Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.10.2003, Az.: 11 LC 18/03
Zuschuss zu den Personal- und Sachkosten für eine Schwangerschaftsberatungsstelle ; Förderung einer Schwangerschaftsberatungsstelle nur bei umfassender Beratung, inklusive Konfliktberatung; Schutz des ungeborenen Lebens und der schwangeren Frau durch den Staat; Förderung der Laienorganisation Donum Vitae; Schutzkonzept des Staates für das ungeborene Leben; Hinweis an die schwangere Frau bezüglich einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle; Anerkennung einer Beratungsstelle als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.10.2003
- Aktenzeichen
- 11 LC 18/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 18887
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2003:1030.11LC18.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 29.10.2002 - AZ: 5 A 127/02
- nachfolgend
- BVerwG - 15.07.2004 - AZ: BVerwG 3 C 48.03
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 2 SchKG
- § 4 Abs. 1 SchKG
- § 2 Abs. 1 SchKG
- § 2 Abs. 2 SchKG
Fundstelle
- ZfL 2004, 16-22
Amtlicher Leitsatz
Katholische Schwangerenberatungsstellen, die eine allgemeine Beratung nach § 2 SchKG aber keine Konfliktberatung nach §§ 5 ff SchKG anbieten und infolgedessen auch keine Beratungsscheine (§ 7 SchKG) erteilen, haben keinen Anspruch auf eine Förderung gem. § 4 SchKG.
Tatbestand
Der Kläger ist eine juristisch selbstständige Ortsgruppe des Gesamtvereins "Sozialdienst katholischer Frauen". Er begehrt für seine Schwangerschaftsberatung in Braunschweig einen Zuschuss zu den Personal- und Sachkosten für das Jahr 2001.
Die Beratungsstelle des Klägers war ursprünglich mit Wirkung ab 1. Januar 1995 als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle im Sinne des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) (staatlich) anerkannt. Sie hatte auch auf der Grundlage der Förderungsrichtlinien des Landes bis zum Jahr 2000 eine beratungsbezogene Förderung für die allgemeinen Beratungen nach §§ 2 ff. SchKG und die Konfliktberatung nach §§ 5 ff. SchKG erhalten. Unter dem 26. September 2000 wurden die "Bischöflichen Richtlinien für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen" bekannt gegeben. Darin heißt es auszugsweise:
"Nach einem jahrelangen Prozess des Ringens um den kirchlichen Beratungsdienst im Rahmen der staatlichen Gesetze haben die deutschen Bischöfe, nicht zuletzt auf Weisung von Papst Johannes Paul II entschieden, die Schwangerschaftsberatung weiterhin intensiv fortzusetzen, Beratungsbescheinigungen, die eine der Voraussetzungen für eine straffreie Abtreibung sind, jedoch nicht mehr auszustellen. ...
Für katholische Schwangerschaftsberatungsstellen gelten folgende Richtlinien:
...
§ 4
Grenzen der Beratung:
Es ist mit dem Schutzkonzept der Beratung nicht vereinbar,
- Ratsuchende auf Einrichtungen hinzuweisen, die Beratungsbescheinigungen ausstellen, die eine der Voraussetzungen für eine straffreie Abtreibung sind,
- Ratsuchende auf Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen hinzuweisen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen,
- Anträge zur Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen auszulegen, auszufüllen oder dabei unterstützend mitzuwirken,
- sich durch Gutachten, Stellungnahmen oder Erteilung von Auskünften an einer ärztlichen Indikationsfeststellung oder deren Vorbereitung zu beteiligen. ..."
Unter dem 20. November 2000 gab der "Ständige Rat der deutschen Bischofskonferenz" folgende "authentische Interpretation" zu § 4 1. Spiegelstrich der bischöflichen Richtlinien:
"Am Beginn jeder Beratung muss der hilfesuchenden Frau ein klarer Hinweis auf die Freiwilligkeit der Inanspruchnahme des Beratungsangebotes und auch die Tatsache gegeben werden, dass die katholische Schwangerschaftsberatungsstelle keine Bescheinigung nach § 7 SchKG ausstellt. In diesem Zusammenhang ist eine Information über andere Beratungsstellen, die Schwangerschaftskonfliktberatung im Sinne von §§ 5-7 SchKG durchführen, nicht ausgeschlossen.
Innerhalb der Beratung ist eine Weiterleitung der Frau an Einrichtungen, die Beratungsbescheinigungen ausstellen, die eine Voraussetzung für die straffreie Abtreibung sind, nicht zulässig." (GA Bl. 74 ff.)
Da die Beratungsstelle des Klägers daher ab 1. Januar 2001 keine Beratungsnachweise mehr ausstellte, wurde die Anerkennung als Konfliktberatungsstelle von der Beklagten bestandskräftig widerrufen. Über einen erneuten Antrag auf Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle vom September 2001 ist noch keine bestandskräftige Entscheidung ergangen.
Im Januar 2001 beantragte der Kläger eine Förderung der Schwangerenberatungsstelle.
Mit Bescheid vom 5. April 2001 lehnte die Beklagte dieses ab. Eine Förderung sei nicht möglich, da nach den maßgeblichen Richtlinien die Anerkennung als Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle Voraussetzung sei.
Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. März 2002 zurück: Nach Sinn und Zweck des Schwangerschaftskonfliktgesetzes solle eine Förderung nur für Beratungsstellen erfolgen, die sowohl eine allgemeine Beratung nach §§ 2, 3 SchKG als auch eine Schwangerschaftskonfliktberatung nach §§ 5 ff. SchKG anböten. Eine Konfliktberatung nach § 5 SchKG biete der Kläger nicht (mehr) an.
Darüber hinaus biete er auch schon keine zureichende Beratung nach § 2 SchKG an, da er innerhalb dieser Beratung weder auf Einrichtungen verweise, die Beratungsscheine ausstellten, noch auf Ärzte/Krankenhäuser, die einen Schwangerschaftsabbruch vornähmen.
Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und u.a. ausgeführt, nach den Gesetzesmaterialien sollten sowohl allgemeine Beratungsstellen nach §§ 2, 3 SchKG als auch Konfliktberatungsstellen nach §§ 5 ff. SchKG gefördert werden. Die in den maßgeblichen Förderungsrichtlinien vorausgesetzte Kopplung beider Beratungsstellen stehe mit dem Gesetz daher nicht in Übereinstimmung. Im Übrigen biete er eine zureichende Beratung nach § 2 SchKG an. Er habe mithin einen Förderungsanspruch in Höhe von (mindestens) 50 % der nachgewiesenen notwendigen Personal- und Sachkosten.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2001 und ihren Widerspruchsbescheid vom 13. März 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die klägerische Beratungsstelle im Jahre 2001 mit (mindestens) 23.401,21 EUR zu fördern,
hilfsweise,
den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 29. Oktober 2002 den Hauptantrag abgewiesen, die Beklagte aber auf den Hilfsantrag hin verpflichtet, über den Förderantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Gegen das Urteil haben beide Beteiligten die bereits vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
Der Kläger trägt zur Begründung seines Förderungsbegehrens im Wesentlichen vor: Nicht nur den Gesetzesmaterialien, sondern auch dem Gesetzeswortlaut sei zu entnehmen, dass auch die (isolierte) Förderung nur einer Beratungsstelle i.S.d. § 2 SchwKG möglich sei. Unter Berufung auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil weist der Kläger weiter darauf hin, dass die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Beratungsstellen auch für schwangere Frauen, die an einer "Konfliktberatung" interessiert seien, keine praktischen Probleme bereite. Nach der "authentischen Interpretation der bischöflichen Richtlinien" könne nämlich vor der Beratung deutlich gemacht werden, dass keine Konfliktberatung angeboten werde. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass dies den meisten Frauen, die eine als "katholisch" erkennbare Beratungsstelle aufsuchten , ohnehin bekannt sei. Ausweislich der vorgelegten Tätigkeitsberichte sei nämlich schon für das Jahr 2000 - damals war der Kläger noch eine anerkannte Schwangerenkonfliktberatungsstelle - keine nennenswerte Nachfrage nach Konfliktberatungen mehr zu verzeichnen gewesen (nur 10 Konfliktberatungen gegenüber insgesamt 397 Beratungsfälle). 2001 habe es 400 allgemeine Beratungen (und eine Konfliktberatung ohne Ausstellung eines Beratungsscheines) gegeben. Dieses zeige, dass die von der katholischen Kirche angebotene allgemeine Beratung unverändert angenommen werde und mithin auch ein entsprechender Bedarf bestehe. Eine ausreichende Beratung nach § 2 SchKG werde von dem Kläger angeboten. Der Umfang dieser Beratung sei in § 2 Abs. 2 SchKG geregelt. Dieser habe einen abschließenden Charakter. Ein Bezug zum Schwangerschaftsabbruch werde ausschließlich in § 2 Abs. 2 Nr. 6 SchKG hergestellt. Danach umfasse der Anspruch auf Beratung Informationen über "die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, die physischen und psychischen Folgen eines Abbruchs und die damit verbundenen Risiken." Derartige Informationen würden von dem Kläger gegeben. Zu der Informationspflicht nach § 2 SchKG gehöre dagegen schon nach dem Wortlaut nicht der Verweis auf eine einen Beratungsschein ausstellende Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle.
Soweit die Beklagte eine Förderung des Klägers deswegen nicht als notwendig erachte, weil bereits genügend anerkannte Beratungsstellen in Niedersachsen vorhanden seien (nach Auskunft der Beklagten 258 anerkannte Stellen statt erforderlichen 198), sei der Verweis auf die bloße Anzahl von Beratungsstellen nicht aussagekräftig, da die Beklagte bislang nicht belegt habe, dass diese Beratungsstellen auch entsprechend dem im Schwangerschaftskonfliktgesetz vorgegebenen Schlüssel (je 40.000 Einwohner eine Vollzeitkraft) besetzt seien. Schließlich spreche das im Schwangerschaftskonfliktgesetz enthaltene Pluralitätsgebot dafür, den Kläger als eine katholische Beratungseinrichtung zu fördern. Der Verweis der Beklagten auf die Förderung des Vereins "Donum Vitae" - dieser Konfliktberatung anbietende Verein ist im Wesentlichen von katholischen Mitgliedern gegründet worden, nachdem sich die katholische Kirche Ende 2000 aus der Schwangerschaftskonfliktberatung zurückgezogen hat; 10 Beratungseinrichtungen dieses Vereins, eine davon in Hildesheim, werden von dem Land Niedersachsen gefördert - greife nicht, da dieser Verein nicht der katholischen Amtskirche angehöre. Die katholische Glaubensausrichtung als religiöse Weltanschauung, insbesondere in ihrer Form als Religionslehre, sei untrennbar mit der katholischen Kirche als Institution verbunden. Eine an der katholischen Religionslehre orientierte Schwangerenberatung könne daher denknotwendigerweise nur von einer in kirchlicher Trägerschaft stehenden Einrichtung gewährleistet werden. An einer solchen Trägerschaft fehle es der Laienorganisation Donum Vitae. Wegen der völligen Weisungsunabhängigkeit dieses Vereins von der katholischen Kirche sei die Übernahme und Fortführung der katholischen Weltanschauung im Bereich der Schwangerenberatung durch Donum Vitae überhaupt nicht gewährleistet. Hinsichtlich der Höhe hat der Kläger zunächst im Hinblick auf das Urteil des Senats vom 26. April 2001 (11 L 4042/00) eine 50 %ige Förderung begehrt. Diesen Satz hat er nach Erlass des dazu ergangenen (Revisions-)Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2003 (3 C 26.02) auf 80 % erhöht. Da das SchKG hinsichtlich der Förderungspflicht keine Unterschiede mache, ob es sich um eine allgemeine Beratungsstelle oder um eine Konfliktberatungsstelle handele, müssten die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem o. a. Urteil entsprechend gelten. Er habe daher Anspruch auf eine Förderung in Höhe von 37.441,95 Euro (80 %) der notwendigen Kosten.