Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.04.2001, Az.: 4 PA 1166/01
aufenthaltsbeendende Maßnahmen; entgegenstehende Gründe; freiwillige Ausreise; Identitätsnachweis; Reisepass; Vergünstigung für Leistungsberechtigte
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 25.04.2001
- Aktenzeichen
- 4 PA 1166/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 39440
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 02.03.2001 - AZ: 7 A 6311/00
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 AsylbLG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Daraus, dass § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht auf tatsächliche Gründe abstellt, ergibt sich unter Beachtung der rechtssystematischen Zusammenhänge, dass nur solche Umstände, die als ausschließlich tatsächliche Gründe anzusehen sind, nicht berücksichtigt werden, jedoch solche tatsächlichen Umstände beachtlich sein können, die zusätzlich auch als humanitäre oder persönliche Gründe zu werten sind (Bestätigung der bisherigen Senatsrechtsprechung; a.A. Nds. OVG, 12. Senat, Beschl. v. 27.03.2001 - 12 MA 1012/01 -).
2. Kann ein Ausländer nicht ausreisen und nicht abgeschoben werden, weil ihm Pass- oder Passersatzpapiere fehlen, rechtfertigt ein solcher tatsächlicher Grund allein nicht die Vergünstigung des § 2 Abs. 1 AsylbLG durch Gewährung von Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes. Ein der Ausreise und Abschiebung entgegenstehender persönlicher und humanitärer Grund, der die Vergünstigung auslöst, kann aber dann gegeben sein, wenn der Betroffene diese Situation auch durch eigene Bemühungen nicht beenden kann (wie Beschl. v. 08.02.2001 - 4 M 3889/00 -).
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Beschwerde ist begründet (§ 146 Abs. 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Prozesskostenhilfe wird nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 116 Satz 2, § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Dies erfordert eine vorläufige Prüfung der Erfolgsaussicht der Klage. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfe-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darf einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347 <357 f.>). Zur Gewährung von Prozesskostenhilfe ist es daher einerseits nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist. Andererseits darf die Prozesskostenhilfe verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BVerwG, Beschluss vom 5. Januar 1994 - 1 A 14/92 - Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 33 ).
Eine nicht nur entfernte Erfolgschance ist hier gegeben. Der beschließende Senat teilt die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 AsylbLG grundsätzlich nicht vorliegen, wenn eine Abschiebung oder Ausreise auf Grund fehlender Reisepapiere nicht möglich ist, nicht. Er führte in einem Parallelverfahren (Beschluss vom 8. Februar 2001 - 4 M 3889/00 - ) aus:
"Der Senat nimmt mit dem Verwaltungsgericht auch an, dass ausländerrechtlich das Fehlen von Pass- oder Passersatzpapieren ein tatsächlicher Grund im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG ist, aus dem die Abschiebung unmöglich ist. Daraus, dass gem. § 55 Abs. 2 AuslG Duldungen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zu erteilen sind, während nach § 55 Abs. 3 AuslG - unter den Einschränkungen von § 55 Abs. 4 AuslG - Duldungen u.a. aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen erteilt werden können, kann jedoch nicht gefolgert werden, dass tatsächliche Gründe in ausländerrechtlicher Hinsicht nicht (auch) humanitäre oder persönliche Gründe im Hinblick auf § 2 AsylbLG sein können. Anhaltspunkte hierfür lassen sich den Regelungen des AsylbLG nicht entnehmen. Danach schließen Gründe, die einer Rückkehr nur in tatsächlicher Hinsicht entgegenstehen, zwar eine leistungsrechtliche Besserstellung aus, weil sie von § 2 AsylbLG nicht mitumfasst werden. Dies bedeutet aber nicht, dass tatsächliche Gründe nicht zugleich die Annahme eines humanitären, persönlichen oder rechtlichen Grundes rechtfertigen können (vgl. Hohm, Voraussetzungen einer leistungsrechtlichen Besserstellung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, NVwZ 2000, S. 772, 773 [OLG Düsseldorf 28.10.1999 - 2 U 77/99]). Unabhängig von der ausländerrechtlichen Einordnung von Gründen, die einer Abschiebung entgegenstehen, bleibt somit im Hinblick auf § 2 AsylbLG eigenständig zu prüfen, ob entweder diese Gründe auch humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe sind, aus denen die Ausreise nicht erfolgen kann und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, oder aber neben den ausländerrechtlich für eine Duldung bereits genügenden Gründen weitere Gründe für eine Zuerkennung von Leistungen entsprechend dem BSHG gem. 2 Abs. 1 AsylbLG vorliegen (Senat, Beschl. v. 17.1.2001 - 4 M 4422/00 -).
