Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.10.2003, Az.: 1 LA 292/02

bauaufsichtliche Zulassung; Baugenehmigung; Emittent; Gebot der Rücksichtnahme; heranrückende Wohnbebauung; Immissionen; Nachbarklage; Nachbarschutz; Nachbarwiderspruch; Streitwert; Vorbescheid; Wohnnutzung; Änderung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.10.2003
Aktenzeichen
1 LA 292/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48245
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.08.2002 - AZ: 4 A 565/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Betreiber eines emittierenden Betriebes (hier: Tischlerei) kann eine heranrückende Wohnbebauung nicht abwehren, wenn die auf seinem Grundstück bereits vorhandene Wohnbebauung durch die Immissionen im Wesentlichen in gleicher Weise beeinträchtigt wird und er die emittierenden Teile seines Betriebes nicht zu der Seite (Himmelsrichtung) hin orientiert hat (hatte), aus der die Wohnbebauung jetzt heranrückt.

2. Das Rechtsmittelgericht kann den Streitwert für das Verfahren im ersten Rechtszug aufgrund eigenständiger Würdigung der erstinstanzlich gestellten Klageanträge auch dann gem. § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG abändern, wenn dadurch die vom Verwaltungsgericht getroffene, mit zulässigen prozessualen Mitteln nicht mehr abzuändernde Kostengrundentscheidung unzutreffend wird.

Gründe

1

Mit den angefochtenen und vom Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung aufgehobenen Widerspruchsbescheiden hatte die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Bezirksregierung B., auf den Widerspruch des Beigeladenen mehrere bauaufsichtliche Zulassungen der Stadt D. für die Herstellung eines Doppelwohnhauses und eines Zweifamilienhauses in Fachwerkbauweise – jeweils mit Nebenanlagen – aufgehoben. Der Beigeladene hatte zur Begründung seines Widerspruches geltend gemacht, die mit den angegriffenen Bescheiden genehmigte Wohnnutzung setze sich unzumutbaren Immissionen aus, die von der auf seinem Grundstück von Dritten betriebenen Tischlerei ausgingen. Die Belegenheit stellt sich folgendermaßen dar:

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Dem Kläger gehört das recht große Flurstück 104/4, Flur 2 der Gemarkung E., von dem hier nur der südwestliche Bereich interessiert. Dieser wird von Osten erschlossen durch die Straße F., die sich hakenförmig nach Norden kurz und nach Süden in einem längeren Teilstück fortsetzt. Der nördliche Straßenstummel stößt zwischen dem Beigeladenengrundstück F. 10 und dem Siebenparteienwohnhaus F. 6 auf den Bereich des klägerischen Grundstücks (F. 8), auf dem früher ein älteres, möglicherweise denkmalgeschütztes Fachwerkgebäude stand. Dort befanden sich zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung des Verwaltungsgerichts dessen Reste (Schutthaufen) und soll das Doppelhaus errichtet werden, für das die Stadt D. unter dem 8. Februar 1999 die Baugenehmigung Nr. 485/97 erteilte. Das zweite Objekt – ein Zweifamilienhaus in Fachwerkbauweise – soll nordwestlich davon errichtet werden. Hierfür erhielt der Kläger von der Stadt D. am 8. Dezember 1996 einen Vorbescheid und am 8. Februar 1999 die Baugenehmigung Nr. 486/97.

