Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.04.2001, Az.: 11 L 4042/00

Öffentliche Förderung einer anerkannten Einrichtung der Freien Wohlfahrtspflege in Ehekonflikten, Familienkonflikten und Schwangerschaftskonflikten; Vereinbarkeit eines Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales mit den Vorgaben des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG); Begriff "angemessene Förderung"; Pflicht zur Vorhaltung von ausreichenden Beratungsstellen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.04.2001
Aktenzeichen
11 L 4042/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 30600
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2001:0426.11L4042.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 22.03.2000 - AZ: 6 A 3174/98
VG Hannover - 22.03.2000 - AZ: 11 A 5251/00
nachfolgend
BVerwG - 03.07.2003 - AZ: BVerwG 3 C 26/02

Fundstellen

  • FStNds 2002, 372-375
  • NVwZ 2001, 944-947 (Volltext mit amtl. LS)
  • NdsVBl 2002, 18-22

Verfahrensgegenstand

Förderung von Schwangeren- und Konfliktberatungsstellen für 1997

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 11. Senat -
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2001
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heidelmann,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Schwermer,
die Richterin am Oberverwaltungsgericht Vogel sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen D und D
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer - vom 22. März 2000 geändert.

Die Beklagte wird unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 17. November 1997 und vom 15. April 1998 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Förderung für das Jahr 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger zu gewährenden öffentlichen Förderung für das Jahr 1997.

2

Die Beratungsstelle des Klägers in T. ist als Einrichtung der Freien Wohlfahrtspflege in Ehe-, Familien- und Schwangerschaftskonflikten behördlich anerkannt (vgl. z.B. RdErl. d. Nds. SozMin v. 22. 10. 1976 - Nds. MBl. 1976, 1940, u. Bekanntmachung d. MFAS v. 17.11.1999, Nds. MBl. 2000, 4). Sie ist in den vergangenen Jahren vom Land Niedersachsen über die Beklagte gefördert worden. Die Förderung erfolgte ab 1986 gemäß Runderlass des Nds. Soz.Min. - Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zum Betrieb von Beratungsstellen für Ehe-, Familien- und Schwangerschaftskonfliktberatung gem. § 218 b Abs. 2 Nr. 1 StGB - vom 19. Dezember 1985 (- im Folgenden Erlass 1986 - Nds. MBl. 1996, 72) als institutionelle Förderung zur Fehlbedarfsfinanzierung. So erhielt der Kläger 1996 und wohl auch 1994 und 1995 auf seinen entsprechenden Antrag zur Unterstützung der Beratungsstelle einen Betrag von rd. 5.480,-- DM (Ausgaben: rd. 37.900,-- DM, Einnahmen: rd. 32.400,-- DM, Fehlbetrag also rd. 5.000,-- DM, vgl. Beiakte H).

3

Unter dem 26. März 1997 beantragte der Kläger eine Förderung für das Haushaltsjahr 1997 (Beiakte A). Für dieses Haushaltsjahr gab er die Ausgaben für die Schwangerschaftskonfliktberatung mit insgesamt 65.195,14 DM an. Die eigenen Einnahmen bezifferte er mit 32.597,58 DM, so dass er den zu erwartenden Fehlbetrag von 32.597,56 DM als Förderungsbetrag begehrte.

4

Die Beklagte bat darum, die gegenüber den Vorjahren erhöhten Ansätze bei den Ausgaben zu erläutern, wies darauf hin, dass aufgrund der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel aller Voraussicht nach lediglich wie auch in den Vorjahren ein Betrag von etwa 5.480,-- DM zur Verfügung gestellt werden könnte und forderte die Vorlage eines ausgeglichenen Haushaltsplanes.

5

Der Kläger begründete die erhöhten Positionen mit der Einstellung einer (von der Beklagten - angeblich - anerkannten) weiteren Kraft, der Erhöhung des Mietzinses und der Steigerung der allgemeinen Betriebskosten.

6

Einen Vorschlag, wie die Deckungslücke von rd. 27.110,-- DM (beantragter Zuschuss des Klägers rd. 32.590,-- DM, in Aussicht gestellter Zuschuss rd. 5.480,-- DM) aufgefangen werden könnte, unterbreitete der Kläger nicht.

7

Mit Bescheid vom 17. November 1997 lehnte die Beklagte den Antrag ab, weil die Gesamtfinanzierung nicht gesichert sei, stellte jedoch bei Vorlage eines ausgeglichenen Haushaltsplanes Landeszuwendungen in Höhe bis zu 5.485,50 DM in Aussicht.

8

Gegen den ablehnenden Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Er verwies auf Nr. 4 des Erlasses 1986, wonach die gewährte Zuwendung 50% der zuwendungsfähigen Ausgaben zwar nicht übersteigen solle, andererseits durch die Erwähnung der Marke von 50% jedoch deutlich gemacht worden sei, dass sich der Zuschuss zumindest in der Höhe dieser 50% bewegen müsse. Das sei bei dem von der Beklagten in Aussicht gestellten Zuschuss nicht der Fall. Ein Anspruch auf eine höhere Förderung ergebe sich zudem aus § 4 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG), denn danach bestehe ein Anspruch auf eine "angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten". Eine "angemessene Förderung der Personal- und Sachkosten" beinhalte nach dem Urteil des Hess. VGH vom 18. November 1997 (11 UE 315/97 - Recht im Amt 1998, 198) aber eine Förderung in Höhe von mindestens 50% der notwendigen Personal- und Sachkosten. Die von der Beklagten angebotenen 5.485,50 DM entsprächen nur einem staatlichen Finanzierungsanteil von 8,4% der Gesamtkosten und damit nicht dem gesetzlich gebotenen Förderumfang.