Nach Classen (Eckpunkte zu § 2 Asylbewerberleistungsgesetz, Asylmagazin 2000, Heft 7-8, S. 31, 34) liegt ein rechtlicher Grund im Sinne von § 2 AsylbLG vor, wenn eine Abschiebung und eine freiwillige Ausreise scheitern, weil Reisedokumente fehlen, der Ausländer aber das Fehlen nicht zu vertreten hat. Classen meint, dass der Begriff der dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen oder einer freiwilligen Ausreise entgegenstehenden rechtlichen Gründe im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG weiter zu fassen sei als der Begriff der rechtlichen Duldungsgründe im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Wortlaut des § 2 AsylbLG in der seit dem 1. Juni 1997 geltenden Fassung im Unterschied zu der vorher gültig gewesenen Fassung nicht mehr auf das Vorhandensein einer Duldung im Sinne des Ausländergesetzes und auch nicht mehr auf die maßgeblichen Gründe für eine Duldungserteilung abstellt, da nicht ausdrücklich auf bestimmte Regelungen des Ausländergesetzes verwiesen werde. Die in § 2 Abs. 1 AsylbLG verwendeten Begriffe seien zwar denen in § 55 Abs. 2 und 3 AuslG ähnlich, aber nicht mit ihnen identisch. So setze nach § 55 Abs. 3 AuslG eine Duldung "dringende" humanitäre oder persönliche Gründe oder "erhebliche" öffentliche Interessen voraus, diese Steigerungsattribute seien in § 2 AsylbLG aber nicht genannt. Die weitere Auslegung sei auch erforderlich, um den Verfassungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Sozialstaatlichkeit sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz gerecht zu werden. Damit könne nicht vereinbart werden, Ausländer zeitlich unbefristet mit gesenkten Leistungen dafür zu sanktionieren, dass sie nicht freiwillig zurückkehren könnten, z. B. weil ihr Herkunftsland zur Ausstellung von Reisedokumenten bzw. einer Aufnahme nicht bereit sei oder weil dorthin kein Reiseweg existiere, ohne dass die betroffenen Ausländer es in der Hand hätten, hieran irgendetwas zu ändern.
Der Senat nimmt aus den genannten verfassungsrechtlichen Gründen, aber auch auf Grund von Sinn und Zweck der Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes die Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 AsylbLG in den von Classen erwähnten Fallkonstellationen an. In der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 24. Oktober 1995 führten die damaligen Fraktionen von CDU/CSU und FDP aus, dass mit der Sozialhilfe dem Hilfeempfänger ein dauerhaft existentiell gesichertes und sozial integriertes Leben "auf eigenen Füßen" gewährleistet werden solle, während der Kerngedanke des Asylbewerberleistungsrechts darin liege, dass diese Leistungen auf die Bedürfnisse eines hier in aller Regel nur kurzen oder vorübergehenden Aufenthalts abzustellen seien (vgl. BT-Drucksache 13/2746, S.11). Die Einschränkungen der Leistungen nach dem BSHG durch das Asylbewerberleistungsgesetz sind demzufolge verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) auch nur gerechtfertigt, weil die in § 1 Abs. 1 AsylbLG aufgeführten Personen über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht nicht verfügen und bei ihnen ein sozialer Integrationsbedarf fehlt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.9.1998 - 5 B 82.97 -, NVwZ 1999, S. 669 = FEVS 49, 97; OVG Lüneburg, Beschl. v. 27.6.1997 - 12 L 5709/96 -, NVwZ-Beil. 1997, S. 95 = Nds.Rpfl. 1997, S. 269 sowie Beschl. v. 21.6.2000 - 12 L 3349/99 - NVwZ-Beil. 2001, 11). Der Gesetzgeber nahm mit der Neuregelung von § 2 