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Dem Beigeladenen gehört das südwestlich davon gelegene, ebenfalls nicht überplante Grundstück F. 10. Dieses ist mit unterschiedlich genutzten Gebäuden bestanden. Etwa in der Mitte des nördlichen Teils steht eine 50 m lange und 15 m tiefe Halle in einem Abstand von 5 m bis 6 m zur nördlichen Grundstücksgrenze. Diese hat der Beigeladene an die Tischlerei G. verpachtet. Eine Baugenehmigung für den vorhandenen Baubestand existiert nicht. An die Südostecke der als Tischlerei genutzten Halle schließen sich in nach Süden abknickender L-Form mehrere Gebäude an, die zweieinhalb- bis dreigeschossig sind. In dem – von der Halle aus gesehen – ersten, 10 m tiefen Trakt wohnt der Beigeladene; früher wurde dieses Gebäude als Büro genutzt. Die beiden folgenden Gebäude enthalten in ihren Erdgeschossen zum Teil Garagen, im Übrigen an Dritte vermietete, insgesamt sieben bis acht Wohnungen. Zusammen mit den nordöstlich davon stehenden Reihengaragen, die zum Gebäude F. 6 gehören (dieses Gebäude steht 25 m östlich des abgebrochenen Fachwerkhauses Nr. 8), sowie einem Garagengebäude des Beigeladenen, das an die Reihengaragen des Hauses Nr. 6 nach Südosten anschließt, bilden die vorstehend genannten Gebäude eine Art Hof mit einer Durchfahrt von rund 5 m Breite zur Straße F.. Der Zu- und Abfahrtsverkehr zum Tischlereigebäude wird durch diese Zufahrt und diesen „Hof“ zu einem Wendeplatz geführt, der an den Ostgiebel des Tischlereigebäudes anschließt. In dessen Nordteil ist ein zweiflügeliges Tor eingebaut. Durch dieses werden – zum Teil nach Zersägung großer Platten auf dem Freigelände/Lkw-Wendeplatz - die Materialien in das Tischlereigebäude transportiert. Dieses hat an seinem westlichen Ende drei weitere Tore mit vorgelagerter Hoffläche, auf der ebenfalls Lastkraftwagen wenden und abgeladen werden können.

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Mit den hier angegriffenen Widerspruchsbescheiden vom 18. Januar 2001 hob die Bezirksregierung B. die genannten Baugenehmigungen und den Vorbescheid im Wesentlichen mit folgender Begründung auf: Die genehmigte Wohnnutzung sei rücksichtslos, weil sie sich unzumutbaren Immissionen aussetze und so für den Beigeladenen die Gefahr unzumutbarer Betriebseinschränkungen heraufbeschwöre. Die eingeholten Lärmgutachten wiesen erhebliche Mängel auf. Immissionen, die durch Lackierungsarbeiten hervorgerufen würden, seien unberücksichtigt geblieben. Staubimmissionen seien unzutreffend erfasst worden, welche vom Betrieb der Heizungsanlage ausgingen, in der die Tischlerei Holzreste verbrenne. In der näheren Umgebung sei Wohnnutzung zwar schon vorhanden. Der Nutzungskonflikt mit der Tischlerei – das sei eine Nutzung, die das Wohnen typischerweise wesentlich störe und deshalb einen Abstand von rund 100 m zur Wohnnutzung halten müsse – werde durch das Hinzutreten der streitigen Vorhaben jedoch erheblich verstärkt.

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Hiergegen hat der Kläger ursprünglich mit dem Antrag Klage erhoben, die Widerspruchsbescheide aufzuheben und festzustellen, dass die Nachbarwidersprüche des Beigeladenen unzulässig, hilfsweise unbegründet seien. In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat sich der Kläger auf einen reinen Aufhebungsantrag beschränkt. Der so umgestellten Klage hat das Verwaltungsgericht stattgegeben, wobei es die Klageeinschränkung als Teilrücknahme gewertet hat. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, im Wesentlichen ausgeführt:

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Die Widerspruchsbescheide könnten nur dann Bestand haben, wenn die Bezirksregierung B. den Nachbarwidersprüchen hätte stattgeben dürfen. Dazu reiche die – jedenfalls für das Zweifamilien-Fachwerkgebäude wegen seiner Außenbereichslage anzunehmende - objektive Baurechtswidrigkeit nicht aus. Hinzukommen müsse vielmehr, dass die angegriffenen Genehmigungen Rechte des Beigeladenen verletzten. Daran fehle es. Die Kammer lasse dabei unentschieden, ob der Nachbarwiderspruch schon wegen der Grundsätze ohne Erfolg hätte bleiben müssen, welche das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24. September 1992 (- 7 C 6.92 -, BVerwGE 91, 92 = NVwZ 1994, 164 = DVBl. 1993, 159) entwickelt habe; für eine Anwendung dieser Grundsätze spreche der Umstand, dass für die Tischlerei zwar mehrere Genehmigungen erteilt worden seien, diese jedoch nicht einen Baubestand dieser Größe umfassten. Für die Entscheidung sei außerdem unerheblich, ob die Lärmgutachten zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt seien und die Nebenbestimmungen, welche in die Bauscheine betreffend die Tischlerei aufgenommen worden seien, diese auf die Einhaltung der Werte für ein Dorfgebiet festgelegt hätten. Ein Abwehrrecht des Beigeladenen bestehe jedenfalls deshalb nicht, weil die Tischlerei schon jetzt in größerem Umfang auf die Belange der auf dem Grundstück des Beigeladenen stehenden Wohnbebauung Rücksicht nehmen müsse als dies nach Hinzutreten des streitigen Vorhabens der Fall sei. Schon der Zu- und Abgangsverkehr verursache aufgrund der beengten Verhältnisse und der abknickenden Wegeführung selbst bei kleineren Fahrzeugen so intensiven Lärm, welcher die Wohnnutzung auf dem Grundstück des Beigeladenen erheblich beeinträchtige. Zu berücksichtigen sei das Zuschneiden des Holzes vor dem Ostgiebel der Tischlerei als weitere Lärmquelle. Die Ortsbesichtigung habe auch gezeigt, dass die im Gebäudeinneren betriebene Kreissäge auf dem gesamten Grundstück des Beigeladenen zu hören gewesen sei. Aus dem Senatsurteil vom 7. Juni 2000 – 1 K 3112/99 – (V.n.b.) könne der Beigeladene ihm günstige Rechtsfolgen, insbesondere nicht die Annahme ableiten, die auf seinem Grundstück stehende Wohnbebauung genieße nur geringeren Schutz als sie diejenige beanspruchen könne, welche dem Kläger genehmigt worden sei. Anders als in dem seinerzeit vom Senat entschiedenen Fall fielen hier Rücksichtnahmeberechtigter und –verpflichteter auseinander. Nicht der Beigeladene verursache den Lärm und könne ihn so kontrollieren, sondern die Tischlerei, an die er das Gebäude verpachtet habe. Erweiterungsabsichten hege die Tischlerei konkret nicht und seien deshalb in diesem Verfahren auch nicht zu berücksichtigen (gewesen). Ein Abwehranspruch könne nicht wirksam mit dem Ziel geltend gemacht werden, sich alle Entwicklungsmöglichkeiten für die Tischlerei offen zu halten. Die Erweiterung auf einen Zweischichtbetrieb sei hier nicht zu erwarten. Lackiergerüche gelangten entgegen der Annahme der Bezirksregierung B. nicht nach außen. Belästigungen durch die mit Holzabfällen betriebene Heizungsanlage der Tischlerei seien in der Vergangenheit nur durch Bedienungsfehler entstanden und seien in Zukunft nicht zu erwarten.

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Hiergegen richtet sich der rechtzeitig gestellte und begründete, auf § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützte Zulassungsantrag des Beigeladenen. Dieser hat keinen Erfolg.

8

Für das Zulassungsantragsverfahren besteht uneingeschränkt ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Umstand, dass die Stadt D. die Baugenehmigung vom 8. Februar 1999 und den entsprechenden Bauvorbescheid vom 18. Dezember 1996 für die Errichtung eines Zweifamilienwohnhauses in Fachwerkbauweise (Baugenehmigung Nr. 486/97) durch Bescheid vom 18. November 2002 auf Weisung der Beklagten (vom 26. September 2002) zurückgenommen hat, lässt das Rechtsschutzbedürfnis für dieses Gebäude nicht entfallen. Denn es ist noch nicht ausgemacht, dass diese Bescheide tatsächlich bestandskräftig werden und deshalb im Ergebnis zum Vorteil des Beigeladenen die Errichtung des nordwestlichen Vorhabens unterbleibt.

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Der Zulassungsantrag hat aber in der Sache keinen Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung bestehen nicht. Diese sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschl. v. 31.7.1998 – 1 L 2696/98 -, NVwZ 1999, 431) erst dann gegeben, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis – auf dieses kommt es an und nicht auf einzelne Begründungselemente – „die besseren Gründe sprechen“, das heißt wenn ein Obsiegen im Berufungsverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Das ist hier nicht der Fall. Im Gegenteil überwiegen die Annahmen für die Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen Entscheidungsergebnisses. Auf die beiden in der Zulassungsantragsbegründung vom 25. November 2002 insoweit erhobenen Zulassungsangriffe ist Folgendes auszuführen:

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Es trifft zwar zu, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 12.12.1975 – IV C 71.73 -, BVerwGE 50, 49 = DVBl. 1976, 214 = BayVBl. 1976, 248 = BauR 1976, 100 = BRS 29 Nr. 135), welcher der Senat folgt, nicht schematisch beurteilt werden darf, ob und inwieweit der emittierende Betrieb schon jetzt auf benachbarte Wohnnutzung Rücksicht zu nehmen hat und deswegen eine weitere heranrückende Wohnbebauung nicht wirksam abzuwehren vermag. Die Pflicht benachbarter konkurrierender Nutzungen, aufeinander Rücksicht zu nehmen und daher Abstriche in der Emissions- beziehungsweise Immissionsintensität hinnehmen zu müssen, kann je nach Lage der Dinge nach verschiedenen Himmelsrichtungen unterschiedlich zu beurteilen sein. Das kann dazu führen, dass ein Betrieb nach der einen Seite/Himmelsrichtung schon jetzt auf schutzbedürftige Bebauung Rücksicht zu nehmen, das heißt seine Immissionen zu drosseln und dort hinzutretende Bebauung daher ohne Abwehrmöglichkeiten hinzunehmen hat, sich aber dagegen wehren kann, dass ihm auch noch eine andere, bislang von Schutzansprüchen freie Nachbarseite mit „anspruchsvoller“, das heißt schutzheischender Bebauung „zugebaut“ wird.

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Auch dieser Gesichtspunkt ist indes nicht schematisch anzuwenden, sondern wirkt sich zugunsten des Betriebes, der seine Immissionsfreiheit wahren will, nur dann und insoweit aus, wenn er sich zu dieser bislang unbelasteten Seite tatsächlich auch „orientiert“ oder dorthin den Schwerpunkt seiner Immissionen konkret zu verlegen sich angeschickt hat.

12

Danach kommt dem Beigeladenen diese in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angelegte Differenzierung trotz des Umstandes nicht zu Hilfe, dass sich bislang nördlich des Tischlereigebäudes eine bislang unbebaute, wohl schon dem Außenbereich zuzurechnende Fläche erstreckt. Denn der Tischlereibetrieb hat sich dorthin bislang nicht im Sinne dieser Rechtsprechung „orientiert“. Es fehlen durchgreifende konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, er wolle das demnächst tun. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass ganz wesentliche Teile der dem Tischlereibetrieb zuzurechnenden Belästigungen, namentlich der An- und Abfahrtsverkehr sowie das geräuschaufwendige Zersägen übergroßer Platten teils unmittelbar vor den drittgenutzten Wohnungen auf dem Beigeladenengrundstück stattfindet oder aber zu diesen orientiert unternommen wird. Der Platz zum Zuschneiden großer Holzplatten befindet sich nach den mit zulässigen Zulassungsangriffen nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht nördlich der vorhandenen Tischlereihalle, sondern östlich dieses Gebäudes auf dem Lkw-Wendeplatz in einer Entfernung zu den auf dem Beigeladenen-Grundstück schon vorhandenen Wohnungen, die noch geringer ist als zu den Orten, auf denen der Kläger seine beiden Vorhaben verwirklichen will. Die wesentlichen Geräuschquellen liegen damit näher und somit in belästigenderer Weise orientiert zu den auf dem Grundstück des Beigeladenen schon vorhandenen Wohnnutzungen als zum Grundstück des Klägers hin.

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Es bestehen auch keine konkreten, in diesem Nachbarstreit berücksichtigungsfähigen Absichten des Beigeladenen/Tischlereibetriebes, emittierende Teile zum Norden hin zu orientieren. Die Nordwand des Tischlereigebäudes weist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und den Fotografien im Verwaltungsvorgang der Bezirksregierung B. (BA A, Bl. 172) zwar eine Verglasung, aber keine Tore auf, an welche Lastkraftwagen herangeführt werden sollten/könnten. Der Wendeplatz für die Lkws befindet sich nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts am Ostgiebel der Halle sowie an ihrem Westende an einem Punkt, an dem die Halle als Schallschutzschirm zum Vorteil der nördlich davon gelegenen Bereiche wirkt, auf denen der Kläger seine beiden Vorhaben verwirklichen will. Zwischen der Nordwand des Tischlereigebäudes und der gemeinsamen Grundstücksgrenze werden nach dem Ergebnis der Ortsbesichtigung des Verwaltungsgerichts lediglich Lkw-Türen sowie Zaunreste gelagert (s. S. 3 d. Protokolls dieser Ortsbesichtigung v. 6.8.2002). Anzeichen für die Verlagerung emittierender Tischlereiaktivitäten nach Norden, das heißt zum Aufstellungsort der hier angegriffenen Objekte sind damit nicht erkennbar.

