Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.04.2001, Az.: 17 L 4895/98
Beachtlichkeit; Begründung; Bewertung; Dienststellenleiter; Eingruppierung; Eingruppierungsmerkmal; Herabgruppierung; Mitbestimmung; Personalrat; Personalvertretung; Tätigkeitsdarstellung; Zustimmungsverweigerung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.04.2001
- Aktenzeichen
- 17 L 4895/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 40433
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 18.09.1998 - AZ: 11 A 26/97
Rechtsgrundlagen
- § 77 Abs 2 Nr 1 BPersVG
- § 75 Abs 1 Nr 2 BPersVG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Begründung der Zustimmungsverweigerung bei Herabgruppierungen ist unbeachtlich, wenn die Personalvertretung persönliche und wirtschaftliche Gründe des Beschäftigen geltend macht, indes keine substantiierte Beanstandung der Eingruppierung vornimmt.
2. Bei der Prüfung der Eingruppierung ist der Personalrat an die Tätigkeitsdarstellung des Dienststellenleiters gebunden. Er darf die Tätigkeits- und sonstigen Eingruppierungsmerkmale nicht in Frage stellen oder durch eine eigene Bewertung ersetzen.
Gründe
Der Antragsteller erstrebt die Feststellung der Beachtlichkeit einer Zustimmungsverweigerung.
In der PTB hatte der BRH geprüft und in 35 Einzelfällen tarifwidrige zu hohe Eingruppierungen der Beschäftigten beanstandet. Dies betraf u.a. den seit 16 Jahren in der Dienststelle beschäftigten Gas- und Wasserinstallateur M., der seit 1991 in die Lohngruppe 8 Fallgruppe 1 c MTB eingruppiert war. Unter dem 21. November 1996 bat der Beteiligte den Antragsteller um Zustimmung zur korrigierenden Einreihung des Beschäftigten M. in die Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 MTArb mit Bewährungsaufstieg nach Lohngruppe 5 a. Es war vorgesehen, dem Beschäftigten eine auf drei Jahre befristete teilweise besitzstandswahrende Zulage zu gewähren.
Der Antragsteller versagte seine Zustimmung am 4. Dezember 1996, indem er sich auf § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG berief. Hierzu verwies er auf die lange Dauer der Dienststellenzugehörigkeit des Beschäftigten, dessen gute Fachkenntnisse sowie darauf, dass dieser durch Wartung der Wasserdestillationsanlage Aufgaben erfülle, die über diejenigen eines herkömmlichen Gas- und Wasserinstallateurs hinausgingen. Schließlich ließen auch die finanziellen Verhältnisse des Bediensteten, da er gerade ein Haus gebaut habe, einen geringeren Verdienst nicht zu. Ende Februar 1997 teilte der Beteiligte nach Vorlage des Vorgangs an das BMW dem Antragsteller mit, dass er die Zustimmungsverweigerung für unbeachtlich halte. Denn sie sei auf keinen der Versagungsgründe gestützt und beruhe auf offensichtlich fehlerhafter Rechtsauffassung.
Der Antragsteller hat daraufhin am 15. Juli 1997 das Verwaltungsgericht angerufen und beantragt
festzustellen, dass die Zustimmungsverweigerung des Antragstellers vom 4. Dezember 1996 beachtlich ist.
Der Beteiligte hat beantragtden Antrag abzulehnen, und ist ihm entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 1. September 1998 hat das Verwaltungsgericht dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
Die Zustimmungsverweigerung sei beachtlich gewesen, so dass die Umsetzung der Maßnahme ohne Durchführung eines Nichteinigungsverfahrens das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers verletzt habe. Gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG könne der Personalrat seine Zustimmung nur mit der Begründung verweigern, dass die Maßnahme gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, eine gerichtliche Entscheidung, den Frauenförderplan, eine Verwaltungsanordnung oder gegen eine Richtlinie i.S. von § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG verstoße. In den Gründen der Verweigerung des Antragstellers komme zum Ausdruck, dass er die vorgesehene Eingruppierung des Herrn M. nicht für tarifgerecht halte. So werde auf besondere Anforderungen des Arbeitsplatzes und langjährige Bewährung Herrn M. verwiesen. Hierüber habe sich der Beteiligte nicht einseitig hinwegsetzen dürfen. Da der Dienststellenleiter regelmäßig nicht „Richter in eigener Sache“ sein dürfe, sei es ihm nur ausnahmsweise gestattet, über eine Zustimmungsverweigerung seines Personalrates zur Tagesordnung überzugehen; dann nämlich, wenn die Begründung ganz offensichtlich keinen der Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG ergebe oder wenn sie gar rechtsmissbräuchlich sei. Das lasse sich hier nicht sagen, zumal an die Begründung der Zustimmungsverweigerung nur geringe Anforderungen zu stellen seien. Hier lasse sich der unjuristisch formulierten Ablehnungsbegründung entnehmen, dass der Antragsteller die für den Bediensteten M. vorgesehene Eingruppierung für unangemessen und damit für tarifwidrig halte. Zwar möge es sein, dass der Beteiligte diese Argumentation für unschlüssig halte und dass sie auch, da der Beteiligte über besseres Detailwissen verfügen dürfte, im Ergebnis nicht aufrechterhalten werden könne. Dennoch sei darüber im Nichteinigungsverfahren zwischen Antragsteller und Beteiligten zu verhandeln.
