Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.04.2001, Az.: 11 L 4232/00

Leistungsstruktur; Pflegesatzzeitraum

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.04.2001
Aktenzeichen
11 L 4232/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 40340
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 24.10.2002 - AZ: BVerwG 3 C 38/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Überschreitung der Veränderungsrate im Pflegesatzzeitraum 1997; Erhöhung der Fallzahlen und Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur; Einbeziehung von nicht vergüteten Leistungssteigerungen aus den Jahren 1993 - 1996

Bei der Vereinbarung des Budgets 1997 für das einzelne Krankenhaus darf die Veränderungsrate auch für Leistungssteigerungen im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 97, die in der sog. Deckelungsphase 1993 bis 1996 nicht budgeterhöhend berücksichtigt worden sind, überschritten werden.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Genehmigung des Budgets und der Pflegesätze des A.-K.-Krankenhauses L. (im Folgenden: Krankenhaus L.), dessen Träger der Beigeladene ist, für das Jahr 1997, soweit es um die Überschreitung der Veränderungsrate für Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur und der Fallzahlen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 23. Juni 1997 (BGBl. I S. 1520, 1533) geht.

2

Auf Antrag des Beigeladenen setzte die Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze durch Beschluss vom 17. März 1998 für das Jahr 1997 die pflegesatzfähigen Kosten auf 48.254.241,-- DM und das Budget auf 42.554.589,-- DM fest. Sie führte im Hinblick auf die hier allein streitbefangene Frage, von welchem Basisjahr für die Steigerung der Fallzahlen und der Veränderung der medizinischen Leistungsstruktur auszugehen ist, Folgendes aus: Weder § 6 Abs. 3 noch § 28 BPflV oder andere Vorschriften rechtfertigten die Annahme der Klägerin (und anderer Krankenkassen), dass das Jahr 1996 die ausschließliche Vergleichsbasis sei. Stattdessen sei auf das letzte leistungsgerechte Budget des Krankenhauses abzustellen. Dieses sei für das Jahr 1992 vereinbart worden, bevor die Budgetdeckelungen durch das Gesundheitsstrukturgesetz wirksam geworden seien. Wäre 1996 die ausschließliche Vergleichsbasis, würden Krankenhäuser, die während der Deckelungsphase Leistungssteigerungen unter Inkaufnahme von Verlusten erbracht hätten, auch für die Zukunft kein höheres Entgelt verlangen können. Sie wären gegenüber den Krankenhäusern, die ihre Leistungen nicht gesteigert hätten, stark benachteiligt. Hätte der Gesetzgeber dieses gewollt, dann hätte er es bei der Neufassung des § 6 Abs. 3 BPflV zum Ausdruck gebracht. Ein anderes Ergebnis würde dem in den §§ 1 und 4 KHG sowie § 3 Abs. 1 BPflV normierten Grundsatz widersprechen, es den Krankenhäusern zu ermöglichen, bei wirtschaftlicher Betriebsführung den Versorgungsauftrag zu erfüllen. Seit dem maßgeblichen Jahr 1992 hätten sich die Fallzahlen ohne Verlegungen nach den vom Krankenhaus L. vorgelegten Ist-Zahlen um 1.435 erhöht. Für die Annahme, dass diese Zahlen manipuliert seien, gebe es keine ausreichenden Anhaltspunkte. Entsprechendes gelte auch für die behauptete Zunahme der OP-Leistungen. Sie -- die Schiedsstelle -- halte einen Mehrbetrag von 2,45 Mio. DM wegen Erhöhung der Fallzahlen und Zunahme der Operationen für angemessen.

3

Mit Bescheid vom 7. Mai 1998 genehmigte der Beklagte die Festsetzung durch die Schiedsstelle.