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Personal- und Sachkosten der Schwangerenberatungsstelle des Klägers für das Jahr 2001 mit mindestens 37.441,95 Euro zu fördern und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beantragte,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor: Nach der Förderrichtlinie würden zwar Beratungen nach § 2 SchKG einerseits und §§ 5 ff. SchKG andererseits gefördert, Voraussetzung sei jedoch die Anerkennung der Beratungsstelle als Konfliktberatungsstelle. Diese Vorgabe in den Richtlinien stehe mit dem SchKG im Einklang. Wortwahl und Gesetzesbegründung sprächen für ihre Auffassung. Gleiches gelte für den Normzweck, der auf eine ganzheitliche Beratung gerichtet sei. Die Beratungsfelder von § 2 SchKG einerseits und §§ 5 ff. SchKG andererseits seien nicht separat zu sehen, sondern ergänzten sich untereinander. Die gefundene Auslegung entspreche auch mehr dem Schutzbedürfnis der Frau. Der Übergang von allgemeiner Beratung zur Konfliktberatung sei oft fließend und nicht in jedem Fall von vornherein absehbar. Es solle aber verhindert werden, dass die Frau ihre persönliche Situation zunächst in einer allgemeinen Beratung nach § 2 SchKG darlege und im Anschluss daran ihre persönliche Situation eventuell nochmals gegenüber einer Konfliktberatungsstelle mit anderen Personen unterbreiten müsse. Auch die engen zeitlichen Vorgaben für einen Schwangerschaftsabbruch nach Beratung - innerhalb von 12 Wochen seit der Empfängnis - und das im SchKG enthaltene Erfordernis einer unverzüglichen Konfliktberatung spreche dafür, einheitliche Beratungsstellen zu fordern und nur diese zu fördern. Der in § 4 Abs. 1 SchKG niedergelegte Verteilungsschlüssel (pro 40.000 Einwohner mindestens eine Vollzeitkraft) weise ebenfalls auf eine gemeinsame Beratung hin; denn diesem Schlüssel liege zu Grunde, dass nur ein einheitliches Beratungsnetz in Niedersachsen aufgebaut werden solle. Insgesamt liege dem SchKG daher ein integriertes Beratungsmodell zu Grunde mit der Folge, dass nur diejenigen Beratungsstellen gefördert werden könnten, die den Beratungsauftrag in Gänze erfüllten.
Unabhängig hiervon könne dem Kläger auch deswegen keine Förderung gewährt werden, weil er schon nicht umfassend im Sinne des § 2 SchKG berate. Die Aufzählung des Beratungsgegenstandes in § 2 Abs. 2 SchKG sei nicht als abschließend anzusehen. Gemäß § 2 Abs. 1 SchKG bestehe nämlich eine Beratungspflicht in "allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen". Hierzu gehöre sowohl der Hinweis auf Konfliktberatungsstellen, die Beratungsscheine erteilen als auch der Hinweis auf Ärzte/Einrichtungen, die einen Abbruch vornehmen sowie der Hinweis auf die Straffreiheit bestimmter Abbrüche. Diesen Anforderungen könne die Beratungsstelle des Klägers nicht gerecht werden, da dem § 4 der Bischöflichen Richtlinien vom 26. September 2000 entgegenstehe. Die dazu ergangene "authentische Interpretation" führe ebenfalls nicht weiter. Eine Differenzierung zwischen "nicht ausgeschlossener" Information über konfliktberatende Stellen vor der Beratung und ausgeschlossener Weiterleitung der Frauen an solche Stellen innerhalb der Beratung sei mit sachgerechten Kriterien nicht zu leisten. Da zudem eine Information vor der Beratung lediglich "nicht ausgeschlossen" werde, sei nicht sichergestellt, dass tatsächlich alle ratsuchenden Frauen eine entsprechende Information von den katholischen Beratungsstellen erhielten. Nach dem Verständnis der katholischen Kirche seien nämlich sämtliche Formen von Mitwirkungshandlungen an einem möglichen Schwangerschaftsabbruch untersagt. Allein der Hinweis auf eine Konfliktberatungsstelle stelle aber bereits eine mittelbare Mitwirkung dar. Eine umfassende Beratung nach § 2 SchKG sei mithin nicht gesichert. Und selbst wenn man unterstelle, dass in allen Fällen vor der Beratung ein derartiger Hinweis auf Konfliktberatungsstellen erfolge, stelle ein solcher Hinweis immer noch keine ausreichende Beratung im Sinne des § 2 SchKG dar.
Die von dem Kläger angebotene Beratung erfülle auch deswegen nicht die Vorgaben des § 2 SchKG, weil sie ergebnisoffen erfolgen müsse. Diese Ergebnisoffenheit sei in § 5 SchKG für die Konfliktberatung ausdrücklich niedergelegt. Wenn diese Vorgabe aber schon für die spezielle Konfliktberatung gelte, müsse sie erst recht für die allgemeine Beratung gelten. Eine ergebnisoffene Beratung, die die Letztverantwortung der Frau überlasse, sei aber von der katholischen Kirche auf Grund ihres Selbstverständnisses nicht möglich.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 88, 203) obliege dem Staat eine Schutzpflicht für die Frau und das ungeborene Kind, wobei der Staat die volle Verantwortung für die Beratung der Frau trage. Diese Verantwortung gelte auch gegenüber katholischen Frauen. Es stehe der katholischen Kirche frei, die vom Staat gefundene Lösung des Abtreibungsproblems nicht voll mitzutragen. Gleichwohl müsse der Staat auch für Angehörige katholischen Glaubens der ihm zukommenden Garantenstellung gerecht werden und auch für eine umfassende Beratung dieser Personengruppe Sorge tragen. Die Förderung einer Beratungsstelle, die nur allgemeine Beratung nach § 2 SchKG anbiete, stehe mit dieser staatlichen Verpflichtung nicht im Einklang. Der Kläger wolle letztlich Förderung für eine Leistung, die hinter den staatlichen Vorgaben zurückbleibe. Auf das Pluralitätsgebot könne der Kläger nicht verweisen. Dieses Gebot sei nur innerhalb von Beratungsstellen zu beachten, die ihrerseits eine umfassende Beratung sicherstellten. Das sei bei dem Kläger aber gerade nicht der Fall.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Förderung. Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Berufung des Klägers war entsprechend zurückzuweisen.