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Schon das trägt die angegriffene Entscheidung. Auf die Geräusche der Kreissäge und anderer im Gebäudeinneren betriebenen, in ihren Emissionen durch die Außenmauern gedämpften Maschinen kommt es damit nicht mehr an. Nur ergänzend ist mit Rücksicht auf das Zulassungsantragsvorbringen bezogen auf die Kreissäge Folgendes auszuführen: Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 4 des Protokolls seiner Ortsbesichtigung die mit Zulassungsangriffen nicht in Frage gestellte Feststellung getroffen, das Geräusch der in der Mitte des Tischlereigebäudes stehenden Kreissäge sei auf dem Grundstück des Klägers deutlich wahrnehmbar gewesen. Das trägt sehr wohl die Folgerung, damit sei es auch gleichen Umfangs bei der Wohnnutzung auf dem Grundstück des Beigeladenen zu hören. Denn die Entfernung von der Kreissäge zu den beiden hier in Rede stehenden Vorhaben des Klägers ist im Wesentlichen gleich groß wie zu der Wohnnutzung auf dem Grundstück des Beigeladenen. Das Tischlereigebäude weist gerade nach Osten, das heißt zu der Wohnnutzung auf dem Grundstück des Beigeladenen, Fenster sowie zwei Tore auf. Deren Öffnung lässt es sogar als wahrscheinlicher erscheinen, dass die im Gebäudeinneren erzeugten Geräusche bei der Wohnnutzung des Beigeladenen noch deutlicher zu hören sind als auf dem Gelände des Klägers.

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Aus den Erwägungen, die der Senat in seiner Entscheidung vom 7. Juni 2000 - 1 K 3112/99 – (V.n.b.) angestellt hat, kann der Beigeladene ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ebenfalls nicht herleiten. In dieser Entscheidung hatte der Senat entgegen der Annahme des Beigeladenen nicht die Auffassung vertreten, Wohnnutzungen auf dem emittierenden Grundstück seien grundsätzlich geringeren Umfangs schutzwürdig, deshalb stehe dem Emittenten ein Abwehranspruch auch dann zu, wenn er eine von Drittseite heranrückende Wohnnutzung abwehren wolle, die sich lediglich in gleichem Umfang wie die „seine“ schädlichen Einwirkungen aussetzen werde/würde. Dabei muss der Senat nicht auf die Deutung eingehen, in der das Verwaltungsgericht seine Entscheidung vom 7. Juni 2000 – 1 K 3112/99 – gewürdigt hat, insbesondere, ob die Lösung – auch – im Auseinanderfallen von Rücksichtnahmebegünstigtem und –berechtigtem besteht. Denn die in der zitierten Senatsentscheidung begründete Annahme, der antragstellende landwirtschaftliche Betrieb dürfe die durch den angegriffenen Bebauungsplan herangeführte Wohnbebauung ungeachtet derjenigen abwehren, die auf seinem Grundstück stattfinde, beruht nicht auf der Erwägung, die „eigene Wohnnutzung“ sei grundsätzlich und stets geringeren Umfangs schutzwürdig als die heranrückende. Das hat der Senat in dieser Entscheidung lediglich hinsichtlich der Betriebsleiterwohnung angenommen und nicht aus einer allgemeinen geringeren Schutzwürdigkeit der auf dem eigenen Grundstück vorhandenen Wohnbebauung, sondern – durch den Hinweis auf seine Entscheidung vom 27. Mai 1991 – 1 L 137/89 -, BRS 52 Nr. 59 – einer Parallele zu § 8 Abs. 3 BauNVO entnommen. Im Übrigen aber, das heißt soweit es um die Gebäude ging, die von Dritten auf dem emittierenden Grundstück zu Wohnzwecken genutzt wurden, hat der Senat in dieser Entscheidung die gleichen Maßstäbe angelegt, die für die heranrückende Wohnbebauung auch gelten. Das ist auch der Grund, weshalb er aufgrund der konkreten Umstände des damaligen Einzelfalles - Lage der Gebäude und Wohnungen zu den wesentlichen Geräuschquellen (Getreidetrocknungs- und –aufbereitungsanlage); festgelegte Zu- und Abfahrtswege der anliefernden Trecker usw.; Abschirmungswirkung vorhandener Gebäude – ins Einzelne gehend untersuchte, in welchem Maße die auf dem emittierenden Grundstück vorhandene Wohnnutzung Lärmeinwirkungen ausgesetzt ist. Dessen hätte es nicht bedurft, wäre der Senat der aus seiner Entscheidung vom Beigeladenen fälschlich herausgelesenen Meinung gewesen, heranrückende Wohnnutzung könne einen größeren Schutz beanspruchen und darum umso eher, das heißt sogar dann abgewehrt werden, wenn der Nachbar „seine Wohnnutzung“ gleich starken Immissionen aussetzt. Für dieses „Sankt-Florians-Prinzip“ bildet die zitierte Senatsentscheidung vom 7. Juni 2000 (a.a.O.) keine Grundlage. Vielmehr wurde für die auf dem Grundstück der emittierenden Domäne vorhandene Wohnnutzung unter Anlegung der gleichen Maßstäbe untersucht, ob diese durch den Betrieb der Getreidetrocknungsanlage und der An- und Abfahrtswege der Trecker schon jetzt unzumutbaren Belästigungen ausgesetzt sei. Das hat der Senat seinerzeit verneint.

