Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.01.2023, Az.: 14 OA 349/22

Festsetzung des Streitwertes i.R.e. Anfechtungsantrags (hier: Entschädigung aufgrund von coronabedingten Betriebsschließungen)

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.01.2023
Aktenzeichen
14 OA 349/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 10003
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:0104.14OA349.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 19.10.2022 - AZ: 3 A 150/22

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird die durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 19. Oktober 2022 erfolgte Streitwertfestsetzung geändert.

Der Streitwert des Klageverfahrens 3 A 150/22 wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Festsetzung des Streitwertes durch das Verwaltungsgericht hat Erfolg.

Die Klägerin hat am 29. April 2021 Klage (Az.: 3 A 78/21) wegen "Entschädigung aufgrund von coronabedingten Betriebsschließungen" gegen einen entsprechenden Ablehnungsbescheid der Stadt Osnabrück vom 26. März 2021 erhoben und mitgeteilt, dass Klageanträge und Begründung einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten bleiben sollten. Mit Schriftsatz vom 31. August 2021 hat sie beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid vom 17. März 2021 - gemeint ist wohl der 26. März 2021 - aufzuheben und

  2. 2.

    den Beklagten zu verpflichten, ihr den durch die von dem Beklagten verfügten Betriebsschließungen aufgrund des sog. "ersten Lockdowns" entstandenen Schaden in Höhe von 40.998,96 EUR zzgl. Zinsen [...] zu zahlen.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2022 hat das Verwaltungsgericht den Antrag zu 1. abgetrennt, unter dem Aktenzeichen dieses Verfahrens (3 A 150/22) fortgeführt und im Anschluss eine Entscheidung in der Sache verkündet. Das Verfahren hinsichtlich des verbliebenen Klageantrages zu 2. (Az.: 3 A 78/21) hat das Verwaltungsgericht an das Landgericht Hannover verwiesen. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2022 hat das Verwaltungsgericht den Streitwert im Verfahren 3 A 150/22 auf 40.998,96 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht auf 40.992,96 EUR, sondern auf 5.000,- EUR festzusetzen.

Der Streitwert für den streitgegenständlichen Anfechtungsantrag ergibt sich - anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat - nicht aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Der Beklagte führt zutreffend aus, dass § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG nur dann Anwendung findet, wenn die streitige bezifferte Geldleistung in das Vermögen der Klägerin übergehen soll oder aus diesem zu erbringen ist (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 26.11.2007 - 8 OA 89/07 -, juris Rn. 2 m.w.N.). Die Geldleistung als solche muss unmittelbarer Regelungsgegenstand des Verwaltungsaktes sein, um den gestritten wird (vgl. Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, Kommentar zum GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, § 52 GKG Rn. 7) und mit Obsiegen des Verfahrens unmittelbar in das Vermögen der Klägerin übergehen (vgl. Elzer, in: Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 52 GKG Rn. 24). Das ist mit Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides gerade nicht der Fall.

Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert lässt sich auch nicht auf § 52 Abs. 1 GKG stützen. Danach ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Die Bedeutung der Sache wird dabei regelmäßig vom wirtschaftlichen Inhalt oder Hintergrund der angestrebten Regelung geprägt (vgl. Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, Kommentar zum GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, § 52 GKG Rn. 3 m.w.N.). Bei einer Anfechtungsklage ist das Interesse des Klägers am Wegfall des angefochtenen Verwaltungsakts maßgeblich (vgl. Dörndorfer, in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, Kommentar zum GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, § 52 GKG Rn. 4). Zu berücksichtigen ist hierbei ausschließlich die objektiv und unmittelbar aus dem Antrag folgende Bedeutung der Sache; die weiteren Auswirkungen der gerichtlichen Entscheidung für den Kläger sind hingegen unerheblich (vgl. Elzer, in: Toussaint, Kostenrecht, 52. Aufl. 2022, § 52 GKG Rn. 10; Toussaint, in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, 39. Edition, § 53 GKG Rn. 9). Fehlt es nach dem bisherigen Sach- und Streitstand an genügenden Anhaltspunkten für eine Orientierung am wirtschaftlichen Interesse, ist auf den Auffangwert nach § 52 Abs. 2 VwGO zurückzugreifen.

Genügende Anhaltspunkte für die Festsetzung eines Streitwertes in Höhe von 40.998,96 EUR sind hier nicht gegeben. Das (wirtschaftliche) Interesse der Klägerin an dem Wegfall des angefochtenen Verwaltungsaktes lässt sich nicht mit dem Wert des Antrags auf Zahlung von Schadensersatz, über den nunmehr das Landgericht zu entscheiden hat, gleichsetzen. Denn selbst wenn der streitgegenständliche Bescheid einem etwaigen Schadensersatzanspruch im Weg stünde (wovon jedenfalls die Beteiligten übereinstimmend ausgehen), führte dessen Aufhebung nicht zu einem unmittelbaren Vermögenszuwachs in Höhe von 40.998,96 EUR bei der Klägerin, sondern stellte allenfalls einen ersten Schritt in Richtung eines entsprechenden Zahlungsanspruchs dar.

Da auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Orientierung am wirtschaftlichen Interesse vorliegen, ist der Streitwert gemäß § 52 Abs. 2 VwGO auf 5.000,- EUR festzusetzen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).