Rechtsgrundlage für das Förderungsbegehren ist Art. 1 § 4 Abs. 2 des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes (SFHÄndG vom 21.08.1995 - BGBl.. 1995, 1050 -, im Folgenden nur Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG -) in Verbindung mit der Förderrichtlinie der Beklagten. Das ist hier der für das Jahr 2001 geltende RdErl. d. MFAS v. 11. Dez. 2000 i.V.m. dem RdErl. v. 15. Dez. 1999 (Nds. MBl. 2001, 74; 2000, 113). Danach wird pro Beratungsfall nach § 2 oder § 5 ff. SchKG eine pauschale Zuwendung in Höhe von rd. 86,00 DM gewährt. Es kann für das vorliegende Verfahren dahinstehen, ob die in den Förderrichtlinien genannte Höhe der Förderung überhaupt in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben steht (vgl. hierzu das Urteil des Senats v. 26.04.2001 - 11 L 4042/00 -, wonach grundsätzlich 50 % der notwendigen Kosten einer Beratungsstelle zu übernehmen sind, sowie das dazu ergangene Urteil des BVerwG vom 03.07.2003 - 3 C 26.02 -, wonach grundsätzlich 80 % der notwendigen Kosten zu übernehmen sind; beide Urteile beziehen sich allerdings auf anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen); denn dem Kläger steht schon dem Grunde nach kein Anspruch auf eine Förderung zu (a. A.: OVG Münster, Urt. v. 02.10.2003 - 21 A 1144/02 -).
1)
Selbst wenn man davon ausgeht, dass § 2 SchKG einerseits und § 5 ff. SchKG andererseits unterschiedliche Bereiche regeln, sprechen Sinn und Zweck des SchKG dafür, nur diejenigen Beratungsstellen zu fördern, die sowohl eine Beratung nach § 2 SchKG als auch nach § 8 SchKG anbieten (a); zumindest muss ein Hinweis auf eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle erfolgen, was durch den Kläger aber nicht gewährleistet wird (b).
a)
Mit dem Kläger kann dabei zunächst davon ausgegangen werden, dass es bei formaler Betrachtung zwei Arten von Beratungsstellen gibt. Diese Feststellung beinhaltet allerdings aber nicht gleichzeitig, dass damit auch zwei voneinander unabhängige Förderungsverpflichtungen bestehen. Es ist nach Auffassung des Senats vielmehr mit dem Gesetz vereinbar, eine Förderung nur für Beratungsstellen zu gewähren, die sowohl eine allgemeine Beratung nach §§ 2, 3 SchKG als auch eine Konfliktberatung nach § 5 ff. SchKG anbieten.
aa)
Dieses lässt sich allerdings nicht schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 2 SchKG ableiten. Zwar wird dort von Beratungsstellen nach "§§ 3 und 8" sowie von "einer" angemessenen öffentlichen Förderung gesprochen. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass der Gesetzgeber den Worten "und" bzw. "einer" eine derart weit reichende Bedeutung zuordnen wollte.
bb)
Die Gesetzesmaterialien zu dem SchKG führen ebenfalls nicht weiter (a. A.: OVG Münster, Urt. v. 02.10.2003 - 21 A 1144/02 -). Sie lassen Auslegungen in beide Richtungen zu, was bereits daran deutlich wird, dass sich sowohl der Kläger als auch die Beklagte für ihre Auffassung jeweils auf die Gesetzesmaterialien stützen.
So heißt es in der BT-Drucksache 13/1850 vom 28. Juni 1995:
Zu Nr. 5 (§ 3 SchKG)
"... Die bisherige bundesgesetzliche Regelung über die Anerkennung von Beratungsstellen nach § 3 ... erscheint entbehrlich, da die Zulassungsvoraussetzungen für die im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch notwendige Schwangerschaftskonfliktberatung nunmehr in § 9 SchKG gesondert geregelt wird.
Nur hinsichtlich dieser notwendigen Beratung (gemeint ist die Schwangerschaftskonfliktberatung nach § 9) sind einheitliche Vorgaben für die Anerkennung im Hinblick auf den Schutz ungeborenen Lebens erforderlich. Die Zulassung der Beratungsstellen, deren sich die Länder zur Erfüllung des Beratungsanspruches nach § 2 SchKG bedienen wollen, kann daher insgesamt den Ländern im Rahmen des Sicherstellungsauftrages überlassen bleiben. Es ist allerdings damit zu rechnen, dass dieser Anspruch weitgehend durch die als Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen anerkannten Beratungsstellen erfüllt werden wird. Der Beratungsanspruch nach § 2 SchKG besteht unabhängig davon, ob ein Schwangerschaftsabbruch erwogen wird oder nicht. Ob eine in Anspruch genommene Beratung als pflichtige Schwangerschaftskonfliktberatung anerkannt werden kann, wenn es später zum Schwangerschaftsabbruch kommen sollte, ist nach § 219 StGB i.V.m. den §§ 5 ff. des SchKG zu beurteilen.
Zu Nr. 6 (§ 4 SchKG):
Durch eine redaktionelle Anpassung wird klargestellt, dass sich die bisherigen Vorschriften über die öffentliche Förderung der Beratungsstellen sowohl auf die als Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen anerkannten Stellen als auch auf etwaige weitere Beratungsstellen erstrecken, die den Beratungsanspruch des § 2 SchKG erfüllen."
Eine vergleichbare Aussage enthält BR-Drs. 12/285 vom 24. Jan. 1995.