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Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass die Berufung auch nicht auf der Grundlage des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden kann. Besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art weist ein Sachverhalt nur dann auf, wenn die Angriffe des Rechtsmittelführers schwierige Fragen aufwerfen, welche sich im Zulassungsverfahren nicht ohne weiteres beantworten lassen (Beschl. v. 31.8.1998 – 1 L 3914/98 -, NdsRpfl. 1999, 44). Das Gegenteil ist nach den vorstehenden Ausführungen der Fall. Unabhängig davon wirft der Sachverhalt entgegen der Annahme des Beigeladenen keine Schwierigkeiten auf, die über das hinausgehen, was typischerweise bei Nachbarstreitigkeiten in der Gestalt der Berücksichtigung schon vorhandener Bebauung und Nutzungen sowie Entwicklung der Zumutbarkeitsmaßstäbe zu bewältigen ist.

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Grundsätzlich bedeutsame und noch immer klärungsbedürftige Fragen hat der Beigeladene in seiner Zulassungsantragsbegründungsschrift vom 25. November 2002 nicht zu formulieren vermocht. Die erste Frage, „ob und unter welchen Voraussetzungen ein Belästigungen verursachender Betrieb nach dem Gebot der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme einen Anspruch darauf hat, sich mit belästigenden Betriebsteilen und –abläufen nach anderen Himmelsrichtungen zu orientieren, die bislang im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB liegen, ob und unter welchen Voraussetzungen gegenüber einem Grundstückseigentümer, dessen Grundstück für einen emittierenden Gewerbebetrieb genutzt wird, die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt wird, wenn im Außenbereich in objektiv-rechtlicher Weise ein Wohnbauvorhaben zugelassen wird und dieser Bereich bislang nicht schutzwürdig war,“

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stellte sich in einem Berufungsverfahren nicht. Der auf dem Grundstück des Beigeladenen vorhandene Tischlereibetrieb hat die emittierenden Teile seiner Betriebsabläufe - anders als die im Verfahren 1 K 3112/99 die Normenkontrolle betreibende Domäne – gerade nicht zu dem bislang unbebauten Außenbereich hin orientiert. Der Bereich zwischen der Tischlereihalle und der gemeinsamen Grundstücksgrenze von Kläger und Beigeladenen dient lediglich zur Lagerung von Zaunresten und Lkw-Türen (s. S. 3 d. Protokolls d. Ortsbesichtigung d. Verwaltungsgerichts v. 6.8.2002). Der besonders emittierende An- und Abfahrtsverkehr wird nicht dort, sondern unmittelbar an den von Dritten genutzten Wohnungen auf dem Grundstück des Beigeladenen entlanggeführt. Die Holztafeln werden ebenfalls nicht zum bislang unbebauten Außenbereich orientiert zersägt. Das geschieht vielmehr beim Lkw-Wendeplatz am Osttor der Tischlereihalle und damit orientiert zur Wohnbebauung auf dem Grundstück des Beigeladenen und in einer Entfernung zu dieser, die nicht größer ist als zu den beiden Aufstellungsorten der hier angegriffenen Doppelvorhaben.

