Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 28.08.2002, Az.: 6 A 3054/00

Anerkennung von ärztlichen Wahlleistungen als beihilfefähig; Begriffsbestimmung der Wahlleistung; Abgerenzung der Wahlleistung zur allgemeinen Krankenhausleistung; Höchstpersönliche Leistung des Wahlarztes; Pflichten aus dem Wahlarztvertrag

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
28.08.2002
Aktenzeichen
6 A 3054/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 21600
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2002:0828.6A3054.00.0A

Verfahrensgegenstand

Streitgegenstand: Beihilfe - Wahlleistungen

Prozessführer

der ...

Proz.-Bev.:Rechtsanwälte Dauer und andere, Klosterstraße 16, 91301 Forchheim,...

Prozessgegner

der Evangelisch-Lutherische Oberkirchenrat, Philosophenweg 1, 26121 Oldenburg, ...

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Anerkennung von ärztlichen Leistungen als beihilfefähige Wahlleistung, kann nur dann erfolgen, wenn sich die Leistung als eine andere als allgmeine Krankenhausleistung erweist und somit über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgeht.

  2. 2.

    Die Wahlleistung muß nicht vom Wahlarzt höchstpersönlich, sondern kann auch von seinem ständigen ärztlichen Vertreter erbracht werden. Jedoch ist diese nur als wahlärztliche Erfüllungsleistung zurechenbar, wenn der Wahlarzt durch sein Tätigwerden der Behandlung des Patienten sein persönliche Gepräge gegeben hat.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 6. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 28. August 2002
durch
...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Vollstreckungsschuldner kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt die Anerkennung von ärztlichen Wahlleistungen als beihilfefähig.

2

Der ... geborene Kläger ist ... im Ruhestand und zu neunzig vom Hundert beihilfeberechtigt. Vom 17. bis 21. Juni 1999 hielt er sich stationär im Universitätsklinikum E. zur Durchführung einer dringend erforderlichen gefäßchirurgischen Operation auf. Am 17. Juni 1999 schloss er mit dem Beigeladenen, dem Ärztlichen Direktor der chirurgischen Klinik und Poliklinik, einen Wahlarztvertrag, in dem sich der Kläger für den Fall einer "unvorhersehbaren Verhinderung" des Beigeladenen mit der Vertretung durch dessen ständigen Vertreter, unter anderem Herrn Dr. L., einverstanden erklärte. Am Nachmittag desselben Tages wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Beigeladene am 18. Juni 1999 wegen anderer diverser Operationen daran gehindert sei, die für diesen Tag beim Kläger vorgesehene Operation durchzuführen, worauf der Kläger erklärte, mit der Durchführung der Operation durch Dr. L., dem Leiter der Gefäßchirurgie, einverstanden zu sein. Die Operation erfolgte am 18. Juni 1999 durch Dr. L, der auch alle Visiten durchführte. Einen persönlichen Kontakt zum Beigeladenen gab es während des Behandlungszeitraums nicht. Die Abrechnung erfolgte durch den Beigeladenen unter dem 6. September 1999 und belief sich auf 3.822,97 DM (entspricht 1.954,65 Euro); für die Visiten wurde der 2,3-fache Gebührensatz, für die Operation der 3,5-fache Gebührensatz zugrunde gelegt.

3

Der vom Kläger bei der - mit der Abrechnung von Beihilfeanträgen vom Beklagten beauftragten - Norddeutschen ..... gestellte Antrag auf Gewährung von Beihilfe wurde mit Bescheid vom 13. April 2000 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Wahlarztvertrag sei vom Beigeladenen nicht erfüllt worden. Der Wahlarzt müsse sich zu Beginn, während und nach Abschluss der Behandlung persönlich mit dem Patienten befassen. Dies sei beim Kläger eindeutig nicht erfolgt, da von Anfang an klar gewesen sei, dass Dr. L. und nicht der Beigeladene die ärztliche Versorgung übernehme.

