sondergebiet oder Industriegebiet - noch nicht feststeht.

  5. 5.

    Ein Bauantragsteller kann einen gebundenen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung unter Ausnahme von einer für den Vorhabenstandort geltenden Veränderungssperre haben, wenn die Planungsziele der Gemeinde dem Vorhaben nicht entgegenstehen und bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre ein Genehmigungsanspruch bestand.

  6. 6.

    Eine Erweiterung der für die Entscheidung über eine Ausnahme von einer Veränderungssperre maßgeblichen gemeindlichen Planungsziele ist grundsätzlich nur durch Beschlüsse des zuständigen Gemeindeorgans (z.B. Offenlegungsbeschluss, Satzungsbeschluss) möglich.

  7. 7.

    Steht der Erteilung einer Baugenehmigung lediglich noch das Fehlen einer nach der Schlusspunkttheorie erforderlichen weiteren Zulassungsentscheidung entgegen, so kommt eine aufschiebend bedingte Genehmigungserteilung in Betracht, wenn der Bauantragsteller sein Interesse daran kundgetan hat. Das insoweit grundsätzlich bestehende Ermessen ist auf Null reduziert, wenn die Genehmigungsbehörde in ständiger Verwaltungspraxis davon absieht, die Baugenehmigung erst nach der weiteren Zulassungsentscheidung zu erteilen.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 22. Februar 2021 - - teilweise geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine Baugenehmigung nach Maßgabe ihres Bauantrages vom 19. Juni 2017 unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass der Landkreis Aurich ihr für diese Nutzung eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 der Verordnung über die Benutzung des Deichvorlandes zum Schutze der Hauptdeiche im Landkreis Aurich vom 22. September 2011 erteilt. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2018 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Baugenehmigung für die Einrichtung von gewerblichen Parkplätzen auf dem Werksgelände ihrer Schiffswerft; in der Sache streiten die Beteiligten um die Lage des Vorhabens im Innen- oder Außenbereich sowie die Auswirkungen einer zwischenzeitlich beschlossenen Veränderungssperre.

Das Vorhabengrundstück liegt im Hafen von Norddeich; dieser besteht aus einem westlichen und einem L-förmigen östlichen Hafenbecken, getrennt durch eine Mole mit dem Fähranleger nach Norderney und Juist. Im Südosten der Mole, südwestlich des Osthafens, liegen mehrere teils eng aneinander gebaute Gebäude - Kfz-Werkstatt, Polizei, Bauhof, ein Restaurant, ein Schiffsausrüster. Östlich des Osthafens befindet sich eine dreieckige umwallte Lagerfläche im Winkel zwischen den beiden Armen des Hafenbeckens; am Abschluss von dessen Südarm stehen eine ca. 15 x 20 m große Halle und zwei kleinere Gebäude. Nordöstlich davon befindet sich das Werksgelände der Klägerin. Dessen ursprünglich ca. 100 x 40 m messender Komplex aus Werkhallen, Betriebswohnungen, einer Schlosserei und einer Lackiererei wurde seit 2007 sukzessive nach Nordosten um zwei ca. 80 x 40 m große Hallen erweitert. Östlich der Hallen liegt eine knapp 7.000 m2 große Freifläche. An die Westecke des alten Gebäudekomplexes ist nach 2011 ein L-förmiges Bürogebäude - Betriebsführungszentrale der H. - angebaut worden. Östlich des Betriebsgeländes der Klägerin steht eine von der Kutterfischerei genutzte ca. 20 x 30 m große Halle. Im Nordwesten schließen sich an die Hallen der Klägerin eine 13 x 25 m große Lagerhalle und eine ca. 140 m breite Freifläche an, gefolgt von der aus mehreren 2015 bzw. 2018 errichteten, ausgedehnten Gebäuden bestehenden Betriebszentrale eines Windenergieunternehmens (I.). Die Freiflächen zwischen dieser Bebauung werden überwiegend als Verkehrs- und Lagerflächen genutzt. Im Nordosten wird der vorbezeichnete Bereich durch den Hafenschutzdamm von zeitweise überschwemmten Salzwiesen- und Wattflächen, im Südosten durch den Hauptdeich von der Ortslage Norddeich abgegrenzt. Der Osthafen wird verkehrlich zum einen durch die nördlich des Hauptdeichs verlaufende, die zum Fähranleger führende B 72 ebenerdig kreuzende Hafenstraße, zum andere mittels einer den Hauptdeich querenden Rampe über die südlich des Deichs verlaufende Tunnelstraße, die unter der B 72 und der parallel zu dieser verlaufenden Bahnstrecke hindurch zur Norddeicher Straße führt, erschlossen.