Da in dieser Begründung Beratungsstellen nach § 2 und nach § 5 ff. SchKG nebeneinander erwähnt werden, spricht dieses für die Auffassung des Klägers. Die Aussage, es sei damit zu rechnen, dass der "Anspruch (auf Beratungsstellen nach § 2 SchKG) weitgehend durch Konfliktberatungsstellen sichergestellt" werde und die Wortwahl "etwaige weitere Beratungsstellen" (nach § 2 SchKG), könnten dagegen darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber für die Praxis eher von einer Identität beider Beratungsstellen ausging, gleichwohl aber sicherstellen wollte, dass innerhalb einer gemeinsamen Beratungsstelle auch nur einfache Beratungen nach § 2 SchKG gefördert werden. Dieses Verständnis spräche für die Auffassung der Beklagten. Letztlich kann den Gesetzesmaterialien auch deswegen kein wesentliches Gewicht beigemessen werden, weil nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber damals die Situation vor Augen hatte, wie sie nunmehr durch das Ausscheiden der katholischen Kirche aus der Schwangerschaftskonfliktberatung eingetreten ist.
cc)
Maßgeblich ist daher auf Sinn und Zweck der Beratung im Zusammenhang mit Schwangerschaften abzustellen. Dieser Sinn und Zweck erschließt sich aus der Vorgeschichte des Gesetzes.
Seit langem gab es Bemühungen des Gesetzgebers, die ursprünglich generelle Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruches einzuschränken und den Schutz des ungeborenen Lebens auf anderem Wege zu verbessern. 1974 wurde erstmals eine sog. Fristenregelung eingeführt. Diese war schon damals mit einer Beratungspflicht verknüpft. Hintergrund war die Überlegung, dass bei einem Schwangerschaftsabbruch Beratung und Hilfe einsetzen müssen, bevor der entscheidende Schritt von der Frau unternommen werde. Solange jedoch die Frau strafrechtliche Sanktionen befürchten müsse, wenn sie bei Dritten Hilfe suche, werde sie Beratung und Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Der Schutz ungeborenen Lebens könne daher durch eine Beratung eher erreicht werden als durch weitere Strafbarkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Die damals vorgesehene Beratung sollte der Frau einerseits zeigen, welche Hilfen sie bei Austragung der Schwangerschaft und dann als Mutter von der Gesellschaft erwarten könne und ihr andererseits alle medizinischen Gesichtspunkte der Schwangerschaft sowie des Schwangerschaftsabbruchs vor Augen führen. Die soziale Sicherung der Schwangeren bzw. später des Kindes sollte durch ein Strafrechtsreform-Ergänzungsgesetz (u.a. mit der Regelung von Ansprüchen auf ärztliche Beratung über Empfängnisverhütung) verbessert werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Reformvorhaben 1975 als mit dem Grundgesetz unvereinbar angesehen. Allerdings hat es ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich unbedenklich und zu billigen, wenn der Gesetzgeber seine Pflicht zu einem besseren Schutz ungeborenen Lebens durch präventive Maßnahmen einschließlich einer die Eigenverantwortung der Frau stärkenden Beratung zu erfüllen versuche, jedoch sei die (damals vorgesehene) Regelung in einzelnen Bereichen verfassungsrechtlich bedenklich (z.B. weil die grundsätzliche Missbilligung eines Schwangerschaftsabbruchs nicht deutlich werde, die Beratung über mögliche finanzielle Hilfen bei Fortsetzung der Schwangerschaft nicht umfassend genug ausgestaltet worden sei und die Beratung zudem von dem Arzt vorgenommen werden sollte, der auch den Schwangerschaftsabbruch durchführt; vgl. im Einzelnen auch zur Vorgeschichte BVerfG, Urt. v. 25.02.1975 - 1 BvF 1-6/74 - BVerfGE 39, 1, 51 ff.).
In der folgenden Zeit war ein Schwangerschaftsabbruch nur bei bestimmten Indikationen möglich. Diese Lösung wurde jedoch nicht als zufrieden stellend angesehen, weil die Indikationsregelungen weit reichende unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten offen ließen und zudem nicht zu einem erheblichen Rückgang der Schwangerschaftsabbrüche führten.
Nach Herstellung der deutschen Einheit - in der DDR galt damals eine Fristenregelung ohne Beratung - verpflichtete sich der gesamtdeutsche Gesetzgeber im Einheitsvertrag, bis spätestens Ende Dezember 1992 eine Regelung zu treffen, die den Schutz vorgeburtlichen Lebens und der Bewältigung von Konfliktsituationen schwangerer Frauen vor allem durch rechtlich gesicherte Ansprüche für Frauen, insbesondere auf Beratung und soziale Hilfen, besser gewährleistet als dies in beiden Teilen Deutschlands der Fall war. Zur Verwirklichung dieses Zieles sollte "unverzüglich ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen verschiedener Träger aufgebaut" werden, die personell und finanziell so auszustatten seien, dass sie die notwendige Hilfe auch über den Zeitpunkt der Geburt hinaus leisten könnten (vgl. BT-Drs. 12/2605 S. 2).
Zur Erfüllung dieser Vorgaben wurde das Schwangeren- und Familienhilfegesetz (SFHG) vom 27. Juli 1992 (BGBl.. I S. 1398) beschlossen. Es sah (unter Art. 1) in § 2 eine Beratung vor, regelte in § 3 die Beratungsstellen, in § 4 die öffentliche Förderung der Beratungsstellen, regelte (unter Art. 13) in § 219 StGB die Verpflichtung der Schwangeren zur Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch und beschrieb in § 219 StGB auch den Umfang dieser Konfliktberatung genauer.
Auch dieses Gesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht 1993 in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig erklärt. Zur Begründung führte das Gericht u.a. aus, zwar sei es dem Verfassungsgesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verwehrt, in der Frühphase der Schwangerschaft auf eine Strafandrohung zu verzichten und das Gewicht auf die Beratung der schwangeren Frau zu legen. Ein solches Beratungskonzept erfordere jedoch Rahmenbedingungen, die positive Voraussetzungen für ein Handeln der Frau zu Gunsten des ungeborenen Lebens schafften. Diese Rahmenbedingung sei durch das überprüfte Gesetz nicht (vollständig) erfüllt. Der Staat trage für die Durchführung des Beratungsverfahrens die volle Verantwortung.