4

Gegen die Genehmigung hat die Klägerin am 10. Juni 1998 Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht: Eine Steigerung der Fallzahlen bzw. die Veränderung der medizinischen Leistungsstruktur könne nur an das Budget für das Jahr 1996 anknüpfen. Die Bezugsgröße für die Einhaltung der Veränderungsrate für das Jahr 1997 ergebe sich aus dem Krankenhausstabilisierungsgesetz 1996. Nach § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes habe für 1996 nur ein Budget vereinbart werden dürfen, das von dem (gedeckelten) Jahr 1995 ausgehe. Das auf diese Weise gedeckelte Budget für 1996 sei nach der Übergangsregelung des § 28 Abs. 8 BPflV Ausgangspunkt für Budgetveränderungen im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV. In § 28 Abs. 8 BPflV sei keine Rede davon, dass auf die Jahre vor der Deckelungsphase Rückgriff genommen werden solle. Auch Sinn und Zweck von §§ 6 und 28 Abs. 8 BPflV sprächen dafür, dass die Fallzahlen seit 1992 nicht zu berücksichtigen seien. Der Gesetzgeber habe ganz bewusst vier Jahre lang eine Deckelungsphase eingeführt. Nichts spreche dafür, dass er die rückwirkende Aufhebung der Deckelung gewollt habe. Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV sei als Ausnahmeregel eng auszulegen. Im Jahre 1992 habe es noch kein medizinisch leistungsgerechtes Budget gegeben. Erst durch die Änderung der BPflV 1995 sei die Budgetfindung grundlegend reformiert worden. Schließlich seien die Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur und der Fallzahlen in den Jahren 1992 bis 1996 in die Verhandlungen eingeflossen und berücksichtigt worden, auch wenn sie wegen der vorgenommenen Deckelung nicht immer voll vergütet worden seien.

5

Die Klägerin hat beantragt,

6

1.    den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 7. Mai 1998 insoweit aufzuheben, als die Festsetzung des Budgets 1997 im Beschluss der Schiedsstelle vom 17. März 1998 auf einer Fallzahlerhöhung und auf Leistungsveränderungen der Jahre 1992 (richtig: 1993) bis 1996 beruht;

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2.    festzustellen, dass dem Budget 1997 nur Fallzahlerhöhungen und Leistungsveränderungen auf der Basis des Jahres 1996 zugrunde zu legen sind.

8

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat erwidert: Die Schiedsstelle habe zu Recht der Fallzahlsteigerung im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV als Basis das Budget für 1992 zugrunde gelegt. Weder der Verordnungstext noch die amtliche Begründung enthielten einen einengenden Hinweis darauf, dass die Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BPflV nur für Leistungsentwicklungen ab dem Jahre 1997 gelten sollten. Das Fehlen einer ausdrücklichen Bezugnahme auf den 1. Januar 1993 sei unschädlich. Der Wortlaut der Vorschrift sei weit gefasst und nicht etwa auf Leistungsstrukturveränderungen ab dem Jahr 1997 begrenzt. Deshalb könne nicht im Umkehrschluss aus § 28 Abs. 8 Satz 2 BPflV in der Fassung vom 26. September 1994 (Berücksichtigung der seit dem 1. Januar 1993 eingetretenen Veränderungen der Leistungsstruktur und des Leistungsumfangs) abgeleitet werden, dass mangels Angabe des Datums 1. Januar 1993 nur neue Leistungssteigerungen für die Budgets ab 1997 von Bedeutung sein sollten. Die gesetzeskonforme Auslegung führe dazu, in die Ausnahmetatbestände auch die erstmals in den Jahren 1993 bis 1996 aufgetretenen Leistungsveränderungen einzubeziehen, soweit ihre leistungsgerechte Finanzierung aufgrund von Kappungsvorschriften bisher nicht möglich gewesen sei. In diesem Sinne habe sich auch das Bundesministerium für Gesundheit mehrfach geäußert (Schreiben v. 30.1.1998 an das Kreiskrankenhaus Rendsburg u. v. 14.11.1997 an die Hansestadt Lübeck). Dieser Rechtsauffassung hätten die Pflegesatzreferenten für die Krankenhauspflegesätze im Rahmen der Bund-Länder-Besprechung zum Krankenhauspflegesatzrecht am 5./6. März 1998 in Bad Berka einvernehmlich zugestimmt. Die gleiche Ansicht vertrete auch Rechtsanwalt Dr. Dietz in seiner gutachtlichen Äußerung vom 24. Oktober 1997.

