Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.2003, Az.: 4 LB 365/03

Anruf-Sammel-Mobil; ASM; Beförderung; Kostenfreiheit; Schwerbehinderter; Träger; unentgeltliche Beförderung; Unentgeltlichkeit; Verkehrsunternehmen; öffentlicher Personennahverkehr; ÖPNV

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.10.2003
Aktenzeichen
4 LB 365/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48541
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 30.01.2004 - AZ: BVerwG 5 B 1.04; 5 PKH 1.04
BVerwG - 30.01.2004 - AZ: BVerwG 5 PKH 1.04; BVerwG 5 B 1.04

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Schwerbehinderter hat jedenfalls dann nicht Anspruch darauf, dass der Träger des öffentlichen Personennahverkehrs auf ein Verkehrsunternehmen einwirkt, den Schwerbehinderten kostenlos zu befördern, wenn das angebotene Verkehrsmittel nicht Linienverkehr i. S. des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) ist und deshalb ein Anspruch des Schwerbehinderten auf kostenlose Beförderung nicht besteht.

2. Ein Anruf-Sammel-Mobil (ASM), das außerhalb der Verkehrszeiten des städtischen Linienbusverkehrs angeboten wird und nur auf telefonische Voranmeldung von einer frei wählbaren Haltestelle aus zu einem von dem Fahrgast beliebig zu wählenden Ziel fährt ("bis vor die Tür"), fährt nicht im Linienverkehr i. S. des PBefG.

Tatbestand:

1

Die Kläger begehren die Verpflichtung des Beklagten, auf die Erfüllung eines von ihnen behaupteten Anspruchs auf kostenlose Mitnahme in Fahrzeugen des Anruf-Sammel-Mobils in Lüneburg hinzuwirken.

2

Für den Bereich der Stadt Lüneburg und drei Randgemeinden gibt es ein Anruf-Sammel-Mobil (ASM), das von der Kraftverkehr GmbH Lüneburg (KVG) und einem Mietwagenunternehmen betrieben wird. Die KVG betreibt im Übrigen den Linienbusverkehr für den Bereich der Stadt Lüneburg und Randgemeinden. Das ASM verkehrt nur abends und Sonntagvormittag, wenn Linienbusse nicht verkehren. Die Beförderung mit dem ASM erfolgt mit besonders gekennzeichneten Fahrzeugen von jeder Bushaltestelle im Stadtbusverkehr sowie einigen zusätzlichen ASM-Haltestellen aus. Die Fahrzeuge verkehren stündlich zu bestimmten Abfahrtszeiten. Der Fahrgast muss seinen Fahrtwunsch telefonisch bis mindestens 30 Minuten vor der planmäßigen Abfahrtszeit bei einer Zentrale anmelden und dabei die gewünschte Abfahrtszeit, den gewünschten Abfahrtsort, das Fahrtziel und die Zahl der mitfahrenden Personen angeben. Der Fahrgast wird dann entsprechend an der von ihm gewünschten Haltestelle abgeholt. Das ASM ist von den Linienwegen der KVG-Busse unabhängig und kann die von den Fahrgästen benannten Ziele direkt anfahren ("bis vor die Tür"). Eine kostenlose Beförderung Behinderter bzw. ihrer Begleitpersonen ist tariflich nicht vorgesehen. Für Studenten, Kinder unter 12 Jahren, Schüler mit Wohnsitz in Lüneburg und für Freifahrtberechtigte im Busverkehr gilt ein ermäßigter Tarif.

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In Nahverkehrsplan des Landkreises Lüneburg heißt es zu der Beförderungsform ASM: "Diese Systeme ersetzen und ergänzen den liniengebundenen Betrieb zu bestimmten Zeiten ..."

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Der Landkreis Lüneburg als Träger des öffentlichen Personennahverkehrs hat diese Aufgabe für den Bereich der Stadt Lüneburg (und Randgemeinden) vertraglich auf die Stadt Lüneburg übertragen.

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Die Kläger sind beide schwerbehindert. Bei Fahrten im öffentlichen Personenverkehr ist die Klägerin zu 2) auf eine Begleitperson angewiesen.

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Mit dem Vermerk "Hier wäre handlungsbedarf angesagt" übersandte der Kläger zu 1) dem

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Oberbürgermeister der Beklagten eine Kopie seines an die Landeszeitung Lüneburg gerichteten Schreibens vom 27. November 2000. Darin rügte er: Im Rahmen der Einrichtung des ASM sei die Beförderung von Schwerbehinderten und deren Begleitpersonen nicht unentgeltlich. Dies sei rechtswidrig, da das ASM als Ersatz für die Nahverkehrsbusse eingeführt worden sei, die abends und Sonntagvormittag nicht führen. Auch seine Ehefrau und er selbst seien hiervon betroffen. Sie erledigten im Monat etwa 20 Fahrten mit dem ASM. Jede Fahrt koste einen Schwerbehinderten mit Begleitperson 9,-- bzw. 10,-- DM, während eine nicht behinderte Person für sich nur 5,-- DM bzw. 6,-- DM bezahlen müsse. Weder von der Bezirksregierung noch von der Stadt Lüneburg oder vom Landkreis erhalte er dazu eine Antwort.

