Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 05.04.2001, Az.: 1 K 2758/00
Ausgleich; Bebauungsplan; Dorfgebiet; Eingriff; Erforderlichkeit; Ersatzmaßnahme; Natur; Normenkontrollantrag; Normenkontrolle; Normenkontrollverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 05.04.2001
- Aktenzeichen
- 1 K 2758/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2001, 40480
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 3 BauGB
- § 1 Abs 4 BauGB
- § 1 Abs 5 BauGB
- § 1 Abs 6 BauGB
- § 1a Abs 3 BauGB
- § 215a BauGB
- § 8a BNatSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die Absicht, ein dörfliches Wohngebiet mit vereinzelter Pferdehaltung "zu erhalten und zu ergänzen", rechtfertigt keine Festsetzung als Dorfgebiet.
2. Sollen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen durchgeführt werden, muss die Fläche im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses im Eigentum der Gemeinde stehen. Ob es ausreicht, wenn die Gemeinde im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Bebauungsplans Eigentümerin der Flächen ist, bleibt offen.
Tatbestand:
Die Antragstellerin, die Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks am Wiesengrund 7 in G ist, wendet sich gegen den Bebauungsplan "O-weg" der Antragsgegnerin.
Das Grundstück der Antragstellerin liegt auf der Westseite der Straße Am Wiesengrund, die von der H Landstraße, der Landesstraße X, nach Norden abzweigt. Die Straße Am Wiesengrund ist auf einer Länge von ca. 250 m bis auf ein Grundstück im Nordosten durchgehend bebaut. Von einem Pferdezuchtbetrieb auf dem Grundstück Am Wiesengrund Nr. 8 (ca. 15 ha Eigentumsfläche; 6 Pferde) abgesehen, dienen alle Grundstücke der Wohnnutzung. Westlich grenzt an die Grundstücke Am Wiesengrund 1 und 3 noch ein bebautes Grundstück an (H Landstraße 32), auf dem zwei bis drei Pferde gehalten werden. Das Gelände steigt von Osten nach Westen leicht an.
Der Bereich des Bebauungsplanes "O-weg" umfasst die Grundstücke Am Wiesengrund und die westlich angrenzende Fläche bis zum O-weg in einer Tiefe bis zu etwa 150 m. Der Planbereich liegt etwas abgesetzt nordwestlich der Ortslage von G und grenzt im Süden an die H Landstraße. ... Zwischen der Ortslage und dem Planbereich quert die H Straße eine kleine Niederung, die von einem Wasserlauf durchzogen ist. Ca. 75 m westlich von der Straße am Wiesengrund zweigt der O-weg, ein asphaltierter Wirtschaftsweg nach Nordwesten von der H Landstraße ab. Auf der Südseite der H Landstraße liegt in diesem Bereich ein bebautes Grundstück. Ca. 1.000 m westlich des Plangebiets verläuft die Autobahn ...
Der Bebauungsplan setzt die Grundstücke beiderseits der Straße Am W. als Dorfgebiet fest. Westlich anschließend wird eine Fläche von ca. 190 m x 75 m als allgemeines Wohngebiet mit einer Grundflächenzahl von 0,2, eingeschossig, nur Einzel- oder Doppelhäuser mit nicht mehr als zwei Wohnungen festgesetzt. Diese Fläche wird über eine Stichstraße vom O-weg erschlossen. Der Bebauungsplan setzt weiter bebaubare Flächen durch Baugrenzen und die Mindestgröße der Baugrundstücke für ein Einzelhaus mit 800 qm, für eine Doppelhaushälfte mit 500 qm fest. Das Plangebiet reicht nicht unmittelbar an den O-weg im Westen heran, sondern endet in einem Abstand von 5 m. Im Wegeseitenraum des O-weges befindet sich hier eine dichte Hecke. Im Übrigen ist für einen 3 m breiten Streifen an den äußeren Rändern des Plangebietes ein 3 m breiter Stre fen zum Anpflanzen standortgerechter Laubgehölze festgesetzt. Als Ersatzmaßnahmen für den Eingriff in Natur und Landschaft durch die Festsetzung bislang unbebauter landwirtschaftlich genutzter Flächen sieht die Begründung des Bebauungsplanes den 5 m-Streifen zwischen Straßenparzelle und WA (Ersatzfläche 1) und eine ca. 1,5 ha große Ackerfläche (Flurstück 96) am D-weg vor (Ersatzfläche 2), die in extensives Grünland mit Sukzessionsstreifen umgewandelt werden soll. Die Ersatzfläche 2 soll von der Gemeinde erworben werden, die Ersatzfläche 1 durch städtebaulichen Vertrag gesichert werden.