Die Klägerin unterhält auf ihrem Betriebsgelände eine Schiffswerft; die Werfthallen nutzt sie im Wesentlichen im Winter. Bereits 2005 hatte sie die Erteilung einer Baugenehmigung für die Einrichtung von damals insgesamt 1.000 Kfz-Stellplätzen, teils in den Hallen, teils im Freien, zur gewerblichen Vermietung in den Sommermonaten (15. April bis 30. September) beantragt. Die nach Ablehnung dieses Antrags erhobene Klage blieb letztlich erfolglos. Am 19. Juni 2017 stellte die Klägerin einen neuen Bauantrag, beschränkt auf 175 Einstellplätze in den Hallen und 193 Einstellplätze im Freien. Nach Erhebung einer Untätigkeitsklage am 28. November 2017 hat die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 24. Januar 2018 abgelehnt. Am 2. Oktober 2020 machte die Beklagte für den Bereich östlich des Osthafens eine Veränderungssperre zur Sicherung des seit Juli 2020 in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 220 "Norddeich Hafen Ost" bekannt. Die Klägerin hat darauf hilfsweise einen Fortsetzungsfestsetzungsantrag gestellt.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22. Februar 2021 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das Vorhaben liege im Außenbereich und sei dort wegen Beeinträchtigung öffentlicher Belange unzulässig. Die Außenbereichslage habe bereits der Senat in seinem Urteil vom 7. Juli 2011 - 1 LB 259/10 - festgestellt; dies sei vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. April 2012 - 4 C 10.11 - bestätigt worden. Nach den Feststellungen des Senats scheide die Bebauung jenseits des Hauptdeichs aufgrund von dessen trennender Wirkung aus der Betrachtung aus. Auch die Bebauung südlich der Mole bilde mit der Bebauung östlich des Osthafens keinen Bebauungszusammenhang; hierfür sei die zwischen beiden gelegene Freifläche von rd. 200 m zu groß. Die Bebauung östlich des Osthafens allein habe kein hinreichendes Gewicht, um einen eigenen Ortsteil zu bilden. An diesen Erwägungen, denen sich der Einzelrichter anschließe, habe sich auch durch die seit den genannten Entscheidungen vollzogene bauliche Entwicklung nichts geändert. Zwischen dem Werksgelände der Klägerin und der Bebauung südöstlich der Mole sei keine neue Bebauung hinzugetreten. Östlich des Osthafens zählten lediglich die Betriebsführungszentralen der Firmen I. und H. sowie die Schlosserei, Lackiererei und die beiden Betriebsleiterwohnungen auf dem Grundstück der Klägerin zur für die Beurteilung relevanten Bebauung, nicht dagegen die Lagerhallen des Hafenamtes, die Vogelbeobachtungswarte, die Bootshallen der Klägerin, die Lagerhalle der Fischer und die Hallen südlich des Baugrundstücks. Bebauung i.S.d. § 34 BauGB seien grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienten; Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt würden oder in einem weiteren Sinne "Nebenanlagen" seien, seien dagegen in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellten. Die hiernach berücksichtigungsfähige Bebauung vermittele nicht den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit. Zudem seien sie nicht in der Lage, dem Gebiet ein bestimmtes städtebauliches Gepräge zu verleihen, und damit nicht Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Die Betriebsführungszentralen der beiden Offshore-Betriebe und die Schlosserei und Lackiererei des Werftbetriebes der Klägerin seien zwar typischerweise einem sonstigen Sondergebiet "Hafen" zuzuordnen; die Art der baulichen Nutzung in einem Hafengebiet sei aber nicht in der BauNVO vorgegeben. Das mithin im Außenbereich geplante und nicht privilegierte Vorhaben sei unzulässig, weil es die unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung bewirke. Ob die 2020 erlassene Veränderungssperre wirksam sei, könne daher dahinstehen.

Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 22. Februar 2022 zugelassenen Berufung macht die Klägerin unter Vertiefung des tatsächlichen Vorbringens zu den östlich des Osthafens vorhandenen Nutzungen geltend, das Vorhaben liege im Innenbereich, wo es sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Selbst im Außenbereich sei es zulässig, da ihm keine öffentlichen Belange entgegenstünden. Die Veränderungssperre sei unwirksam, da der Planaufstellungsbeschluss nicht ortsüblich bekannt gemacht und die Planung nicht hinreichend konkretisiert gewesen sei; sehe man dies anders, sei jedenfalls ihr Hilfsantrag begründet. Die von der Beklagten nunmehr geforderte Verkehrsuntersuchung habe sie bereits erstinstanzlich vorgelegt; diese bescheinige die Unbedenklichkeit der Erschließung. § 2 Nr. 1 der Verordnung über die Benutzung des Deichvorlandes zum Schutze der Hauptdeiche im Landkreis Aurich (DeichVorlV) vom 22. September 2011 stehe der Erteilung der Baugenehmigung nicht entgegen, da diese Norm keine im Genehmigungsverfahren zu prüfende Vorschrift des öffentlichen Baurechts sei. Selbst wenn dies anders sei, sei ihr eine Baugenehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass sie eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 DeichVorlV erhalte. Die Erteilung einer bedingten Baugenehmigung sei als minus in ihrem Antrag auf unbedingte Genehmigungserteilung enthalten. Das Ausnahmeermessen des Landkreises sei auf Null reduziert. Die Ausnahmegenehmigung habe sie nur deshalb noch nicht beantragt, weil nach Auskunft des Landkreises Aurich zunächst abgewartet werden solle, ob die Beklagte eine - unter dem 2. Juni 2022 beantragte - Ausnahme von der Veränderungssperre zulasse.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Oldenburg v. 22. Februar 2021, Az.: , zu verpflichten, der Klägerin unter Aufhebung der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 24. Januar 2018 eine Baugenehmigung zur temporären Umnutzung der vorhandenen Gewerbehallen 2 und 3 in Großgaragen mit insgesamt 175 Einstellplätzen und zur Errichtung und den Betrieb eines Freiflächenparkplatzes mit weiteren 193 Einstellplätzen auf dem Grundstück A-Straße, A-Stadt, im Zeitraum vom 15. April bis 30. September eines jeden Kalenderjahres nach Maßgabe des Bauantrages vom 19. Juni 2017 zu erteilen,

hilfsweise,

der Klägerin einen planungsrechtlichen Vorbescheid (Bebauungsgenehmigung) für ihr mit Bauantrag vom 19. Juni 2017 beantragtes Bauvorhaben zu erteilen,

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass die begehrte Baugenehmigung vor dem 2. Oktober 2020 zu erteilen war,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, der Hauptantrag sei nicht spruchreif, da die Sicherheit des Zu- und Abgangsverkehrs nicht nachgewiesen sei. Die Verkehrssituation werde sich künftig noch verschärfen, wenn Personenfährverkehr sowie weitere gewerbliche Nutzungen im Bereich östlich des Hafenbeckens hinzukämen und der Deichfuß in Richtung Hafen mit der Folge verbreitert werde, dass die Hafenstraße für den Publikumsverkehr gesperrt werde. Darüber hinaus fehle die erforderliche Ausnahmegenehmigung hinsichtlich der DeichVorlV. Die östlich des Hafenbeckens vorhandenen Nutzungen seien dort nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB privilegiert und könnten daher keinen Ortsteil iSd § 34 BauGB bilden.

Der Rat der Antragsgegnerin hat die für den Osthafen erlassene Veränderungssperre mit Satzungsbeschluss vom 5. Juli 2022 - bekannt gemacht am 23. September 2022 - um ein Jahr verlängert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift sowie die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klage ist ungeachtet der Tatsache, dass ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt wurde, zulässig. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet, da die Ablehnung ihres Bauantrags die Klägerin in diesem Umfang in ihren Rechten verletzt und die Sache spruchreif ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat zwar keinen Anspruch auf Erteilung einer unbedingten Baugenehmigung (I.). Ein Anspruch besteht jedoch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung unter der im Tenor formulierten aufschiebenden Bedingung. (II).

I.

