Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 29.08.2002, Az.: 4 A 2921/01

allgemeines Wohngebiet; Grenzgarage; Nachbarklage

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
29.08.2002
Aktenzeichen
4 A 2921/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43556
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

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Der Kläger und der Beigeladene sind Eigentümer benachbarter Eckgrundstücke im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. ... der Gemeinde ..., der hier eine Nutzung als allgemeines Wohngebiet ausweist. Beide Grundstücke sind mit Einfamilienhäusern bebaut. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich im rückwärtigen Bereich ein in einer Breite von etwa 6,50 m an das Grundstück des Klägers angrenzendes Nebengebäude (Garage) mit einer Zufahrt entlang der rückwärtigen Grenze. Der Abstand des Wohnhauses des Klägers, an das das Nebengebäude angebaut ist, zur gemeinsamen Grenze beträgt etwa 3,0 m bis 3,50 m.

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Unter dem 16. März 2001 erteilte der Beklagte dem Kläger auf seinen Antrag im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die Baugenehmigung zur Errichtung einer Pkw-Garage in der nordöstlichen Ecke seines Grundstücks. Nach den genehmigten Unterlagen bezieht sich die Erlaubnis auf ein 3,49 m breites und 6,49 m tiefes Gebäude, das unmittelbar an das Nebengebäude des Klägers angrenzt. Genehmigt ist ein im Grenzbereich 3,0 m hohes und von dort zum Grundstücksinneren abfallendes Pultdach. Der Abstand von der Schmalseite der Garage, in der sich das Garagentor befindet, bis zum ..weg (Südseite) beträgt ca. 19 m.

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Gegen die Baugenehmigung erhob der Kläger Widerspruch. Er rügte einen Verstoß gegen das bauordnungsrechtliche Gebot unzumutbarer Belästigungen. Die erforderlichen Einstellplätze eines Wohnhauses dürften regelmäßig nicht im Hintergarten liegen, weil die von Kraftfahrzeugen unvermeidlich ausgehenden Belästigungen dort für die Nachbarschaft regelmäßig nicht zumutbar seien. Die entsprechende bauordnungsrechtliche Bestimmung, § 46 Abs. 1 Satz 1 NBauO, habe bezüglich der Anordnung und der Beschaffenheit von Garagen nachbarschützende Wirkung. Die Zufahrt liege an der Grundstücksseite, an der sich auch sein Ruhe- und Erholungsbereich befinde. Dort sei der Ausgang in den Garten und die Terrasse sowie der offene Fensterbereich für die Essgruppe und damit ein Schwerpunkt in seinem alltäglichen Leben. Der Beigeladene hätte die Garage unschwer mit einer 3 m langen Zufahrt am Anfang seines Grundstücks errichten können oder an der Seite des Grundstücks, an der der Wintergarten errichtet werde. Auch im vorderen Bereich des Grundstücks hätte es weitere Möglichkeiten zur Errichtung einer Garage gegeben. Der nunmehr gewählte und genehmigte Standort sei ihm gegenüber am rücksichtslosesten. Die Grundstücke lägen in einer ruhigen Erholungswohngegend. Er leide an einer chronischen Bronchitis mit Atemnot und Asthmaanfällen sowie unter einem Herzleiden; seine Schwerbehinderung betrage 70 %. In einer solchen Situation sei eine Garage mit einer Auffahrt von 19 m und einer Öffnung genau in Höhe der Terrasse des Nachbarn rücksichtslos. Zufahrten würden auch zum Abstellen von Besucherfahrzeugen und ähnlichem genutzt. Dies sei mit einem erhöhten Lärm- und Immissionspegel verbunden, der über das von einer Einzelgarage ausgehende Maß deutlich hinausgehe.