11

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

12

Mit Urteil vom 25. April 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

13

Der angefochtene Genehmigungsbescheid sei rechtmäßig. Dem Budget 1997 für das Krankenhaus L. seien zu Recht 2,45 Mio. DM wegen Erhöhung der Fallzahlen und Steigerung der Operationen hinzugerechnet worden, wobei auf das Vergleichsjahr 1992 abzustellen sei.

14

Allerdings führe eine Wortauslegung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV ("Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen") zu keinem eindeutigen Ergebnis. Sie lasse nämlich sowohl eine Beschränkung auf künftige Fallzahländerungen als auch eine Einbeziehung bisheriger Fallzahländerungen zu. Wären jedoch Fallzahlsteigerungen aus den Jahren 1993 bis 1996 ausgeschlossen, so würden ab dem Jahre 1997 sämtliche Krankenhausbudgets auf einem zu niedrigen Leistungsniveau aufbauen. Ein Budget 1997, das allein auf dem vorausgegangenen Budget aufbaue, ginge zwangsläufig von einem zu niedrigen Leistungsniveau aus. Das wäre aber mit § 17 Abs. 1 KHG und mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbaren. Deshalb könne auch nicht im Umkehrschluss aus § 28 Abs. 8 Satz 2 BPflV abgeleitet werden, dass wegen fehlender Angabe des Datums 1. März 1993 nur neue Leistungssteigerungen für die Budgets ab 1997 Berücksichtigung finden könnten. Gegenstand der Pflegesatzverhandlungen sei das Leistungsvolumen im Pflegesatzzeitraum, und zwar unabhängig davon, in welchen Jahren es erstmals erbracht worden sei. Diese gesetzeskonforme Auslegung führe somit dazu, in die Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV die erstmals in den Deckelungsjahren 1993 bis 1996 aufgetretenen Leistungsveränderungen einzubeziehen, soweit ihre leistungsgerechte Finanzierung -- wie hier -- aufgrund von Kappungsvorschriften bisher nicht möglich gewesen sei.

15

Hinsichtlich des Antrags zu 2) sei die Klage unzulässig (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO).

16

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassene Berufung der Klägerin. Sie wiederholt ihre Rechtsauffassung und trägt ergänzend vor:

17

Die Schiedsstellen im Saarland, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz hätten anders als in Niedersachsen entschieden, dass Fallzahlentwicklungen und Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur während der Jahre 1993 bis 1996 nicht zu berücksichtigen seien.

18

Allerdings sei dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, dass der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV zu keinem eindeutigen Ergebnis führe. Aus dem Regelungszusammenhang mit § 28 Abs. 8 BPflV gehe jedoch hervor, dass Veränderungen der Fallzahlen erst ab 1996 zu berücksichtigen seien. § 28 Abs. 8 BPflV sei vollständig auf den Gesamtbetrag 1996 als Bezugsgröße und auf die Vereinbarung für 1997 ausgerichtet. Auch der zuvor geltenden Fassung der BPflV sei zu entnehmen, dass das "leistungsgerechte" Budget, auf das sich die Schiedsstelle und der Beklagte beriefen, schon 1996 ohne Rückgriff auf die Jahre ab 1993 habe gefunden werden müssen. Hätte der Gesetzgeber seine bis dahin geltende Linie verlassen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies in § 28 Abs. 8 BPflV zum Ausdruck gebracht hätte. Ferner werde die Regelungsabsicht des Gesetzgebers in den Gesetzesmaterialien immerhin erkennbar. So sollte bis auf die genannten Ausnahmen in § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV die Überschreitung der Veränderungsrate erschwert werden. Die Berücksichtigung der Fallzahlentwicklung seit 1993 hätte die Überschreitung der Veränderungsrate aber -- im Gegenteil -- erleichtert. Bei § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV handele es sich um eine Ausnahmeregelung vom strikten Gebot der Beitragssatzstabilität und dem ebenso strikten Verbot der Überschreitung der Veränderungsrate. Diese Vorschrift sei deshalb eng auszulegen. Es sei geradezu kontraproduktiv zur gewünschten Kosteneindämmung und Beitragsstabilität, nach Ende der Deckelungsphase partiell so zu tun, als hätte es eine Deckelungsphase nie gegeben. Auch das Argument, Krankenhäuser, die ihre Fallzahlen nicht erhöht hätten, würden bei einer gegenteiligen Auslegung bevorteilt, könne nicht überzeugen. Solche Krankenhäuser hätten lediglich einen anderen betriebswirtschaftlichen Weg gewählt und die Fallzahlen stabil gehalten. Betriebswirtschaftlich vertretbar seien beide Wege. Das Krankenhaus, welches die Fallzahlen in der Deckelungsphase erhöht habe, habe keinen Nachteil, sondern möglicherweise sogar Vorteile. Denn es habe die Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Struktur schon erreicht, was anderen Krankenhäusern unter Umständen noch bevorstehe.