Gegen den ihm am 30. September 1998 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29. Oktober eingelegte und am 25. November 1998 begründete Beschwerde des Beteiligten, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht: Das Verwaltungsgericht habe die Zustimmungsverweigerung zu Unrecht für beachtlich gehalten. Denn aus ihr ergebe sich keiner der Verweigerungsgründe des § 77 Abs. 2 BPersVG. Aufgabe des Personalrats sei es, bei der Eingruppierung auf die Wahrung des Tarifgefüges auf der Grundlage der von der Dienststelle ermittelten Tätigkeitsmerkmale zu achten; eine Überprüfung dieser Tätigkeitsmerkmale selbst stehe ihm in keinem Fall zu. Einen Verstoß gegen den Tarifvertrag habe der Antragsteller nicht einmal behauptet.
Der Beteiligte beantragt,
den angefochtenen Beschluss zu ändern und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die Gegenstand der mündlichen Anhörung waren, Bezug genommen.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag des Antragstellers zu Unrecht stattgegeben. Dieser Antrag ist abzulehnen, weil die vom Antragsteller ausgesprochene Zustimmungsverweigerung offensichtlich außerhalb des Gegenstands des hier allein in Betracht kommenden Mitbestimmungstatbestandes nach § 75 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG lag.
Im Ausgangspunkt hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass auch eine korrigierende Rückgruppierung der Mitbestimmung des Personalrats nach dieser Vorschrift unterliegt. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Zustimmungsverweigerung jedoch nur dann beachtlich, wenn die vom Personalrat dafür angegebenen Gründe möglicherweise noch innerhalb der eingeräumten Mitbestimmung liegen. Dem Personalrat ist es danach nicht gestattet, von einer Mitbestimmungsbefugnis ohne inhaltlichen Bezug zu einem von der Maßnahme berührten gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand Gebrauch zu machen. An einem solchen Bezug fehlt es, wenn sich die angeführten Gründe einem solchen Tatbestand, dessen Inhalt, insbesondere Sinn und Schutzzweck nicht mehr zuordnen lassen. Ist eine Zuordnung in diesem Sinne offensichtlich nicht möglich, so lässt das erkennen, dass der Personalrat keine Regelung auf der Grundlage eines Mitbestimmungsrechts anstrebt, sondern die Zustimmung ohne einen vom Gesetz gebilligten Grund verweigert. Ein solches Verhalten wird durch das Gesetz nicht geschützt und löst deshalb keine Rechtsfolgen aus. Eine derart unbeachtliche Zustimmungsverweigerung kann insbesondere nicht die Verpflichtung der Dienststelle begründen, das Einigungsverfahren einzuleiten (BVerwG, Beschluss vom 6.4.1993 - 6 P 33.91 -, PersV 1994, 467, 468 f. [BVerwG 04.06.1993 - BVerwG 6 P 33.91]; vom 27.9.1993 - 6 P 4.93 -, PersV 1994, 508 f.; vom 30.11.1994 - 6 P 11.93 -, PersV 1995, 181 f.; vom 7.12.1994 - 6 P 35.92 -, PersV 1995, 399, 403 f. vom 6.9.1995 - 6 P 41.93 -, PersV 1996, 265, 266 f.; ebenso OVG Lüneburg, Beschluss vom 14.8.1987 - 18 OVG L 6/86 -, PersR 1988, 168 [LAG Rheinland-Pfalz 27.03.1987 - 6 TaBV 3/87] LS; OVG NW, Beschluss vom 26.2.1996 -1 A 4265/92.PVL -, ZfPR 1996, 156; vom 29.1.1997 - 1 A 3150/93.PVL -, RiA 1997, 254; vom 17.2.2000 - 1 A 199/98.PVL -, PersV 2000, 539 f.; Lorenzen u.a., BPersVG § 69 RdNr. 22 b, § 77 RdNr. 60 m.N.).
Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil die vom Antragsteller in seiner Zustimmungsverweigerung angegebene Begründung sich offensichtlich nicht auf den allein angeführten Versagungsgrund des § 77 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG stützen lässt. Aus dem Schreiben des Antragstellers vom 4. Dezember 1996 lässt sich schon nicht entnehmen, ob ein Verstoß gegen ein Gesetz, eine Verordnung, eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder eine Verwaltungsanordnung geltend gemacht werden sollte. Selbst wenn zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen wird, dass ein Verstoß gegen den einschlägigen Tarifvertrag (MTArb) gerügt werden sollte, konnte dieser Verweigerungsgrund nach keiner vertretbaren Betrachtungsweise erfüllt sein. Das liegt auf der Hand, soweit in der Begründung angeführt wird, die persönlichen finanziellen Verhältnisse des Arbeiters M. - bedingt durch den Bau eines Hauses - ließen einen geringeren Verdienst nicht zu, er würde unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Denn die Eingruppierung erschöpft sich in der Anwendung in sich bestimmter und einer festgelegten Lohn- bzw. Vergütungsgruppe zugeordneter Einreihungsmerkmale; sie ist deshalb eine von den persönlichen Verhältnissen des Beschäftigten grundsätzlich losgelöste Rechtsanwendung und kein Akt rechtlicher Gestaltung. Die richtige Eingruppierung folgt danach unmittelbar aus dem Tarifvertrag („Tarifautomatik“). Davon abgesehen wurde der finanziellen Lage des Arbeiters M. hier dadurch Rechnung getragen, dass er eine besitzstandswahrende, sich aufzehrende außertarifliche Zulage entsprechend den Regelungen des Rationalisierungsschutz-Tarifvertrages erhielt. Aus dem gleichen Grund ist die angeführte langjährige Betriebszugehörigkeit des Arbeiters für die tarifliche Einreihung seiner Tätigkeit als solche nicht relevant; berücksichtigt wurde diese Zugehörigkeit im Übrigen dadurch, dass die Einreihung nicht in die LGr. 4, sondern im Wege des Bewährungs- und Tätigkeitsaufstiegs in die LGr 5 a erfolgte. Dass diese Einreihung tarifwidrig wäre, hat der Antragsteller in seinem Schreiben vom 4. Dezember 1996 nicht einmal geltend gemacht.
Auch die übrige Begründung lässt sich dem Versagungsgrund des § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG nicht zuordnen. Das gilt vor allem hinsichtlich der angeführten Fachkenntnisse und der wahrgenommenen Aufgaben an der Wasserdestillationsanlage. Denn für die Eingruppierung maßgebend ist die Tätigkeitsdarstellung und -Bewertung vom 18. November 1996. Dort sind unter „Nr. 3. Aufgaben des Arbeitsplatzinhabers“ sowie unter den „Einzeltätigkeiten“ (Nr. 5) keine Wartungsaufgaben genannt, die über die Aufgaben eines herkömmlichen Gas- und Wasserinstallateurs hinausgehen. Der Personalrat darf diese vom Dienststellenleiter ermittelten Tätigkeits-. und sonstigen Eingruppierungsmerkmale nicht in Frage stellen und etwa durch eine eigene Bewertung der dem Beschäftigten zugewiesenen Aufgaben ersetzen (BVerwG, Beschl. v. 10.4.1984 - 6 P 10.82 - Buchholz 238.38 § 36 Nr. 1). Der Antragsteller hat aber bei seiner Zustimmungsverweigerung auch nicht ansatzweise vorgetragen, dass den ihm von der Dienststelle benannten Tätigkeitsmerkmalen die Einreihung des Arbeiters M. in eine andere, höhere Lohngruppe entsprechen würde. Deshalb genügt diese Zustimmungsverweigerung nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Auf die Beschwerde des Beteiligten war danach unter Änderung des angefochtenen Beschlusses der Antrag des Antragstellers abzulehnen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.