9

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 1998 zurück. Zur Begründung führte sie neben dem Verweis auf die Haushaltslage aus, auch nach der Rechtsprechung des Hess. VGH, die im wesentlichen die Abrechnung nach Fallpauschalen betreffe und daher nicht ohne weiteres auf das niedersächsische Förderungsmodell zu übertragen sei, stünden dem Kläger allenfalls Fördermittel in Höhe von 5.840,-- DM zu. Im übrigen sei die vom Gesetz erwähnte öffentliche Förderung nicht nur durch das Land, sondern auch durch die Kommunen zu leisten. Bei der Förderungshöhe sei zudem zu berücksichtigen, dass es in Niedersachsen eine große Zahl von Beratungsstellen gebe, so dass der gesetzliche Auftrag zur Sicherstellung wohnortnaher und pluraler Versorgung mit Beratungsleistungen bereits erfüllt sei. Im übrigen habe der Kläger die höheren Ausgaben nicht nachgewiesen.

10

Daraufhin hat der Kläger Klage erhoben und sein bisheriges Vorbringen vertieft.

11

Der Kläger hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 17. November 1997 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 15. April 1998 die Beklagte zu verpflichten, die Personal- und Sachkosten für die Schwangerenkonfliktberatungsstelle des Klägers in Twistringen für das Jahr 1997 mit mindestens 32.597,56 DM zu fördern,

12

hilfsweise,

den Kläger unter Beachtung der gerichtlichen Rechtsauffassung zu bescheiden.

13

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Sie wiederholte und ergänzte ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren.

15

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. März 2000 die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Für die von dem Kläger geforderte Zahlung bestehe keine Rechtsgrundlage. § 4 Abs. 2 SchKG scheide als Rechtsgrundlage aus, da § 4 SchKG ausdrücklich auf die nähere Regelung durch das Landesrecht verweise. Schon die ausfüllungsbedürftige Offenheit des unbestimmten Rechtsbegriffes der angemessenen Förderung stehe im übrigen - entgegen der vom Hess. VGH (a.a.O.) vertretenen Auffassung - der Ableitung eines konkreten Anspruches aus dem Bundesrecht entgegen. Aber auch im niedersächsischen Landesrecht gebe es keine Grundlage für das Zahlungsbegehren des Klägers. Der für 1997 noch anzuwendende Erlass 1986 begründe den Anspruch nicht. Nach jenem Erlass sei die Zuwendung als institutionelle Förderung zur Fehlbedarfsfinanzierung ausgestaltet und eine Ermessensleistung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Diese Konstruktion bedinge, dass die Gesamtfinanzierung der zu fördernden Einrichtung gesichert sein müsse, bevor ein Zuschuss gezahlt werden könne. Da vorliegend ein Fehlbedarf von ca. 27.110,-- DM bestanden habe, sei die begehrte Förderdung zu Recht versagt worden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Neubescheidung. Der Erlass 1986 sei nicht zu beanstanden. Der Landesgesetzgeber habe einen weiten Spielraum bei der Förderung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Solange das Land die bundesgesetzlichen Vorgaben (Relation zwischen Einwohnerzahl/Beraterstellen und Ortsnähe der Einrichtungen) beachte, sei es in der Wahl seiner Instrumente frei. Dass die Vorgaben im Land Niedersachsen beachtet würden, sei von den Beteiligten nicht angezweifelt worden und die Aufstellung der anerkannten Beratungsstellen (vgl. z.B. Bekanntmachung des Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales (MFAS) vom 17. 11. 1999 - Nds. MBl. 2000, 4) lasse Zweifel an einer ausreichenden Versorgung auch nicht aufkommen. Die Auffassung des Hess. VGH, die staatlichen Fördermittel müssten rd. 50% der angemessenen Kosten decken, sei zwar vertretbar und vernünftig. Es sei jedoch nicht ersichtlich, warum allein eine Förderung in der vom Hess. VGH gefundenen Weise rechtens sein solle. Auch aus der hohen Bedeutung des Schutzgutes werdenden Lebens lasse sich eine Quantifizierung der geschuldeten Förderung nicht ableiten. Mangels konkreter Angaben, wonach die Förderung zu bemessen sei, sei der Erlass 1986 daher noch als sachgerechte Regelung hinzunehmen. Auf den ab

16

1.Januar 2000 geltenden Erlass (vgl. RdErl. d. Nds. Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales - MFAS -, v. 15. 12. 1999, Nds. MBl. 2000, 113 - im Folgenden Erlass 2000 -), der nunmehr eine Projektförderung in Form einer Festbetragsfinanzierung von 80,-- DM/Fall vorsehe (ausgehend von einem Kostenansatz pro Beratungsfall einschließlich einer 10%igen Vorhaltepauschale von 160,-- DM werden davon 50% übernommen), sei nicht abzustellen, weil die Klage sich auf das Haushaltsjahr 1997 beziehe.

17

Dagegen richtet sich die vom Senat gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassene Berufung.