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Die Kläger haben am 2. Januar 2001 Klage erhoben und sinngemäß vorgetragen: Auf ihr Begehren auf Kostenerstattung bzw. Durchsetzung der entgeltfreien Beförderung hätten sie von keiner Seite eine behördliche Reaktion erhalten. Sie seien nicht gewillt, Kosten für das Anruf-Sammel-Mobil weiterhin zu bezahlen. Auch verlangten sie eine Erstattung ihrer Aufwendungen.

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Die Kläger haben schriftlich sinngemäß beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, für die unentgeltliche Beförderung der Kläger und ihrer Begleitpersonen mit dem ASM zu sorgen und ihnen die Kosten für die Benutzung des ASM zu erstatten.

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Die Beklagte hat sinngemäß beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. April 2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es sei schon zweifelhaft, ob die Klage als Untätigkeitsklage zulässig sei. Denn aus den diversen Schreiben der Kläger an verschiedene staatliche und private Stellen gehe nicht eindeutig hervor, dass die Kläger von der Beklagten Kostenerstattung forderten. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Der Anspruch Schwerbehinderter auf unentgeltliche Beförderung richte sich allein gegen den Unternehmer, der öffentlichen Personenverkehr betreibe, und nicht gegen die Hauptfürsorgestelle oder den Sozialhilfeträger. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Benutzung des ASM ergebe sich hier auch nicht aus dem Sozialhilferecht (Eingliederungshilfe). Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass selbst ein Anspruch unmittelbar gegen den Verkehrsunternehmer nicht dargetan worden sei, da es sich bei dem Anruf-Sammel-Mobil nicht um Linienverkehr im Sinne der Definition gemäß §§ 42, 43 des Personenbeförderungsgesetzes (PBefG) und damit nicht um für Schwerbehinderte kostenfreien Nahverkehr handele.

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Auf den Antrag der Kläger hat der Senat mit Beschluss vom 12. August 2003 (4 LA 233/03) die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 a Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen.

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Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Berufung vor: Als Schwerbehinderte hätten sie und ihre notwendigen Begleitpersonen nach früher dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) bzw. jetzt dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Nahverkehr. Bei dem in Lüneburg verkehrenden Anruf-Sammel-Mobil handele es sich gemäß dem Nahverkehrsplan des Landkreises um eine Ergänzung des liniengebundenen Busbetriebs in Zeiten, zu denen sich wegen der schwachen Nachfrage der regelmäßige Einsatz von Bussen nicht lohne. Das ASM gehöre hier deshalb zum öffentlichen Nahverkehr. Der Anspruch Schwerbehinderter auf kostenlose Benutzung erfasse somit auch das ASM. Für die Erfüllung dieses Anspruchs habe die Beklagte als Trägerin des öffentlichen Nahverkehrs und Ordnungsbehörde zu sorgen. Dies ergebe sich auch aus § 7 des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG), der alle Behörden verpflichte, Benachteiligungen behinderter Menschen gegenüber nicht behinderten entgegenzuwirken.

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In der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2003 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger klargestellt, dass neben dem Anspruch auf Einschreiten durch die Beklagte gegen den Verkehrsunternehmer der erstinstanzlich noch geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung mit der Berufung nicht weiter verfolgt werden solle.

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Die Kläger beantragen,

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die Beklagte zu verpflichten, ihre Einwirkungspflichten gegenüber dem Betreiber des Anruf-Sammel-Mobils der KVG in Lüneburg so zu nutzen, dass dieser die Kläger sowie ihre Begleitpersonen (im Sinne des § 145 Abs. 2 SGB IX) bei Vorlage eines gültigen Schwerbehindertenausweises im Sinne des § 69 V SGB IX unentgeltlich befördert.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hebt hervor: Einen Anspruch auf Tätigwerden der Beklagten in dem Sinne, dass die Kläger kostenlos das ASM benutzen könnten, hätten diese nicht. Der Anspruch Schwerbehinderter auf unentgeltliche Beförderung richte sich zunächst nur direkt gegen den Unternehmer des ÖPNV und nicht gegen den staatlichen Träger. Außerdem sei schon dieser Anspruch nicht begründet, da es sich bei dem Anruf-Sammel-Mobil nicht um Linienverkehr im Sinne der §§ 42, 43 PBefG handele.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat geht davon aus, dass das in erster Instanz von den Klägern noch verfolgte Verlangen auf Kostenerstattung nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.