AsylbLG an, dass diese Voraussetzungen bei Asylbewerbern in den ersten 36 Monaten ihres Aufenthalts gegeben sind. In diesem Zeitraum können in der Regel unbegründete Asylanträge abschließend abgewiesen werden und die Ausreise bzw. Abschiebung erfolgen, so dass der Aufenthalt bis dahin als nur kurz oder vorübergehend im Sinne der erwähnten Begründung zum Gesetzesentwurf erachtet werden kann. Verlängert sich dieser Zeitraum und damit auch eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG, etwa weil die gebotene Aufklärung schwieriger Sachverhalte eine Entscheidung über das Asylverfahren beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge oder den Verwaltungsgerichten verzögert, regelt § 2 Abs. 1 AsylbLG für Asylbewerber, dass nunmehr ein sozialer Integrationsbedarf besteht, der einer weiteren Leistungskürzung entgegen steht. Denn die weiterhin gültige Aufenthaltsgestattung steht in diesen Fällen als rechtlicher Grund sowohl einer Abschiebung als auch einer freiwilligen Ausreise entgegen. Nichts anderes kann aber für Ausländer gelten, deren Asylbegehren zwar erfolglos abgeschlossen wurde, die aber dennoch nicht abgeschoben werden können und nicht freiwillig ausreisen können, weil Gründe, die - ähnlich wie die Dauer von Asylverfahren - von ihnen nicht beeinflusst werden können, einer Ausreise und Abschiebung entgegenstehen. Der Senat erkennt vor dem dargelegten Hintergrund der gesetzgeberischen Intention im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben für Einschränkungen von Leistungen nach dem BSHG durch das Asylbewerberleistungsgesetz auch derartige Gründe als Gründe im Sinne von § 2 AsylbLG an. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass nach der früheren Fassung von § 2 Abs. 1 AsylbLG das BSHG auf Leistungsberechtigte entsprechend anzuwenden war, wenn sie eine Duldung erhalten haben, weil ihrer freiwilliger Ausreise Hindernisse entgegenstehen, die sie nicht zu vertreten haben, während es nach der Neuregelung ausreicht, dass humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe (oder das öffentliche Interesse) einer freiwilligen Ausreise und dem Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen entgegenstehen, ohne dass hierzu gesondert hinzukommen muss, dass die Betroffenen diese Gründe nicht zu vertreten haben. Eine den Regelungsgehalt des jetzt geltenden Gesetzes einschränkende Interpretation aufgrund des Umstandes, dass das Kriterium des "Vertretenmüssens" nun nicht mehr im Wortlaut enthalten ist, berücksichtigt nicht, dass auch der sonstige Text von § 2 Abs. 1 AsylbLG geändert, insbesondere die Anbindung an die Erteilung einer ausländerrechtlichen Duldung durch eigenständige materielle Voraussetzungen ersetzt wurde. Dass im Rahmen dieser Voraussetzungen nunmehr auch wieder subjektive Kriterien wie der Umstand, ob der einer Abschiebung und Ausreise entgegen stehende Grund von dem Betroffenen beeinflusst werden kann oder nicht, von Relevanz werden können, kann weder dem Wortlaut noch Sinn und Zweck der Neufassung des Gesetzes im Unterschied zu der vorherigen Fassung entnommen werden.
Ist - wie hier - eine Abschiebung oder Ausreise wegen fehlender Pass- bzw. Passersatzpapiere nicht möglich, liegen Gründe im Sinne des § 2 Abs. 1 AsylbLG folglich nur dann vor, wenn festgestellt werden kann, dass der Betroffene diese Situation nicht durch eigene Bemühungen, etwa durch die Benennung seines Herkunftslandes und des Namens, unter dem er dort registriert ist, beenden kann."