18

Unter Vertiefung des bisherigen Vorbringens trägt der Kläger vor: § 4 Abs. 2 SchKG stelle eine zureichende Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren dar. Dieses ergebe sich zum einen aus dessen Wortlaut, darüber hinaus aber auch aus Art. 83 GG; denn danach führten die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus. § 4 Abs. 2 SchKG räume dem Kläger somit einen eigenen unmittelbar gegen das Land Niedersachsen gerichteten Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung der Personen- und Sachkosten ein. Den Ländern sei insoweit lediglich ergänzend ein eigenes rechtliches Ermessen bei der näheren Ausgestaltung dieser angemessenen öffentlichen Förderung eingeräumt. Bei der Förderung von Schwangerschaftsberatungsstellen handele es sich mithin um eine bundesgesetzlich festgelegte Pflichtaufgabe des Landes. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Begriff der "angemessenen" Förderung nicht konturenlos. Es handele sich vielmehr um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der nach ständiger Rechtsprechung einer uneingeschränkten Kontrolle durch die Gerichte unterliege. Unter Beachtung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Schutze des ungeborenen Lebens sei in entsprechender Anwendung der Ausführungen des Hess. VGH (a.a.O.) davon auszugehen, dass die in Niedersachsen mit dem Erlass 1986 gewählte Form der Zuwendung als institutionelle Förderung zur Fehlbedarfsfinanzierung in Verbindung mit einer Ermessensleistung nur im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel mit dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 SchKG nicht in Einklang stehe. Zwar führe die defizitäre Haushaltslage der Bewilligungsbehörden letztlich zu einer Kollision des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes des ungeborenen Lebens, der sich im Konzept der Schwangerenberatungsstellen manifestiere, mit dem grundrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsrecht der Gebietskörperschaften, das gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG auch die Gewährleistung der Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung umfasse. Die in einer solchen Situation gebotene Abwägung zwischen den verschiedenen Schutzgütern müsse jedoch gemessen am Sinn und Zweck des Schwangerschaftskonfliktgesetzes vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Bedeutung eben jenes Gesetzes beantwortet werden. Dies führe dazu, dass die Schwangerenberatung als Pflichtaufgabe uneingeschränkten Vorrang genießen müsse vor lediglich fiskalischen Interessen. Da die Förderung von Schwangerenberatungsstellen eine bundesgesetzlich festgelegte Pflichtaufgabe des Landes sei, müsse zunächst einmal das Land selbst vorrangig in tatsächlicher als auch finanzieller Hinsicht einen ausreichenden Beitrag an Beratung sicherstellen. Dieses ergebe sich auch aus der bestehenden, dem Verfassungsrecht zu entnehmenden Garantenpflicht des Staates gegenüber dem ungeborenen Leben. Eine vorrangige Pflicht der Träger der Beratungseinrichtungen zur Eigenfinanzierung bestehe daher nicht.

19

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichenKlagantrag zu erkennen.

20

Die Vertreterin des Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

21

Sie weist u.a. darauf hin, dass nach dem Urteil des Hess. VGH (a.a.O.) nicht mindestens 50% aller anfallenden Personal- und Sachkosten zu fördern seien, sondern lediglich 50% der notwendigen Kosten. Von einer Förderung nur der notwendigen Kosten bis max. 50% gehe aber auch der Erlass 1986 aus. Zudem habe das Land den aus § 4 Abs. 1 SchKG folgenden Sicherstellungsauftrag (pro 40.000 Einwohner eine Vollzeit-Kraft) erfüllt. 1997 habe es in Niedersachsen 274 staatlich anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen gegeben. Ausgehend von einer Einwohnerzahl in Niedersachsen von 7.832.000 wären nach dem Berechnungsschlüssel des § 4 Abs. 1 SchKG nur ca. 196 Beratungsstellen erforderlich. Niedersachsen liege somit mit 78 Beratungsstellen über dem gesetzlich vorgegebenen Schlüssel.

22

Die nicht im Streit befindliche Förderung für das Haushaltsjahr 1996 ergibt sich aus Beiakte H.

23

Für die Haushaltsjahre 1998 und 1999 hat die Beklagte ebenfalls nur rd. 5.500,-- DM bewilligt. Die jeweiligen Widerspruchsverfahren ruhen, da der Ausgang des vorliegenden Verfahrens abgewartet werden soll (vgl. Beiakten G und F).

24

Für das Haushaltsjahr 2000 hat die Beklagte ausgehend von der ab 2000 geltenden Fallpauschale von 80,-- DM (vgl. Erlass 2000) einen Betrag von 20.240,-- DM gewährt (253 Beratungsfälle (aus 1999) x 80,-- DM). Der Kläger hält auch diesen Betrag nicht für ausreichend, da er nicht 50% der Kosten entspreche und hat Widerspruch eingelegt. Eine Entscheidung darüber ist - ebenfalls im Hinblick auf das vorliegende Verfahren - ausgesetzt worden (vgl. Beiakte E).

25

Hinsichtlich der ab 2000 geltenden Erlasslage hat u.a. der Arbeitskreis Lebensberatung e. V., Lebensberatungsstelle für B., I. und W. zwischenzeitlich Klage vor dem Verwaltungsgericht H. erhoben (11 A 5251/00), über die noch nicht entschieden ist. Die entsprechenden Akten (Gerichtsakte und Verwaltungsvorgang) sind beigezogen worden (vgl. Beiakten B und C).

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

27

II.

Die Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Auf seinen Hilfsantrag hin war die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verpflichten, über das Förderungsbegehren für das Haushaltsjahr 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden (1). Dagegen war der auf einen konkreten Zahlungsbetrag gerichtete Hauptantrag mangels Spruchreife abzuweisen (2).

28

1)

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers in dem hier in Rede stehenden Jahr 1997 ist § 4 des Gesetzes zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG -, in der Fassung des Art. 1 des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes - SFHÄndG - vom 21. 8. 1995 - BGBl. I, 1050).

29

§ 4 bestimmt:

1.
Die Länder tragen dafür Sorge, dass den Beratungsstellen nach §§ 3 und 8 für je 40.000 Einwohner mindestens eine Beraterin oder ein Berater vollzeitbeschäftigt oder eine entsprechende Zahl von Teilzeitbeschäftigten zur Verfügung steht. Von diesem Schlüssel soll dann abgewichen werden, wenn die Tätigkeit der Beratungsstellen mit dem vorgesehenen Personal auf Dauer nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Schwangere in angemessener Entfernung von ihrem Wohnort eine Beratungsstelle aufsuchen können.

2.
Die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebotes nach den §§ 3 und 8 erforderlichen Beratungsstellen haben Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderdung der Personal- und Sachkosten.

