Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.04.2001, Az.: 1 L 970/99

Mischgebiet; Rücksichtnahmegebot; Situationsvorbelastung; Tankstelle; Verkaufsshop; Waschhalle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.04.2001
Aktenzeichen
1 L 970/99
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 40177
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 25.11.1998 - AZ: 2 A 22/96

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Frage, ob der Betrieb der Waschanlage und des Verkaufsshop in einer Tankstelle mittlerer Größe in einem zum Mischgebiet entwickelten früheren allgemeinen Wohngebiet zulässig ist.

Gründe

I.

1

Die Kläger sind Eigentümer des im Jahre 1974 mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks P.straße 35 in W./A.. Sie wenden sich gegen eine der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum Umbau der Tankstelle auf dem südlich an ihr Grundstück angrenzenden Grundstück P.straße 31. Beide Grundstücke liegen auf der Westseite der P.straße, der verkehrsreichen Ortsdurchfahrt einer Landesstraße. Westlich an das Grundstück der Kläger angrenzend befindet sich ein Verbrauchermarkt und in dessen Nachbarschaft westlich und nördlich ein Chinarestaurant, eine Tischlerei und deren Ausstellungsräume. An der P.straße liegen nördlich des Grundstücks der Kläger zwei Wohnhäuser, eine Spielhalle und die Hauptschule, sowie südlich ein landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetrieb, eine Bäckerei, eine Videothek, ein Papier-Spielwarenladen, ein Drogeriemarkt, eine Apotheke, ein Porzellan-, Goldschmied-Uhrmachergeschäft und eine Arztpraxis jeweils mit Wohnnutzung in den Obergeschossen und etwa fünf weitere Gebäude mit reiner Wohnnutzung.

2

Die dort betriebene Tankstelle ist erstmals im Jahre 1963 genehmigt worden und wird seit dem dort ununterbrochen betrieben. Mit zwei Baugenehmigungen aus dem Jahre 1975 und 1977 wurde die Tankstelle um zwei Hallen im nördlichen Teil des Grundstücks erweitert. Unter dem 8. März 1995 wurde den Rechtsvorgängern der Beigeladenen eine Baugenehmigung erteilt für die Erweiterung des Tankstellengebäudes im südlichen Grundstücksteil, den Abbruch und die Neuerrichtung der Überdachung der Zapfsäulen sowie den Umbau der Waschhalle. In die bereits vorhandene nördliche Pflegehalle soll eine automatische Waschanlage eingebaut werden. Ein im Rahmen des Genehmigungsverfahrens von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen vorgelegtes schalltechnisches Gutachten des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt vom 7. Dezember 1994 kommt zu dem Ergebnis , dass bezogen auf den isolierten Betrieb der Waschanlage unter Einhaltung bestimmter Bedingungen tagsüber am Wohnhaus der Kläger ein Beurteilungspegel von etwa 51 dB(A) zu erwarten sei. In die Baugenehmigung wurde aufgrund dieses Gutachtens sowie der Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamtes Celle aufgenommen, dass ein Nachtbetrieb der Anlage - wie schon in der Vergangenheit - nicht erfolgen solle. Unter der Auflage Nr. 27 ist der gegenüber dem Wohnhaus der Kläger einzuhaltende Immissionsrichtwert mit 60 dB(A) angegeben im Hinblick auf die Einordnung des Gebietes als Mischgebiet. Der Betrieb der Kfz-Waschhalle ist auf die Zeit von 07.00 Uhr bis 19.00 Uhr beschränkt. Die Verkehrsführung der Fahrzeuge zur Waschhalle ist südlich am Gebäude vorbeizulenken und der Betrieb der Waschanlage nur bei geschlossenen Toren zulässig.