Im vorliegenden Verfahren tragen die Kläger Umstände vor, die nach den vorstehenden Erwägungen eine nicht nur entfernte Erfolgsaussicht der Klage begründen. Die syrischen Behörden verlangen für die Ausstellung von Passersatzpapieren die Vorlage von Identitätsnachweisen im Original. Die Kläger tragen vor, solche Dokumente nicht zu besitzen und sie auch nicht aus Syrien erlangen zu können, da alle Verwandten das Land verlassen hätten und ihnen die finanziellen Mittel fehlten, um einen Rechtsanwalt in Syrien damit zu beauftragen, die Dokumente zu beantragen bzw. zu beschaffen. Unabhängig hiervon befürchten sie, als kurdische Volkszugehörige von Syrien nicht als Staatsangehörige anerkannt zu werden. Insofern wird auch die exilpolitische Betätigung der Klägerin zu 1.) zu berücksichtigen sein. Auf diese Tätigkeit stützen die Kläger einen Asylfolgeantrag, über den noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Ob auch insofern Gründe vorliegen, die einer Abschiebung und einer Ausreise aus den in § 2 Abs. 1 AsylbLG genannten Gründen entgegenstehen, ist jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen, braucht hier aber nicht weiter erörtert zu werden, weil der Senat aus den genannten Gründen eine nicht nur entfernte Erfolgsaussicht der Klage bereits wegen der fehlenden Papiere der Kläger annimmt. Ob diese Gründe letztlich Bestand haben und der Klage deshalb Erfolg zukommt, wird im Klageverfahren eingehend aufzuklären und zu würdigen sein. Hierüber kann nicht bereits im Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe entschieden werden.
Der 12. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat sich der zitierten Ansicht des beschließenden Senates zwar nicht angeschlossen und mit Beschluss vom 27. März 2001 - 12 MA 1012/01 - hierzu ausgeführt:
"Um zu beschreiben, wie § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG n.F. die Gründe auffasst, aus denen die Ausreise nicht erfolgen kann und wegen derer aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können (humanitäre, rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse) sind diese Begriffe nicht aufgrund einer reinen Wortinterpretation auszulegen; denn insoweit knüpft diese Bestimmung unmittelbar an § 55 AuslG an (und indirekt an § 30 AuslG, soweit sich diese Bestimmung wiederum auf § 55 AuslG bezieht).
Diese Betrachtung drängt sich bereits aufgrund eines Wortlautvergleichs zwischen § 2 Abs. 1 AsylbLG und § 55 AuslG auf und wird dadurch unterstrichen, dass aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift (BT-Drs. 13/2746) zu entnehmen ist, dass § 2 Abs. 1 AsylbLG an ausländerrechtliche Begriffe anknüpfen wollte, weil der ausländerrechtliche Status des Leistungsberechtigten im Mittelpunkt der Überlegungen des Änderungsvorschlags stand (BT-Drs. 13/2746, S. 11 ff.). So bezieht sich die Einzelbegründung zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Entwurfes (S. 15) unmittelbar auf § 55 AuslG und bezeichnet die Ausländer mit einer Duldung gemäß § 55 AuslG, die "auch zwei Jahre nach erstmaliger Erteilung einer Duldung immer noch den Status der Duldung besitzen, weil ihre Ausreise nicht erfolgen kann oder aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, da humanitäre rechtliche oder persönliche Gründe oder das öffentliche Interesse entgegenstehen".