3.
Näheres regelt das Landesrecht.

30

§ 4 Abs. 2 SchKG nennt keinen bestimmten Anspruchsverpflichteten, sondern spricht von einer "öffentlichen" Förderung. Zur Gewährung einer solchen sind hiernach nicht nur die Länder, sondern auch andere öffentlich-rechtliche Körperschaften verpflichtet. Der Bund ist - wie sich aus dem Landesrechtsvorbehalt in Abs. 3 i.V.m. Art. 83, 84 GG ergibt - nicht Anspruchsgegner (vgl. hierzu Ellwanger, SchKG, Erläuternde Textausgabe 1997, § 4 Rdnr. 7).

31

Art und Umfang der Förderung sind in Niedersachsen durch Erlasse geregelt. Dieses ist nicht zu beanstanden. Der in § 4 Abs. 3 SchKG enthaltene Landesrechtsvorbehalt erfordert nicht zwingend eine Regelung durch Landesgesetz (vgl. ebenso Hess. VGH, Urt. v. 18. 11. 1997 - 11 UE 315/97 -, Recht im Amt 1998, 198; a. A.: Ellwanger, SchKG, Erläuternde Textausgabe 1997, § 4 Anm. 10).

32

Der bis einschließlich 1999 geltende Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 12. Dezember 1985 (Nds. MBl. 1986, 72) führt im wesentlichen folgendes aus:

"Das Land Niedersachsen gewährt nach Maßgabe dieser Richtlinien und der Vorl. VV zu § 44 LHO Zuwendungen für den Betrieb von Beratungsstellen für Ehe-, Familien- und Schwangerschaftskonfliktberatung gem. § 218 b Abs. 2 Nr. 1 StGB.

Ein Rechtsanspruch des Antragstellers auf die Gewährung der Zuwendung besteht nicht, vielmehr entscheidet die Bewilligungsbehörde aufgrund ihres pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel. Das Land geht davon aus, dass sich die Landkreise/kreisfreien Städte finanziell angemessen an der Förderung der genannten Beratungsstellen beteiligen. ...

Gefördert werden die mit dem Betrieb der Beratungsstellen verbundenen notwendigen persönlichen und sächlichen Verwaltungsaufgaben und die investiven Ausgaben. ...

Die Zuwendung wird als institutionelle Förderung zur Fehlbedarfsfinanzierung gewährt. ...

Die Höhe der Förderung soll 50% der ... zuwendungsfähigen Ausgaben nicht übersteigen. Über Ausnahmen entscheidet der MS...."

33

a)

Dieser Erlass enthält - mit der nachfolgend dargelegten Einschränkungen - eine im Hinblick auf die Förderungshöhe (aa) und den Förderungsgegenstand (bb) noch zureichende Konkretisierung der in § 4 Abs. 2 SchKG festgeschriebenen "angemessenen öffentlichen Förderung".

34

Bei der Prüfung, ob der Erlass mit den im Schwangerschaftskonfliktgesetz enthaltenen Vorgaben übereinstimmt, ist von folgenden Überlegungen auszugehen:

35

Im Gegensatz zu der Gewährung allgemeiner Subventionen, z.B. im wirtschaftsfördernden Bereich, für die es keine gesetzliche Verpflichtung gibt und die daher im freien, nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür begrenzten politischen Ermessen steht, handelt es sich bei der Förderung von Schwangerenberatungsstellen um eine bundesgesetzlich festgelegte Pflichtaufgabe des Landes. Die Förderung der notwendigen Personal- und Sachkosten derartiger Einrichtungen steht somit nicht im weiten politischen Ermessen des Zuwendungsgebers. Es besteht lediglich ein rechtliches Ermessen im Sinne des § 114 VwGO (vgl. ebenso Hess. VGH, Urt. v. 18. 11. 1997 - 11 UE 315/97 -, Recht im Amt 1998, 198).

36

Bei der Ausgestaltung dieses Ermessens, also bei der Ausfüllung des Begriffs "angemessene Förderung", sind die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung vom 28. Mai 1993 (NJW 1993, 1751 - zu §§ 218 ff. StGB) mit zu berücksichtigen; denn aufgrund dieser Entscheidung wurde die zuvor geltende Regelung über die Schwangerenkonfliktberatung (vgl. Art. 1 des Gesetzes zum Schutze des vorgeburtlichen/werdenden Lebens, zur Förderung einer kinderfreundlicheren Gesellschaft, für Hilfen im Schwangerschaftskonflikt und zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs - Schwangeren- und Familienhilfegesetz - SFHG - vom 27. 7. 1992, BGBl. I S. 1398) zum Teil neu gefasst. § 4 SchKG (früher § 4 des Gesetzes über Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung - vgl. Art. 1 des o. a. SFHG) ist zwar unverändert geblieben, gleichwohl ist er nunmehr unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung auszulegen.

37

Der Bundesgesetzgeber wurde durch das Bundesverfassungsgericht verpflichtet, ein Schutzkonzept für das ungeborene Leben zu entwickeln, wenn er im Rahmen einer Beratungsregelung in bestimmten Ausnahmefällen auf die Strafandrohung (wegen Abtreibung) verzichten wolle. Werde nach einem solchen Konzept in der Frühphase der Schwangerschaft der Schwerpunkt auf die Beratung der schwangeren Frau gelegt, so seien Rahmenbedingungen erforderlich, die positive Voraussetzungen für ein Handeln der Frau zugunsten des ungeborenen Lebens schaffen. Der Staat trage für die Durchführung des Beratungsverfahrens die volle Verantwortung. Die Länder hätten ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicherzustellen. Die Beratung dürfe nur anerkannten Beratungsstellen und nur denjenigen Organisationen anvertraut werden, die nach ihrer Grundeinstellung sowie durch das bei ihnen tätige Personal die Gewähr böten, dass die Beratung zielorientiert auf den Schutz des ungeborenen Lebens geführt werde.