Der Normenkontrollantrag hatte in wesentlichen Erfolg.
Entscheidungsgründe
1. Der Bebauungsplan widerspricht nicht dem Grundsatz der Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB. Für die Erforderlichkeit einer Planung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB reicht es aus, dass eine Gemeinde eine den Planungsgrundsätzen des § 1 Abs. 1, 3 und 5 BauGB entsprechende Plankonzeption verfolgt und es vernünftigerweise geboten ist, diese durch einen Bebauungsplan zu sichern und durchzusetzen. Ein Bebauungsplan ist erst dann nicht erforderlich, wenn seine Aufstellung offensichtlich deshalb ein grober Missgriff ist, weil eine solche Plankonzeption gar nicht existiert und/oder in Wahrheit nicht die vorgegebenen städtebaulichen Planungsziele, sondern andere Ziele, namentlich allein die Förderung privater Interessen, verfolgt und verwirklicht werden soll (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.1988 -- 4 NB 1.88 -- NVwZ 1989, 464 [BVerwG 04.02.1988 - BVerwG 5 C 26/87]). Die Überlegungen der Antragsgegnerin, mit dem Bebauungsplan Wohnbauflächen für die nächsten Jahre zu schaffen, weil im Dorf praktisch keine Flächen mehr für eine Bebauung zur Verfügung stehen, ist nachvollziehbar, unabhängig davon, ob einzelne Baugrundstücke im Dorf noch zur Bebauung anstehen und wie viele Baugrundstücke im Planbereich bereits vergeben sind. Aus der Begründung des Bebauungsplanes ergibt sich nichts Gegenteiliges. Der Hinweis der Antragstellerin auf Nr. 3.2 der Begründung, dass "eine Bebauung dieser Flächen zur Zeit völlig ungewiss ist", bezieht sich auf die rückwärtigen Flächen der großen bebauten Grundstücke auf der Westseite der Straße Am Wiesengrund. Eine Bebauung dieser Flächen ist in der Tat sehr viel weniger abzusehen, als die Bebauung der westlich angrenzenden Fläche, die die Eigentümer für eine Bebauung bereitgestellt haben.
2. Der Bebauungsplan "O-weg" widerspricht nicht den Zielen der Raumordnung. Die Ausrichtung der Siedlungsstruktur auf das zentralörtliche System (LROP Teil I B 6) und die Stärkung der zentralörtlichen Funktionen in Ordnungsräumen (Teil I B 402) zum einen und das Verbot der Zersiedelung der Landschaft (Teil I B 504) stehen der Bauleitplanung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Dabei kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, inwieweit sich bei diesen Aussagen um verbindliche Ziele der Raumordnung oder um Grundsätze der Raumordnung als Vorgaben für die Abwägung handelt. Die Stärkung der zentralörtlichen Funktionen schließt nämlich eine bedarfsgerechte städtebauliche Entwicklung auch kleiner Gemeinden im Wohnungsbau nicht aus. Das Verbot der Zersiedelung der Landschaft schließt eine unorganische Siedlungsstruktur aus. Dieses Verdikt trifft aber nicht den angefochtenen Bebauungsplan. Der räumliche Abstand der Bebauung Am Wiesengrund vom Dorf allein mag zunächst die Annahme einer unorganischen Siedlungsstruktur nahe legen, jedoch findet diese Freifläche zwischen dem Dorf und der Bebauung Am Wiesengrund ihre Rechtfertigung in den topographischen Verhältnissen: Die Bachniederung mit ihren feuchten Wiesen ist für eine Wohnbebauung nicht geeignet. Andererseits erscheint auch über diese Bachniederung hinweg die optische Verbindung der Bebauung Am Wiesengrund mit dem Dorf soweit gewahrt, dass das Plangebiet die Bebauung Am Wiesengrund so weit verstärkt, dass diese nicht -- mehr -- als zusammenhangloser Siedlungssplitter in der freien Landschaft erscheint, sondern aufgrund der geringen Entfernung im Zusammenhang mit dem Dorfzentrum steht.