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Die Bezirksregierung Weser-Ems wies den Widerspruch durch Bescheid vom 23. August 2001 als unbegründet zurück. Hierzu führte sie aus: Das Gebäude dürfe an dem genehmigten Standort ohne Grenzabstand errichtet werden, denn es halte die in § 12 Abs. 1 Nr. 1 NBauO festgelegten Höchstmaße ein. Ein zuvor auf dem Baugrundstück vorhandenes Nebengebäude sei beseitigt worden. Nach der Prüfeinschränkungsverordnung (PrüfeVO) beschränke sich die bauordnungsrechtliche Prüfung des Vorhabens auf die §§ 5, 7 - 13, 42, 47 und 47 a NBauO. Die Einschränkung des Prüfungsmaßstabes habe auch Bedeutung für den Nachbarschutz. Soweit das Vorhaben mit den Anforderungen des öffentlichen Baurechts nicht zu prüfen sei, enthalte die Baugenehmigung keine Regelung und könne daher weder den Bauherrn begünstigen noch den Nachbarn belasten. In diesem Fall könne der Nachbar ggf. nur einen Anspruch auf behördliches Einschreiten nach § 89 NBauO geltend machen. Ein solcher Anspruch sei aber nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Unberührt von den Einschränkungen der PrüfeVO bleibe die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu prüfen. Die Garage entspreche nach der Art der baulichen Nutzung den Festsetzungen des Bebauungsplans. Von dem Vorhaben gingen auch nicht Belästigungen oder Störungen aus, die für die Umgebung nach der Eigenart des Gebietes rücksichtslos seien. Zwar komme der Zufahrt eine besondere Bedeutung zu, weil ihre Nutzung die Nachbarschaft regelmäßig stark belaste. Hier werde die Zumutbarkeitsgrenze des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO durch die Einzelgarage und deren Zufahrt aber nicht überschritten. Die Zufahrt führe zwar an der Grenze des Grundstücks des Klägers und an dessen Außenwohnbereich vorbei. Das Maß des Zulässigen richte sich aber vor allem nach dem Bebauungsplan. Die Wohngegend möge faktisch ruhig sein, sei aber als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Der Bebauungsplan enthalte auch keine Festsetzungen, die die Errichtung von Garagen an der Grenze ausschließen. Bei einer offenen Bebauung sei bei der Errichtung von Garagen grundsätzlich kein Grenzabstand zum nachbarlichen Grundstück einzuhalten. Dementsprechend müsse der Nachbar auch die Beeinträchtigungen hinnehmen, die durch die Nutzung einer Grenzgarage entstehen, soweit sich die Beeinträchtigungen durch ein- und ausfahrende Fahrzeuge sowie Öffnen und Schließen des Garagentores in einem für ein Wohngebiet üblichen Maß halten. Eine Überschreitung dieses Maßes sei hier bei der Einzelgarage nicht erkennbar. Vor dem Hintergrund, dass sich die Garage bzw. Nebenanlage auf dem Grundstück des Klägers ebenfalls im rückwärtigen Bereich des Grundstücks und auch unmittelbar an der Grenze zum Grundstück des Beigeladenen befinde, sei die Forderung, die Garage mit einer 3 m langen Zufahrt am Anfang des Grundstücks zu platzieren, nicht gerechtfertigt. Ein Stauraum von 3,00 m vor der Garage wäre überdies nicht ausreichend.

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Der Kläger hat am 5. September 2001 Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Vorverfahren.

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Der Kläger beantragt,

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die dem Beigeladenen durch den Beklagten unter dem 16. März 2001 erteilte Baugenehmigung und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 23. August 2001 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er nimmt auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.

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Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen. Ihr wesentlicher Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung, in deren Rahmen eine Ortsbesichtigung durchgeführt wurde.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Durch die Erlaubnis werden subjektive öffentlich-rechtliche Rechtspositionen des Klägers, auf deren Geltendmachung er beschränkt ist, nicht verletzt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gem. § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen auf die Ausführungen der Bezirksregierung Weser-Ems im Widerspruchsbescheid, zu denen der Kläger im Klageverfahren nicht Stellung genommen hat und denen das erkennende Gericht folgt.

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Ergänzend sei zunächst hervorgehoben, dass § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO, wonach Garagen und Stellplätze u.a. so angeordnet und beschaffen sein müssen, dass ihre Benutzung nicht zu unzumutbaren Belästigungen führt, hier nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung sein konnte. Als Gebäude ohne Aufenthaltsräume iSd. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 4 NBauO war die Vereinbarkeit der Bauvorlagen mit den sich aus dieser Norm ergebenden Anforderungen nicht zu klären, vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 PrüfeVO. Damit sind die auch zu § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO entwickelten Grundsätze (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl., § 46 Rnr. 33 ff.) nicht unmittelbar anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschluss vom 17. Dezember 1996 - 1 M 5481/96 -, Nds. Rpfl. 1997, 128 -), der der Einzelrichter folgt, ist eine Anfechtung der Baugenehmigung durch den Nachbarn ausgeschlossen, soweit nach der PrüfeVO eine Prüfung des Vorhabens auf die Vereinbarkeit mit bestimmten Anforderungen des öffentlichen Baurechts entfällt. Hat die Baugenehmigungsbehörde im Verfahren nach der PrüfeVO die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit bestimmten Anforderungen des öffentlichen Baurechts nicht zu prüfen, enthält die Baugenehmigung auch keine Aussage zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit diesen Anforderungen. Dementsprechend enthält sie insoweit auch keine verbindliche Regelung, die den Nachbarn belasten könnte.