3

Die Kläger legten gegen die Baugenehmigung Widerspruch ein mit der Begründung durch die Vergrößerung der Tanksäulenüberdachung werde ihr Wohnzimmer, das sich in der südlichen Haushälfte befinde, beschattet. Der Betreib der Waschhalle werde zu unzumutbaren Belästigungen für ihr Grundstück führen. Mit Bescheid vom 20. Februar 1996 wies die Bezirksregierung den Widerspruch der Kläger zurück.

4

Ihre dagegen erhobene Klage haben die Kläger über ihr bisheriges Vorbringen hinaus damit begründet, dass unzutreffender Weise in der Baugenehmigung die Immissionsschutzwerte eines Mischgebietes zugrunde gelegt würden. Dies widerspreche der in dem Bebauungsplan für das Gebiet getroffenen Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets.

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Die Kläger haben beantragt,

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die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. März 1995 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 20. Februar 1996 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Zur Begründung hat er ausgeführt: Das Gutachten des TÜV-Hannover/Sachsen-Anhalt habe zutreffend die Immissionswerte eines Mischgebietes zugrunde gelegt, da die tatsächliche baulich Nutzung erheblich von den Festsetzungen des Bebauungsplanes als allgemeines Wohngebiet abweiche und sich als Mischgebiet darstelle. Im übrigen unterschreite der bei der Messung festgestellte Immissionswert von 51 dB(A) auch den für allgemeine Wohngebiete geltenden Richtwert von 55 dB(A).

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Am 7. Mai 1998 hat der Rat der Gemeinde W./A. die 14. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 "L. G." als Satzung beschlossen. Der Bebauungsplan Nr. 5, der erstmals am 20. Juli 1967 als Satzung beschlossen wurde, erfasst u.a. das Gebiet, in dem die Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen liegen. Das Gebiet des Bebauungsplanes war ursprünglich insgesamt als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen. Im September 1984 wurde die 7. Änderung als Satzung beschlossen, nach der für das hier interessierende Gebiet auf der Westseite der P.straße zwischen J. im Süden und M. Straße im Norden die überbaubare Grundstücksfläche und das Maß der bauliche Nutzung wegen der inzwischen bereits vorhandenen intensiveren Nutzung und dichteren Bebauung erheblich erhöht wurden. Die 14. Änderung des Bebauungsplanes erfasst ebenfalls dieses Gebiet und sieht die Ausweisung eines Mischgebietes vor mit einer Grundflächenzahl von 0,6 und einer Geschossflächenzahl von 1,0. In der Begründung heißt es: Die Entwicklung dieses Teilbereichs erfordere wegen seiner Zugehörigkeit zur zentralen Ortslage die Änderung der Gebietsausweisung. Unter Punkt 7.0 der Begründung wird ausgeführt, das Gebiet stehe städtebaulich in direktem Zusammenhang mit der sonstigen Bebauung entlang der P.straße. Im engeren Bereich des Gebiets der 14. Planänderung befinde sich eine Tankstelle, ein Lebensmitteldiscounter, ein größeres Kaffee mit Restaurationsbetrieb, ein Getränkemarkt, ein Juwelier, ein Haushaltswarengeschäft, eine Apotheke und mehrere Einrichtungen der Gesundheitsvorsorge. Es stelle sich deshalb als planerische Notwendigkeit dar, der vorhandenen Entwicklung Rechnung zu tragen. Dem Satzungsbeschluss durch den Rat der Gemeinde W./A. waren Beschlüsse des Verwaltungsausschusses über die vorgebrachten Bedenken und Anregungen der Kläger sowie der Träger öffentlicher Belange am 22. Mai und 21. Oktober 1997 vorausgegangen. Neben dem Satzungsbeschluss enthielt der in seiner Sitzung am 7. Mai 1998 gefasste Beschluss des Rates der Gemeinde W./A. noch folgenden Punkt 1: "Über die während der öffentlichen Auslegung des Entwurfs der 14. Änderung des Bebauungsplanes W. (A.) Nr. 5 "L. G." vorgebrachten Bedenken und Anregungen privater Personen sowie der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange hat der Verwaltungsausschuss der Gemeine W.(A.) entschieden."