4

Den vom Kläger erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 24. Juli 2000 zurück, wobei er unter anderem auf die vom Kläger zwischenzeitlich vorgelegte Erklärung des Beigeladenen vom 27. März 2000 verwies, derzufolge dieser am Tag der Operation des Klägers "formal" verhindert gewesen sei. Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit und die Berechnung gesondert berechenbarer wahlärztlicher Leistungen im Krankenhaus sei nach der Bundespflegesatzverordnung das Vorhandensein eines Wahlarztvertrages, wobei die Gebührenordnung für Ärzte die persönliche Leistungserbringung des Wahlarztes hervorhöbe. Beim Kläger habe aber bereits bei der Behandlungsaufnahme festgestanden, dass die gesamte Behandlung von Dr. L. durchgeführt werde. Der Kläger sei durchgehend wie ein Patient behandelt worden, der keine wahlärztliche Behandlung vereinbart habe. Bei diesen Patienten sei jedoch auch die ärztliche Behandlung mit dem Krankenhauspflegesatz abgegolten. Der Wahlarztvertrag sei nicht erfüllt worden, weil der Beigeladene die von ihm geschuldete Leistung nicht erbracht und ein entschuldbarer Hinderungsgrund nicht vorgelegen habe.

5

Die fristgerecht erhobene Klage begründet der Kläger im Wesentlichen damit, dass es sich bei den wahlärztlichen Leistungen durchaus um beihilfefähige Aufwendungen handele. Wahlärztliche Leistungen müssten nicht vom liquidationsberechtigten Arzt höchstpersönlich erbracht werden, sondern könnten auch von dessen ständigen ärztlichen Vertreter erbracht werden, wenn dieser - was bei Dr. L. der Fall sei - Facharzt desselben Gebietes sei. Es habe auch ein Fall der Stellvertretung vorgelegen, welcher im Wahlarztvertrag vereinbart worden sei. Eine Vertretung infolge vorübergehender Verhinderung des Wahlarztes gerade aus dienstlichen Gründen sei mit Zustimmung des Patienten durchaus zulässig. Bei Aufnahme ins Krankenhaus habe nicht bereits festgestanden, dass ihn Dr. L. operieren werde. Bei Inanspruchnahme einer ärztlichen Wahlleistung werde die allgemeine Pflegeleistung durch eine besondere ärztliche Versorgung ersetzt, die sich vom Standard des Kassenpatienten unterscheide. Dies sei auch der Fall gewesen, da er durch Dr. L. als einer Kapazität auf dem Gebiet der Gefäßchirurgie operiert worden sei; dies werde nicht jedem Kassenpatienten gleichermaßen zuteil. Der wirksam geschlossene Behandlungsvertrag sei somit erfüllt worden.

6

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Norddeutschen ... vom 13. April 2000 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24. Juli 2000 aufzuheben und

den Beklagten zu verpflichten, ihn auf seinen Antrag vom 13. April 2000 für die mit Rechnung vom 6. September 1999 ausgewiesenen Leistungen des Beigeladenen eine Beihilfe in Höhe von 1.759,18 EUR zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Vertiefend zu seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren entgegnet er im Wesentlichen, der sog. Chefarztvertrag sei unwirksam, weil er nicht erfüllt worden sei. Auf telefonische Anfrage des Leiters der Beihilfeabteilung des Beklagten habe die Sekretärin des Beigeladenen erklärt, dass dieser nur Operationen der allgemeinen Chirurgie durchführe. Soweit Operationen in das spezielle Aufgabengebiet eines anderen Gebietsleiters fielen, würden sie wegen der Spezialkenntnisse von diesem erbracht.

9

Der Beigeladene, der keinen Antrag gestellt hat, hat ausgeführt, die Feststellung, er würde Operationen nur in der Allgemeinchirurgie durchführen, sei insofern richtig, als erüberwiegend in der Thorax- und Bauchchirurgie tätig sei, daneben aber auch gefäßchirurgische Operationen durchführe. Es sei richtig, dass er den Kläger nicht persönlich gesehen habe, der Kläger sei ausschließlich von Dr. L. betreut worden sei, welcher mit ihm jedoch regelmäßig gefäßchirurgische Fälle bespreche und ihnüber den Krankheitsverlauf der Patienten informiere. Besonders schwerkranke Patienten sehe er - der Beigeladene - durchweg täglich, sofern er nicht durch Dienstreisen verhindert sei. Sofern Patienten die operative Behandlung durch ihn ausdrücklich wünschten, führe er auch gefäßchirurgische Operationen durch. Ansonsten werde er für gefäßchirurgische Operationen von Dr. L. vertreten, wobei während der Zeit des Aufenthalts des Klägers zwei weitere Chirurgen mit der Zusatzbezeichnung Gefäßchirurgie in der Klinik tätig gewesen seien. Da Dr. L. von allen gefäßchirurgisch tätigen Kollegen die größte Erfahrung besitze, sei er bei allen Wahlleistungspatienten unabhängig von der hier zu diskutierenden Anfrage als seine Vertretung tätig, so dass gewährleistet sei, dass sie im Vertretungsfall von einem erfahrenen Gefäßchirurgen operiert würden. Am 18. Juni 1999 habe er einen anderen Wahlleistungspatienten wegen eines sogenannten Platzbauches notfallmäßig operiert.