19

Schließlich sei die Berücksichtigung der Fallzahlentwicklung seit 1993 nicht erforderlich im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV. Dem Krankenhaus L. sei es gelungen, die Verweildauer zu verkürzen. Wenn die Steigerung der Fallzahlen aber auf diese Weise aufgefangen worden sei, könne keine Rede davon sein, dass es sich um eine Notsituation handele.

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Die Klägerin beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und den Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 7. Mai 1998 insoweit aufzuheben, als die Festsetzung des Budgets 1997 im Beschluss der Schiedsstelle vom 17. März 1998 auf einer Fallzahlerhöhung und auf Leistungsveränderungen der Jahre 1993 bis 1996 beruht.

22

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

24

Er verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Klägerin im Einzelnen entgegen.

25

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den. Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Genehmigungsbescheid des Beklagten vom 7. Mai 1998 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

28

Grundlage der Genehmigung ist § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG. Danach sind die von der Schiedsstelle festgesetzten Pflegesätze von der zuständigen Landesbehörde zu genehmigen, wenn sie den Vorschriften des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und sonstigem Recht entsprechen. Fraglich ist insoweit nur, von welchem Basisjahr im maßgeblichen Pflegesatzzeitraum 1997 für die Überschreitung der Veränderungsrate für Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur und der Fallzahlen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des 2. Gesetzes zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl. I S. 1520, 1533) -- BPflV 97 -- auszugehen ist. Der Senat teilt die vom Beklagten und dem Verwaltungsgericht gebilligte Auffassung der Schiedsstelle, dass dafür auf das Jahr 1992 abzustellen ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

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Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 97 darf bei der Vereinbarung des Budgets für das einzelne Krankenhaus die Veränderungsrate nach Abs. 1 nur überschritten werden, soweit Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur oder der Fallzahlen dies erforderlich machen. Der in Bezug genommene Abs. 1 legt die Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen je Mitglied (§ 267 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), die für das Jahr 1997 gemäß § 28 Abs. 13 BPflV 97 1,3 % (bezogen auf die "alten" Bundesländer) beträgt, als Obergrenze für kostenorientierte Erhöhungen des Budgets fest (Satz 1). Mit dieser Begrenzung auf die Grundlohnentwicklung soll dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 141 Abs. 2 SGB V) Rechnung getragen werden. Dieser Grundsatz ist aber nicht lückenlos durchgeführt, sondern es sind -- wie § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 97 zeigt -- ausnahmsweise in bestimmtem Fällen Überschreitungen der Veränderungsrate zulässig, wenn sonst die notwendige medizinische Versorgung durch das jeweilige Krankenhaus auch unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven nicht zu gewährleisten wäre (vgl. Dietz/Bofinger, KHG, BPflV und Folgerecht, § 6 BPflV 97 Anm. I 2). Hieraus ergibt sich, dass allgemeine, über die Veränderungsrate hinausgehende Kostenentwicklungen nicht berücksichtigt werden, während Leistungssteigerungen im medizinischen Bereich des einzelnen Krankenhauses dieser Beschränkung nicht unterliegen sollen (vgl. die amtliche Begründung, BT-Drs. 13/6087, S. 33 f.; Dietz/ Bofinger, a.a.O., § 6 BPflV 97 Anm. IV 5). Mit der Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 97 knüpft der Gesetzgeber an den Zweck des Krankenhausfinanzierungsgesetzes an, der in der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser besteht, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen (§ 1 Abs. 1 KHG). In Ausfüllung dieser grundlegenden Zielsetzung bestimmt § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG, dass die Pflegesätze medizinisch leistungsgerecht sein und einem Krankenhaus bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, den Versorgungsauftrag zu erfüllen (ebenso § 3 Abs. 1 Satz 3 BPflV).