Der Frage, welche Bedeutung die Lage des Plangebiets in einem Vorranggebiet für die Trinkwassergewinnung im regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises ... hat, braucht nicht weiter nachgegangen zu werden. Zwar müssen in einem Vorranggebiet alle raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen mit der jeweils festgelegten vorrangigen Zweckbestimmung vereinbar sein. Die weiträumige Festsetzung eines Vorranggebietes für Trinkwassergewinnung schließt jedoch eine Wohnbebauung nicht aus, weil die Risiken einer Wohnbebauung für das Grundwasser beherrschbar sind.
3. Der angegriffene Bebauungsplan verletzt das Abwägungsgebot. Dieses erfordert nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (-- IV C 105.66 -- BVerwGE 34, 301/309), dass eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt stattfindet. In die Abwägung muss an Belangen eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Die Bedeutung der betroffenen privaten Belange darf nicht verkannt und der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen muss in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Diesen Anforderungen wird die Abwägung nicht in allen Punkten gerecht.
Die Festsetzung der Grundstücke an der Straße Am Wiesengrund als Dorfgebiet ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Ergebnis abwägungsfehlerhaft. Das Dorfgebiet dient nach § 5 Abs. 1 BauNVO 1990 der Unterbringung der Wirtschaftstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, dem Wohnen und der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben sowie der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben. Nach der Begründung des Bebauungsplanes (Nr. 3.1) findet sich im Bereich der Straße Am Wiesengrund überwiegend Wohnnutzung, daneben allerdings auch einige Stallgebäude für die Tierhaltung. Die Schlussfolgerung der Begründung, damit entspreche der Gebietscharakter dem eines Dorfgebietes im Sinne des § 5 BauNVO wird den tatsächlichen Gegebenheiten aber nicht gerecht, denn § 5 Abs. 1 BauNVO setzt jedenfalls in einem weitgehend bebauten Plangebiet voraus, dass es durch Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe mit geprägt wird. Es reicht nicht aus, das die frühere landwirtschaftliche Nutzung an der vorhandenen Bausubstanz ablesbar ist, d.h., durch ehemalige landwirtschaftliche Hofstellen als "Dorf" geprägt wird (vgl. Urt. des Senats vom 27.10.1993 -- 1 K 3/91 --, DVBl. 1994, 294). Der von der Antragsgegnerin ins Feld geführte Pferdezuchtbetrieb auf dem Grundstück Am Wiesengrund Nr. 8 vermag aufgrund seiner peripheren Lage und seiner geringen Größe jedenfalls nicht den gesamten Bereich an der Straße Am Wiesengrund mit zu prägen. Die drei Pferde auf dem Grundstück H Landstraße 32 (2 ha Fläche -- davon 0,8 ha Pachtland --) begründen keinen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern stellen eine Hobbytierhaltung dar. Das wird auch aus Nr. 4.2 der Begründung des Bebauungsplans deutlich, wo referiert wird, dass sich in der näheren Umgebung keine landwirtschaftlichen Betriebe befinden, so dass nicht mit unzumutbaren landwirtschaftlichen Emissionen zu rechnen sei.