Auf dieser Grundlage ist von Bedeutung, dass § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG die Bestimmung des § 55 AuslG nicht vollständig widerspiegelt, sondern nur bestimmte in § 55 AuslG bezeichnete Ausreisehindernisse aufnimmt. Während § 55 Abs. 2 AuslG auf die Unmöglichkeit der Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen abhebt und § 55 Abs. 3 AuslG dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen aufführt, greift § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG nicht auf, dass tatsächliche Gründe der Ausreise oder aufenthaltsbeendenden Maßnahmen entgegenstehen können. Diesem Wortlaut ist Bedeutung beizumessen, da die gebotene - wörtliche - Auslegung nicht darüber hinweggehen darf, dass trotz der geschilderten Anknüpfung an § 55 AuslG bestimmte Tatsachenmerkmale dieser Vorschrift in § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG nicht aufgegriffen worden sind. Die Differenzierung zwischen den einzelnen Tatbestandsmerkmalen in § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG, der die Begrifflichkeit des § 55 AuslG aufnimmt, ist auch erforderlich, da § 55 AuslG - wenn auch bei nicht auszuschließenden Überschneidungen - deutlich zwischen den verschiedenen Merkmalen unterscheidet (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AuslR, Stand: Januar 2000, RdNrn. 18 ff. zu § 55; Renner, AuslR, 7.Aufl. 1999, RdNrn. 1 ff zu § 55 AuslG). So liegt die rechtliche Unmöglichkeit vor, wenn sich aus einfachem Gesetzesrecht oder Verfassungsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt, ob mithin eine Abschiebung aus Rechtsgründen möglich ist, kann ausschließlich aus den rechtlichen Verhältnissen und Beziehungen zwischen dem Ausländer und der Bundesrepublik Deutschland, die den Aufenthalt beenden will, abgeleitet werden. Die tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung ist dann gegeben, wenn diese aus Gründen scheitert, die im Tatsächlichen nicht behoben werden können, etwa wenn kein aufnahmebereiter Drittstaat vorhanden ist oder erforderliche Ausweispapiere fehlen (Funke-Kaiser, aaO, RdNrn. 39 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand: Juli 2000, RdNrn. 18 ff. zu § 55 AuslG). Humanitäre und persönliche Gründe sind solche, die noch nicht das Gewicht haben, um aus Rechtsgründen einer Abschiebung entgegenzustehen, die aber geeignet sind, gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer an sich möglichen und zulässigen Aufenthaltsbeendigung zu überwiegen (vgl. Funke-Kaiser, aaO, RdNr. 51).
Eine solche Auslegung verlangt auch der Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 AsylbLG; denn im Hinblick auf den Zweck der Regelung - sie trägt dem Umstand Rechnung, dass nach längerem Aufenthalt im Bundesgebiet die (höheren) Leistungen entsprechend dem Bundessozialhilfegesetz gewährt werden sollen (BT-Drs. 13/2746, S. 12) - ist die Unmöglichkeit der Ausreise oder der Beendigung des Aufenthalts aus tatsächlichen Gründen nicht maßgeblich, weil solchen Gründen - typischerweise - der Charakter des nur Zeitweiligen oder Vorübergehenden anhaftet, da sich die tatsächlichen Umstände - etwa das Fehlen von für die Ausreise erforderlichen Flugverbindungen - häufig und jederzeit ändern können. An dieser Typik des tatsächlichen Umstandes, zu dem regelmäßig auch die Passlosigkeit zählt, ist auch dann festzuhalten, wenn die Unmöglichkeit der Ausreise oder der Beendigung des Aufenthaltes über längere Zeit hinweg besteht.
Geboten ist diese Auslegung auch deshalb, weil bei einer anderweitigen Betrachtung der Zweck des § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG nicht erfüllt werden könnte, die Vorschrift liefe leer. Stellte man darauf ab, das - letztlich - jeder tatsächliche, die Ausreise hindernde Umstand einen humanitären, rechtlichen oder persönlichen Grund abgibt, wäre die Einschränkung des Gesetzes, nicht auf tatsächliche Gründe abzuheben, sinnentleert. Eine solche dem Gesetz seinen Inhalt nehmende Auslegung ist unzulässig, mit dieser Auslegung wäre § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG als ungeschrieben zu betrachten (vgl. auch Hauk, Leistungsanspruch nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bei der Möglichkeit freiwilliger Ausreise, ZFSH/SGB 1999, 650). Im Ergebnis kann der Umstand, dass jeder humanitäre, rechtliche oder persönliche Grund eine Basis im Tatsächlichen haben muss, nicht dazu führen, dass alle tatsächlichen Umstände nur als Hintergrund der rechtlichen, persönlichen oder humanitären Gründe betrachtet werden.