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Die so verstandene Berufung der Kläger ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zwar zulässig, sie ist jedoch unbegründet, da den Klägern ein Anspruch auf Einschreiten durch die Beklagte nicht zusteht.

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Einen Anspruch auf kostenlose Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr der Stadt haben die Kläger jedenfalls nicht unmittelbar gegen die Beklagte. Ein Anspruch Schwerbehinderter auf unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr ergab und ergibt sich nur aus dem bis zum 30. Juni 2001 gültig gewesenen § 59 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) bzw. seit dem 1.7.2001 aus § 145 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Diese im Wesentlichen wortgleichen Vorschriften legen aber nicht den (staatlichen) Trägern des öffentlichen Personennahverkehrs, sondern den Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs, die den Verkehr tatsächlich durchführen, die gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auf, Schwerbehinderte - gegen Erstattung der Fahrgeldausfälle - kostenlos zu befördern (vgl. BVerfG, 1. Senat, Beschl. v. 17.10.1984

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- 1 BvL 18/82 u.a. -, BVerfGE 68, 155 = DVBl. 1995, 340 = NVwZ 1985, 334; BVerwG, Beschl. v. 8.5.1990 - BVerwG 7 ER 101.90 -, Buchholz 310 § 188 VwGO Nr. 10). Dieses Recht können die Kläger nur gegenüber dem Verkehrsunternehmen selbst geltend machen (ausführlich VG Köln, Urt. v. 19.4.1989 - 21 K 2969/87 -, Behindertenrecht 1989, 141 = NWVBl. 1990, 128).

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Ohne Erfolg berufen sich die Kläger für ihr Begehren, dass die Beklagte in irgend einer Form auf das Verkehrsunternehmen einwirke, die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter auch im ASM-Verkehr durchzuführen, auf § 7 des am 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) vom 27.4.2002 (BGBl. I S. 1467). Gemäß § 7 Abs. 2 BGG darf ein Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des Abs. 1 behinderte Menschen nicht benachteiligen. Eine Benachteiligung liegt vor, wenn behinderte und nicht behinderte Menschen ohne zwingenden Grund unterschiedlich behandelt werden und dadurch behinderte Menschen in der gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt werden (§ 7 Abs. 2 Satz 2 BGG). Träger öffentlicher Gewalt im Sinne des Abs. 1, an die sich diese Vorschrift wendet, sind aber nur die Dienststellen oder sonstigen Einrichtungen der Bundesverwaltung sowie die Landesverwaltungen, soweit sie Bundesrecht ausführen. Die Gewährleistung öffentlichen Personennahverkehrs richtet sich jedoch nach den landesrechtlichen Vorschriften des niedersächsischen Nahverkehrsgesetzes (NNVG) vom 28.6.1995 (NdsGVBl. S. 180), zuletzt geändert durch Art. 32 des Gesetzes vom 25.11.2001 (NdsGVBl. S. 701). Aufgabenträger des öffentlichen Personennahverkehrs sind gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 NNVG für den nicht schienengebundenen Personennahverkehr die Landkreise und kreisfreien Städte bzw., wie im vorliegenden Fall aufgrund einer Aufgabenübertragung nach § 4 Abs. 3 NNVG, auch kreisfreie Städte und Gemeinden, also nicht das Land. Eine dem § 7 BGG entsprechende Norm, die sich an die Kreise, Städte und Gemeinden richtete, ist nicht ersichtlich.

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Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf ein Einwirken auf den Betreiber des Anruf-Sammel-Mobils könnte sich ansonsten allenfalls aus der Erwägung ergeben, dass die Beklagte als (nach Aufgabenübertragung durch den Landkreis) Trägerin des öffentlichen Personennahverkehrs selbst zur Erfüllung des Anspruchs der Kläger auf kostenfreie Beförderung nach § 59 SchwbG bzw. § 145 SGB IX berufen sein könnte, wenn sie den ÖPNV in eigener Regie, und zwar etwa in Form eines Eigenbetriebes, durchführte. Daran könnte die weitere Erwägung geknüpft werden, dass es nicht zu Lasten Schwerbehinderter wie der Kläger gehen kann, wenn die Stadt die Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs einem anderen Unternehmen überträgt.