10

Weges des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen; sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

11

II.

Die Klage ist zulässig, insbesondere die Zuständigkeit der staatlichen Gerichtsbarkeit gegeben, weil mit dem geltend gemachten Beihilfeanspruch ein vermögensrechtlicher Anspruch im Sinne des§ 112 Abs. 2 des Pfarrergesetzes der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg (Pfarrergesetz - PfG) vom 14. Mai 1997 (GVBl XXIV Bd., S. 18) verfolgt wird.

12

Die Klage ist jedoch unbegründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf Bewilligung von Beihilfe nach Maßgabe des § 87 c Abs. 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes - NBG - in Verbindung mit Anlage 1, Art. 1 § 1 Abs. 3 Satz 1 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV), welche gem. § 67 Abs. 2 PfG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 des Kirchengesetzes der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsenüber die Besoldung und Versorgung der Pfarrer und Pfarrerinnen (Pfarrerbesoldungs- und -versorgungsgesetz - PfBVG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Januar 1998 (GVB. XXIV. Bd., S. 71), entsprechend anzuwenden sind, zusteht, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - RmBereinVpG - vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987).

13

Einem Beihilfeanspruch des Klägers steht zwar nicht schon grundsätzlich entgegen, dass der von den zuvor zitierten kirchenrechtlichen Vorschriften im Verweisungswege für maßgeblich erklärte § 87 c NBG seit Inkrafttreten des Haushaltsbegleitgesetzes 2002 (vom 18. Dezember 2001 (Nds.GVBl. S. 806)) Aufwendungen für gesondert berechnete wahlärztliche Leistungen von der Beihilfefähigkeit in Abs. 3 Satz 1 ausdrücklich ausnimmt; gemäß § 87 c Abs. 3 Satz 2 Ziffer 1 NBG sind davon nämlich nicht Beihilfeberechtigte erfasst, die - wie der Kläger - vor dem 1. Januar 2002 das 65. Lebensjahr vollendet haben. Dem Kläger steht jedoch aus anderen Gründen für die geltend gemachten ärztlichen Leistungen kein Anspruch auf Beihilfe zu. Die von Dr. L. erbrachten Leistungen waren bereits keine wahlärztliche Leistungen, sondern eine allgemeine Krankenhausleistung (1.); ungeachtet dessen wären die Voraussetzungen für eine Zurechnung der Leistung des Dr. L. zugunsten des Beigeladenen nicht gegeben (2.).

14

1.

Wahlleistungen sind gem. Anlage 1 Art. 1 § 6 Nr. 6 b) aa) BhV (in der Fassung vom 14. Dezember 20001 - vgl. Nds.MBl. 2002, S. 145, mit den Durchführungshinweisen auf S. 160 ff -, ergänzt durch umsetzenden Runderlass des Nds. Finanzministeriums vom 18. Januar 2002 - Nds.MBl. S. 225 -) gesondert berechnete wahlärztliche Leistungen im Sinne des § 22 der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - BPflV - vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2702, 2707). § 22 Abs. 1 Satz 1 BPflV bezeichnet Wahlleistungen als andere als allgemeine Krankenhausleistungen (vgl. dazu Miebach/Patt, NJW 2000, S. 3377 (3381 f.) a.A. Biermann/Ulsenheimer/Weißauer, NJW 2001, S. 3366 (3367)), womit er auf die Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 BPflV Bezug nimmt, der als allgemeine Krankenhausleistungen solche definiert, die "unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind"; dass dabei insbesondere ärztliche Leistungen zu den (allgemeinen) Krankenhausleistungen zählen, folgt aus § 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz, BPflV. Dem entspricht, dass Vergütungen für von Ärzten erbrachte Leistungen, die über das Maß einer medizinisch notwendigen ärztlichen Versorgung hinausgehen, nur dann berechnet werden dürfen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht wurden (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 der Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ - in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Februar 1996 (BGBl. I S. 1522), zuletzt geändert durch Gesetz vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3320, 3325)).