Im Einzelnen hat das Bundesverfassungsgericht hierzu u.a. ausgeführt:
Der Staat genügt seiner Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen menschlichen Leben nicht allein dadurch, dass er Angriffen wehrt, die diesem von anderen Menschen drohen. Er muss auch denjenigen Gefahren entgegentreten, die für dieses Leben in den gegenwärtigen und absehbaren realen Lebensverhältnissen der Frau und der Familie begründet liegen und der Bereitschaft zum Austragen des Kindes entgegenwirken. ... (Die Schutzpflichten verpflichten den Staat, .... Grundlagen dafür zu schaffen, dass Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit aufeinander abgestimmt werden können. ... Der Schutzauftrag verpflichtet den Staat schließlich auch, den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben. ... Öffentliche Einrichtungen, die Aufklärung in gesundheitlichen Fragen, Familienberatung oder Sexualaufklärung betreiben, haben allgemein den Willen zum Schutz des ungeborenen Lebens zu stärken; dies gilt insbesondere für die in § 1 SFHG vorgesehene Aufklärung .... (BVerfG, Urt. v. 28.05.1993 - 2 BvF 2/90 und 4, 5/92 - BVerfGE 88, 203, 258, 261).
Der Gesetzgeber nahm diese Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auf und erließ das dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegende Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz - SFHÄndG, im Folgenden aber nur SchKG - vom 21. August 1995 - BGBl.. 1995, 1050 -. In Art. 1 § 2 blieb der Anspruch auf Beratung im Wesentlichen unverändert. § 3, der im SFHG die Beratungsstelle betraf, bezieht sich im SchKG nur noch auf Beratungen nach § 2. § 4 regelt nach wie vor die Förderung. Hinter § 4 wurden nunmehr die §§ 5 ff. eingeführt, die die Schwangerschaftskonfliktberatung im Einzelnen näher beschreiben. U.a. wird in § 8 niedergelegt, dass Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen besonderer staatlicher Anerkennung bedürfen (vgl. zu dieser Entwicklung auch Tröndle-Fischer, StGB, 51. Aufl. vor §§ 128; Lackner/Kühl, StGB, 23. Aufl. vor § 218).
Dieser Abriss zeigt, dass die Vorgaben für einen von der Verfassung akzeptierten Schwangerschaftsabbruch im Rahmen einer Fristenlösung in Anlehnung an die jeweiligen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts immer umfassender wurden. Dieses beruht darauf, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Ersetzung der Strafandrohung für die Abtreibung durch eine Beratungslösung mit der staatlichen Schutzpflicht für das werdende Leben nur vereinbar ist, wenn eine kompetente, dem Lebensschutz verpflichtete und quantitativ ausreichende Beratung gewährleistet ist, für die der Staat die umfassende Verantwortung trägt. Die Fristenlösung wird nur dann als mit dem Grundgesetz vereinbar akzeptiert, wenn sie in ein "Schutzkonzept" des Staates eingebettet ist, das dem Schutz des Ungeborenen dient. Für dieses Schutzkonzept ist der Staat verantwortlich. Das Schutzkonzept umfasst dabei neben der im Vordergrund stehenden umfassenden Beratung in einem Konfliktfall auch allgemeine Aufklärungsmaßnahmen sowie flankierende verbesserte soziale Absicherungen insbesondere von Mutter und Kind. Das aber wiederum bedeutet, dass auch die sog. "allgemeine" Beratung, wie sie in § 2 SchKG niedergelegt ist, nach dem Gesamtkonzept des Gesetzgebers mit dazu beitragen kann und soll, Schwangerschaftskonflikte in positivem Sinne zu beenden und dem Schutz des ungeborenen Lebens zu dienen. Dieses kann nämlich nicht nur dadurch geschehen, dass in einer Konfliktlage auf Grund einer entsprechend umfassenden Beratung die Schwangere vom Abbruch abgehalten werden kann, sondern auch dadurch, dass es auf Grund umfassender Sexualaufklärung entweder gar nicht erst zu einer Schwangerschaft kommt oder auf Grund umfassender, den jeweiligen Frauen anlässlich einer Beratung auch bekannt gemachter Hilfestellungen des Staates bei diesen gar nicht erst der Gedanke an einen Schwangerschaftsabbruch aufkommt (in diesem Sinne auch OVG Münster, Urt. v. 02.10.2003 - 21 A 1144/02 -). Gerade die beiden letzten Aspekte (Sexualaufklärung, Hinweis auf allgemeine staatliche Hilfen) sind aber (auch) Inhalt der in § 2 SchKG enthaltenen "allgemeinen" Beratung.
Legt man zu Grunde, dass der Staat zum Ausgleich der von ihm als zulässig angesehenen Fristenregelung für die Aufrechterhaltung eines umfassenden Schutzkonzeptes verantwortlich ist, darf er sich auch darauf zurückziehen, nur diejenigen Beratungsstellen zu fördern, die das Schutzkonzept in seiner Gesamtheit tragen.
Dies entspricht auch eher dem Schutzgedanken gegenüber der Frau. Sollte diese beispielsweise zunächst eine allgemeine Schwangerenberatungsstelle aufgesucht haben und ergibt sich später erst eine Konfliktsituation, müsste sie sich an eine Konfliktberatungsstelle mit anderen Ansprechpartnern wenden und erneut ihre Situation schildern. Gerade die mehrfache Schilderung der persönlichen Situation gegenüber verschiedenen Personen sollte aber im Interesse der betroffenen Frauen vermieden werden.
Auch die engen zeitlichen Vorgaben sprechen für die Auffassung der Beklagten. Ein indikationsfreier Abbruch ist nur binnen 12 Wochen nach Empfängnis möglich. Frauen, die sich noch unsicher sind, ob sie die Schwangerschaft austragen oder nicht und sich zunächst nur bei allgemeinen Beratungsstellen über mögliche Hilfen erkundigen möchten, müssten, wenn sie diese Hilfen nicht für ausreichend ansehen und ein Abbruch (doch) näher in Erwägung ziehen, erneut eine Beratungsstelle mit entsprechendem Zeitverzug aufsuchen. Bei einheitlichen, beide Beratungsarten umfassenden Beratungsstellen könnten sie dagegen unmittelbar an die allgemeine Beratung anknüpfend zur Konfliktberatung ohne weiteren Zeitverzug übergehen.