38

Außerdem seien der Frau soziale und sonstige Förderungsmaßnahmen des Staates zum Schutze des Lebens vorzustellen und sie bei der Inanspruchnahme der Leistungen so effektiv wie möglich zu unterstützen.

39

aa)

Aus der zentralen Bedeutung der Beratung für einen wirksamen Schutz des ungeborenen Lebens als Gemeinwohlaufgabe bzw. aus der verfassungsrechtlich festgelegten "Garantenstellung" des Staates folgt hinsichtlich der Förderungshöhe, dass sich diese nicht im unteren Bereich der Kosten bewegen darf (vgl. Ellwanger, a.a.O., § 4 Anm. 11; Hess. VGH, a.a.O.). Vielmehr müssen die öffentlichen Zuschüsse in einem ausgewogenen Verhältnis zu den Finanzierungsbeiträgen der Träger stehen. In Anlehnung an die Ausführungen des Hess. VGH hält der Senat insoweit neben etwaigen Förderungen durch Landkreise/kreisfreie Städte eine Förderung durch die Beklagte in Höhe von 50% der (notwendigen) Kosten - vorbehaltlich eingesetzter Eigenmittel - für angemessen.

40

Nach dem Erlass 1986 soll die Höhe der Förderung 50% der zuwendungsfähigen Ausgaben nicht übersteigen. Somit ist eine Förderung von 50% der zuwendungsfähigen (notwendigen) Ausgaben dem Grunde nach möglich. Damit steht der Erlass insoweit in Übereinstimmung mit der aus § 4 SchKG in Verbindung mit der Garantenstellung des Staates folgenden Verpflichtung, Schwangerenberatungsstellen angemessen zu fördern.

41

Dass nicht alle Einrichtungen und insbesondere auch nicht der Kläger nach dem Erlass 1986 in der Vergangenheit tatsächlich einen Zuschuss in Höhe von 50% der (notwendigen) Kosten erhalten haben, liegt daran, dass die Förderung bislang als Fehlbedarfsfinanzierung ausgestaltet war. Soweit die entsprechenden Beratungsstellen mithin eigene Einnahmen hatten und der Fehlbedarf entsprechend geringer ausfiel, wurde nur ein entsprechend geringerer (also unter 50% der Kosten liegender) Zuschuss gewährt. Dies ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, da bei unzureichenden eigenen Einnahmen nach dem Erlass 1986 eine Förderungsmöglichkeit bis zu 50% der (notwendigen) Ausgaben bestand.

42

Die in dem Erlass vorgesehene Förderungsmöglichkeit verdichtet sich aufgrund der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Überlegungen bei fehlenden Eigenmitteln auch zu einem entsprechenden Förderungsanspruch in Höhe von 50% der notwendigen Kosten. Soweit in dem Erlass 1986 daher ein Rechtsanspruch auf die Gewährung der Zuwendung ausgeschlossen wird, steht dieser Teil des Erlasses mit höherrangigem Recht nicht in Übereinstimmung.

43

Gleiches gilt, soweit in dem Erlass die Zuwendungsgewährung unter dem Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel gestellt wird. Aufgrund der oben dargestellten verfassungsrechtlichen Bedeutung der als Pflichtaufgabe des Landes ausgestalteten Schwangerenberatung hat diese Vorrang vor lediglich fiskalischen Interessen des Haushaltsgesetzgebers. Dem im Erlass 1986 enthaltenen Haushaltsvorbehalt kommt daher keine eigenständige Bedeutung zu. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der verfassungsrechtlich gebotene und dem Konzept der Schwangerenberatungsstellen zugrunde liegende Schutz des ungeborenen Lebens die finanzielle Leistungskraft des Landes in Frage stellen würde. Dafür liegen jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte vor.

44

bb)

Auch soweit der Erlass 1986 als Förderungsgegenstand auf die "notwendigen" Kosten verweist, ist dieses nicht zu beanstanden.

45

Die Frage, welche Kosten notwendig sind, ist unter mehreren Gesichtspunkten zu betrachten.

46

(1)

Zunächst einmal ist zu prüfen, ob das Land seinem aus §§ 3, 8 SchKG folgenden Sicherstellungsauftrag, also seiner Pflicht zur Vorhaltung ausreichender Beratungsstellen, nachgekommen ist. Diese Planungs- und Vorhaltepflicht wird durch den in § 4 Abs. 1 SchKG enthaltenen Versorgungsschlüssel konkretisiert (Ellwanger, a.a.O., § 4 Anm. 1 f.). Ein ausreichendes Angebot im Sinne von §§ 3, 8 SchKG ist dann erreicht, wenn die in § 4 Abs. 1 SchKG für den Versorgungsgrad genannten Anforderungen erfüllt sind, d.h. wenn pro 40.000 Einwohner eine Vollzeitberatungskraft oder eine entsprechende Zahl von Teilzeitkräften zur Verfügung steht. Der u.a. aus dem beigezogenen Klageverfahren des Verwaltungsgerichts Hannover 11 A 5251/00 deutlich werdenden Auffassung der Beklagten, wonach der soeben aufgezeigte Zusammenhang zwischen dem in § 4 Abs. 1 SchKG genannten Versorgungsschlüssel und der in § 4 Abs. 2 SchKG geregelten öffentlichen Förderung nicht bestehe, vermag der Senat nicht zu folgen. § 4 SchKG kann nach seinem Sinn und Zweck nur als eine einheitliche Regelung angesehen werden. Angemessen zu fördern sind danach gemäß § 4 Abs. 2 SchKG die notwendigen (erforderlichen) Kosten. Welche Kosten notwendig sind, ergibt sich aus dem in § 4 Abs. 1 SchKG niedergelegten Schlüssel, der wiederum die in §§ 3, 8 SchKG enthaltenen Verpflichtung, Beratungsstellen vorzuhalten, präzisiert.