11

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 25. November 1998 auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.

12

Mit Beschluss vom 4. März 1999 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil zugelassen.

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Die Kläger tragen zur Begründung der Berufung vor: Die 14. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 "L. G." der Gemeinde W./A. sei aus formellen und materiellen Gründen nichtig und könne deshalb bei der Überprüfung der Baugenehmigung nicht berücksichtigt werden. Es sei nicht nur der Beschluss über die vorgebrachten Bedenken und Anregungen nicht vom Rat der Gemeinde gefasst worden, sondern auch die der Planung zugrunde gelegte Abwägung sei materiell fehlerhaft, weil sich tatsächlich nicht die vom Rat zugrunde gelegte Wandlung des Gebietes vom allgemeinen Wohngebiet zum Mischgebiet vollzogen habe. Vielmehr seien alle bislang in dem Gebiet ausgeübte Nutzungen auch in allgemeinen Wohngebieten zulässig, so dass sich das Gebiet noch immer als allgemeines Wohngebiet darstelle. In einem allgemeinen Wohngebiet sei jedoch eine Tankstelle mit Waschanlage, wie sie durch die angegriffene Baugenehmigung genehmigt worden sei, nicht zulässig. Mit der angegriffenen Baugenehmigung sei nämlich die Einhaltung der in Mischgebieten geltenden Lärmrichtwerte ermöglicht, die so in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig seien. Darüber hinaus verstoße auch das vergrößerte Dach über den Zapfanlagen und die daran angebrachte Neonbeleuchtung gegen das Gebot der Rücksichtnahme, weil dies zu einer erheblichen Belästigung im Wohnhaus der Kläger führe.

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Die Kläger beantragen,

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unter Abänderung des angefochtene Urteils die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. März 1995 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 20. Februar 1996 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

18

Zur Begründung verweist er darauf, dass der Rat der Gemeinde W./A. mit Beschluss vom 22. April 1999 über die Anregungen und Bedenken sowie das Abwägungsergebnis entsprechend der Empfehlung des Verwaltungsausschusses selbst entschieden habe. Durch diese fehlerfreie Wiederholung des Verfahrens sei der Bebauungsplan nunmehr rückwirkend in Kraft gesetzt. Das Gebiet stelle sich auch als typisches Mischgebiet dar, in dem die Tankstelle mit Waschanlage wie genehmigt zulässig sei. Der Satzungsbeschluss der Gemeinde W./A. vom 22. April 1999 sei im Amtsblatt des Landkreises C. vom 27. März 2001 bekannt gemacht worden.

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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

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Im Verlauf der Besichtigung der Örtlichkeiten durch den Senat am 5. April 2001 hat der Beklagte die Nebenbestimmung Nr. 27 der angefochtenen Baugenehmigung zu Protokoll dahin abgeändert, dass "auch für das Haus P.straße Nr. 35 ein Beurteilungspegel vom 55 dB(A) tags nicht überschritten werden darf und die Waschhalle an Sonn- und Feiertagen nicht betrieben werden darf". Die Änderung hat die Beigeladene mit Erklärung zu Protokoll akzeptiert.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

II.

22

Die Berufung der Kläger ist nicht begründet.

23

Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Anspruch der Kläger auf Beachtung der Gebietsausweisung und des Rücksichtnahmegebotes (§ 15 BauNVO) nicht. Eine Waschhalle in der genehmigten Form, wie auch die Überdachung der Zapfanlagen und die Erweiterung des Tankstellenshops, sind in dem Gebiet zulässig und müssen von den Nachbarn hingenommen werden.