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Die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen das bauplanungsrechtliche Verbot des § 15 Abs. 1 BauNVO, dessen Anwendbarkeit durch § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO nicht ausgeschlossen wird (BVerwG, Urteil/Beschluss vom 7. Dezember 2000 - 4 C 3.00 -, DVBl. 2001, 645). Beide Vorschriften gebieten, dass von Stellplätzen und Garagen keine unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft ausgehen dürfen. Während das Bauordnungsrecht Belästigungen aus Gründen der Gefahrenabwehr zum Schutz der Gesundheit, Wohnruhe und Erholung verbietet, untersagt das Planungsrecht unzumutbare Belästigungen aus städtebaulicher Sicht, wobei vorrangig auf die Baugebietsverträglichkeit abzustellen ist. Diese hat die Widerspruchsbehörde mit zutreffenden Erwägungen bejaht. Eine (bauordnungsrechtlich zulässige) Grenzgarage ist vom Nachbarn in einem allgemeinen Wohngebiet grundsätzlich als gebietstypisch hinzunehmen. Die besonderen Umstände des Einzelfalles legen hier keine andere Bewertung nahe. Insbesondere schränkt die Tatsache, dass der Kläger seinen Wohnbereich zum Grundstück des Beigeladenen ausgerichtet und im Grenzbereich auch seine Terrasse errichtet hat, die Wahlmöglichkeit des Beigeladenen für den Standort des Garagengebäudes und die Lage der Zufahrt nicht ein. Genehmigt wurde eine Einzelgarage für ein Fahrzeug, bei dem nur mit wenigen lärm- und immissionsintensiven Fahrvorgängen pro Tag zu rechnen ist. Die Baugenehmigung gestattet dem Beigeladenen auch nicht das vom Kläger befürchtete Abstellen weiterer Pkw. Auf diese Möglichkeit ist deshalb hier nicht einzugehen. Bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, von dem in dem die Genehmigung betreffenden Rechtsstreit auszugehen ist, halten sich die Belästigungen aus der Nutzung der Garage in den für ein Wohngebiet üblichen und von einem Nachbarn grundsätzlich hinzunehmenden Grenzen. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich im rückwärtigen Bereich zudem ebenfalls eine Grenzgarage. Der Kläger mutet also selbst entsprechende Belastungen seinem nördlichen Nachbarn (...weg ..) zu; damit ist auch seine eigene Schutzwürdigkeit gegenüber dem Vorhaben des Beigeladenen begrenzt. Aus bauplanungsrechtlicher Sicht könnte der Kläger unter dem hier allein maßgeblichen Blickwinkel des Nachbarschutzes unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch nicht verlangen, dass die Garage soweit wie möglich an die Straße heranrückt oder die Auffahrt den hinteren Gartenbereich des Beigeladenen zerschneidet. Eine die Grenze der Unzumutbarkeit überschreitende Minderung der Wohnqualität (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 20. September 1991 - 6 L 131/89 - BRS 52 Nr. 115 zu § 46 Abs. 1 Satz 2 NBauO) des Grundstücks des Klägers, die bauplanungsrechtlich relevant wäre, ist nach allem nicht feststellbar.

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Soweit der Antragsteller im Widerspruchsverfahren auf seine bedauerliche Erkrankung hinweist, kann er damit ebenfalls nicht verlangen, dass am genehmigten Standort keine Garage mit einer Zufahrt zwischen den beiden Wohngebäuden errichtet wird. Die Niedersächsische Bauordnung gewährleistet nur den allgemeinen Schutz der Gesundheit (vgl. § 1 Abs. 1, 2 NBauO). Besondere gesundheitliche Befindlichkeiten Einzelner können durch die allgemein geltenden Normen des öffentlichen Baurechts nicht aufgefangen werden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, inwieweit eine genehmigungsgemäße Nutzung der Garage des Beigeladenen überhaupt Einfluss auf die gesundheitliche Situation des Klägers haben kann.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO iVm. § 708 Nr. 11 ZPO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen werden nicht für erstattungsfähig erklärt, da er keinen Antrag gestellt und sich damit nicht am Kostenrisiko des Rechtsstreits (§ 154 Abs. 3 VwGO) beteiligt hat.