Der Erteilung einer unbedingten Baugenehmigung steht § 2 Nr. 1 DeichVorlV entgegen. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme, soweit sie genehmigungsbedürftig und eine Prüfung erforderlich ist, dem öffentlichen Baurecht entspricht.

§ 2 Nr. 1 DeichVorlV ist eine Vorschrift des öffentlichen Baurechts. Öffentliches Baurecht im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO sind gemäß § 2 Abs. 17 NBauO die Vorschriften der Niedersächsischen Bauordnung, die auf ihrer Grundlage erlassenen Vorschriften, das städtebauliche Planungsrecht und die sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts, die Anforderungen an bauliche Anlagen, Bauprodukte oder Baumaßnahmen stellen oder die Bebaubarkeit von Grundstücken regeln. § 2 Nr. 1 DeichVorlV mit dem Wortlaut:

"Es ist verboten, im Deichvorland

1. bauliche Anlagen jeder Art, auch temporäre oder baugenehmigungsfreie, zu errichten, wesentlich zu verändern oder zu betreiben"

ist eine Vorschrift des öffentlichen Rechts, die die Bebaubarkeit von Grundstücken regelt. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Zuordnung der Norm zum öffentlichen Baurecht nicht entgegen, dass § 2 DeichVorlV ausweislich der Verordnungsermächtigung in § 21 Abs. 4 Satz 1 Niedersächsisches Deichgesetz (NDG) das Ziel des Deichschutzes verfolgt und in seinen übrigen Nummern - jedenfalls einigen davon - auch Handlungen verbietet, die keine Baumaßnahmen sind. Das öffentliche Baurecht verfolgt eine Vielzahl von "Fernzielen", die für sich genommen anderen Rechtsmaterien zuzuordnen und dementsprechend auch außerhalb der baurechtlichen Gesetzeswerke i.e.S. (BauGB, Landesbauordnungen) geregelt sind. Gerade deshalb führt § 2 Abs. 17 NBauO die sonstigen Vorschriften des öffentlichen Rechts als Fallgruppe auf. Die Tatsache, dass in § 14 Abs. 6 und § 16 Abs. 3 NDG ausdrücklich geregelt ist, dass die Erteilung von Baugenehmigungen erst nach Erteilung der dort genannten Ausnahmegenehmigungen (vom Verbot der Benutzung des Deiches bzw. eines 50-m-Streifens hinter dem Deich) erfolgen darf, während eine entsprechende Vorgabe für § 2 Nr. 1 DeichVorlV des Landkreises Aurich fehlt, ändert an der Einordnung der Vorschrift nichts. Die §§ 14 Abs. 6, 16 Abs. 3 NDG sind mit Blick auf § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO i.V.m. dem Fehlen einer Vorgabe zur Konzentrationswirkung der Baugenehmigung sowie die in Niedersachsen - siehe dazu näher im Folgenden - geltende Schlusspunkttheorie ohnehin rein deklaratorisch. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit diesen Normen deichrechtliche Bodennutzungsregeln grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des § 2 Abs. 17 NBauO herausnehmen wollte, nur um dann - beschränkt auf den Deichkörper und das Hinterland - die sich aus der NBauO ergebenden Rechtsfolgen konstitutiv selbst wieder anzuordnen, bestehen nicht. Dass im NDG selbst eine §§ 14 Abs. 6, 16 Abs. 3 NDG entsprechende Regelung fehlt, ist vielmehr konsequent, da der Gesetzgeber die Regelung der Nutzung des Deichvorlandes der Deichbehörde als Verordnungsgeberin überlassen hat; dass diese ihrerseits auf eine §§ 14 Abs. 6, 16 Abs. 3 NDG entsprechende Regelung verzichtet hat, ist ebenfalls folgerichtig, da § 2 DeichVorlV, wie die Klägerin selbst zutreffend vorträgt, nicht nur baurechtliche Regelungen enthält.

Aus § 70 Abs. 1 Satz 1 NBauO folgt, dass die Baugenehmigung, setzen Vorschriften des öffentlichen Baurechts die Erteilung weiterer Zulassungsentscheidungen, hinsichtlich derer die Baugenehmigung keine Konzentrationswirkung entfaltet, voraus, erst nach Vorliegen dieser Entscheidungen erteilt werden darf, da das Vorhaben ohne diese jedenfalls formell nicht dem öffentlichen Baurecht entspricht (Schlusspunkttheorie, st. Senatsrechtspr., vgl. Senatsbeschl. v. 17.1.2022 - 1 ME 142/21 -, BauR 2022, 631 = juris Rn. 14; Urt. v. 30.4.2014 - 1 LB 200/12 -, BauR 2014, 1455 = BRS 82 Nr. 161 = juris Rn. 32). Eine Konzentrationswirkung hinsichtlich der Ausnahmeentscheidung nach § 3 DeichVorlV ist weder in der DeichVorlV, noch im NDG oder in der NBauO vorgesehen. Sie ergibt sich auch nicht aus § 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 NBauO. Nach § 66 Abs. 3 Satz 1 NBauO wird eine Abweichung, wenn die Erteilung einer Baugenehmigung von ihr abhängt, durch die Baugenehmigung zugelassen. Nach § 66 Abs. 6 NBauO gelten die Absätze 2 und 3 der Vorschrift auch für die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen nach anderen Vorschriften des öffentlichen Baurechts, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 3 i.V.m. § 2 Nr. 1 DeichVorlV ist zwar, wie dargelegt, eine andere Vorschrift des öffentlichen Baurechts. Allerdings gilt § 66 Abs. 6 NBauO nur für Ausnahmen und Befreiungen, die ohne diese Vorschrift durch die Genehmigungsbehörde zu erteilen wären. Die Norm stellt für Ausnahme- bzw. Befreiungsentscheidungen, für die das Gesetz lediglich ein materiell-rechtliches Entscheidungsprogramm vorgibt, ein Trägerverfahren zur Verfügung (vgl. LT-Drs. 16/3195, S. 102 f.), führt aber nicht zu einer Verlagerung gesetzlich bestimmter Zuständigkeiten und Verfahrensvorschriften. Sind Zuständigkeit - hier des Landkreises Aurich als unterer Deichbehörde - und Trägerverfahren, wie hier, jedoch abweichend von § 66 NBauO geregelt, so ist für die Anwendung von dessen Absatz 6 kein Raum.

II.