30

Allerdings ist in der Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 97 nicht die im vorliegenden Rechtsstreit entscheidende Frage ausdrücklich geregelt, auf welches Basisjahr für die geltend gemachten Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur und der Fallzahlen abzustellen ist, d.h. ob auch die in der sog. Deckelungsphase von 1993 bis 1996 erbrachten, aber nicht vergüteten Leistungsveränderungen des einzelnen Krankenhauses einzubeziehen sind. Wann diese Veränderungen zeitlich erfolgt sein müssen, lässt der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 97 offen. Es können künftige, aber auch bisherige Veränderungen sein. Ebenso wenig gibt die Entstehungsgeschichte des 2. GKV-NOG unmittelbaren Aufschluss für die Lösung dieses Problems. Den entsprechenden Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 13/6087, S. 33-35) lassen sich dazu keine weiterführenden Hinweise entnehmen. Auch die Übergangsvorschrift des § 28 Abs. 8 BPflV 97 gibt für die Auffassung der Klägerin, dass maßgeblich nur das Budget für das Jahr 1996 sein könne, nichts her. Zwar ist es richtig, dass in Satz 1 dieser Vorschrift als Bezugsgröße für die Einhaltung der Veränderungsrate nach § 6 Abs. 1 und 3 BPflV 97 für das Jahr 1997 der 1996 vereinbarte Gesamtbetrag nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Stabilisierung der Krankenhausausgaben vom 29. April 1996 (BGBl. I S. 654) -- KHStabG 96 -- genannt ist. Eine Bindung an das vorausgegangene Budget besteht aber lediglich für die Fortschreibung um die Veränderungsrate (vgl. Dietz, Gutachtliche Äußerung vom 24.10.1997 zur Berücksichtigung von Fallzahlsteigerungen bei der Berechnung der Budgetobergrenze nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV). Eine Steigerung zum bisherigen Budget, d.h. von 1996 auf 1997, ist nur in Höhe der in § 28 Abs. 13 BPflV 97 festgelegten Veränderungsrate zulässig. Geht die allgemeine Kostenentwicklung, also insbesondere die Preisentwicklung über die gesetzliche Regelung hinaus, kann sie -- wie bereits erwähnt -- nicht berücksichtigt werden. Dagegen ist eine konkrete Aussage über die Bezugsgröße für die Ausnahmeregelungen des § 6 Abs. 3 Nr. 1-3 BPflV 97 in § 28 Abs. 8 BPflV 97 nicht enthalten. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Bestimmung auch nicht vollständig auf den Gesamtbetrag 1996 als Bezugsgröße ausgerichtet. Vielmehr macht der Wortlaut des § 28 Abs. 8 Satz 5 2. Halbs. BPflV 97 deutlich, dass dies nicht uneingeschränkt für die Ausnahmetatbestände nach § 6 Abs. 3 Satz 1 BPflV 97 gelten kann. Günstige Rechtsfolgen kann die Klägerin auch nicht aus § 28 Abs. 8 Satz 2 BPflV i.d.F. der 4. Änderungsverordnung vom 26. September 1994 (BGBl. I S. 2750) für sich herleiten. Zwar wird dort der 1. Januar 1993 als Bezugspunkt für die seitdem eingetretenen Veränderungen der Leistungsstruktur und des Leistungsumfangs genannt, doch kann aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 28 Abs. 8 BPflV 97 -- aus welchen Gründen auch immer -- dieses Datum nicht genannt hat, nicht zwingend der Umkehrschluss gezogen werden, dass nur neue Leistungssteigerungen für die Budgets ab 1997 von Bedeutung sein sollen (so zu Recht das Bundesministerium für Gesundheit v. 14.11.1997 an die Hansestadt Lübeck).