15

Nach Auffassung der Kammer war die Operation durch Dr. L. als Spezialist und Leiter der Gefäßchirurgie jedoch eine bereits nach§ 2 Abs. 2 Satz 1 BPflV rechtlich zwingend zu erbringende allgemeine Krankenhausleistung, weil von der Art und der Schwere der Krankheit des Klägers her eine Operation durch ihn notwendig war; eine Operation durch einen weniger qualifizierten Arzt der nachgeordneten Ebene wäre gerade nicht ausreichend gewesen. Nach dem vom Beigeladenen nicht in Abrede gestellten Vortrag des Klägers war dessen Operation dringend geboten, um einer Lebensgefahr zu begegnen. Darüber hinaus verfügt die Klinik neben Dr. L. über zwei weitere qualifizierte Gefäßchirurgen, so dass alles dafür spricht, dass der Kläger auch ohne den mit dem Beigeladenen geschlossenen Wahlarztvertrag (und damit verbundener Vertretungsregelung) angesichts der Leistungsfähigkeit der Klinik ohnehin von Dr. L oder jedenfalls von einem der anderen Gefäßchirurgen operiert worden wäre. Die mit dem Abschluss von Wahlarztverträgen regelmäßig angestrebte"optimale Versorgung" (vgl. LG Hamburg, NJW 2001, S. 3415 (3416) [LG Hamburg 02.02.2001 - 313 S 62/00], Miebach/Patt, a. a. O., S. 3379) konnte von Dr. L. in seiner Funktion als Vertreter des zum Kläger vertraglich in Beziehung stehenden Beigeladenen somit erst gar nicht geleistet werden, weil sie von ihm als medizinisch notwendige ärztliche Versorgung (§ 1 Abs. 2 GOÄ) zu erbringen war.

16

Der Wahlarztvertrag ist auch nicht in der Lage, der von Dr. L durchgeführten Operation den Charakter einer allgemeine Krankenhausleistung zu nehmen. Dem steht die Wertung des § 22 Abs. 1 Satz 1 BPflV entgegen, demzufolge Wahlleistungen dadurch gekennzeichnet sind, dass sie gerade andere als allgemeine Krankenhausleistungen sind und sie - unter anderem - nicht dazu führen dürfen, dass die Erbringung der allgemeinen Krankenhausleistungen (auch nur) beeinträchtigt wird. Nicht zuletzt damit wird der gesetzgeberischen Wertung Rechnung getragen, dass die Verpflichtung von Chefärzten und ihrer ständigen Vertreter zur Behandlung der Krankenhauspatienten in dem nach dem jeweils medizinisch ausreichenden, damit freilich aber auch notwendig gebotenem Umfang in erster Linie aus dem mit dem Krankenhausträger bestehenden Arbeits-/Dienstverhältnis folgt, aus dem sie - im Hinblick auf die nach § 2 Abs. 1 BPflV bestehende Leistungsverpflichtung - bereits entlohnt werden.

17

2.

Die Entscheidung selbständig tragend tritt schließlich hinzu, dass selbst dann, wenn die Leistungen des Dr. L. entgegen dem unter 1. Gesagten als dem Grunde nach wahlleistungsfähig anzusehen wären, sie dem Beigeladenen jedenfalls im konkreten Fall nicht leistungserfüllend und damit anspruchsbegründend zugerechnet werden können. Da der Kläger als Folge der Nichterfüllung jedenfalls im Ergebnis nicht zur Zahlung verpflichtet ist, kann er vom Beklagten auch keine Beihilfe für diese Leistung verlangen.

18

Die Erbringung von Wahlleistungen beruht auf einem vom Patienten mit einem von ihm ausgewählten Arzt (Wahlarzt) geschlossenen Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB), wobei sich nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BPflV eine Vereinbarung über wahlärztliche Leistungen auf alle an der Behandlung des Patienten beteiligten Ärzte erstreckt, soweit diese zur gesonderten Berechnung ihrer Leistung berechtigt sind. Dabei gelten gem. § 22 Abs. 3 Satz 7 BPflV auch für die Berechnung der wahlärztlichen Leistungen die Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte entsprechend, soweit sich dies nicht bereits unmittelbar aus den maßgeblichen Gebührenordnungen ergibt.