Die Antragsgegnerin durfte das Fehlen der deichrechtlichen Ausnahmeentscheidung angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falls jedoch nicht zum Anlass nehmen, die beantragte Baugenehmigung insgesamt zu versagen; vielmehr war sie ausnahmsweise gehalten, den (noch) bestehenden Genehmigungshindernissen durch Erteilung einer aufschiebend bedingten Baugenehmigung Rechnung zu tragen.

1.

Vom Ausstehen der deichrechtlichen Ausnahmeentscheidung abgesehen ist das Vorhaben genehmigungsfähig.

a)

Das Vorhaben erfüllt die bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB.

aa)

Der Vorhabenstandort liegt, wie in der mündlichen Verhandlung auch der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin eingeräumt hat, innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Maßstabbildende Anlagen, die eine gewerbliche Hauptnutzung beherbergen, sind jedenfalls der Gebäudekomplex der Klägerin sowie die beiden Gebäudekomplexe der Firma I. im A-Stadt des östlichen Hafenareals. Der erstere Komplex schließt die drei großen Bootshallen des klägerischen Betriebs ein. Hierfür sprechen bereits ihre Dimensionen sowie ihre bauliche Verbindung mit den auch vom Verwaltungsgericht als maßstabbildend angesehenen Betriebsteilen der Klägerin (vgl. zur Relevanz dieses Kriteriums BVerwG, Beschl. v. 11.7.2002 - 4 B 30.02 -, ZfBR 2002, 808 = BRS 65 Nr. 80 = juris Rn. 3). Die Bürocontaineranlage des Windenergiezulieferers J. (A-Straße, in der Südostecke der dreieckigen Lagerfläche), nach unbestrittenen Angaben der Klägerin mit 15 Beschäftigten besetzt und im Internetauftritt der Firma als Geschäftsadresse angegeben, und das relativ kleine Bürogebäude der tennet GmbH östlich des südlichen Ausläufers des Osthafens, sind ebenfalls maßstabbildende Hauptnutzungen. Ob Gleiches für die Reparaturhalle der örtlichen Fischerei südöstlich des klägerischen Betriebs, die Lagerhalle von K. und die Lagerhalle der L. unmittelbar am Südostende des Osthafens gilt, kann angesichts dessen dahinstehen. Zwar sind die Abstände zwischen den einzelnen baulichen Anlagen zwischen Osthafen und Hafendeich sowie dieser Anlagen zur Bebauung am Südostrand des Osthafens mit bis zu 200 m teils durchaus beträchtlich. Allerdings ist dies in Relation zu setzen zu den gewaltigen Dimensionen der maßstabbildenden Bebauung selbst mit Fassadenlängen von teils über 100 m und signifikanten Höhen. Maßgeblich für die Beurteilung, ob Freiflächen als Baulücken innerhalb eines Bebauungszusammenhangs oder als Unterbrechung desselben wahrgenommen werden, ist die Verkehrsauffassung. In einem - hier in Rede stehenden - faktischen Industrie- bzw. Hafengebiet - erwartet die Verkehrsauffassung große Freiflächen, jedenfalls wenn sie, wie zu beträchtlichen Teilen hier, als Lager- und Verkehrsflächen ausgeprägt sind und sich die Bebauung ihnen dem Gewicht nach nicht klar unterordnet. Die maßstabbildende Bebauung hat angesichts ihrer Dimensionen auch das für die Annahme eines Ortsteils nötige Gewicht, und zwar unabhängig davon, ob man die Bebauung östlich des Hafenbeckens isoliert oder im Zusammenhang mit den südlich des Hafenbeckens und auf der Mole gelegenen Gebäuden betrachtet. Teil dieses Bebauungszusammenhangs ist der gesamte Vorhabenstandort, auch die Freifläche südöstlich der Bootshallen; selbst wenn die Reparaturhalle der örtlichen Fischerei südöstlich der Bootshalle selbst nicht mehr maßstabbildend wäre, bildete doch der Hauptdeich nach Südosten eine Zäsur, die nach der Verkehrsauffassung den Bebauungszusammenhang über die dann als letzte maßstabbildende Bebauung zu bewertende Bootshalle hinaus erweiterte.

bb)

Die beantragte Nutzung fügt sich nach Art - Gewerbebetrieb - und Maß der baulichen Nutzung sowie der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Entsprechende Vorbilder sind dort vorhanden. Die Auffassung der Antragsgegnerin, ein Einfügen könnte hier ausnahmsweise trotz Wahrung des Umgebungsrahmens zu verneinen sein, weil das Vorhaben aufgrund seines Zu- und Abgangsverkehrs ein Planungsbedürfnis hervorrufe, überzeugt nicht.

Die Klägerin hat mit Gutachten vom 24. Juli 2019 die Erschließungssituation untersuchen lassen. Das Gutachten prüft die Belastung der Kreuzungen B 72/Hafenstraße, B 72/Zum Inselparkplatz und Tunnelstraße/Zum Inselparkplatz und kommt zu dem Ergebnis, dass die Verkehrsqualität an allen Knotenpunkten "gut" bis "sehr" gut mit mittleren Wartezeiten von maximal 13 Sekunden bleibt. Es legt dabei den Verkehr am wöchentlichen Spitzentag (Samstag) zur Zeit des Sommerferienbeginns in Nordrhein-Westfalen zugrunde und unterstellt, dass das Vorhaben 1.000 Parkplätze anstelle der noch beantragten 368 vorsehe. Die Beklagte hält dem lediglich entgegen, dass das Gutachten am einzig potentiell problematischen Knotenpunkt 1 (B 72/Hafenstraße) den Einfluss der Schrankenschließungen des Bahnübergangs über die Hafenstraße nicht berücksichtige und dass das Zusammenwirken des fließenden Verkehrs und der Fußgänger nicht betrachtet werde, welches auch das Gutachten als "bereits heute problematisch" einstufe. In beiden Fällen argumentiert das Gutachten jedoch überzeugend, es sei vorhabenbedingt keine spürbare Veränderung gegenüber der heutigen Verkehrssituation zu erwarten. Der Einfluss der Schrankenschließung ist ohnehin nicht recht zu erkennen; die Bahntrasse verläuft südwestlich der B 72, auf der der wesentliche Zu- und Abgangsverkehr zum Norddeicher Hafen stattfindet. Die Schrankenschließung kann nur den Abbiegeverkehr von der B 72 nach Südwesten beeinflussen, während der vorhabenbedingte Mehrverkehr Abbiegeverkehr von der B 72 nach Nordosten sein würde.