Die Festsetzung eines Dorfgebietes, also nach dem Zulässigkeitskatalog des § 5 Abs. 2 BauNVO eines ländlichen Mischgebietes, trägt den Belangen der vorhandenen Wohnbebauung nicht Rechnung. Die Pferdehaltung auf zwei Grundstücken in Randlage geben dem Gebiet ein "ländliches Ambiente" prägen aber nicht den städtebaulichen Gebietscharakter im Sinne des § 5 BauNVO, weil im Bereich der Straße Am Wiesengrund die für landwirtschaftliche Betriebe typischen Geräusche und Gerüche fehlen. Eine Neuansiedlung landwirtschaftlicher Betriebe oder eine "Wiederbelebung" einer vorhandenen Hofstelle (Am Wiesengrund 9), die Anlass für eine Entwicklung des Gebietes in Richtung auf ein Dorfgebiet geben könnte, ist bereits nach der allgemeinen Entwicklung in der Landwirtschaft nahezu ausgeschlossen. Für die ehemalige Hofstelle Am Wiesengrund 9 hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass eine solche Entwicklung nicht absehbar sei. Für das Plangebiet des angegriffenen Bebauungsplanes kommt hinzu, dass die für eine Neuansiedlung eines landwirtschaftlichen Betriebes erforderlichen Flächen gar nicht vorhanden sind, weil die rückwärtigen Flächen hinter der Wohnbebauung Am Wiesengrund 9 bis 15 -- von der Frage der Erschließung ganz abgesehen -- für einen landwirtschaftlichen Betrieb nur sehr eingeschränkt geeignet wären. Die enge Nachbarschaft zur Wohnbebauung würde die Entwicklung eines landwirtschaftlichen Betriebes stark einengen.
Die Festsetzung der Grundstücke an der Straße Am Wiesengrund als Dorfgebiet führt aber auch zu Konsequenzen, die die Antragsgegnerin nicht bedacht hat. Die Antragsgegnerin wollte nach der Begründung zum Bebauungsplan mit der Festsetzung Dorfgebiet offensichtlich die Pferdehaltung sichern. Das mag in einem Gebiet möglich sein, in dem auch landwirtschaftliche Betriebe vorhanden sind. Eine Nutzung, die auf Wohnen mit Pferdehaltung hinaus läuft, rechtfertigt nicht eine Festsetzung als Dorfgebiet, sondern müsste wohl als Sondergebiet festgesetzt werden. Mit der Festsetzung Dorfgebiet würde das zulässige Emissionsniveau gegenüber dem derzeitigen Zustand entscheidend verändert. Die Festsetzung Dorfgebiet würde deutlich stärkere Emissionen zulassen als "Wohnen mit Pferden", weil neben landwirtschaftlichen Betrieben mit ihren Geräuschen und Gerüchen auch Gewerbebetriebe zulässig würden, die nicht wesentlich stören. Das würde die Wohnqualität des in großem Umfang bereits bebauten Gebietes in einem nicht zu rechtfertigenden Maße mindern.
Der Fehler im Abwägungsergebnis, der in der Festsetzung der Grundstücke an der Straße Am Wiesengrund als Dorfgebiet liegt, führt zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes, weil die Art der Nutzung die Grundzüge der Planung berührt und damit eine Heilung im ergänzenden Verfahren ausscheidet. Allerdings ist die Nichtigkeit des Bebauungsplanes auf den als Dorfgebiet festgesetzten Bereich beschränkt, weil der westliche Teil des Plangebietes, der als allgemeines Wohngebiet festgesetzt ist, für sich betrachtet eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken kann und nach der Planungsgeschichte auch davon auszugehen ist, dass auch der westliche Teil allein vom Planungswillen der Gemeinde getragen ist (vgl. BVerwG, Beschl. vom 29.3.1993 -- 4 NB 10.91 -- BRS 55, Nr. 30).
4. Die Antragsgegnerin hat die Belange von Natur und Landschaft wohl gesehen, die damit verbundenen Probleme aber im Ergebnis nicht ausreichend bewältigt. Sind gemäß § 8 a Abs. 1 BNatSchG 1998 aufgrund der Aufstellung eines Bebauungsplanes Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten, ist die Gemeinde verpflichtet zu ermitteln und zu entscheiden, ob vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen sind und ob und wie unvermeidbare Beeinträchtigungen auszugleichen oder durch Ersatzmaßnahmen zu kompensieren sind. Lässt sich die Gemeinde nicht von der normativen Wertung des § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 BauGB i.V.m. § 1 a Abs. 2 Nr. 2 BauGB 1998 leiten, so verfehlt sie das Gebot, die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege unter Einschluss der nunmehr in § 1 Abs. 3 BauGB 1998 genannten Kompensationsmaßnahmen mit dem Gewicht in die Abwägung einzustellen, das ihnen objektiv zukommt. Ermittlung und Entscheidung müssen den Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebotes entsprechen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.1997 -- 4 NB 27.96 --, BVerwGE 104, 68).
