Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 30.08.2002, Az.: 4 A 1869/01
Außenbereich; Bauvorbescheid; Bestandsschutz; Duldung; Ersatzbau; Holzhaus; Holzständerbauweise; Splittersiedlung; Wehrmachtsunterkunft
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 30.08.2002
- Aktenzeichen
- 4 A 1869/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43555
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 35 BBauG
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides für den Bau eines Wohngebäudes. Sie ist seit 1996 Eigentümerin des Grundstücks ... in Ganderkesee (Flurstück .. der Flur .. der Gemarkung ...; Baugrundstück). Im Flächennutzungsplan ist das im Außenbereich liegende Grundstück als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt. Das Grundstück ist mit einem massiven Wohnhaus und mehreren Nebengebäuden bebaut. Bis Januar 1999 war im südlichen Bereich des Grundstücks eine 1935 von dem Großvater des Voreigentümers errichtete "Wohnbaracke" in Holzbauweise auf dem Grundstück vorhanden, die bis 1999 bewohnt wurde.
Am 14. Januar 2000 beantragte die Klägerin die Erteilung eines Bauvorbescheides für den Wiederaufbau der durch Brand zerstörten "Wohnbaracke". Die Beigeladene erteilte unter dem 2. März 2000 ihr Einvernehmen. Nach Anhörung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Juli 2000 die Erteilung des Bauvorbescheides ab. Als sonstiges Vorhaben im Außenbereich sei die Baumaßnahme nicht nach § 35 Abs. 2 iVm. Abs. 4 BauGB genehmigungsfähig. Die Regelungen des § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB, wonach bestimmte öffentliche Belange bei einem Wiederaufbau eines durch Brand zerstörten Gebäudes dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden könnten, kämen hier nicht zur Anwendung, da das Gebäude nicht zulässigerweise errichtet worden sei. Eine Baugenehmigung für die Wohnbaracke habe die Klägerin nicht vorgelegt. Die Unaufklärbarkeit der formellen Rechtmäßigkeit der 1935 durchgeführten Baumaßnahme gehe zu ihren Lasten. Nach § 35 Abs. 2 BauGB könne kein positiver Bauvorbescheid erteilt werden, da öffentliche Belange dem Vorhaben entgegenstünden. Die Errichtung eines Wohnhauses werde zu einer Erweiterung des im Bereich des Baugrundstückes vorhandenen Siedlungssplitters führen. Dieses würde eine nicht mehr zuverlässig eingrenzbare Vorbildwirkung nach sich ziehen und damit zu einer Verfestigung der Bebauung in diesem Bereich führen. Anderen Bauwilligen könne im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz eine Genehmigung für ähnliche Vorhaben nicht versagt werden, was zu einer städtebaulich zu missbilligenden ungeordneten Entwicklung in diesem Bereich führen würde.
Die Klägerin hat am 11. August 2000 Widerspruch erhoben und zur Begründung ausführt, dass es sich nicht um einen Neubau, sondern um den Wiederaufbau eines vor mehr als 60 Jahren errichteten und durch Brandschaden zerstörten Gebäudes handele, so dass der Belang der Erweiterung eines Siedlungssplitters dem Vorhaben nicht entgegenstehe. Die Wohnbaracke habe zum Ortsbild gehört. Auch gelte für andere Gebäude, die ebenfalls vor dem Krieg erbaut worden seien und keine Baugenehmigung nachweisen könnten, Bestandsschutz. Den Brand des Gebäudes habe sie nicht zu vertreten. Das Vorhaben werde durch die beigeladene Gemeinde befürwortet.
Die Bezirksregierung Weser-Ems wies mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2001 den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Eine Genehmigungsfähigkeit nach § 35 Abs. 2 iVm. Abs. 4 Nr. 3 BauGB sei nicht gegeben, da bereits 1994 im Zusammenhang mit einer von dem Voreigentümer eingereichten Bauvoranfrage festgestellt worden sei, dass das Gebäude abgängig sei. Eine entsprechende Feststellung finde sich auch in dem zwischen der Klägerin und dem Voreigentümer abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag. Habe aber allmählicher Verfall zur Zerstörung eines Gebäudes geführt, so sei dies kein außergewöhnliches Ereignis iSd. § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB. Damit könne offen bleiben, ob das Wohngebäude zu irgendeinem Zeitpunkt seines Bestehens materiell genehmigungsfähig gewesen sei. Der Hinweis auf den Gedanken des Bestandsschutzes könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Mit der Beseitigung eines Gebäudes erlösche der Bestandsschutz, wobei grundsätzlich unbedeutend sei, ob das Gebäude durch Maßnahmen des Eigentümers oder anderer Personen bewusst oder durch zufällige Ereignisse, wie Brand, beseitigt werde. Außerhalb der gesetzlichen Regelung gebe es keinen Anspruch auf Zulassung eines Vorhabens aus eigentumsrechtlichem Bestandsschutz.