19

a)

Die Gebührenordnung für Ärzte enthält hinsichtlich der Berechnung wahlärztlicher Leistungen spezielle Regelungen. Eine Regelung zur Zurechenbarkeit wahlärztlicher Leistungen enthält § 4 GOÄ in Abs. 2 Satz 3 für wahlärztliche Leistungen bezüglich der dort in den Ziffern 1 bis 3 bezeichneten Leistungen. Sie gelten nur dann als eigene Leistung, wenn sie zwar nicht vom Wahlarzt höchstpersönlich, jedoch von seinem ständigenärztlichen Vertreter erbracht worden sind, der Facharzt desselben Gebietes wie der Wahlarzt ist, und er bereits vor Abschluss des Wahlarztvertrages als solcher benannt worden ist. § 4 Abs. 2 Satz 4 GOÄ regelt wiederum hinsichtlich der im Abschnitt E des Gebührenverzeichnisses bezeichneten Leistungen eine Zurechnung als eigene Leistung des Wahlarztes dahingehend, dass der Wahlarzt oder sein ständiger Vertreter eine bestimmte Zusatzbezeichnung aufweisen und die von Dritten erbrachte Leistung nach fachlicher Weisung unter deren Aufsicht erbracht worden sein muss. Aus dieser speziellen, auf bestimmte im Rahmen eines Wahlarztvertrages erbrachte Leistungen zugeschnittenen Regelung folgt zunächst, dass die von Dr. L durchgeführten, nach § 4 Abs. 2 Satz 3, Ziffer 2 GOÄ zu würdigenden Visiten schon deshalb nicht als Wahlleistung des Beigeladenen angesehen werden können, weil eine Vertretung insoweit zwar grundsätzlich möglich ist, dies jedoch nicht davon befreit, dass im konkreten Fall Umstände vorgelegen haben müssen, die einen Vertretungsfall begründeten. Dass dies der Fall gewesen ist, ist nicht ersichtlich und hat der Beigeladene auch nicht ansatzweise behauptet.

20

b)

Die von Dr. L. erbrachte Operationsleistung ist dem Beigeladenen ebenfalls nicht als wahlärztliche Erfüllungsleistung zurechenbar.

21

Zwar geht auch die GOÄ davon aus, dass der Wahlarzt im Rahmen des Wahlarztvertrages trotz der nach § 613 Satz 1 BGB im Zweifel persönlich zu erbringenden Leistung nicht immer höchstpersönlich tätig werden muss (vgl. auch LG Hamburg, a. a. O.), eine Delegierung somit nicht durchgehend ausgeschlossen ist (LG Hamburg, MedR 2001, S. 314 [OLG Stuttgart 19.09.2000 - 14 U 65/99] (315)). Dies folgt zunächst aus§ 5 Abs. 5 GOÄ, der bei wahlärztlichen Leistungen, die weder vom Wahlarzt noch von seinem ständigen Vertreter persönlich erbracht werden, zwar eine Reduzierung des Gebührensatzes anordnet, damit aber zugleich zum Ausdruck bringt, dass es sich dabei weiterhin um eine als vom Wahlarzt erbracht anzusehende Leistung handelt. Auch§ 2 Abs. 3 Satz 2 GOÄ, der vereinbarte Abweichungen von der Gebührenhöhe bei wahlärztlichen Leistungen betrifft, bringt dies zum Ausdruck. Gleichwohl kann aus den Regelungen nicht gefolgert werden, hinsichtlich der Wahlleistungen, für die die GOÄ keine spezielle Zurechnungsvoraussetzungen normiert, sei eine unbegrenzte Zurechnung von Leistungen Dritter möglich.

22

aa)

Dies folgt zunächst daraus, dass § 22 Abs. 3 Satz 7, 2. Halbsatz, BPflV die in den ärztlichen Gebührenordnungen speziell für die Berechnung von Wahlleistungen getroffenen Regelungen zwar für in erster Linie maßgeblich erklärt, für sie im Übrigen jedoch wieder auf die sonstigen Vorschriften der GOÄ und somit insbesondere auf § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ verweist. Danach kann ein Arzt Gebühren nur dann für "eigene Leistungen" in Rechnung stellen, wenn er die ärztliche Leistung selbst erbracht hat oder sie aber unter seiner Aufsicht und nach fachlicher Weisung von einem Dritten erbracht worden sind. Da Letzteres nicht schon dann der Fall ist, wenn sich der Wahlarzt auf die sorgfältige Auswahl der leistungserbringenden Personen beschränkt (vgl. Begründung zur Einführung des § 4 Abs. 2 Satz 1 durch die Dritte Änderungsverordnung zur GOÄ, BR-Drucksache 118/88, AG Berlin-Charlottenburg, r+s 1999, S. 35 (36)), liegen die Voraussetzungen für eine Zurechnung nicht vor. Dr. L. hat den Kläger selbständig operiert, wobei eine Beaufsichtigung durch den Beigeladenen und die Erteilung von fachlichen Weisungen durch ihn nach dessen eigener Aussage schon deshalb nicht möglich war, weil er zeitgleich einen Patienten mit einem Platzbauch operiert haben will. Somit kann dahin gestellt bleiben, ob § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ bei Haupt- und Kernleistungen überhaupt anwendbar ist (vgl. LG Aachen, r+s 2001, S. 429 (430)).