Das Plangebiet ist mit der 6. Änderungsverordnung zur Landschaftsschutzverordnung "G Wald und weitere Umgebung" vom 18. Dezember 1997 aus dem Landschaftsschutzgebiet entlassen worden. Die Tatsache, dass das Plangebiet unmittelbar an die Grenze des Landschaftsschutzgebietes angrenzt, steht der Bauleitplanung hier nicht entgegen, denn die Landschaftsschutzverordnung schnürt den gesamten Ort G relativ eng ein. Andererseits wirkt die Bebauung, die sich mit einer Grundflächenzahl von 0,2 und einem Vollgeschoss in engen Grenzen hält, nicht wesentlich in das benachbarte Landschaftsschutzgebiet hinein. Die Hecke auf der Ostseite des O-wegs ist mit einem 5 m breiten Geländestreifen im Landschaftsschutzgebiet verblieben und bildet damit den gewachsenen Abschluss des Wohngebiets. Die Versiegelung wird durch die geringe Ausnutzung und die textlichen Festsetzungen Nr. 8, dass Stellplätze und Grundstückszufahrten auf den privaten Grundstücken nur in wasserdurchlässiger Ausführung zulässig sind, stark eingeschränkt. Auch das Pflanzgebot nach den textlichen Festsetzungen Nrn. 9 und 10 trägt zur Minimierung des Eingriffs bei.
Durchgreifende Bedenken bestehen hinsichtlich der Ersatzflächen für die Eingriffe in Natur und Landschaft. Zutreffend werden in der Begründung des Bebauungsplanes die von der Planung berührten Flächen und ihr ökologischer Wert im vorhandenen Bestand und nach realisierter Planung gegenübergestellt. Auch die Ermittlung des erforderlichen Ersatzflächenwertes ist nicht zu beanstanden. Allerdings ist der von der Antragsgegnerin als Ersatzfläche 1 vorgesehene 5 m-Streifen zwischen der Straßenparzelle des O-weges und dem allgemeinen Wohngebiet nicht als Ersatzfläche geeignet bzw. allenfalls eingeschränkt geeignet. Für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach § 8 a BNatSchG, § 1a Abs. 3 BauGB kommen nur Flächen in Betracht, die aufwertungsbedürftig und aufwertungsfähig sind (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid v. 10.9.1998 -- 4 A 35.97 --, BauR 1999, 484; Urt. v. 28.1.1999 -- 4 A 18.98 --, BRS 62 Nr. 223). Diese Voraussetzungen erfüllen sie, wenn sie in einen Zustand versetzt werden können, der sich im Vergleich mit dem früheren als ökologisch höherwertig einstufen lässt. Die Ersatzfläche 1 soll nach der Begründung des Bebauungsplanes als intensiv genutzte Ackerfläche aufgegeben werden und der Eigenentwicklung überlassen werden und nur zur Vermeidung der Verbuschung einmal im Jahr gemäht werden. Wie die Antragsgegnerin aber im Normenkontrollverfahren selbst vorgetragen hat, steht auf der Ersatzfläche eine dichte Hecke, die erhalten werden soll. Selbst wenn die Hecke nicht die gesamte Breite von 5 m einnimmt, wird bisher nur ein relativ schmaler Streifen dieses 5 m-Streifens als Acker genutzt. Die Hecke selbst soll nicht aufgewertet werden, sondern nur erhalten werden. Das aber stellt keine ökologische Aufwertung dar. Dementsprechend steht für eine Aufwertung auch nicht eine Fläche von 900 qm zur Verfügung, wie auf Seite 14 der Begründung behauptet wird.