47

Dahin stehen kann im vorliegenden Verfahren, ob § 4 Abs. 1 Satz 2 SchKG unter den dort genannten Voraussetzungen ein Abweichen von dem Schlüssel nur nach oben, also nur zum Aufbau eines dichteren Beratungsstellennetzes ermöglicht (so Ellwanger, a.a.O., § 4 Anm. 5), oder ob z.B. bei längerer tatsächlicher Nichtinanspruchnahme des Beratungsangebotes auch eine Abweichung nach unten (also Vergrößerung des Einzugsgebietes pro Vollzeitkraft) zulässig ist.

48

Ergibt die Prüfung, dass der Versorgungsschlüssel noch nicht erfüllt ist, mithin Bedarf an weiteren Beratungsstellen besteht, haben die Träger zusätzlicher Beratungsstellen dem Grunde nach einen Förderungsanspruch.

49

Ergibt die Prüfung, dass das Land bereits entsprechend dem Versorgungsschlüssel ein ausreichendes Angebot an Beratungsstellen vorhält/fördert, haben Träger zusätzlicher Beratungsstellen schon dem Grunde nach keinen Anspruch auf eine Förderung (Ellwanger, a.a.O.,§ 4 Rdnr. 3).

50

Denkbar ist auch, dass das Land über den Berechnungsschlüssel des § 4 Abs. 1 Satz 1 SchKG hinaus weitere Beratungsstellen vorhält, ohne dass dieses jedoch zur ordnungsgemäßen Schwangerenberatung im Sinne § 4 Abs. 1 Satz 2 SchKG notwendig wäre. Bei einer derartigen Konstellation kann nicht jedem Träger dieser Beratungsstellen ein Rechtsanspruch auf eine Förderung von maximal 50% seiner Kosten zugestanden werden, da ansonsten das Land über die in § 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SchKG vorausgesetzte Angemessenheit hinaus eine Förderung gewähren würde. Bei dieser Variante steht es vielmehr im Ermessen des Landes, ob es z.B. auf eine Reduzierung der Zahl der Beratungsstellen hinwirkt (und die verbleibenden, dem Berechnungsschlüssel des § 4 Abs. 1 SchKG entsprechenden Beratungsstellen je nach eingesetzten Eigenleistungen mit maximal 50% fördert) oder ob es z.B. den durch § 4 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SchKG vorgegebenen Gesamtförderungshöchstbetrag (dessen Ermittlung allerdings nachvollziehbar darzulegen wäre) anteilig auf die vorhandenen Beratungsstellen verteilt (mit dem Ergebnis, dass diese nur einen eingeschränkten, unter der maximalen 50%igen Förderung liegenden Förderungsanspruch hätten).

51

(2)

Auf einer zweiten Stufe bleibt dann zu prüfen, ob die im Einzelfall für die konkrete Beratungsstelle geltend gemachten Kosten (Personalkosten, Miete, Mietnebenkosten, sonstige Kosten etc.) sich als notwendig erweisen.

52

b)

Wenn der Erlass 1986 somit auch - mit den oben dargelegten Einschränkungen - als noch mit der Rechtslage im Einklang stehend anzusehen ist, waren die angefochtenen Bescheide gleichwohl aufzuheben, weil die bisherige Begründung der Beklagten die Ablehnung der beantragten Förderung nicht trägt. Da die Entscheidung über den Antrag aber noch zahlreiche umfangreiche Ermittlungen erfordert, war die Beklagte lediglich zu einer Neubescheidung zu verurteilen (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 113 Rdnr. 197). Hierzu im einzelnen:

53

aa)

Die Beklagte hat als Begründung angeführt, aufgrund der ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel könne sie nur einen Betrag etwa in Höhe der im Jahre 1996 bewilligten Förderung gewähren: Sie hat die Förderung schließlich insgesamt abgelehnt, da der Kläger keinen ausgeglichenen Haushaltsplan vorgelegt habe. Ein Verweis auf fehlende Haushaltsmittel ist aber - wie oben dargelegt - wegen der besonderen Verpflichtung des Staates zur Förderung von Schwangerenberatungsstellen nicht möglich.

54

bb)

Die Beklagte hat die Ablehnung der beantragten Förderung weiter damit begründet, tatsächlich seien 1997 in Niedersachsen bereits 274 Beratungsstellen staatlich anerkannt worden; der Sicherstellungsauftrag sei damit erfüllt; denn bei einer Einwohnerzahl in Niedersachsen von 7.832.000 müssten nach dem Versorgungsschlüssel des § 4 Abs. 1 Satz 1 SchKG lediglich rd. 196 Stellen vorgehalten werden.

55

Sinngemäß macht die Beklagte damit geltend, die Kosten des Klägers seien schon dem Grunde nach gar nicht notwendig, da in Niedersachsen bereits mehr Beratungsstellen als nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz geboten vorhanden seien. Diese Argumentation ist zwar - wie oben dargelegt - dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Allein der Verweis auf die bereits vorhandenen 274 Beratungsstellen reicht jedoch zum Nachweis, dass das Land seiner Versorgungs- und Förderungspflicht nachgekommen ist, nicht aus. Erforderlich und notwendig wäre in diesem Zusammenhang die weitere Angabe, wie vielen Vollzeitberatungsstellen die von der Beklagten angegebenen 274 Beratungsstellen entsprechen und in welchem finanziellen Umfang diese Beratungsstellen gefördert worden sind. Erst wenn durch entsprechende Nachweise ersichtlich wird, dass die Beklagte bzw. das Land Niedersachsen seiner Garantenstellung bereits gerecht geworden ist, könnte eine weitere Förderung abgelehnt werden. Konkrete Nachweise und Unterlagen hat die Beklagte in diesem Zusammenhang jedoch bislang nicht vorgelegt.