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Nachdem die grammatikalische und die historische Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis für die Klärung der hier streitbefangenen Frage geführt hat, ist entscheidend auf die allgemeinen Grundsätze des Pflegesatzrechts und den Gesetzeszweck abzustellen (so auch Dietz/Bofinger, a.a.O., § 6 BPflV 97 Anm. IV 6). In diesem Zusammenhang sind sowohl die einschränkenden Regelungen des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266, 2309) und des KHStabG 96, die im Zeitraum von 1993 bis 1996 galten, als auch die Änderung durch das 2. GKV-NOG mit Wirkung vom 1. Januar 1997 mit in den Blick zu nehmen.

32

In § 17 Abs. 1 a KHG und in § 4 BPflV (jeweils in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes) hat der Gesetzgeber den Grundsatz niedergelegt, dass die Pflegesätze der Jahre 1993 bis 1995 auf der Grundlage des Budgets von 1992 zu ermitteln sind (sog. Deckelung). Veränderungen der Kosten- und Leistungsstruktur des einzelnen Krankenhauses wurden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Damit sollte einerseits im Interesse der Beitragsstabilität sichergestellt werden, dass die Budgeterhöhungen in den Folgejahren im Rahmen der durchschnittlichen Einnahmesteigerungen der Krankenkassen blieben. Zugleich sollte den Krankenhäusern andererseits aufgrund des neu eingeführten "festen Budgets" ein Anreiz gegeben werden, sich künftig wirtschaftlicher als bisher zu verhalten (vgl. Thür. OVG, Urt. v. 14.10.1997, Thür.VBl. 1998, 164). Mit dem KHStabG 96 hat der Gesetzgeber die Deckelungsphase von 1993 bis 1995 um ein weiteres Jahr verlängert und die Erlöse der Krankenhäuser für allgemeine Krankenhausleistungen für das Pflegesatzjahr 1996 ebenfalls einer pauschalen, Besonderheiten nicht zugänglichen Oberbegrenzung durch den Gesamtbetrag nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KHStabG 96 unterworfen (vgl. OVG NRW, Urt. v. 30.11.2000 -- 13 A 1600/98 --). Das in den Jahren 1993 bis 1996 geltende Pflegesatzrecht hat es also grundsätzlich nicht zugelassen, (bloße) Steigerungen der Fallzahlen und Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur trotz der damit verbundenen zusätzlichen Kosten für die Krankenhäuser bei der Berechnung der Obergrenze und der Vereinbarung des Budgets zu berücksichtigen (vgl. Dietz/Bofinger, § 6 BPflV 97 Anm. IV 6). Auch das Krankenhaus L. hat derartige Mehrleistungen in diesem Zeitraum erbracht, ohne dafür eine entsprechende Vergütung erhalten zu haben. Diese Budgetdeckelung, die für die betroffenen Krankenhäuser einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG bedeutete (das Betreiben eines Krankenhauses ist als Beruf anzusehen, vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.6.1990, BVerfGE 82, 209, 223 [BVerfG 12.06.1990 - 1 BvR 355/86]), war allerdings durch das wichtige Gemeinschaftsanliegen der Kostendämpfung und Beitragsstabilität im Gesundheitswesen vorübergehend gerechtfertigt. Nach der Beendigung dieser "Notmaßnahmen" sollte aber -- wie der Senat bereits ausgeführt hat -- ab dem Jahre 1997 wieder zum Gebot der medizinisch leistungsgerechten Vergütung zurückgekehrt werden, die durch die pflegesatzrechtliche Grundsatznorm des § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG gewährleistet ist (vgl. Dietz/Bofinger, a.a.O., § 6 BPflV 97 Anm. IV 6; Tuschen/Quaas, BPflV, Komm., 4. Aufl. 1998, § 6, S. 218 f.). Medizinisch