23

bb)

Zu keiner anderen rechtlichen Würdigung gelangte das Gericht selbst dann, wenn es die Voraussetzungen für die Leistungszurechnung nicht strikt nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ bestimmte. Der Charakter des Wahlarztvertrages stünde dem dann entgegen.

24

Mit den durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Gebührenverordnung für Ärzte vom 18. Dezember 1995 (BGBl. I S. 1861) - Vierte Änderungsverordnung - erfolgten und bereits beschriebenen Neuregelungen zur Zurechnung (bestimmter) wahlärztlicher Leistungen in § 4 Abs. 2 GOÄ wollte der Rechtsetzungsgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass bei wahlärztlichen Leistungen die Abrechnungspraxis in der Vergangenheit in vielen Fällen nicht den besonderen Anforderungen, die im Hinblick auf die Natur dieser Leistungen an die persönliche Leistungserbringung zu stellen sind, entsprochen habe. Der Verordnungsgeber sah die Besonderheit wahlärztlicher Leistungen darin, dass für die im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung notwendigen und mit der Vergütung für die allgemeinen Krankenhausleistungen bereits abgegoltenenärztlichen Leistungen auch dann, wenn deren Erbringung durch nachgeordneteÄrzte des Krankenhauses nach den Umständen des Behandlungsfalles ausreichend sei, die Erbringung durch liquidationsberechtigte Krankenhausärzte (Wahlärzte) mit der Maßgabe einer gesonderten Berechnung dieser Leistungen vereinbart werden könne. Da wahlärztliche Leistungen und deren gesonderte Vergütung in einem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung stünden, erfordere dies, dass der Wahlarzt durch sein Tätigwerden der Behandlung des Patienten sein persönliche Gepräge gebe. Dazu gehöre, dass sich der Wahlarzt zu Beginn, während und zum Abschluss der Behandlung mit dem Patienten persönlich befasse. Anderenfalls müsse davon ausgegangen werden, dass seine Kenntnis über Behandlungsnotwendigkeit und -verlauf unzureichend sei und er seinem Behandlungsauftrag als Wahlarzt nicht genügend nachkomme. Die Neuregelungen in Abs. 2 Satz 3 und 4 -später noch auf Anregung des Bundesrats um das Erfordernis der Bezeichnung des ständigen Vertreters vor Abschluss des Wahlarztvertrages ergänzt (vgl. BR-Drucksache 688/95) - sollten die sich aus den allgemeinen anerkannten Grundsätzen ergebenden Anforderungen konkretisieren, indem sie für bestimmte Leistungen im Rahmen der wahlärztlichen Krankenhausbehandlung den gebührenrechtlichen Begriff der "eigenen Leistung" klarer definierten und an die Erfüllung entsprechender Mindestanforderungen bänden. Gegebenenfalls engere Grenzen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen blieben davon unberührt. Zum unverzichtbaren Kernbestand der Leistungen, durch deren persönliche Erbringung dieärztliche Behandlung erst ihre wahlärztliche Prägung erhalte, gehörten die Grundleistungen innerhalb des ersten Tages nach der Aufnahme und des letzten Tages vor der Entlassung (Abs. 2 Satz 3 Nr. 1) sowie die Visiten während der gesamten Dauer des Krankenhausaufenthaltes (Abs. 2 Satz 3 Nr. 2). Dabei wurde vom Gesetzgeber davon ausgegangen, dass im Hinblick auf den kontinuierlichen behandlungsfallbezogenen Informationsaustausch zwischen Wahlarzt und dessen ständigen Vertreter die Anforderungen an eine persönliche Leistungserbringung auch dann erfüllt seien, wenn diese Leistungen teilweise von dem ständigen Vertreter des Wahlarztes persönlich erbracht würden. Sofern der Wahlarzt nach eingehender persönlicher Kenntnisnahme des Krankheitsfalles zu Beginn der Behandlung in deren weiteren Verlauf gelegentlich an der persönlichen Ausführung der Visite verhindert sei, könne der Wahlarzt die von seinem ständigen ärztlichen Vertreter ausgeführten Visiten als eigene Leistungen abrechnen, wenn dies nach der vertraglichen Vereinbarung über die gesonderte Berechnung wahlärztlicher Leistungen nicht ausgeschlossen sei (vgl. BR-Drucksache 211/94). Nach alledem folgt aus den Materialien hinlänglich deutlich, dass der Verordnungsgeber durch die Vierte Änderungsverordnung Wahlarztleistungen durch Dritte hinsichtlich bestimmter Leistungsarten selbst Grenzen ziehen wollte, dies jedoch nicht abschließend (vgl. LG Aachen, a.a.O., S. 430), sondern nur beispielhaft und gerade in der generellen Absicht, der tatsächlichen Erfüllung der aus dem persönliche Gepräge des Wahlarztvertrages erwachsenen Leistungspflichten besonderen Nachdruck zu geben.