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Der Anspruch scheitert aber jedenfalls daran, dass die Kläger ein Recht auf die kostenlose Beförderung bei Benutzung des Anruf-Sammel-Mobils nicht haben. Als rechtliche Grundlage hierfür kommt, wie bereits gesagt, nur § 145 SGB IX (früher § 59 SchwbG) in Betracht. Nach § 145 Abs. 1 SGB IX (§ 59 Abs. 1 SchwbG) trifft die Verpflichtung zur kostenlosen Beförderung Schwerbehinderter die "Unternehmen, die öffentlichen Personenverkehr betreiben". Die Kostenbefreiung gilt auch für Begleitpersonen (§ 145 Abs. 2 SGB IX bzw. § 59 Abs. 2 SchwbG). Der Anspruch ist aber sachlich beschränkt auf die unentgeltliche Beförderung "im Nahverkehr im Sinne des § 147" (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) bzw. "im Nahverkehr im Sinne des § 61 Abs. 1" (§ 59 Abs. 1 Satz 1 SchwbG). Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich, dass sich der Anspruch nicht auf den gesamten öffentlichen Personennahverkehr (etwa im Sinne der weit gefassten Definition des öffentlichen Personennahverkehrs in § 1 Abs. 2 NNVG) erstreckt. Durch die Verweisung werden vielmehr nur ganz bestimmte Verkehrsformen erfasst. Nahverkehr ist nach der vorliegend allein in Betracht kommenden Alternative des § 147 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX (früher § 61 Abs. 1 Nr. 2 SchwbG) der öffentliche Personenverkehr mit "Kraftfahrzeugen im Linienverkehr nach den §§ 42 und 43 des Personenbeförderungsgesetzes ...". § 43 PBefG betrifft Sonderformen des Linienverkehrs wie Schülerbeförderung und anderes und ist hier nicht einschlägig. § 42 PBefG definiert "Linienverkehr" als "eine zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichtete regelmäßige Verkehrsverbindung, auf der Fahrgäste an bestimmten Haltestellen ein- und aussteigen können. Er setzt nicht voraus, dass ein Fahrplan mit bestimmten Abfahrts- und Ankunftszeiten besteht oder Zwischenhaltestellen eingerichtet sind."

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Die spezielle Verweisung im SGB IX (früher SchwbG) auf die Definition des Linienverkehrs in § 42 PBefG verbietet es, in den Anspruch auf kostenlose Beförderung Schwerbehinderter auch andere Verkehrsarten einzubeziehen. Der Gesetzgeber hat im Rahmen mehrfacher Änderungen des Schwerbehindertenrechts gerade darauf verzichtet, besondere Verkehrsformen ganz oder teilweise dem für Schwerbehinderte unentgeltlichen Nahverkehr zuzuordnen (vgl. VG Köln, a.a.O.). Das gilt auch für die Aufnahme des Schwerbehindertenrechts in das SGB IX, bei der die hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 145, 147 SGB IX wortgleich von den §§ 59, 61 SchwbG übernommen worden sind.

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Das im Stadtbereich Lüneburg und den Randbereichen eingerichtete Anruf-Sammel-Mobil ist danach nicht "Linienverkehr". Dahingestellt bleiben kann, ob das im Grundsatz einmal pro Stunde verkehrende ASM trotz der Besonderheit der telefonischen Voranmeldung und damit der Bedarfsorientierung sowie der variablen Streckenplanung eine "regelmäßige Verkehrsverbindung" im Sinne des § 42 PBefG ist. Jedenfalls fehlt das einen Linienverkehr prägende Element einer Verbindung zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten. Der Streckenverlauf wird vielmehr flexibel nach den vorliegenden telefonischen Anmeldungen geplant. Damit kann der Ausgangspunkt jeweils an einer anderen der bestehenden Haltestellen liegen. Der Fahrtverlauf ist beliebig und völlig unabhängig von den Linien der sonst verkehrenden Stadtbusse. Denn die Fahrtziele können vom Fahrgast unabhängig von regulären Bushaltestellen völlig frei ("bis vor die Tür") bestimmt werden. Anders als im regulären Linienverkehr gibt es schließlich nicht eine Betriebspflicht für den Unternehmer in dem Sinne, dass gegebenenfalls auch Leerfahrten durchzuführen sind. Gerade solche unrentablen Fahrten sollen durch die Flexibilität des ASM vermieden werden.

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Damit greift auch der Einwand der Kläger, das ASM ersetze zu bestimmten Zeiten den regulären Linienverkehr und sei deswegen mit diesem gleichzustellen, nicht durch. Im ÖPNV des Lüneburger Stadtgebiets ist das ASM ein gegenüber dem für das Stadtgebiet und den Randgemeinden vorgehaltenen Regelbusverkehr zeitlich beschränktes Verkehrsangebot in einer eigenen Betriebsform, die die Betriebsform "Linienverkehr" nicht ersetzen soll und kann. Die auf den Linienverkehr zugeschnittene Vergünstigung der kostenlosen Beförderung für Schwerbehinderte erstreckt sich auf die Betriebsform des ASM nicht.