24

Im Rahmen einer Nachbarklage ist eine zwischenzeitlich ergangene Rechtsänderung zu Gunsten des Bauherrn zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. vom 22.4.1996 - 4 B 54/96 - NVwZ-RR 1996, 628). Damit ist auch eine Bebauungsplanänderung, die erst im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens beschlossen worden und in Kraft getreten ist, zu Gunsten des Bauherrn zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung kann insoweit auf die 14. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 "L. G." der Gemeinde W. /A. zurückgegriffen werden, die am 7. Mai 1998 als Satzung beschlossen wurde und das Gebiet, in dem sich die beiden Grundstücke befinden, als Mischgebiet ausweist. Diese Fassung des Bebauungsplanes ist am 22. April 1999 erneut vom Rat beschlossen und mit Bekanntmachung vom 27. März 2001 im Amtsblatt des Landkreises C. in Kraft getreten. Es spricht Überwiegendes dafür, dass der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde W./A. nicht - mehr - an formellen Mängeln leidet. Über die eingegangenen Bedenken und Anregungen der Kläger und der Träger öffentlicher Belange hatte zunächst nur der Verwaltungsausschuss in seinen Sitzungen am 22. Mai und 22. Oktober 1997 beschlossen und unter anderem die Bedenken der Kläger zurückgewiesen. Der Rat der Gemeinde hatte nämlich in seiner Sitzung vom 7. Mai 1998 die 14. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 als Satzung ohne eine eigene Entscheidung über die eingegangenen Bedenken und Anregungen beschlossen und sich den entsprechenden Beschluss des Verwaltungsausschusses nicht zu eigen gemacht. Aus der Fassung des Ratsbeschlusses ergibt sich, dass der Rat dem Beschluss des Verwaltungsausschusses als abschließend und insoweit für den Rat als bindend ansah. Dem entspricht es, dass die Träger öffentlicher Belange bereits mit Schreiben vom 22. April 1998, also vor der abschließenden Sitzung des Rates, über die Entscheidung des Verwaltungsausschusses über die vorgebrachten Anregungen und Bedenken informiert worden waren. Eine Mitteilung an die Kläger über die Zurückweisung der von ihnen vorgetragenen Anregungen und Bedenken erging offensichtlich nicht. Nachdem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Kläger dieses Vorgehen gerügt hatten, fasste der Rat der Gemeinde W./A. am 22. April 1999 zur Klarstellung des Ratsbeschlusses vom 7. Mai 1998 einen ergänzenden Beschluss: "über die während der öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanes W. (A.) Nr. 5 "L. G." vorgebrachten Bedenken und Anregungen privater Personen sowie der Stellungnahmen der Träger öffentlichen Belange wird entsprechend der Empfehlung des Verwaltungsausschusses vom 21. April 1998 unter Tagesordnungspunkt 13 entschieden." Dieser Beschlusses ist am 27. März 2001 bekannt gemacht. Die abschließende Entscheidung über die eingegangenen Bedenken und Anregungen der Kläger und der Träger öffentlicher Belange ist als Teil der Abwägungsentscheidung dem Satzungsbeschluss vorbehalten (BVerwG, Urt. vom 25.11.1999 - 4 CN 12.98 - ZfBR 2000, 197). Der nachträglich gefasste Ratsbeschluss vom 22. April 1999 sollte ersichtlich dazu dienen, diesen zuvor bestehenden Mangel der abschließenden Entscheidung des Rates auszugleichen. Zwar hat der Rat in seiner Sitzung vom 22. April 1999 den Satzungsbeschluss nicht ausdrücklich wiederholt, aber mit der ausdrücklichen "Klarstellung des Ratsbeschlusses vom 7. Mai 1998" doch konkludent getan. Wie sich aus der Einleitung zu dem Ratsbeschluss ergibt, hat der Rat den vorangegangenen Beschluss des Verwaltungsausschusses als Empfehlung gewertet und sich in Kenntnis der Örtlichkeit und der Verfahrensunterlagen die Abwägung des Verwaltungsausschusses zu eigen gemacht.