leistungsgerecht sind Pflegesätze aber nur dann, wenn ein wirtschaftlich geführtes Krankenhaus die gebotenen Leistungen erbringen kann, ohne finanzielle Verluste erleiden zu müssen (vgl. Quaas/Trefz, Pflegesatzrecht: Sondertatbestände im Belieben der Kostenträger -- Krankenhäuser können sich nicht wehren, in: Das Krankenhaus 2000, 611, 613). Insbesondere darf die notwendige medizinische Versorgung der Patienten nicht gefährdet werden (vgl. Dietz/Bofinger, § 6 BPflV 97 Anm. V 5). Nach Ablauf der vierjährigen Deckelungsphase werden deshalb Mehrleistungen aufgrund der Ausnahmen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 BPflV 97 unter der Voraussetzung wieder finanziert, dass sie erforderlich sind. Ausgeschlossen sind lediglich solche Leistungsveränderungen, die bereits in den Jahren 1993 bis 1996 budgeterhöhend berücksichtigt worden sind (vgl. Dietz, Gutachtliche Äußerung v. 24.10.1997). Nur diese Auslegung wird dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 BPflV 97, mit dem zum leistungsgerechten Budget zurückgekehrt worden ist, am ehesten gerecht. Würde dagegen an das auf den Stand des Jahres 1992 "eingefrorene" Budget 1996 angeknüpft, blieben die in der vierjährigen Deckelungsphase im Interesse der Patienten erbrachten Leistungssteigerungen unberücksichtigt. Dies hätte zur Folge, dass ab dem Jahre 1997 die Budgets derjenigen Krankenhäuser, die während der Deckelungsphase Leistungen ohne Kostenausgleich zur Erfüllung des Versorgungsauftrags zu bewältigen hatten, auf einem zu niedrigen Leistungsniveau auf Dauer aufbauen würden. Sie wären -- worauf auch das Bundesministerium der Gesundheit mit Schreiben vom 14. November 1997 zutreffend hingewiesen hat -- gegenüber Krankenhäusern, bei denen entsprechende Leistungsveränderungen erst nach der Deckelungsphase eintraten, finanziell benachteiligt. Ein derartiges Ergebnis wäre jedoch mit § 17 Abs. 1 Satz 3 KHG und mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren (ebenso Dietz/Bofinger, a.a.O., § 6 BPflV 97 Anm. IV 6; Tuschen/Quaas, a.a.O., § 6 BPflV, S. 219).

33

Demgegenüber kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, dass eine derartige Auslegung zu einer rückwirkenden Aufhebung der vom Gesetzgeber gewollten Deckelung führe und deswegen kontraproduktiv zur gewünschten Kosteneindämmung und Beitragsstabilität im Krankenhausbereich sei. Die Klägerin verkennt, dass es hier ausschließlich um leistungsgerechte Vergütungen für den Pflegesatzzeitraum ab 1997 geht. In die Budgets der Deckelungsphase von 1993 bis 1996 wird nicht nachträglich eingegriffen (so auch Dietz/Bofinger, a.a.O.; Tuschen/Quaas, a.a.O.).

34

Dass im vorliegenden Fall die Steigerung der Fallzahlen und die Veränderungen der medizinischen Leistungsstruktur in den Jahren von 1993 bis 1996 im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BPflV 97 erforderlich waren, hat die Klägerin nicht mit substantiierten Argumenten in Frage gestellt. Gegen den von der Schiedsstelle festgesetzten Mehrbetrag von 2,45 Mio. DM wegen Erhöhung der Fallzahlen um 1.435 und Zunahme der Operationsleistungen seit dem Jahr 1992 hat sie keine Einwände erhoben.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

36

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbar folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

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Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.