Das vom 4. Senat vorgelegte Auslegungsergebnis, das an Classen (Eckpunkte zu § 2 AsylbLG, Asylmagazin Nr. 7 - 8/2000, 31, 34) anknüpft, wird den aufgezeigten Kriterien nicht gerecht. Das Hauptargument, das der 4. Senat von Classen übernimmt - gebotene verfassungskonforme Auslegung -, trifft so nicht zu. Das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 29.9.1998 - BVerwG 5 B 82.97 -, FEVS 49, 97) hat vornehmlich nicht darauf abgehoben, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dürften deshalb gemindert werden, weil sich der Asylbewerber - typischerweise - nur vorübergehend im Geltungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes aufhalte. Vielmehr hat das Bundesverwaltungsgericht festgehalten, es treffe nicht zu, dass das Existenzminimum durch die Regelsatzleistungen des Bundessozialgesetzes konkretisiert würde, und hat in diesem Sinne die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE, 87, 153, 171) interpretiert. Das Bundesverwaltungsgericht (aaO) hat ausdrücklich festgehalten, dass die Regelsatzleistungen nicht mit der verfassungsrechtlich gebotenen Mindesthilfe gleichgesetzt werden dürfen.
Auch Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, die vom Gesetzgeber gebildeten Gruppen von Ausländern, die höhere Leistungen erhalten, zu modifizieren - etwa im Hinblick auf den Bedarf wegen der nach längerem Aufenthalt wünschenswerten Sozialintegration -; denn die Gruppenbildung ist nicht willkürlich, sondern knüpft an sachgerechte Kriterien an und trennt so die Gruppe der Ausländer, deren Abschiebung oder Ausreise - nur - tatsächliche Gründe entgegenstehen, von der Gruppe der Ausländer, deren Abschiebung oder Ausreise die in § 2 Abs. 1, Halbs. 2 AsylbLG bezeichneten Gründe hindert. Die tatsächlichen Gründe sind - typischerweise - nämlich vorübergehender Art. Der Umstand, dass ein solcher Grund - etwa Passlosigkeit - typwidrig auch längere Zeit nicht zu beheben ist, zwingt den Gesetzgeber unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht, die Gruppenbildung dahin zu differenzieren, bestimmte nur im Tatsächlichen wurzelnde Umstände als Anlass für die Leistungserhöhung heranzuziehen und verbietet es damit den Gerichten im Wege verfassungskonformer Reduzierung den Wortlaut des Gesetzes zu relativieren.
Die weiteren Argumente von Classen, die der 4. Senat gleichfalls übernommen hat, greifen ebenfalls nicht durch. Ein Wortlautvergleich zwischen § 2 AsylbLG n.F. und der vorher gültig gewesenen Fassung ist unergiebig, da er nicht die Entstehungsgeschichte von § 2 Abs. 1 AsylbLG n.F. aufgreift und bewertet, der - ebenso wie die alte Fassung - an die Begrifflichkeit von § 55 AuslG anknüpft (s.o.). Auch das weitere Argument, die in dem § 2 Abs. 1 AsylbLG verwendeten Begriffe seien denen in § 55 Abs. 2 und 3 AuslG ähnlich, aber nicht mit ihnen identisch, führt angesichts der aufgezeigten Folgerung aus der Entstehungsgeschichte und der Wortlautinterpretation nicht weiter.
Entsprechendes gilt für die Überlegungen des 4. Senats zu Sinn und Zweck der Regelung von § 2 Abs. 1 AsylbLG, die so nicht aus der Entstehungsgeschichte abzuleiten sind; zwar ist in der BT-Drs. 13/2746 (S. 11) darauf abgehoben, ein Asylbewerber halte sich typischerweise nur vorübergehend im Bundesgebiet auf, daraus folgt aber nicht, der Gesetzgeber habe die von ihm gewählte Unterscheidung zwischen tatsächlichen und anderen Hindernissen nicht beachtet wissen wollen."