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Die 14. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 5 leidet auch nicht an inhaltlichen Abwägungsfehlern. Aus dem Aufstellungsbeschluss und der Begründung ergibt sich, dass der betroffene Teil des gesamten Plangebietes im Laufe der Zeit seit Aufstellung des Planes im Jahre 1967 eine Wandlung vom allgemeinen Wohngebiet zum Mischgebiet erfahren hat. Unter Punkt 7.0 der Planbegründung werden folgende Nutzungen aufgeführt, die im Plangebiet zur Zeit der Beschlussfassung vorhanden waren: Tankstelle, Lebensmitteldiscounter, Kaffee mit Restaurationsbetrieb, Getränkemarkt, Juwelier, Haushaltswarengeschäft, Apotheke und mehrere Einrichtungen der Gesundheitsvorsorge. Dazu kommt nach der Beschreibung der Örtlichkeiten die unmittelbare Nähe zu der zentralen Lage der Gemeinde W. /A., die auf dieses Gebiet ebenfalls prägend einwirkt. Da die tatsächliche Entwicklung ausweislich der Planbegründung in die Abwägung eingestellt wurde, ist insoweit ein Abwägungsmangel nicht zu erkennen. Dies hat auch die Ortsbesichtigung des Senats bestätigt. Die tatsächliche Entwicklung der unmittelbaren Umgebung prägt insbesondere auch das Grundstück der Kläger, das ausschließlich dem Wohnen dient. Abgesehen von der seit 1963 vorhandenen Tankstelle auf dem südlich angrenzenden Grundstück befindet sich auf dem nordwestlich angrenzenden Grundstück ein Aldi-Markt. Diese Einzelheiten ergeben sich zwar nicht aus der Planbegründung selbst, lassen sich aber in - noch - ausreichendem Umfang aus dem Abwägungsvorschlag zur Behandlung der von den Klägern in mehreren Schreiben geltend gemachten Bedenken entnehmen. Hier wird konkret darauf verwiesen, dass durch die Vorbelastung und die weitere Entwicklung der Umgebung das Grundstück der Kläger bereits geprägt ist und andererseits auch in einem Mischgebiet eine weitere Verschlechterung der Lärmbelastung nicht zu erwarten ist, im Hinblick auf die im Mischgebiet geltenden Grenzwerte für Lärmbelastungen gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung.