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Der zweite Teil der als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage stellte sich in einem Berufungsverfahren ebenfalls nicht. Der Beigeladene hat im Zulassungsantragsverfahren die Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht in Abrede genommen, eine die Tischlerei in ihren vorhandenen Abmessungen rechtfertigende Baugenehmigung existiere nicht. Daher konkurrieren hier zwei Nutzungen, welche bauplanungsrechtlich „auf der gleichen Stufe stehen“, ohne dass der Senat bereits in diesem Verfahren entscheiden müsste, ob dies der Innen- oder der Außenbereich ist. Es ist daher nicht ersichtlich, weshalb der Hinweis auf die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der angegriffenen Wohnbauvorhaben dem Beigeladenen im Nutzungskonflikt von Vorteil sein sollte, wo „sein“ Tischlereigebäude nur in gleichem Maße bauplanungsrechtlich zulässig ist. Zudem wird in der Zulassungsantragsbegründungsschrift nicht dargetan, weshalb über die Ausführungen hinaus, welche die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Februar 1975 (- IV C 71.73 -, a.a.O.) enthält, noch immer grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit bestehen soll.

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Die grundsätzliche Bedeutsamkeit der zweiten Frage,

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„ob und unter welchen Voraussetzungen die Wohnnutzung auf einem Grundstück, auf dem sich zugleich auch ein emittierender Gewerbebetrieb befindet, einen geringeren Schutzanspruch hat als die heranrückende Wohnnutzung auf dem Nachbargrundstück, ob in derartigen Fällen der Eigentümer des Wohn- und Gewerbegrundstücks Rücksichtnahmeverpflichteter und Rücksichtnahmebegünstigter ist, oder ob der Rücksichtnahmeverpflichtete und der Rücksichtnahmebegünstigte auseinander fallen, ob es für eine Abwägung im Rahmen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme in derartigen Fällen auf die Steuerungsmöglichkeiten der Immissionen ankommt und - bejahendenfalls – ob es hierfür genügt, wenn zwischen dem Eigentümer des Wohn- und Betriebsgrundstücks einerseits sowie den Wohnnutzern und dem Gewerbebetrieb andererseits Miet- und Pachtverträge abgeschlossen sind,“

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ist ebenfalls nicht gegeben. Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 7. Juni 2000 – 1 K 3112/99 – nicht die Auffassung verficht, welche der Beigeladene ihr entnimmt. Ein Berufungsverfahren böte nach den obigen Ausführungen auch keinen Anlass, der als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Frage nachzugehen. Denn hier besteht gerade kein Anlass, heranrückende und auf dem Grundstück des Beigeladenen bereits vorhandene Wohnnutzung mit unterschiedlichen Maßstäben zu messen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO.

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Der Streitwert ergibt sich aus § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 1 c der Streitwertannahmen des 1. und 9. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (NdsVBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197). Maßgeblich wegen § 14 Abs. 2 Satz 1 GKG ist das Interesse des Klägers an einem ihm positiven Ausgang des Klageverfahrens. Dieses ist gleichzusetzen mit seinem Interesse, das er an der Erteilung einer Baugenehmigung für seine beiden Doppelvorhaben hat. Sowohl das Zweifamilienhaus als auch das andere Gebäude ist als Doppelhaus im Sinne der Nr. 1 c der genannten Streitwertannahmen anzusehen. Für jedes Vorhaben sind dementsprechend 25.000,-- € als Wert einzusetzen.

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Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG von Amts wegen zu korrigieren. Diese Korrekturmöglichkeit besteht auch im Zulassungsverfahren. Bei dieser Streitwertfestsetzung ist der Senat – anders als möglicherweise im Verfahren 1 OA 280/02 – nicht an die Art und Weise gebunden, in der das Verwaltungsgericht die Klageanträge gewürdigt hat. Denn bei der Streitwertfestsetzung geht es - objektiv – auch und insbesondere darum, dass der Staat die nach dem zutreffenden Streitwert bemessenen Gebühren (nicht mehr, aber auch nicht weniger) erhält. Aus diesem Grunde kann der Senat die Streitwertfestsetzung selbst dann ändern, wenn dadurch die vom Verwaltungsgericht getroffene, unanfechtbare und auf prozessual zulässigem Wege nicht mehr zu korrigierende Kosten(grund)entscheidung unrichtig wird (Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl. 2003, § 25 Rdn. 40). Diese Lösung mag streng genommen zwar möglicherweise falsch sein, ist aber ohne Alternative, weil bei § 25 Abs. 2 GKG das Bestreben im Vordergrund steht, den zutreffenden Streitwert zu ermitteln (Hartmann, a.a.O., Rdn. 38).