Aber auch hinsichtlich des Fußgängerverkehrs ist keine ein Planungsbedürfnis begründende Verschlechterung zu erkennen. Der vorhabenbedingte PKW-Verkehr mag, soweit er über die Hafenstraße abgewickelt wird, an dem Zebrastreifen, den die Nutzer des bisherigen Großparkplatzes auf dem Weg zum Hafen queren müssen, geringfügig zunehmen. Auch räumt das von der Antragstellerin eingeholte Gutachten selbst ein, dass die Querungssituation schon jetzt regelungsbedürftig sei. Eine auch bisher unbefriedigende straßenverkehrsrechtliche Situation begründet jedoch für sich genommen kein Zulassungshindernis für sonst im unbeplanten Innenbereich unbedenkliche Vorhaben; vielmehr obliegt es grundsätzlich der zuständigen Straßenverkehrsbehörde bzw. dem Träger der Straßenbaulast, hierauf zu reagieren. Gleiches gilt für die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gestellte Verkehrssituation im Osthafen selbst. Auch dort mag die Fußgängerführung im Bereich der Zufahrt zum Betriebsgelände der Klägerin und entlang der Hafenstraße schon heute verbesserungsbedürftig sein; sie ist jedoch nicht in einer Weise defizitär, dass ein Hinzutreten des klägerischen Vorhabens eine Konfliktbewältigung mit den Mitteln der Bauleitplanung erfordert. Ob im Einzelfall anderes gälte, wenn die vom Vorhaben verursachten Verkehrsauswirkungen sich deutlich von denen anderer am Standort zulässiger Vorhaben - hier etwa klassischer Gewerbebetriebe mit dem Zu- und Abgangsverkehr der Beschäftigten, Kunden und Lieferanten -, unterschieden, und wenn seine Auswirkungen auch nicht allein mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts bewältigt werden könnten, kann dahinstehen; denn eine solche Situation ist hier nicht ansatzweise ersichtlich. Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung auf mögliche künftige Erhöhungen der Verkehrsfrequenzen im östlichen Hafengebiet selbst hingewiesen hat, ist ihr bereits entgegenzuhalten, dass maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist.

cc)

Aus den vorgenannten Erwägungen ergibt sich auch, dass die Erschließung des Vorhabens gesichert ist.

b)

Die am 22. September 2020 beschlossene, am 2. Oktober 2020 bekannt gemachte Veränderungssperre steht der Erteilung der beantragten Baugenehmigung nicht entgegen. Die gegen die Wirksamkeit dieser Veränderungssperre geltend gemachten Einwände der Klägerin greifen zwar nicht durch (aa). Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre durch die Baugenehmigung (bb).

aa)

Wirksamkeitsbedenken ergeben sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass der Aufstellungsbeschluss des Rats der Beklagten nicht von deren Bürgermeister ausgefertigt wurde. Landesrechtlich ist ein Ausfertigungserfordernis für derartige Beschlüsse in Niedersachsen nicht geregelt. Das bundesrechtliche Rechtsstaatsgebot fordert eine Ausfertigung lediglich für Rechtsnormen, etwa Bebauungspläne als Satzungen. Der Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan ist keine Rechtsnorm, sondern lediglich der verwaltungsinterne erste Schritt zum Erlass einer Rechtsnorm; daran ändert weder die Vorgabe in § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB, den Aufstellungsbeschluss ortsüblich bekannt zu machen, noch der Umstand, dass diese Bekanntmachung Voraussetzung für die Inkraftsetzung einer (ihrerseits als Satzung ausfertigungsbedürftigen, hier aber unstreitig ausgefertigten) Veränderungssperre ist, etwas. Der von der Klägerin zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung angeführte Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Januar 1998 (- 4 NB 3.97 -, NVwZ 1998, 1067 = BRS 60 Nr. 26 = juris Rn. 13 ff.) befasst sich mit der Ausfertigung des Bebauungsplans; der Aufstellungsbeschluss wird darin nicht einmal erwähnt.

Die Veränderungssperre ist nicht mangels hinreichender Konkretisierung der mit ihr gesicherten Planungsabsichten der Beklagten unwirksam. Eine Veränderungssperre darf nur erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.10.2010 - 4 BN 26.10 -, BRS 76 Nr. 108 = juris Rn. 6; v. 1.10.2009 - 4 BN 34.09 -, Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr. 29 = BRS 74 Nr. 121 = juris Rn. 9; Urt. v. 19.2.2004 - 4 CN 16.03 -, BVerwGE 120, 138 = BRS 67 Nr. 11 = juris Rn. 17). Dabei sind die Anforderungen an die Planungsabsichten freilich nicht zu überspannen. Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept ist nicht erforderlich. Auch muss die Planung noch keinen Stand erreicht haben, der nahezu den Abschluss des Verfahrens ermöglicht. Daher darf der Erlass einer Veränderungssperre nicht von endgültigen Aussagen zur Lösung von Nutzungskonflikten abhängig gemacht werden, die erst im weiteren Verlauf des Planungsverfahrens im Rahmen einer umfassenden Abwägung aller betroffenen privaten und öffentlichen Belange und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung möglich sind (BVerwG Beschl. v. 14.10.2022 - 4 BN 12.22 -, BauR 2023, 179 = juris Rn. 9 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügen die von der Antragsgegnerin bei Erlass der Veränderungssperre formulierten Planungsabsichten (noch). In der Ratsvorlage zum Aufstellungsbeschluss heißt es:

"... [Das Fehlen eines Bebauungsplans ist problematisch,] da Flächen für hafenaffine Nutzungen benötigt werden [...]. Der Hafen hat sich in der Vergangenheit erfolgreich entwickelt, so dass sich dort Nutzungen wie Fährbetrieb (Inselversorgung und Tourismus), Versorgung von Offshore-Windenergieanlagen, Fischerei, Werftbetrieb etc. finden. Diese erfolgreiche Entwicklung soll durch die Aufstellung des Bebauungsplanes fortgeführt werden.

Da Erweiterungsmöglichkeiten wie beschrieben nicht vorhanden sind, die vorhandene knappe Fläche aber für diejenigen Betriebe, die auf eine Lage im Hafen angewiesen sind zur Verfügung stehen sollen, wird die Aufstellung eines Bebauungsplanes empfohlen.

Die Planung soll sich vor allem auf den östlichen Hafenbereich konzentrieren, da hier der Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeiten und der weiteren Entwicklung des Hafens liegt. [...].