Die Ersatzfläche 2 ist grundsätzlich geeignet, die Eingriffe in Natur und Landschaft im Plangebiet auszugleichen. Die Lage der Ersatzflächen im Landschaftsschutzgebiet steht dem nicht entgegen. Landschaftsschutzgebiete dienen nach § 26 NNatSchG nicht nur der Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder der Nutzbarkeit der Naturgüter, der Erhaltung des Landschaftsbildes oder der Qualität als Erholungsgebiet, sondern auch der Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder der Nutzbarkeit der Naturgüter. Schon aus diesem Zweck der Landschaftsschutzverordnung ergibt sich, dass auch Flächen in Landschaftsschutzgebieten aufwertungsfähig sind. Darüber hinaus ergibt sich aber auch aus der Stufung der Gebiete zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft (§§ 24 ff. NNatSchG) sowie aus der Großflächigkeit von Landschaftsschutzgebieten, dass auch Flächen in Landschaftsschutzgebieten ökologisch aufgewertet werden können.
Für die Ersatzfläche 2 liegt es auf der Hand, dass sie aufwertungsfähig ist, denn ein intensiv genutzter Acker kann in vielfältiger Weise ökologisch verbessert werden. Mit der vorgesehenen Umgestaltung zur Wiese, der Einsaat von Wildkräutern und den randlichen Sukzessionsstreifen wird die bisherige Ackerfläche ökologisch aufgewertet. Allerdings war die Durchführung der Ersatzmaßnahmen im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses nicht ausreichend gesichert. Nach dem Inkrafttreten von § 1 a Abs. 3 BauGB 1998 sind zwar neben die Darstellungen und Festsetzungen zum Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft im Flächennutzungsplan bzw. Bebauungsplan auch vertragliche Vereinbarungen gemäß § 11 BauGB oder sonstige geeignete Maßnahmen zum Ausgleich auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen getreten. Geeignete Maßnahmen im Sinne dieser Vorschriften können auch tatsächliche Festlegungen von Ausgleichsmaßnahmen auf Flächen sein, die im Eigentum der Gemeinde stehen oder ihr jedenfalls dauerhaft zur Verfügung stehen. Allerdings ist es erforderlich, dass die sonstigen Maßnahmen im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses eindeutig festgelegt sind und die Flächen in diesem Zeitpunkt auch im Eigentum der Gemeinde bzw. ihr zur Verfügung stehen (vgl. auch Urt. d. Sen. v. 17.12.1998 -- 1 K 4008/97 --, BRS 60 Nr. 5). Hier hat sich der Eigentümer der Ersatzfläche 2 erst in einem Erschließungsvertrag vom 21.2.2000 verpflichtet, die Fläche unentgeltlich kosten- und lastenfrei an die Antragsgegnerin zu übertragen, nachdem die Antragsgegnerin am 30. August 1999 den Satzungsbeschluss gefasst hat. Da der Bebauungsplan am 20. April 2000 im Amtsblatt des Landkreises bekannt gemacht wurde, die Gemeinde aber erst am 13. November 2000 als Eigentümer der Ersatzfläche 2 eingetragen worden ist, kann auch offen bleiben, ob der Zeitpunkt, in dem die Gemeinde Eigentümer der für die Ersatzmaßnahme vorgesehenen Fläche sein muss, bis zur Bekanntmachung des Planes hinausgeschoben werden kann. In der Regel wird der Rat der Gemeinde bei laufenden Erwerbsverhandlungen wohl davon ausgehen können, dass die als Ersatzfläche in Aussicht genommene Fläche auch von der Gemeinde erworben wird; gesichert ist die Fläche jedoch erst mit dem Eigentumserwerb.