Die Klägerin hat am 11. Juni 2001 Klage erhoben. Zur Begründung wird ergänzend ausgeführt, das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB planungsrechtlich zulässig. Die Behauptung in dem Widerspruchsbescheid, wonach das Gebäude schon vor dem Brand zerstört bzw. abgängig gewesen sei, sei unzutreffend. Soweit in dem Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Voreigentümer ein Hinweis auf teilweise abgängigen Gebäudebestand enthalten sei, beziehe sich diese Formulierung auf zwei abgängige Schuppen, die seinerzeit ebenfalls auf dem Grundstück vorhanden gewesen seien. Das Wohnhaus selbst sei zu keinem Zeitpunkt abgängig gewesen. Es sei durchgängig als Wohngebäude - zuletzt durch den Zeugen ... bewohnt worden. Das Haus habe vor dem Brand über einen eigenen Stromanschluss, eine Anbindung an die Müllentsorgung und Kanalisation sowie Telefonanschluss verfügt. Zweifel an der Bewohnbarkeit des Hauses vor dem Brand könnten somit nicht bestehen. Eine Feststellung über den Zustand des Gebäudes hätten weder der Beklagte noch die Bezirksregierung vor dem Brandschaden getroffen. Es sei vor dem Brand in ordnungsgemäßem Zustand gewesen, was durch Zeugen belegt werden könne. Die Angaben des Voreigentümers im Rahmen einer Bauvoranfrage aus dem Jahre 1994, wonach dieser das Gebäude als abgängig bezeichnet habe, rührte lediglich daher, dass dieser das Wohnhaus nicht mehr als "zeitgemäß" erachte habe. Der Voreigentümer habe lediglich eine Modernisierung beabsichtigt. Ob der Voreigentümer 1996 im Verfahren zur Erteilung der Teilungsgenehmigung angegeben habe, dass das Gebäude abgängig sei, sei unklar. Die Regelung des § 14 der 1935 geltenden Baupolizeiordnung der Gemeinde Ganderkesee, wonach Umfassungswände aller Wohngebäude aus feuerbeständigem Baustoff auszuführen seien, stehe einer "zulässigen Errichtung" des Gebäudes nicht entgegen. Dieses sei in Holzständerbauweise mit einer inneren und äußeren Beplankung errichtet worden. Die Hohlschicht sei mit wärmedämmendem Material versehen worden. Der Begriff der "feuerbeständigen Baustoffe" erfasse nicht nur Mauerwerk aus Stein oder ähnlichem Material. Zudem sei zu berücksichtigen, dass noch 1996 die Beigeladene den Anschluss des Gebäudes an die Kanalisation gefordert habe. Auch sei die Wohnnutzung länger als 60 Jahre geduldet worden. Dieses komme der Erteilung einer Baugenehmigung gleich bzw. sei im Rahmen des § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB zu berücksichtigen.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juli 2000 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 9. Mai 2001 zu verpflichten, ihr einen positiven Bauvorbescheid zur Errichtung eines Wohngebäudes auf dem Grundstück ... Straße .. in ... (Flurstück .. der Flur .. der Gemarkung ...) - wie beantragt - zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und führt ergänzend aus, der Voreigentümer habe im Rahmen einer Bauvoranfrage vom 15. März 1994 für den Ersatz der betreffenden Wohnbaracke durch einen Neubau angegeben, dass diese "für ein zeitgemäßes Wohnen" nicht mehr über eine geeignete Bausubstanz verfüge. Nach Angaben des Voreigentümers in der Bauvoranfrage habe "eine Renovierung oder Reparatur (...) in keinem Verhältnis zur Nutzung bzw. Wirtschaftlichkeit des Gebäudes" gestanden. Die Ablehnung der damaligen Bauvoranfrage sei damit begründet worden, dass die Wohnbaracke nicht durch den Eigentümer oder dessen Familienangehörige bewohnt wurde. Alle sonstigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB inkl. b) "das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf", hätten vorgelegen und seinerzeit nicht zu der Ablehnung der Bauvoranfrage geführt. Im Antrag zu der Teilungsgenehmigung vom 10. Januar 1996 sei das Gebäude durch den Voreigentümer noch einmal als abgängig in einem Lageplan vermerkt worden. Dieses und der im Grundstückskaufvertrag zwischen dem Voreigentümer und der Klägerin aufgeführte Hinweis "teilweise abgängiger Gebäudebestand" belege durch Feststellungen der Vertragsparteien die Abgängigkeit der Bausubstanz der Wohnbaracke bereits vor dem Brand.