Ein weiteres Argument für die gefundene Lösung ist, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 SchKG einen Förderungsschlüssel von einer Vollzeitkraft pro 40.000 Einwohnern zu Grunde gelegt hat und sich dieser Förderungsschlüssel auf beide Beratungsarten bezieht. Da nur ein Schlüssel angegeben ist und das Gesetz keine Äußerungen dazu enthält, welcher Schlüssel gelten soll, wenn eine Beratungsstelle entweder nur nach § 2 oder nach § 5 ff. und § 2 oder nur nach § 5 ff. SchKG Beratungen anbietet, spricht auch die Vorgabe eines einheitlichen Schlüssels dafür, dass grundsätzlich an der jeweiligen Beratungsstelle eine umfassende Beratung möglich sein soll (a. A.: OVG Münster, Urt. v. 02.10.2003 - 21 A 1144/02 -).
Die Förderung nur derjenigen Beratungsstellen, die sowohl Beratung nach § 2 als auch nach § 5 ff. SchKG anbieten, ist zudem unter Sparsamkeitsgründen geboten. Die Beklagte bzw. das Land Niedersachsen ist verpflichtet, sowohl für die allgemeine Beratung als (auch) für die Schwangerschaftskonfliktberatung wohnortnahe Beratung bereit zu stellen (vgl. § 3, 8 SchKG). Folgt man daher der Auffassung des Klägers, müssten neben der Schwangerenberatungsstelle, die der Kläger anbietet, zusätzlich Konfliktberatungsstellen bereit gehalten werden. Dieses erfordert aber zusätzliche Kosten (z.B. doppelte Miete, erhöhte Personalkosten).
Der Hinweis des Klägers, er trage als katholische Einrichtung zu dem vom Gesetz geforderten "pluralen" Angebot bei, führt nicht weiter; denn unter dem Gesichtspunkt der Pluralität können nur diejenigen Beratungsstellen eine Förderung beanspruchen, die dem oben dargelegten umfassenden staatlichen Schutzauftrag in ihren Beratungen auch tatsächlich nachkommen können. Das ist bei dem Kläger aus ihm zuzurechnenden Gründen nicht der Fall, da die katholische Kirche keine Konfliktberatung (mehr) anbietet und entsprechend keine Beratungsscheine (mehr) ausstellt. Da die katholische Amtskirche keine dem Schutzkonzept des Staates zu Grunde liegende umfassende Beratung anbietet, kommt die Beklagte der Vorgabe, ein ausreichendes plurales Angebot (§ 8 SchKG) bzw. Beratungsstellen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung (§ 3 SchKG) vorzuhalten, dadurch in zureichendem Maße nach, dass sie die in ihrem Bereich vorhandene und beide Beratungen anbietende, von Katholiken gegründete Beratungsstelle "Donum vitae" fördert.
Unerheblich ist, dass die allgemeinen Beratungen nach § 2 SchKG bei dem Kläger den weit überwiegenden Teil seiner Beratungen ausmachen (2000: 397 allgemeine Beratungen, 10 Konfliktberatungen; 2001: 400 allgemeine Beratungen); denn entscheidend für die Förderung ist das Vorhalten eines umfassenden Beratungsangebotes.
Selbst wenn man daher zu Grunde legt, dass beide Beratungsstellen dem Grunde nach unterscheidbare, wenn sich auch gegenseitig ergänzende Beratungen durchführen, ist die Rechtsauffassung der Beklagten, nur eine umfassende Beratungsstelle zu fördern, nicht zu beanstanden.
b)
Zumindest aber setzt die in § 2 Abs. 1 SchKG vorgeschriebene Beratung in "allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen" voraus, dass eine ratsuchende Frau auf das Bestehen einer zusätzlichen Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle ausdrücklich hingewiesen wird. Schon ein derartiger Hinweis ist jedoch bei dem Kläger nicht gesichert (anders war es möglicherweise bei dem dem Urteil des OVG Münster vom 02.10.2003 - 21 A 1144/02 - zu Grunde liegenden Sachverhalt, da dort von den katholischen Beratungsstellen im maßgeblichen Jahr 2000 tatsächlich Beratungsstellen benannt worden sind, die eine Konfliktberatung anbieten und Beratungsbescheinigungen ausstellen - u.a. S. 14 -). Die bischöflichen Richtlinien vom 26. September 2000 haben eine derartige Hinweispflicht in ihrem § 4 ausdrücklich verneint. Eine zureichende Hinweispflicht auf Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen wird auch nicht durch die "authentische Interpretation zu § 4 1. Spiegelstrich der bischöflichen Richtlinien" vom 20. November 2000 festgelegt. Soweit es in dieser Interpretation heißt, ein Hinweis auf Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen könne vor der Beratung als Information erfolgen, nicht aber während der Beratung, ist dieses Gedankengerüst zwar aus Sicht der katholischen Kirche verständlich, weil diese innerhalb der eigentlichen "Beratung" weder unmittelbar noch mittelbar an einem Schwangerschaftsabbruch mitwirken will. Gleichwohl zeigt die Formulierung, eine entsprechende Information vor der Beratung sei "nicht ausgeschlossen", dass nicht mit Gewissheit in allen Beratungsstellen ein derartiger Hinweis auch erfolgen muss. Ein derartiger Hinweis ist aber - als Mindestvoraussetzung - erforderlich, will die Beratungsstelle, wie es § 2 Abs. 1 vorschreibt, in "allen" Schwangerschaftsangelegenheiten beraten.
2)
Unabhängig von den Ausführungen unter 1) stellt sich auch die Frage, ob § 2 SchKG einerseits und § 5 ff. SchKG andererseits überhaupt - wovon oben unter 1) ausgegangen wurde - dem Grunde nach abgrenzbare, wenn auch sich gegenseitig ergänzende Bestimmungen enthalten. Es spricht nämlich Überwiegendes dafür, § 2 SchKG als eine Rahmenbestimmung anzusehen, die durch nachfolgende Paragrafen - soweit es um Konfliktberatung geht, z.B. durch die §§ 5 ff. SchKG - ausgefüllt werden.