Nutzungen, die keine direkten Hafenflächen benötigen, sollen ausgeschlossen werden. Der Hafen ist auf ausreichende Umschlag- und Logistikflächen angewiesen, deren Erweiterung es vielfach bedarf, um leistungsfähig zu bleiben. Das beruht auf der Bedeutung von Häfen als logistische Drehscheiben zur Sicherung der lokalen und regionalen Wirtschaft."

Die Antragsgegnerin hat damit deutlich gemacht, dass sie im Plangebiet - von den üblichen Verkehrs- und sonstigen Nebenflächen abgesehen - Artfestsetzungen treffen und dabei nur "hafenaffine" Nutzungen zulassen möchte. Darüber hinaus hat sie zumindest Anhaltspunkte dafür benannt, was sie sich unter derartigen Nutzungen vorstellt. Zum einen wird deutlich, dass es sich um gewerbliche Nutzungen handelt. Zum anderen ist erkennbar, dass es Nutzungen sein sollen, die "direkte Hafenflächen benötigen" bzw. "Betriebe, die auf eine Lage im Hafen angewiesen sind". Um daraus einen den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots genügenden Nutzungskatalog zu entwickeln, ist sicher noch eine gewisse Verfeinerung nötig. Diese bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens einer (ersten) Veränderungssperre zu fordern, hieße allerdings, die Anforderungen an das erforderliche "Mindestmaß" konkreter planerischer Festsetzungen zu überspannen und letztlich bereits im Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses jedenfalls mit Blick auf die zukünftigen Artfestsetzungen einen fertigen Planentwurf zu fordern. Auch der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Forderung nach einem Mindestmaß an Konkretisierung auch mit dem Anliegen verbindet, eine Entscheidungsgrundlage für die Ausübung des Ausnahmeermessens nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB herzustellen, führt nicht zu strengeren Anforderungen. Diese Anforderung kann nicht dahingehend verstanden werden, dass der Aufstellungsbeschluss bereits sämtliche Zweifelsfälle hinsichtlich der Übereinstimmung von Vorhaben mit den künftigen Planfestsetzungen ausräumt; das liefe auf eine Notwendigkeit, das Ergebnis des Planaufstellungsverfahrens vorwegzunehmen, hinaus. Ist, wie hier, für einen gewissen "Kernbestand" an Vorhaben die Übereinstimmung erkennbar, so genügt dies; hinsichtlich der "Grenzfälle" ist es gerechtfertigt, die Ausnahmeerteilung mit Blick auf die noch ausstehende Konkretisierung des Plans zu versagen.

Unerheblich ist, dass nicht deutlich wird, ob der beabsichtigte Nutzungskatalog über ein sonstiges Sondergebiet "Hafengebiet" (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BAuNVO), ein Industrie- oder ein Gewerbegebiet mit Feinsteuerung nach § 1 Abs. 6 - 9 BauNVO festgesetzt werden soll. Abgesehen davon, dass hier alles auf die Festsetzung eines Hafengebiets hindeutete, ist entscheidend für den Konkretisierungsgrad nicht die Festsetzungstechnik, sondern der Inhalt der Festsetzungen.

Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die Planvorstellungen der Beklagten erschöpften sich tatsächlich darin, ihr Vorhaben zu verhindern. Wie die Klägerin selbst ausführt, liegt eine unzulässige Negativplanung nicht schon deswegen vor, weil die Gemeinde die Planung aus Anlass eines konkreten, bisher zulässigen Vorhabens betreibt, das sie verhindern will, oder weil sie das Ziel verfolgt, eine Ausweitung bestimmter bisher zulässiger Nutzungen zu verhindern, selbst wenn dies jeweils den Hauptzweck einer konkreten Planung darstellt (BVerwG, Beschl. v. 14.10.2022 - 4 BN 12.22 -, BauR 2023, 179 = juris Rn. 9 m.w.N.). Das gilt auch im vorliegenden Fall. Das Ziel, Parkplätze in unmittelbarer Hafennähe zu verhindern, ist nicht zu beanstanden, sofern es von der Erwägung getragen ist, den durch diese Nutzung ggf. beanspruchten Platz positiv ins Auge gefassten anderen Nutzungen vorzubehalten. Hinreichend belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit der Verhinderung von Stellplätzen im Osthafen allein städtebaufremde Ziele - etwa einen Konkurrenzschutz zugunsten der Stellplatzanlage der Reederei A-Stadt-M. - verfolgte, sind nicht erkennbar.

bb)

Das Vorhaben ist allerdings deshalb genehmigungsfähig, weil der Klägerin durch die Baugenehmigung (§ 66 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 NBauO) eine Ausnahme von der Veränderungssperre zu erteilen ist. Die formelle Voraussetzung für eine Ausnahmeerteilung, einen entsprechenden schriftlichen, begründeten Antrag (§ 66 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 NBauO) hat die Klägerin mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 2. Juni 2022 geschaffen; die Herstellung eines Einvernehmens war nicht erforderlich (vgl. zur entsprechenden Konstellation beim Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGBBVerwG, Beschl. v. 22.12.1989 - 4 B 211.89 -, juris Rn. 3). Auch die materiellen Ausnahmevoraussetzungen liegen vor; öffentliche Belange stehen dem Vorhaben nicht entgegen. Insbesondere steht dieses nicht im Widerspruch zu den bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erklärten Planungszielen der Antragsgegnerin.

Einziges erkennbares Planungsziel zum Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre war, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, die Sicherung der knappen Flächen im östlichen Hafenbereich für gewerbliche Nutzungen, die auf die unmittelbare Nähe zum Hafenbecken angewiesen sind. Selbst wenn man annähme, dass dieses Ziel es grundsätzlich rechtfertigen könnte, Stellplätze für Inseltouristen im künftigen Plan auszuschließen, gälte dies nicht für das konkrete Vorhaben der Klägerin. Denn deren Betriebskonzept sieht eine Stellplatznutzung auf einer Fläche vor, die sie in den Wintermonaten für ihren Werftbetrieb nutzt und benötigt, im beantragten Nutzungszeitraum von April bis September, während dessen sich die Boote auf dem Wasser befinden, jedoch nicht. Der unstreitig den Planungsvorstellungen der Beklagten in geradezu idealtypischer Weise entsprechenden Werftnutzung, deren Ersetzung durch eine andere, ganzjährige hafenaffine Nutzung weder absehbar ist noch von der Beklagten angestrebt wird, wird mithin durch das Vorhaben gerade keine Fläche entzogen. Auch eine realistische Möglichkeit, die Fläche (nur) in den Sommermonaten einer weiteren, auf die Hafennähe stärker angewiesenen Nutzung zuzuführen, konnte die Beklagte auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel benennen - die von ihr angeführte Lagerung einzelner Bojen würde durch das Vorhaben nicht ausgeschlossen. Überzeugend hat demgegenüber die Klägerin geltend gemacht, wenn es derartige Möglichkeiten gäbe, hätte sie diese aus eigenem wirtschaftlichem Interesse heraus in der Vergangenheit bereits genutzt.