56

Die wenigen Eckdaten, die bislang den Unterlagen zu entnehmen sind, lassen es zudem als fraglich erscheinen, dass das Land seinem Versorgungsauftrag gerecht geworden ist.

57

Wie oben erwähnt müssten in Niedersachsen rd. 196 Vollzeitberatungsstellen vorgehalten werden, um dem Versorgungsschlüssel des § 4 Abs. 1 SchKG zu entsprechen. Für eine Vollzeitkraft entstehen im Jahr nach den von den Beteiligten nicht weiter in Frage gestellten Berechnungen des Nds. Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 17. April 2001 (dort Anlage 5, vgl. GA 140, 153) Kosten in Höhe von rd. 126.470,-- DM.

58

Rechnet man noch die Sachkosten hinzu (nach dem Ansatz des Ministeriums 8,-- DM pro Arbeitsstunde, mithin also 8,-- DM x 1.417 Arbeitsstunden), so errechnet sich ein zusätzlicher Betrag von 11.336,-- DM.

59

Insgesamt ergibt sich daher ein Gesamtbetrag von 140.180,-- DM.

60

Für 196 Vollzeitkräfte entstünden mithin Kosten in Höhe von rd. 27.300.000,-- DM, von denen das Land bei einer Förderungsquote von 50% (vorbehaltlich etwaiger eigener Beiträge der jeweiligen Träger) ca. 13.650.000,-- DM übernehmen müsste. Der Haushaltsplan für das Jahr 2000 weist allerdings, was auch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Abrede gestellt hat, nur einen Betrag von 4.700.000,-- DM aus.

61

Diese zahlenmäßige Diskrepanz, die bislang von der Beklagten bzw. dem Land Niedersachsen nicht überzeugend aufgelöst worden ist, weist darauf hin, dass das Land seiner in § 4 SchKG vorgegebenen Förderungspflicht nicht in ausreichender Höhe nachgekommen ist.

62

Allerdings mag es sein, dass der soeben errechnete 50%ige Förderungsbetrag von rd. 13.650.000,-- DM noch zu reduzieren ist. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, durch die Einbeziehung von Ärzten und Kommunen in die Schwangerenberatung würden sich die anfallenden Kosten verringern, so dass auch der vom Land zu tragende finanzielle Beitrag entsprechend geringer ausfalle. Unterlagen sind aber auch hierzu nicht vorgelegt worden, so dass dieser Vortrag einer Überprüfung bislang nicht zugänglich ist. Ebensowenig hat die Beklagte ihre Darlegung in der mündlichen Verhandlung, zum Teil würden Beratungsstellen gar keinen Antrag auf Förderung stellen, so dass sich auch unter diesem Aspekt die öffentliche Förderung vermindere, nicht durch eine entsprechende auch den finanziellen Aspekt darstellende Auflistung dieser Einrichtungen belegt. Es bleibt der Beklagten überlassen, im Wege der nunmehr erneut zu treffenden Entscheidung über das Förderungsbegehren hierzu aussagekräftige Unterlagen vorzulegen.

63

cc)

Als Ablehnungsgrund wird im Widerspruchsbescheid weiter genannt, von 1994 bis 1996 sei der Fehlbedarf jeweils nur mit rd. 5.500,-- DM angegeben worden. Der Kläger habe nicht dargelegt, wieso sich der Fehlbedarf nunmehr im Jahre 1997 mehr als versechsfacht habe. Auch diese Begründung ist so nicht zutreffend. Der Kläger hatte die gegenüber 1996 höheren Ausgaben mit der Einstellung einer neuen Kraft (Frau W.), mit einer höheren Stundenzahl (20 Stunden gegenüber bislang 10 Wochenstunden), der Erhöhung der Miete und der Steigerung der allgemeinen Betriebsausgaben begründet (vgl. Beiakte A, Schreiben vom 2. 7. 1997). Die Beklagte ist auf diese Begründung nicht eingegangen. Sie hat insbesondere keine weiteren Nachweise zu der geltend gemachten Mieterhöhung/Steigerung der allgemeinen Betriebsausgaben verlangt. Auch ist die Beklagte nicht der - aufgrund der für 1996 nur angefallenen 73 Beratungsfälle naheliegenden - Frage nachgegangen, ob die Einstellung einer weiteren Kraft/Aufstockung der Stunden auf 20 Wochenstunden gerechtfertigt war. Da die Beklagte die vom Kläger für die Kostensteigerung angegebene Begründung nicht weiter hinterfragt hat, kann sie dem Kläger im Widerspruchsbescheid nunmehr nicht eine unzureichende Begründung seiner höheren Ausgaben vorhalten. Es obliegt der Beklagten, auch diesem Gesichtspunkten im Rahmen einer erneuten Entscheidung über den Förderungsantrag des Klägers für das Jahr 1997 nachzugehen.

64

dd)

Die Ausführungen der Beklagten, selbst nach der ab dem Jahre 2000 geltenden Erlasslage ergebe sich für den Kläger keine über den in Aussicht gestellten Betrag von 5.840,-- DM hinausgehende Förderungsmöglichkeit, vermögen die Bescheide ebenfalls nicht zu tragen.

65

(1)

Zum einen ist schon formal darauf hinzuweisen, dass der ab 1. Januar 2000 geltende Erlass (RdErl. d. MFAS v. 15. 12. 1999, Nds. MBl. 2000, 113) für das Jahr 1997 keine Geltung beanspruchen kann.

66

(2)

Darüber hinaus bestehen aus materiellrechtlicher Sicht zumindest nach den bisher vorliegenden Unterlagen Zweifel, ob die nunmehr geltende Förderungsrichtlinie den oben dargestellten Förderungsgrundsätzen im Bereich der Schwangerenberatung in vollem Umfang entspricht.