25

Dass die dem Kläger zuteil gewordene Behandlung insgesamt durch den Beigeladenen in persönlicher Weise geprägt wurde, ist nicht erkennbar. Dabei braucht das Gericht nicht abschließend zu würdigen, ob die Vertretungsklausel auch angesichts der Wertungen der Vierten Änderungsverordnung unbedenklich ist und insbesondere die dort bezeichneten Voraussetzungen tatsächlich vorlagen, was erheblichen Zweifeln begegnet. Sie drängen sich auf, weil der Beigeladene im vorgerichtlichen Verfahren noch erklärt hat, er sei an der Durchführung der Operation formell verhindert gewesen, während er im gerichtlichen Verfahren vortrug, am 18. Juni 1999 einen anderen Wahlleistungspatienten "notfallmäßig" wegen eines Platzbauchs operiert zu haben, was wiederum deshalb wenig stimmig erscheint, weil er den Kläger ausweislich des Verwaltungsvorgangs bereits am Tag zuvor (am Nachmittag) darüber informiert hatte, "wegen anderer div. Op's verhindert" zu sein. Selbst wenn das Gericht die für den Kläger augenscheinlich im Vordergrund stehende Operation in den Kontext zu den sonstigen ärztlichen Leistungen stellt, ist auch imÜbrigen nicht ersichtlich, in welcher Weise die dem Kläger gegenüber erbrachten Leistungen durch den Beigeladenen persönlich geprägt waren. Der Beigeladene selbst hat ausgeführt, der Kläger sei während der Behandlung ausschließlich durch Dr. L betreut worden, er selbst habe den Kläger persönlich nicht gesehen. Auch seine Ausführungen, Dr. L bespreche mit ihm regelmäßig gefäßchirurgische Fälle und informiere ihn über den Genesungsverlauf, ändert daran nichts, weil diese Erkundigungspflicht hinsichtlich aller Patienten im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen besteht und sie sich nicht speziell aus einer besonderen vertraglichen Beziehung zum Kläger ableitet (vgl. auch Miebach/Patt, a. a. O., S. 3379).

26

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wobei es unbillig erschien, die außergerichtlichen Kosten des in der Sache auf der Seite des unterliegenden Klägers stehenden Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

27

4.

Die Berufung war nach § 124a Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen Rechtsgrundsätzlichkeit zuzulassen. Soweit ersichtlich, liegt zur Frage, wann Wahlleistungen vorliegen und in welchem Umfang sowie mit welchen Folgen sie von Dritten erbracht werden dürfen, keine aktuelle oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung vor, auf die in den Fällen des§ 87 c Abs. 3 Satz 2 NBG zurückgegriffen werden könnte. Darüber hinaus ist eine obergerichtliche Klärung der Frage nach dem grundsätzlichen Charakter von Wahlleistungen auch im Hinblick darauf geboten, dass sie voraussichtlich auch im Zusammenhang mit der bereits erwähnten Streichung der Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen auf Landesebene, die bereits zu entsprechenden Klagen geführt hat, Bedeutung erlangt.