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Örtlichkeiten in Augenschein genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung eines Ersatzgebäudes entsprechend ihrem Antrag vom 14. Januar 2000. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der begehrte Bauvorbescheid ist der Klägerin gem. §§ 74 Abs. 1, 75 Abs. 1 NBauO nicht zu erteilen, da die zur Prüfung gestellte Baumaßnahme mit dem öffentlichen Baurecht (§ 2 Abs. 10 NBauO) unvereinbar und insbesondere nach städtebaulichem Planungsrecht unzulässig (§ 74 Abs. 1 Satz 2 NBauO) ist. Die bauplanungsrechtliche Beurteilung des nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans vorgesehenen Vorhabens richtet sich nach § 35 BauGB. Das Baugrundstück ist dem Außenbereich zuzuordnen und liegt nicht in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil. Dieses ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig und bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Da es sich bei dem Wohnbauvorhaben der Klägerin nicht um ein sogenanntes privilegiertes Vorhaben iSd. § 35 Abs. 1 BauGB handelt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Beurteilung nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB. Als sonstiges Vorhaben iSv. § 35 Abs. 2 BauGB ist das geplante Wohnhaus nur dann zulässig, wenn keine öffentlichen Belange (§ 35 Abs. 3 BauGB) beeinträchtigt werden. Da das Grundstück als Fläche für die Landwirtschaft im Flächennutzungsplan der Beigeladenen ausgewiesen ist, und die vorgesehene Wohnnutzung nicht der Landwirtschaft dient, steht bereits diese Festsetzung gem. § 35 Abs. 3 Ziff. 1 BauGB, wonach ein Vorhaben dann öffentliche Belange beeinträchtigt, wenn es den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspricht, dem Vorhaben entgegen. In der näheren Umgebung des Baugrundstückes wird nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme noch Landwirtschaft (z.B. Getreideanbau auf dem unmittelbar westlich angrenzenden Flächen) betrieben. Selbst wenn aufgrund des dichten Baumbestandes im südlichen Bereich des Baugrundstücks davon ausgegangen würde, dass dieser Bereich einer landwirtschaftlichen Nutzung aufgrund der besonderen örtlichen Situation nicht zugänglich ist, beeinträchtigt das Vorhaben weitere öffentliche Belange, da die Erweiterung einer Splittersiedlung § 35 Abs. 3 Ziff. 7 BauGB bzw. deren Entstehung zu befürchten ist, denn durch das Vorhaben würde nicht ein bereits bebauter Bereich lediglich im Inneren verdichtet, sondern der Baubestand in den Außenbereich hinein erweitert. Tragen Bauvorhaben zur Entstehung oder Erweiterung einer Splittersiedlung bei, sind sie bauplanungsrechtlich grundsätzlich unerwünscht. In solchen Fällen bedarf es - anders als im Fall der Verfestigung einer bereits vorhandenen Splittersiedlung - keiner anderen Darlegung der Missbilligung der Zersiedelung (BVerwG, Urteil vom 3. Juni 1977 - 4 C 37.75 - BVerwGE 54 S. 73; Urteil vom 28. Oktober 1983 - 4 C 70.80 - BRS 40 Nr. 93). Der Hinweis der Klägerin, dass es sich um den Wiederaufbau eines Gebäudes handele und insoweit nicht von einer Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung ausgegangen werden könne, da dieses ja bereits über 60 Jahre vorhanden gewesen sei, trägt insoweit nicht, da nach der Zerstörung des Gebäudes, der Bereich wieder dem Außenbereich zuzurechnen ist.