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Letztlich kann jedoch eine Entscheidung über die formelle und materielle Fehlerlosigkeit der 14. Änderung des Bebauungsplans Nr. 5 dahinstehen, denn die hier von der angefochtenen Baugenehmigung erfassten Bereiche des Tankstellenbetriebs des Beigeladenen wären auch in einem allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig - also auch unter der Geltung der vorhergehenden Fassung des Bebauungsplans Nr. 5 der Gemeinde W./A. - und verstoßen gegenüber den Nachbarn nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das Gebiet hat sich tatsächlich im engeren Umfeld des Grundstücks der Kläger in hohem Maße in Richtung auf ein Mischgebiet entwickelt. Ein Verstoß gegen die den Nachbarn gegenüber zu beachtende Rücksichtnahme läge nur vor, wenn die hier genehmigte Waschanlage als solche bereits in einem allgemeinen Wohngebiet ausgeschlossen wäre oder von ihr Wirkungen verursacht würden, die für die Umgebung unzumutbar sind. Selbst in einem allgemeinen Wohngebiet ist jedoch eine Tankstelle mit Waschanlage nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Bei der Feststellung, ob der ausnahmsweisen Zulässigkeit gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 5 BauNVO im Einzelfall besondere Gründe entgegenstehen, ist insbesondere zu berücksichtigen, wie sich die nähere Umgebung im Hinblick auf bereits vorhandene Vorbelastungen darstellt und welche Größe und Ausstattung andererseits das Vorhaben hat. Diese Vorgaben werden hier im Wesentlichen eingehalten, denn die mit der angefochtenen Baugenehmigung genehmigte Waschanlage geht nicht über das Maß dessen hinaus, was grundsätzlich nach § 4 Abs. 3 Nr. 5 BauNVO im allgemeinen Wohngebiet zulässig ist (König/Roeser/Stock, BauNVO 1999 § 4 RdNr. 83; Fickert/Fieseler, BauNVO, 9. Aufl., 1998 § 4 RdNr. 10 und 10.11; OVG Münster, Urt. vom 14.3.1996 - 7 A 3703/92 - NVwZ-RR 1997, 16; VGH Bad.-Württ., Urt. vom 28.10.1992 - 3 S 927/92 -, veröffentlicht in Juris; Urt. des 6. Senats vom 9.6.1997 - 6 L 1745/95 -). Zwar sah die Baugenehmigung, die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilt wurde, "nur" die Einhaltung der für Mischgebiete geltenden Tagesrichtwerte von 60 dB(A) gegenüber dem Grundstück der Kläger vor, obwohl sich aus dem vor Erteilung der Baugenehmigung eingeholten Gutachten ergibt, dass Werte von 55 dB(A) nicht überschritten werden, und den Ausschluss eines Nachtbetriebes nicht aber den eines Betriebs an Sonn- und Feiertagen vor. Der Beklagte hat jedoch in der mündlichen Verhandlung diese Nebenbestimmungen der Baugenehmigung im Einverständnis mit der Beigeladenen geändert und den zulässigen Immissionsrichtwert auf 55 dB(A) reduziert sowie den Betrieb an Sonn- und Feiertagen ausgeschlossen. Damit hat der Beklagte dem Schutzbedürfnis der Kläger in vollem Umfang Rechnung getragen, zumal sich der Gebietscharakter deutlich in Richtung auf ein Mischgebiet verändert hat. Dies hat die Ortsbesichtigung des Senats bestätigt. Das Grundstück der Kläger grenzt mit seiner Westseite an einen ALDI-Markt, dessen Lieferzone sich nahe der Grenze zum Grundstück der Kläger befindet. Auf der Ostseite des Grundstücks der Kläger verläuft die Poststraße, die verkehrsreiche Ortsdurchfahrt einer Landesstraße. In direkter Nachbarschaft zum ALDI-Markt befinden sich außer drei Wohnhäusern ein Chinarestaurant, eine Tischlerei und ihre Ausstellungsräume. An der P.straße liegen - außer der Tankstelle der Beigeladenen - in der unmittelbaren Umgebung des Grundstücks der Kläger eine Spielhalle, die Hauptschule, ein Bauernhof, Bäckerei, Videothek, Papier- und Spielwarengeschäft, Schlecker-Markt, Apotheke, Porzellan- Goldschmied-Uhrmachergeschäft, Arztpraxis und jeweils Wohnnutzung in den Obergeschossen der genannten Geschäftshäuser sowie etwa fünf Gebäude mit ausschließlicher Wohnnutzung. Damit hat sich das Gewicht zwischen Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung deutlich verschoben, was im Rahmen des § 15 BauNVO nicht ohne Auswirkung bleiben kann. Der Betrieb der Waschhalle hält sich innerhalb der Grenzen, die das aus § 15 BauNVO abzuleitende Gebot der Rücksichtnahme in einem Gebiet dieser Prägung setzt. Im Ergebnis ist deshalb die Waschanlage, insbesondere auch mit ihrem zu erwartenden Betrieb, der nach der Änderung der Baugenehmigung durch die Erklärung des Vertreters der Beklagten im Termin der Ortsbesichtigung auch durch die Auflagen der Baugenehmigung festgeschrieben ist, auch in einem allgemeinen Wohn gebiet dieser Prägung zulässig.

