Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.10.2003, Az.: 12 ME 425/03
Alleinerziehende; Alleinerziehender; Alleinerziehung; elterliche Sorge; Elternteil; Erziehung; Familienangehöriger; Großeltern; Hilfeempfänger; Mehrbedarf; Mehrbedarfszuschlag; Pflege; Sorgeberechtigung; Sozialhilfe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.10.2003
- Aktenzeichen
- 12 ME 425/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48526
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 05.09.2003 - AZ: 4 B 1363/03
Rechtsgrundlagen
- § 23 Abs 2 BSHG
Gründe
Die Antragstellerin kann Beschwerde in der Sache gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts in zulässiger Weise nicht einlegen, da sie entgegen dem in § 67 Abs. 1 VwGO enthaltenen Erfordernis, auf das in der dem angefochtenen Beschluss beigegebenen Rechtsmittelbelehrung zutreffend verwiesen wird, vor dem Oberverwaltungsgericht nicht durch einen Rechtsanwalt oder eine diesem gleichgestellte postulationsfähige Person vertreten ist.
Aus dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 13. September 2003 ergibt sich jedoch das Begehren, ihr für ein beabsichtigtes Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Prozesskostenhilfe zu gewähren und einen Rechtsanwalt beizuordnen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats müssen bei einem derartigen Antrag die Gründe, aus denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung angegriffen werden soll, nach Maßgabe der Kenntnisse und Fähigkeiten des bzw. der betroffenen Beteiligten bezeichnet werden.
Nach diesen Maßstäben kann der Antragstellerin für das beabsichtigte Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Rechtsanwalt nicht beigeordnet werden, weil die beabsichtigte Beschwerde die nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht hat.
Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen seines angegriffenen Beschlusses einen glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin auf Gewährung eines Mehrbedarfs i.S. des § 23 Abs. 2 BSHG deshalb verneint, weil die Antragstellerin nicht allein für die Pflege und Erziehung ihrer beiden unter 16 Jahre alten Kinder sorge. Vielmehr spreche Überwiegendes dafür, dass sie hierbei von ihren Eltern und ihrer Schwester über weite Teile des Tages nachhaltig unterstützt werde. Die Antragstellerin lebe mit ihren Kindern in der Wohnung ihrer Schwester, in der anderen Hälfte des Doppelhauses lebten ihre Eltern. Die Antragstellerin behaupte auch letztendlich selbst nicht, sich allein um ihre Kinder zu kümmern, sondern gebe lediglich an, seit Ende Juli 2003 allein für deren Erziehung und Pflege zuständig zu sein; dass ihr auch tatsächlich nicht von ihren nächsten Verwandten geholfen werde, mache sie selbst nicht geltend.
Die Antragstellerin beruft sich demgegenüber in ihrem an das Oberverwaltungsgericht gerichteten Schriftsatz vom 13. September 2003 darauf, sie übernehme allein und selbstständig die tatsächliche Erziehung und Pflege ihrer Kinder. Trotz ihrer Schwangerschaft sei sie dazu vollständig im Stande. Ihre Schwester habe dies auf dem Sozialamt bestätigt. Im Oktober werde sie zusammen mit ihren Kindern eine eigene Bleibe beziehen, bei ihren Eltern habe sie nur vorübergehend Unterkunft genommen. Das Sorgerecht für ihre Kinder liege bei ihr, nicht bei ihren Familienangehörigen.
Durch diese Ausführungen ist die Antragstellerin den entscheidungstragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht in einem Maße entgegengetreten, das erforderlich wäre, um die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwaltes für die Durchführung eines beabsichtigten Beschwerdeverfahrens rechtfertigen zu können.
Eine alleinige Sorge für die Pflege und Erziehung i.S. des § 23 Abs. 2 BSHG ist dann nicht gegeben, wenn der erziehende Hilfeempfänger bei der Pflege und Erziehung so nachhaltig unterstützt wird, wie es sonst der andere Elternteil zu tun pflegt (4. Senat des erkennenden Gerichts, Beschl. v. 8.7.1997 – 4 L 3222/97 -, FEVS 48, 24 ff.). Dabei ist auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Es kommt deshalb nicht darauf an, wer im rechtlichen Sinne zur Erziehung bzw. Pflege berechtigt oder verpflichtet ist, sondern wer sich tatsächlich um die Kinder kümmert (Hofmann, in: LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, § 23, Rn. 23). Lebt ein Elternteil zusammen mit den Großeltern – oder anderen Familienangehörigen – in deren Haushalt und stellen diese die Pflege und Erziehung für einen Teil des Tages sicher, kommt die Gewährung des Mehrbedarfszuschlages nicht in Frage (vgl.: W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 23, Rn. 21).
Nach diesen Grundsätzen spricht auch weiterhin Überwiegendes dafür, dass der Antragstellerin in ihrer konkreten Lebenssituation – Einsitzen des Ehemannes in der Justizvollzugsanstalt Stade, Außervollzugsetzung des sie selbst betreffenden Haftbefehls zunächst nur unter der Auflage, bei ihren Eltern Wohnung zu nehmen, weit fortgeschrittene Schwangerschaft mit voraussichtlichem Entbindungstermin am 22. Oktober 2003 – bei der Pflege und Erziehung ihrer 8 und 6 Jahre alten Kinder durch ihre Eltern und ihre Schwester nachhaltige Unterstützung zuteil wird. Aussagen bzw. eidesstattliche Versicherungen ihrer Familienangehörigen, die einen anderen Schluss nahe legen könnten, hat die Antragstellerin nicht beigebracht. Auch hat sich die Wohnsituation der Antragstellerin und ihrer Kinder soweit ersichtlich bisher nicht geändert.