Die Frage des Bestandsschutzes wird diesbezüglich vielmehr abschließend in § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB geregelt. Danach können u.a. die Darstellungen des Flächennutzungsplans und die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung als öffentliche Belange einer Baumaßnahme nicht entgegengehalten werden, die der alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle dient. Würde diese Regelung zugunsten der Klägerin eingreifen, wäre also die Beeinträchtigung der o.g. öffentlichen Belange durch das Vorhaben nicht zu berücksichtigen. Da die Klägerin innerhalb einer Jahresfrist den Bauvorbescheid für den Wiederaufbau der Wohnbaracke beantragt hat, handelt es sich um eine "alsbaldige Neuerrichtung" des durch Brand zerstörten Gebäudes. Zudem hat die Klägerin ausgeführt, dass sie beabsichtige, ein in der äußeren Gestaltung gleichartiges Gebäude an gleicher Stelle errichten zu wollen, das ebenfalls Wohnzwecken dienen soll, so dass auch diese Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB erfüllt sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Widerspruchsbehörde ist diese Bestandsschutzregelung hier auch noch anwendbar, obwohl der Voreigentümer im Rahmen einer Bauvoranfrage 1994 die Bausubstanz als für ein "zeitgemäßes Wohnen nicht mehr geeignet" und eine Reparatur oder Renovierung der Bausubstanz als unwirtschaftlich bezeichnet hat, dieses im Rahmen der Teilungsgenehmigung bestätigt wurde, da in dem Plan "Wohnbaracke (Wehrmacht) abgängig" vermerkt ist und in dem Grundstückskaufvertrag zwischen der Klägerin und dem Voreigentümer auf mehrere abgängige bzw. baufällige Gebäude auf dem Grundstück hingewiesen wurde. Unstreitig wurde das Gebäude bis zum Brandschaden bewohnt. Es war somit noch eine Bausubstanz vorhanden, die der Wohnnutzung diente. Auch wenn das Gebäude bereits zuvor nicht mehr für zeitgemäßes Wohnen geeignet gewesen sein mag und reparatur- und renovierungsbedürftig war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass es bereits vor Eintritt des Brandschadens durch "altersbedingten Verfall der Bausubstanz" soweit zerstört war, dass die Bestandsschutzregelung des § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB keine Anwendung mehr findet.
Die Wohnbaracke ist jedoch nicht "zulässigerweise" iSv. § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB errichtet worden. Eine Baugenehmigung für das Gebäude hat die Klägerin weder vorgelegt noch sind entsprechende Unterlagen bei der Beigeladenen vorhanden. Die Unaufklärbarkeit der formellen Rechtmäßigkeit der Baumaßnahme geht zu ihren Lasten (vgl. OVG Schleswig, Urteil v. 25. November 1991 - 1 L 115/91 - NuR 1994 S. 202 m.w.N). Das Gebäude ist auch nicht materiell legal errichtet worden bzw. ist auch nicht ersichtlich, dass das Gebäude nachfolgend zu irgendeinem Zeitpunkt materiell legal war.
Rechtsgrundlage für die Beurteilung des 1935 errichteten Gebäudes ist die seinerzeit geltende Baupolizeiordnung der Gemeinde Ganderkesee vom 6. November 1930 (Baupolizeiordnung). Zwar enthielt diese Regelung keine den späteren "Außenbereichsregelungen" entsprechenden Bauverbote. Vielmehr war planungsrechtlich der Bau an öffentlichen Straßen und Wegen grundsätzlich zulässig, also praktisch dann, wenn aus heutiger Sicht die wegemäßige Erschließung gesichert war (§ 6 Baupolizeiordnung), wovon hier aufgrund der Lage des Baugrundstücks an einer heutigen Kreisstraße zugunsten der Klägerin auszugehen ist. An öffentlichen Straßen und Wegen war jedoch Bebauung nur nach vorheriger Anweisung der einzuhaltenden Linie durch den Gemeindevorstand zulässig (§ 8 Baupolizeiordnung). Eine derartige vorherige Anweisung ist hier nicht ersichtlich. Selbst wenn der Abstand des Gebäudes zu dem damals vorhandenen Weg/Straßenkörper ausreichend gewesen sein sollte und somit das Vorhaben seinerzeit genehmigungsfähig war, stand die Regelung des § 14 Abs. 1 Baupolizeiordnung der materiellen Legalität des Vorhabens entgegen. Nach dieser Vorschrift sind die Umfassungswände aller Wohnhäuser einschließlich der Giebel sowie diejenigen inneren Wände, auf denen Balken ruhen sollen, in feuerbeständigem Baustoff aufzuführen oder in Fachwerkswänden, welche von außen feuerhemmend verkleidet sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Gebäude wurde unstreitig in Holzständerbauweise