5. Die Abwägung hinsichtlich des Lärmschutzes gibt ebenfalls Anlass zu erheblichen Bedenken. Wie sich aus Nr. 4.2 der Begründung des Bebauungsplanes ergibt, hat die Antragsgegnerin die Probleme gesehen, die sich aus der Lage des Plangebiets an der L X ergeben. Die Lärmemissionen der mit 5.594 Kfz pro 24 Stunden im Jahresschnitt belasteten L liegen nach der Begründung des Bebauungsplanes in einem Abstand von 25 m von der Mitte des Fahrstreifens bei 64/53 dB(A) tags/nachts und damit im Dorfgebiet in einem Bereich unterhalb der Emissionsgrenzwerte der 16. BImSchV und oberhalb der Richtwerte der DIN 18005 "Schallschutz im Städtebau", der einer Abwägung zugänglich ist. Diese -- vom Planverfasser überschlägig -- errechnete Prognose wird allerdings von dem später vorgelegten Gutachten nicht ganz bestätigt, vielmehr ergibt sich eine etwas höhere Lärmbelastung insbesondere in der Nacht: Die Lärmbelastung bis zu 52,5 dB(A) reicht bis zu 35 m in die Tiefe der beiden bebauten Grundstücke an der H Landstraße. Der Gutachter geht daher auch in seiner Zusammenfassung davon aus, dass ein etwaiges drittes Haus an der H Landstraße auf der Südseite bei schutzbedürftigen Räumen mit passivem Schallschutz zu versehen sei. Diese Lärmbelastung des Dorfgebietes an der H Landstraße legt eigentlich nahe, über eine Konfliktlösung Lärm nachzudenken: Entweder wäre für diesen Bereich passiver Lärmschutz nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB festzusetzen oder die bebaubare Fläche "zurückzunehmen". Zwar sind die beiden Grundstücke an der H Landstraße bereits bebaut, aber angesichts der Größe der Grundstücke ist eine weitere Bebauung nach der festgesetzten bebaubaren Fläche ohne weiteres möglich.
Dagegen bestätigt das Gutachten Dr. M vom 2.10.2000 die Prognose der Begründung des Bebauungsplanes zum Wohngebiet im Wesentlichen. In der Begründung heißt es, dass auf die südliche Fläche des allgemeinen Wohngebiets, die von der Landesstraße um ca. 60 m abgesetzt liegt, Straßenverkehrsgeräusche von 57/50 dB(A) tags/nachts einwirken. Nach der flächenhaften Lärmdarstellung (Anlage 1 des Gutachtens) liegt das gesamte WA-Gebiet im Bereich von Lärmemissionen zwischen 47,5 und 50 dB(A) nachts. Etwa drei Fünftel des Wohngebiets sind mit 55-57,5 dB(A) tagsbelastet.
Die fehlende Konfliktbewältigung bei der Lärmbelastung des Dorfgebietes an der H Landstraße dürfte durch ein ergänzendes Verfahren nach § 215 a BauGB behebbar sein. Dies kann jedoch offen bleiben, weil der Bebauungsplan für diesen Bereich bereits aus den unter Nr. 3 erörterten Gründen nichtig ist.
6. Anzumerken ist schließlich, dass sich die Antragsgegnerin auch darüber hinwegsetzen durfte, dass der Antragstellerin 1978 beim Kauf des Grundstücks zugesichert worden war, dass sich das Grundstück unverbaubar an das Landschaftsschutzgebiet anschließe. Die Antragstellerin hat diesen Gesichtspunkt als Anregung im Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplanes vorgetragen. Die Samtgemeinde hat seinerzeit im Ergebnis zutreffend darauf hingewiesen, dass Planung und Ortsentwicklung dynamische Prozesse seien und niemand einen allgemeinen Rechtsanspruch auf die Unbebaubarkeit eines Nachbargrundstücks habe. Da die Antragstellerin diesen Gesichtspunkt im Bebauungsplanverfahren nicht mehr ausdrücklich vorgetragen hat, musste die Antragsgegnerin auf diesen Gesichtspunkt in der Abwägung auch nicht gesondert eingehen. Das ergibt sich hier auch daraus, dass bereits der Landkreis H bei der Entlassung der Fläche aus dem Landschaftsschutz die Interessen der Anwohner am Fortbestehen des Landschaftsschutzes gewichtet hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1987 -- 4 NB 1.87 -- ZfBR 1988, 192/194).