67

Dem Erlass 2000 liegt eine Festbetragsfinanzierung zugrunde. Es wird davon ausgegangen, dass pro Beratung Kosten von 160,-- DM (inkl. einer 10%-igen Vorhaltepauschale) entstehen und davon werden nach dem Erlass 50% (also 80,-- DM pro Beratungsfall) als Förderung übernommen. Für 1997 errechnet sich daraus - ausgehend von den Beratungszahlen des Vorjahres (1996: 73 Beratungsfälle) - ein Betrag von (80,-- DM x 73 =) 5.840,-- DM.

68

Der Pauschale von 160,-- DM liegt folgende Berechnung zugrunde: Ausgehend von einer Eingruppierung der Beratungskräfte in die Vergütungsgruppe IV a BAT hat das Ministerium unter Berücksichtigung eines Sachkostenanteils und eines Verwaltungskostenanteils für einen Beratungsaufwand von 1,5 Stunden pro Beratungsfall einen Pauschalansatz des dafür erforderlichen Aufwandes von 145,50 DM ermittelt. Davon werden nach dem neuen Erlass ab 2000 50%, d.h. 72,75 DM zuzüglich 10% Vorhaltepauschale (7,28 DM), also insgesamt 80,-- DM pro Beratungsfall übernommen (zur näheren Berechnung vgl. Stellungnahme des Nds. Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales v. 17. 4. 2001, Anl. 5, GA Bl. 140, 153). Eine in etwa vergleichbare Berechnung liegt auch der Stellungnahme der Lebensberatungsstelle für B., I. und W. vom 8. Februar 2000 (GA Bl. 55, 58) zugrunde.

69

Bedenken gegen die Ermittlung des Personalaufwandes und gegen den Ansatz von 1,5 Stunden pro Beratungsfall sind weder von dem Kläger vorgetragen noch aus den Unterlagen ersichtlich.

70

Die dem Erlass 2000 zugrunde liegende Fallpauschale, die zwischenzeitlich für das Jahr 2001 anteilig erhöht worden ist, orientiert sich somit an den in Niedersachsen typischerweise pro Beratungsfall entstehenden Kosten. Die Fallpauschale wird zudem für sämtliche, nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz förderungsfähigen Beratungen bewilligt.

71

Den Unterlagen bislang nicht zu entnehmen ist allerdings, ob und in welchem Umfang die Beklagte bzw. das Land Niedersachsen durch die nunmehr vorgegebene Finanzierungsart ihren in § 4 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 SchKG niedergelegten Versorgungs- und Finanzierungsauftrag tatsächlich genügen. Insbesondere fehlt eine nachvollziehbare "Kontrollberechnung", um feststellen zu können, ob mit der Gewährung von Fallpauschalen tatsächlich 50% der notwendigen Kosten (vgl. hierzu oben unter 1 a bb) übernommen werden.

72

Die Notwendigkeit einer derartigen "Kontrollberechnung" kann anhand folgenden hypothetischen Beispielfalles verdeutlicht werden:

73

Unterstellt, der Kläger deckt mit seiner Beratungsstelle einen Einzugsbereich von 40.000 Einwohnern ab, ohne dass es in diesem Bereich noch andere Beratungsstellen gibt, so wäre für die Beratungen eine Vollzeitkraft vorzuhalten. Es entstünden mithin Kosten in Höhe von rd. (vgl. oben) 140.180,-- DM. Unterstellt man weiter, dass von diesen 40.000 Einwohnern z.B. 100 Personen eine Beratung in Anspruch nehmen, so hätte der Kläger Anspruch auf Förderung nach Fallpauschalen in Höhe von (100 x 80,-- DM =) 8.000,-- DM, obgleich nach den in § 4 Abs. 1 und 2 SchKG enthaltenen Vorgaben 50% der Kosten für eine Vollzeitkraft - mithin rd. 70.300,-- DM (ggf. noch abzüglich eingesetzter Eigenmittel) im Wege der Förderung zu übernehmen wären.

74

Ob die ab 2000 geltende Fallpauschale eine zureichende angemessene öffentliche Förderung im Sinne des § 4 Abs. 2 SchKG darstellt, kann daher nur dann abschließend beantwortet werden, wenn die Beklagte auch insoweit zusätzliche Unterlagen darüber vorlegt, welcher Einzugsbereich auf die jeweiligen Schwangerenberatungsstellen entfällt, wie die Beratungsstellen mit Vollzeit- oder Teilzeitkräften besetzt sind und inwieweit diese Schwangerenberatungsstellen bereits gefördert werden oder ob sie sich selbst ganz oder anteilig tragen. Nur bei Vorliegen einer derartigen "Gesamtübersicht" können Rückschlüsse auf die Angemessenheit der festgesetzten Fallpauschale gezogen werden.

75

Da mithin die bisherige Begründung die Ablehnung der beantragten Bewilligung nicht trägt, andererseits zur Entscheidung über den Antrag wie dargestellt weitere ins Einzelne gehende Ermittlungen notwendig sind, sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben mit der Folge, dass die Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu einer erneuten Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu verpflichten ist.

76

2)

Dem Hauptantrag war dagegen nicht zu entsprechen. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger nur in der von ihm begehrten Höhe ein Förderungsanspruch zusteht, sind nicht gegeben. Insbesondere hat auch der Kläger hierzu keine aussagekräftigen Belege vorgelegt.

77

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 VwGO. Da der Kläger mit seinem Hauptantrag unterlegen ist und lediglich mit dem Hilfsantrag Erfolg hat, erscheint es angemessen, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

78

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

79

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

80

Beschluss

81

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 32.597,56 DM festgesetzt (§§ 14, 13 Abs. 2 GKG).

82

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Heidelmann
Schwermer
Vogel