mit einer äußeren und inneren Beplankung errichtet. Holz ist kein feuerbeständiger Baustoff. Die Regelung des § 14 Baupolizeiordnung sollte dazu dienen, gerade brandgefährdete Holzhäuser auszuschließen bzw. auf längere Sicht durch Steinbauten bzw. Bauten aus ähnlich feuerbeständigem Material zu ersetzen. Maßgeblich für die Einführung und Entwicklung des Baupolizeirechts war die Sicherstellung des Brandschutzes (Große-Suchsdorf; Lindorf; Schmaltz; Wiechert, NBauO, Kommentar, 7. Auflg. § 20 Rz. 1). Brandgefährliche Baustoffe - wie Holz - sollten somit möglichst für Wohngebäude oder sonst brandschutzrelevante Gebäude als Baumaterial ausgeschlossen werden. Umfassungswände für Wohngebäude sollten auch nicht nur "feuerhemmend", wie z.B. Bauteile nach § 20 Abs. 2 oder § 21 Baupolizeiordnung sondern feuerbeständig ausgeführt sein. Und somit nach heutigen Kategorien der zweithöchsten Brandschutzklasse, d.h. "Feuerwiderstandsklasse F 90 und in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Stoffen" entsprechen. Diese Voraussetzungen wurden durch die in Holzständerbauweise errichtete Wohnbaracke mit einer äußeren und inneren Beplankung nicht erfüllt. Dass das abgebrannte Gebäude teilmassiv gewesen ist, d. h. insbesondere der Schornstein aus massivem Mauerwerk und das Innenmauerwerk, wie zum Beispiel das Badezimmer gemauert waren, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da die äußeren Wände gem. § 14 Baupolizeiordnung feuerbeständig sein mussten. Deshalb ist es auch unerheblich, dass der Schornsteinfeger nach Angaben der Klägerseite regelmäßig den Schornstein ohne Beanstandungen hinsichtlich der Feuersicherheit abgenommen hat.
Nach Aufhebung der Baupolizeiordnung für die Gemeinde Ganderkesee durch die Baupolizeiverordnung für das Land Oldenburg vom 8. Dezember 1937 (vgl. dort § 38 Abs. 1) war das Vorhaben auch bauplanungsrechtlich unzulässig. Nach § 3 Abs. 1 der Verordnung über die Regelung der Bebauung vom 15. Februar 1936 (Reichsgesetzblatt I Seite 104) soll für baupolizeiliche Genehmigungen für bauliche Anlagen, die außerhalb von Baugebieten oder, soweit solche nicht ausgewiesen sind, außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles ausgeführt werden sollen, die Genehmigung versagt werden, wenn ihre Ausführung der geordneten Entwicklung des Gemeindegebietes oder einer ordnungsgemäßen Bebauung zuwiderlaufen würde.
Damit war eine den heutigen Außenbereichsregelungen im Kerngehalt entsprechende Regelung vorhanden, die den Außenbereich von einer städtebaulich ungeordneten Zersiedlung durch Splittersiedlungen und Einzelvorhaben freihalten sollte. Entsprechende Regelungen finden sich später in § 35 BBauG sowie § 35 BauGB. Sollte die Baracke zwischenzeitlich als Wehrmachtsunterkunft gedient haben, wäre auch dieses keine hier zu berücksichtigende dauerhafte materiellrechtliche Legalisierung, da diese Nutzung nur einem vorübergehenden Zweck diente (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 26. Juni 1997 - 1 L 233/96 - Juris m.w.N).
Weiterhin ist auch unerheblich, dass das Gebäude an Versorgungsleitungen angeschlossen wurde. Die planungsrechtliche Situation des Gebäudes ändert sich dadurch nicht. Auch das langjährige Nichteinschreiten der Bauaufsicht gegen die ungenehmigte Wohnnutzung führt nicht zu einer Beurteilung des Gebäudes als "zulässigerweise errichtet". Die langjährige "Duldung" wäre kein Grund gewesen, von einem bauaufsichtlichen Einschreiten abzusehen (vgl. Große-Suchsdorf; Lindorf; Schmaltz; Wiechert, NBauO, Kommentar, 7. Auflg. § 89 Rz. 15, 52). Auch langjährige Duldungen ersetzen keine Baugenehmigung, die zudem der Schriftform (§ 75 Abs. 3 NBauO) bedarf. Etwaige baurechtliche Folgegenehmigungen - z. B. für den Aus- oder Umbau der Wohnbaracke - die ausnahmsweise das Gesamtvorhaben mit legalisieren konnten, sind nicht vorgelegt worden.
Da die Wohnbaracke nicht zulässigerweise iSv. § 35 Abs. 4 Ziff. 3 BauGB errichtet wurde und auch während des Bestandes eine materielle Legalität nicht eingetreten ist, ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko (§ 154 Abs. 3 VwGO) ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 GKG und orientiert sich der Höhe nach an dem Streitwertkatalog des Nds. OVG für Bausachen (Nds. VBl. 1995 S. 80; dort Ziff. 1 a). Bei der Umrechnung von DM in Euro wurde pauschal halbiert.