Sieht man § 2 SchKG als eine Rahmenbestimmung an, kann es keine Beratungsstelle i.S.d. SchKG geben, die nicht zugleich auch Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle ist.
Dass § 2 die Funktion einer Rahmenrichtlinie für den Ablauf einer Beratung hat, ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zu dem Schwangeren- und Familienhilfegesetz (SFHG) vom 27. Juli 1992 (BT-Drs. 12/2605).
Darin heißt es auszugsweise im allgemeinen Vorspann:
"Die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind nach wie vor unzureichend. .... Die Beratungsmöglichkeiten für Frauen ... im Falle eines Schwangerschaftskonflikts sind ebenfalls nicht ausreichend entwickelt. So existiert noch kein flächendeckendes pluralistisches Netz an Beratungsstellen. Aber auch die allgemeinen Beratungsmöglichkeit über Familienplanung und Verhütung sind unterentwickelt. ... Nach wie vor entstehen ungewollte Schwangerschaften infolge Unkenntnis über zuverlässige Verhütungsmethoden. Es hat sich gezeigt, dass umfassende soziale Rahmenbedingungen einen besseren Schutz des werdenden Lebens gewährleisten als die strafrechtliche Sanktionierung. ...
Das ... Gesetz beruht daher auf folgenden Hauptelementen:
- Rechtsanspruch auf Sexualaufklärung ...
- Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien und Schaffung einer kinderfreundlicheren Umwelt ...
- Qualitativ hochwertige Beratung sowie praktische Hilfen für Frauen in Schwangerschaftskonflikten
- Neuregelung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche ....
Weiter heißt es unter Begründung A:
Die neue Konzeption des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes besteht dahin, dass der Schutz werdenden Lebens vor allem durch umfassende Hilfen für Familien und schwangere Frauen, durch Förderung einer kinderfreundlichen Gesellschaft sowie durch Aufklärung, Beratung und Sexualerziehung gewährleistet werde soll... Durch die Summe der Einzelvorschriften wird ein wirksamer Lebensschutz gesichert. ... Beratung und Aufklärung sind als Rechtsansprüche ausgestaltet. Sie beschränken sich nicht nur auf die Situation des Schwangerschaftskonfliktes selbst, sondern beziehen ausdrücklich auch den Bereich der Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung, also des Bemühens um die Verhinderung ungewollter Schwangerschaften mit ein. ..."
Zu § 2 wird in dieser Gesetzesbegründung u.a. ausgeführt:
"Daher begründet Abs. 1 einen Rechtsanspruch auf Beratung. Dieser umfasst sowohl die präventive Beratung als auch die in einem Schwangerschaftskonflikt. ..."
Zwar ist das Schwangeren- und Familienhilfegesetz von 1992 auf Grund der Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 88, 203) erneut geändert worden. Durch das Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz (SFHÄndG) vom 21. August 1995 sind ausdrücklich neben den Beratungsstellen noch die Konfliktberatungsstellen eingeführt worden. Die Grundkonzeption, die in der o. a. Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommt, ist aber beibehalten worden.
Dafür, dass § 2 SchKG weiterhin die Funktion einer Rahmenregelung hat und daher keinen abgrenzbaren Bereich von der Schwangerschaftskonfliktberatung nach §§ 5 ff. SchKG darstellt, spricht, dass in § 2 Abs. 1 unter Hinweis auf § 1 ein Anspruch auf Beratung in "allen eine Schwangerschaft unmittelbar und mittelbar berührenden Fragen" eingeräumt wird. Auch die Konfliktsituation bei einer Schwangerschaft und der Umgang mit ihr ist aber eine die Schwangerschaft unmittelbar berührende Frage. § 2 Abs. 2 SchKG bestimmt zudem, dass der Anspruch auf Beratung Informationen über die Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs, die physischen und psychischen Folgen eines Abbruchs und die damit verbundenen Risiken (Nr. 6) sowie Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft (Nr. 7) beinhaltet. Die "psychischen Folgen eines Abbruchs" werden aber maßgeblich auch davon beeinflusst, wie dieser Abbruch strafrechtlich bewertet wird. Informationen über die Straffreiheit bestimmter Abbrüche gehören daher zu dieser Beratung. Ebenso erfordert eine Beratung über "Methoden zur Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs" bei entsprechender Nachfrage auch die Information darüber, in welcher Einrichtung/von welchem Arzt diese Methoden angewandt werden (a. A.: OVG Münster, Urt. v. 02.10.2003 - 21 A 1144/02 -, und Ellwanger, Schwangerschaftskonfliktgesetz, Erläuternde Textausgabe, § 5 Anm. 11). Beides wird aber in der Beratungsstelle des Klägers nicht mitgeteilt. Soweit schließlich "Lösungsmöglichkeiten für psychosoziale Konflikte in Zusammenhang mit einer Schwangerschaft" aufgezeigt werden sollen, treten derartige Problemfelder auch bei Schwangerschaftskonflikten auf.
Nach alledem war daher der Berufung der Beklagten zu entsprechen und die von dem Kläger eingelegte Berufung zurückzuweisen.
3)
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass es dem Kläger selbstverständlich frei steht, weiterhin allgemeine Beratungen nach § 2 SchKG anzubieten. Ebenso steht es im Ermessen der Beklagten, hierfür ggf. eine finanzielle Förderung (u. U. als allgemeine Lebens- und Familienberatungsstelle) zu gewähren. Lediglich eine Förderung nach dem SchKG kommt nicht in Betracht, weil die Leistung des Klägers hinter den staatlichen Vorgaben zurückbleibt und der Staat bei Förderung der Schwangerenberatungseinrichtung des Klägers letztlich seiner Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen Kind nicht in zureichendem Maße nachkommen und nicht umfassend im Sinne des SchKG beraten würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Revision war im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des OVG Münster (Urt. v. 02.10.2003 - 21 A 1144/02 -) wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)