Nichts anders ergibt sich aus dem Umstand, dass sich dem Vorhaben entgegenstehende öffentliche Belange ggf. auch aus Planungszielen ergeben können, die im Laufe des Planaufstellungsverfahrens den ursprünglichen Zielen an die Seite gestellt wurden (BVerwG, Beschl. v. 9.8.1991 - 4 B 135.91 -, Buchholz 406.11 § 14 Nr. 17 = juris Rn. 4). Eine derartige Erweiterung ist grundsätzlich nur durch Beschlüsse des zuständigen Gemeindeorgans (z.B. Offenlegungsbeschluss, Satzungsbeschluss) möglich (vgl. VGH BW, Urt. v. 30.11.2016 - 3 S 1184/16 -, DVBl. 2017, 317 = BauR 2017, 699 = juris Rn. 93; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand d. Bearb.: 147. EL August 2022, § 14 Rn. 93) und hat in dieser Form nicht stattgefunden. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Januar 2023 einen Vorentwurf für den Bebauungsplan Nr. 220 mit Stand Dezember 2022 vorgelegt hat, hat sie weder vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass dieser bereits Gegenstand einer Beschlussfassung des Verwaltungsausschusses oder des Rats gewesen, mithin zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung mehr als ein unverbindliches Verwaltungsinternum geworden wäre. Noch mit Schriftsatz vom 10. Februar 2023 hat die Beklagte lediglich vorgetragen, die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange stehe "unmittelbar bevor"; dass bereits ein Auslegungsbeschluss gefasst worden wäre, hat sie nicht behauptet. Auch bei der Beschlussfassung über die Verlängerung der Veränderungssperre am 5. Juli 2022 hat der Rat nicht auf neue Planungsziele Bezug genommen. Unabhängig davon lassen sich dem Planentwurf keine neuen Planungsziele entnehmen, mit denen das Vorhaben unvereinbar sein könnte. Soweit die Beklagte auf die Absicht verweist, den Hauptdeich seewärts zu erweitern, ist nicht ersichtlich, dass dafür Vorhabenflächen in Anspruch genommen werden sollen; die im vorgelegten Planentwurf als für die Deicherweiterung erforderlich bezeichnete Fläche endet außerhalb des Werftgeländes. Auch die beabsichtigte Aufhebung bzw. Sperrung der Hafenstraße für den allgemeinen Verkehr sowie eine etwaige planbedingte Intensivierung des Kraftfahrzeugverkehrs auf der Verbindungsstraße zwischen Osthafen und Tunnelstraße würden durch Zulassung des Vorhabens nicht erschwert. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch den Wegfall der Hafenstraße in Verbindung mit der Vorhabenzulassung Verkehrsgefahren entstünden, deren Bewältigung die Planung erschwerte. Ein deichausbaubedingter Wegfall der Hafenstraße würde den Zu- und Abgangsverkehr im Plangebiet nicht erhöhen, vielmehr in der Nähe des Vorhabens eine Straßeneinmündung beseitigen. Der gesamte Verkehr vor der Ein-/Ausfahrt des Vorhabens muss im weiteren Verlauf der Tunnelstraße ohnehin den Übergang vom vorhandenen Inselparkplatz - den die Stellplatzsuchenden ohne das Vorhaben ja alternativ nutzen müssten - zum Fähranleger queren; die Anzahl der potentiell unfallträchtigen Begegnungen wird sich durch das Vorhaben mithin nicht erhöhen, sondern nur - teilweise - verlagern. Einen Fußweg zwischen Mole und Osthafen muss es auch ohne das Vorhaben geben, gerade wenn, wie die Beklagte vorträgt, künftig Fährverkehr auch direkt im Osthafen stattfinden soll. In diesem Fall hätte das Vorhaben sogar den Vorteil, dass der sonst nötige Fußgängerverkehr zwischen vorhandenem Inselparkplatz und Osthafen reduziert werden könnte; Nutzer des zentralen Fähranlegers könnten den vorhandenen Inselparkplatz, Nutzer des Fähranlegers im Osthafen das Vorhaben zum Parken nutzen. Soweit auf Seiten 9 und 20 der Entwurfsbegründung ein geplanter Ausschluss von Dauerparkplätzen mit der Erwägung begründet wird, dass diese das Risiko mit sich brächten, dass abgestellte Fahrzeuge bei Hochwassergefahr nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden könnten, ist dies jedenfalls mit Blick auf das konkret geplante Vorhaben ebenfalls keine tragfähige Erwägung. In der vorgesehenen Nutzungszeit von Mitte April bis Ende September kommen schwere Sturmfluten praktisch nicht vor Die im Planentwurf wiedergegebene Hochwassergefahrenkarte des NLWKN weist für den Vorhabenstandort selbst im Fall eines weit eher im Winter zu erwartenden Extremhochwassers lediglich eine Überflutungshöhe von 0,5 - 1 m aus. Eine Planung, die das verbleibende Restrisiko bei gleichzeitiger Öffnung des teilweise von größeren Überflutungshöhen betroffenen Osthafens für sonstige gewerbliche Nutzungen - auch in der Sturmflutsaison - nicht eingehen wollte, wäre nicht abwägungsfehlerfrei vorstellbar und mithin nicht durch eine Veränderungssperre sicherungsfähig.

Dass spätestens mit der nun vorliegenden Entwurfsplanung die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Beklagte ihr Planungsziel letztlich durch ein ausnahmsloses Verbot gewerblicher Dauerstellplätze im Osthafen umsetzen wird, dem auch das Vorhaben unterfiele, ändert am Vorliegen der Ausnahmevoraussetzungen nichts; entscheidend für diese ist nicht der künftige Festsetzungsinhalt, sondern die dahinterstehende Zielsetzung der planenden Gemeinde. Rechtfertigt diese einen Ausschluss des Vorhabens nicht, so wird daraus, wird dieser gleichwohl im Plan festgesetzt, entweder eine Abwägungsfehlerhaftigkeit der entsprechenden Festsetzung oder aber das Entstehen einer Befreiungslage folgen.