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Eine danach vorgenommene Würdigung des in der Klageschrift vom 7. Februar 2001 gestellten Klageantrages ergibt, dass der Kläger der Sache nach lediglich erreichen wollte, dass der Nachbarwiderspruch des Beigeladenen im Ergebnis ohne Erfolg blieb und einer Verwirklichung seiner beiden Doppelvorhaben nicht (mehr) entgegenstand. Dafür reicht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 3.3.1995 - 4 B 15.95 -, NVwZ-RR 1995, 613 = UPR 1995, 307= ZfBR 1995, 274) ein reiner Anfechtungsantrag aus. Der Kläger hat sich in der Klageschrift vom 7. Februar 2001 nun zwar nicht darauf beschränkt, einen reinen Aufhebungsantrag zu stellen. Er hat dem vielmehr den Antrag hinzugesetzt festzustellen, dass die Widersprüche des Beigeladenen unzulässig, hilfsweise unbegründet seien. Damit hat er aber bei verständiger Würdigung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) kein weiteres Begehren zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts gestellt. Der Feststellungsantrag beruht ersichtlich auf der – auch vom Beigeladenen (vgl. dessen Schriftsatz v. 27.1.2003, Bl. 202 d. GA 1 LA 292/02) vertretenen – Auffassung, nach Aufhebung der Widerspruchsbescheide sei das Widerspruchsverfahren weiterhin anhängig und daher über den vom Beigeladenen erhobenen Widerspruch zu entscheiden. Diese Auffassung übersieht die Regelung des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO. Dort ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass der Bescheid, mit dem einem Nachbarwiderspruch stattgegeben wird, nicht erneut im Widerspruchsverfahren anzufechten ist, sondern sich unmittelbar das dann auch abschließende Klageverfahren anschließt. Der Klageschrift sowie den weiteren bis zur mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts eingereichten Schriftsätzen des Klägers ist auch nicht zu entnehmen, dieser habe die Feststellungsanträge mit dem Ziel gestellt, diese zur Grundlage weitergehender Ansprüche gegen den Beigeladenen oder die Bezirksregierung B. machen zu wollen. Ein selbständiges Angriffsziel, welches über die durch eine schlichte Kassation der Widerspruchsbescheide zu erreichende „Wiederbemündigung“ seiner beiden Vorhaben hinausginge, hat der Kläger mit den Feststellungsanträgen daher nicht verfolgt.

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Damit ist für das Verfahren des ersten Rechtszuges insgesamt der Streitwert anzusetzen, der nach der Nr. 1 c des Streitwertkataloges für Verfahren galt, die nach dem 1. Juli 1994 eingeleitet worden sind (NdsVBl. 1995, 80). Das sind 2 x 35.000,-- DM oder der im Tenor genannte Euro-Betrag.

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Diese Streitwertfestsetzung „reibt“ sich zwar mit der vom Verwaltungsgericht auf der Grundlage einer unzutreffenden Würdigung des Klagebegehrens getroffenen Kostenentscheidung. Diese kann in diesem Verfahren indes nicht geändert werden. Einem entsprechenden Begehren des Klägers steht schon die Regelung des § 158 Abs. 1 VwGO entgegen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.3.2002 – 4 BN 7.02 -, NVwZ 2002, 1385 m.w.N.). Die Unabänderlichkeit dieser Kostenentscheidung kann den Senat indes – wie dargelegt - nicht hindern, auf der Grundlage des § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG auch für die erste Instanz den zutreffenden Streitwert festzusetzen. Dem Umstand, dass die Kostengrundentscheidung des Verwaltungsgerichts damit nicht zutrifft, kann allenfalls im Rahmen des Verfahrens 1 OA 280/02 oder aber im Rahmen des § 8 GKG Rechnung getragen werden.