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Im Hinblick auf das, was das Grundstück der Kläger an Vorbelastung durch die Nutzung der Umgebung, und den vorhandenen Verkehr auf der Poststraße bereits trifft, ebenso wie die Tatsache, dass die Tankstellennutzung selbst auf dem Grundstück der Beigeladenen bereits vorhanden war, als die Kläger die Wohnnutzung ihres Grundstücks aufnahmen, ist festzustellen, dass von der Tankstelle keine Wirkungen verursacht werden, die für die Kläger in diesem Wohnumfeld unzumutbar sind. Die Anordnung der Anlagen auf dem Grundstück der Beigeladenen ist zudem so gewählt - und insoweit auch durch die Auflagen der Baugenehmigung festgeschrieben - dass der Zufahrtsverkehr zur Waschanlage an der gegenüberliegenden Grundstücksgrenze erfolgt. Die dem Grundstück der Kläger zugewandte Grundstücksseite ist dagegen für Stellplätze vorgesehen. Im übrigen sind die Entfernungen sowohl der Waschhalle als auch der Zapfsäulenüberdachung so bemessen, dass durch sie ebenfalls Beeinträchtigungen mindestens ausreichend gemildert werden. Die Zapfsäulenüberdachung ist mit ihrer nördlichen Kante etwa 18 m von der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Kläger entfernt und die Halle, in der die Waschanlage untergebracht wird, ca. 10 m. Aufgrund dieser Entfernung der Zapfsäulenüberdachung ist nicht erkennbar, dass von dieser unzumutbare Beeinträchtigungen durch Beschattung ausgehen könnten, unabhängig davon, dass die bauordnungsrechtlichen Abstandsvorschriften eingehalten werden. Die von den Klägern darüber hinaus geltend gemachte Blendwirkung durch die an der Überdachung angebrachte Lichtreklame bewegt sich bei dem gegebenen Abstand zur Grundstücksgrenze, der sich bis zum Wohnhaus der Kläger um weitere 3,5 m bis 4 m erhöht, ebenfalls in einem noch hinnehmbaren Maß. Insoweit ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Art der Beleuchtung des Firmenlogos nicht Gegenstand der Baugenehmigung ist, sondern nur dieses selbst. Darüber hinaus hat der Beigeladene der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zugesichert, die Beleuchtung der dem Grundstück der Klägerin zugewandten Dachkante, soweit sie nicht den Schriftzug des Firmenlogos selbst betrifft, abzuschalten, wodurch sich eine mögliche Belästigung noch weiter reduzieren wird. Auch die Erweiterung des "Tankstellen-Shop" hält sich innerhalb des durch das Rücksichtnahmegebot gezogenen Rahmens. Insofern ist zu berücksichtigen, dass ein Tankstellenshop bereits vorhanden war. Die Baugenehmigung erlaubt zwar die bauliche Erweiterung der als Shop genutzten Fläche auf etwa das Doppelte. Jedoch bedeutet dies nicht die Verdoppelung des Kundenstroms. Der "Tankstellenshop" gehört zur Serviceausstattung jeder Tankstelle und damit zum "üblichen" Zubehör, das insoweit auch von den Klägern nicht beanstandet wird. Die von den Klägern im Wesentlichen gerügten Belästigungen beziehen sich vielmehr auf unerwünschte Nebenwirkungen wie Verzehr auf dem Gelände der Tankstelle und Lärm durch Zu- und Abgangsverkehr, die aber nicht zu den von der Baugenehmigung erfassten Nutzungen gehören. Soweit die Kläger sich abgesehen davon durch den Betrieb auf dem Tankstellengelände insgesamt gestört fühlen und insbesondere rügen, dass die in der Baugenehmigung enthaltenen Begrenzungen der Öffnungszeiten nicht eingehalten würden, ebenso wie die Auflage etwa nur bei geschlossenen Türen die Waschhalle zu betreiben, können sie damit im Rahmen der Überprüfung der Baugenehmigung ebenfalls nicht gehört werden.

Sonstiger Langtext

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Beschluss

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Der Wert des Streitgegenstands für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,-- DM festgesetzt.