Das Ausnahmeermessen der Beklagten ist auf Null reduziert, da sie bis zum Inkrafttreten der Veränderungssperre einen Anspruch auf (bedingte) Erteilung der Baugenehmigung hatte (BVerwG, Beschl. v. 14.5.1968 - IV C 56.65 -, NJW 1968, 1968, 2350 = BRS 20 Nr. 76 = BeckRS 1968, 105201; Beschl. v. 17.5.1989 - 4 CB 6.89 -, NVwZ 1990, 58 = BRS 49 Nr. 115 = juris Rn. 4).

2.

Lagen mithin die Voraussetzungen für eine Genehmigungserteilung durch die Beklagte mit Ausnahme der deichrechtlichen Ausnahmeentscheidung vor, so durfte und musste die Beklagte von dem ihr in § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 1 VwVfG eingeräumten Ermessen, anstelle einer Versagung der Baugenehmigung diese mit einer Nebenbestimmung zu versehen, dahingehend Gebrauch machen, die Genehmigung unter der aufschiebenden Bedingung zu erteilen, dass der zuständige Landkreis Aurich die deichrechtliche Ausnahme zulässt.

a)

Nach § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn diese sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Das schließt insbesondere die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde ein, eine Baugenehmigung, deren Erteilung lediglich das Fehlen einer nach der "Schlusspunkttheorie" zuvor erforderlichen Zulassungsentscheidung einer weiteren Behörde entgegensteht, unter die aufschiebende Bedingung dieser Entscheidung zu stellen (vgl. Senatsbeschl. v. 17.1.2022 - 1 ME 142/21 -, BauR 2022, 631 = juris Rn. 18).

b)

Das grundsätzlich bestehende Ermessen der Beklagten, ob sie die Baugenehmigung ablehnen oder bedingt erteilen möchte, ist hier ausnahmsweise zugunsten einer bedingten Erteilung auf Null reduziert.

Zwar muss die Bauaufsichtsbehörde nach Auffassung des Senats i.d.R. nicht von Amts wegen in eine Prüfung einsteigen, ob beim Vorliegen eines oder mehrerer Genehmigungshindernisse anstelle einer Antragsablehnung auch eine bedingte Genehmigungserteilung in Betracht kommt. Vielmehr obliegt es dem Bauantragsteller, sein Interesse, notfalls auch eine aufschiebend bedingte Baugenehmigung zu erhalten, nach einem Hinweis der Bauaufsichtsbehörde auf das Genehmigungshindernis ausreichend deutlich zum Ausdruck zu bringen. Das hat die Klägerin allerdings mit Schriftsatz vom 25. April 2022, unmittelbar nachdem die Beklagte erstmals auf das Erfordernis der deichrechtlichen Ausnahme hingewiesen hatte, getan.

Für eine bedingte Erteilung spricht, dass die Erteilung einer deichrechtlichen Ausnahme mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit zu erwarten ist (vgl. zur Verpflichtung zur Genehmigung mit Nebenbestimmung bei leicht behebbaren Hindernissen auch OVG Berlin, Urt. v. 19.2.1971 - II B 102.68 -, BRS 24 Nr. 119, S. 172). Den nötigen Ausnahmeantrag hat die Klägerin am 3. November 2022 gestellt. Auch die materiellen Erteilungsvoraussetzungen liegen vor. Wie die Klägerin überzeugend ausgeführt hat, könnte sich eine Gefährdung der Deichsicherheit - einziges Ziel des Nutzungsverbots des Deichvorlandes und einziger Maßstab der Deichbehörde für die Betätigung ihres Ausnahmeermessens - allenfalls durch aufschwimmende Autos im Hochwasserfall ergeben; diese Gefahr ist aber angesichts der Begrenzung des Bauantrags auf eine Nutzung in den nicht hochwasserträchtigen Sommermonaten, wie bereits ausgeführt, äußerst gering. Vor dem Hintergrund, dass in unmittelbarer Nachbarschaft des Vorhabens bereits diverse andere Vorhaben mit deutlich höherem Risikopotential für die Deichsicherheit zugelassen wurden, spricht daher ganz Erhebliches dafür, dass jede andere Entscheidung als eine Zulassung der Ausnahme sowohl mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar wäre.

Ob dies allein bereits zu einer Ermessensreduktion auf Null führt oder ob die Beklagte nicht grundsätzlich berechtigt gewesen wäre, das Baugenehmigungsverfahren bis zur Entscheidung über die deichrechtliche Ausnahme auszusetzen oder aber die Klägerin auf die Möglichkeit einer Bauvoranfrage zu verweisen, kann dahinstehen. Denn im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Stadtbaudirektorin der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, es entspreche der gemeinsamen Praxis ihres Bauamtes und des Landkreises Aurich als unterer Deichbehörde, bei Bauvorhaben im Deichvorland zuerst den "problematischeren" Antrag - Bauantrag oder deichrechtlichen Ausnahmeantrag - zu prüfen, und über den "unproblematischen" erst nach diesem zu entscheiden. An dieser Verwaltungspraxis, die auch in der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 mitgeteilten Reaktion des Landkreises Aurich auf ihre Erkundigung nach der Möglichkeit einer Ausnahme entspricht und von der sie eine allgemeine Abkehr für die Zukunft nicht erklärt hat, muss sich die Beklagte nach dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung festhalten lassen.

3.

Die Verpflichtung zur Erteilung der Baugenehmigung unter der aus dem Tenor ersichtlichen aufschiebenden Bedingung kann der Senat ohne ausdrücklich hierauf gerichteten Antrag aussprechen, da sie als minus im Antrag auf Erteilung der unbedingten Baugenehmigung enthalten ist.

III.

Über die gestellten Hilfsanträge musste der Senat nicht entscheiden; aus ihrem Inhalt ergibt sich, dass sie nur für den Fall einer vollständigen Ablehnung des Hauptantrages, nicht aber für den Fall einer Ablehnung eines unbedingten Genehmigungsanspruchs bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Erteilung der bedingten Baugenehmigung gestellt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 (analog), 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.