Der Senat hält indessen an den zitierten Gründen des Beschlusses vom 8. Februar 2001 - 4 M 3889/00 - fest. Denn entgegen der Ansicht des 12. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts können bei der Bestimmung persönlicher oder humanitärer Gründe im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht alle die Umstände, die zur Erteilung einer Duldung aus tatsächlichen Gründen nach § 55 Abs. 2 AuslG führen, ausgeschlossen werden, weil in § 55 Abs. 3 AuslG humanitäre und persönliche Gründe ebenfalls Erwähnung finden, die in § 55 Abs. 2 enthaltenen tatsächlichen Gründe in § 2 AsylbLG aber nicht erwähnt werden. Nach § 55 Abs. 3 AuslG kann eine Duldung u.a. dann erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Demgegenüber wird (bindend) gem. § 55 Abs. 2 AuslG eine Duldung erteilt, solange eine Abschiebung u.a. aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist. Diese Struktur schließt im Ausländerrecht eine Entscheidung der Frage, ob tatsächliche Gründe im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG auch humanitäre oder persönliche Gründe im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG sein können, aus. Denn immer dann, wenn tatsächliche Gründe einer Abschiebung entgegenstehen, ist eine Duldung zu erteilen, ohne dass noch zu prüfen ist, ob der Umstand, aus dem sich ein tatsächlicher Grund im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG ergibt, auch einen humanitären oder persönlichen Grund im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG darstellt. Die Frage, ob tatsächliche Gründe auch humanitäre und persönliche Gründe sein können, bleibt wegen der Struktur von § 55 AuslG im Ausländerrecht unbeantwortet, weil sie wegen der dargelegten Stufenfolge nicht beantwortet werden muss.
Es bleibt folglich fruchtlos, zur Entscheidung der materiellen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen tatsächliche Gründe im Sinne des § 55 Abs. 2 AuslG auch persönliche oder humanitäre Gründe im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG oder § 2 Abs.1 AsylbLG darstellen, darauf abzuheben, dass in § 2 Abs. 1 AsylbLG im Unterschied zu § 55 Abs. 2 AuslG tatsächliche Gründe nicht benannt werden. Eine derartige Sichtweise orientiert, sich nicht am Wortlaut der Regelungen, sondern differenziert allein nach Wörtern in den Regelungen, ohne die inhaltliche Struktur und den Regelungszusammenhang von § 55 AuslG einerseits und § 2 Abs. 1 AsylbLG andererseits zu beachten. Daraus, dass das AsylbLG hier nicht auf tatsächliche Gründe abstellt, ergibt sich unter Beachtung dieser rechtssystematischen Zusammenhänge, dass nur solche Umstände, die als ausschließlich tatsächliche Gründe beurteilt werden können, nicht berücksichtigt werden. Die entscheidende Frage, wann konkrete Umstände nicht nur tatsächliche Gründe im Sinne von § 55 Abs. 3 AuslG, sondern zusätzlich auch humanitäre oder persönliche Gründe im Sinne von § 55 Abs. 2 AuslG und § 2 Abs. 1 AsylbLG darstellen können, stellt sich demgegenüber im Ausländerrecht nicht und ist im Rahmen der Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 AsylbLG originär zu prüfen. Der 12. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts geht folglich auch mit der Vermutung fehl, es werde dadurch der Wortlaut des Gesetzes durch eine verfassungskonforme Reduzierung relativiert. Vielmehr geht es um die systematische Interpretation des Gesetzeswortlautes, die nicht durch den Verweis darauf verhindert werden kann, dass in der einen Regelung - § 2 Abs. 1 AsylbLG - einzelne Tatbestände einer anderen Regelung - die tatsächlichen Gründe in § 55 Abs. 3 AuslG - nicht enthalten sind, wenn beide Vorschriften daneben identische Tatbestände - persönliche und humanitäre Gründe - enthalten, deren Regelungsbereiche sich (teilweise) mit dem nicht identischen Tatbestand überschneiden können. Der 12. Senat sieht zwar diese Überschneidungen, nicht aber ihren zentralen Stellenwert in der hier zu entscheidenden Frage. Stattdessen wird die vor diesem Hintergrund gebotene und in dem Beschluss des 4. Senates vom 08. Februar 2001 vorgenommene Bestimmung des materiellen Gehalts der persönlichen und humanitären Gründe in § 2 Abs. 1 AsylbLG (und in § 55 Abs. 3 AuslG, obwohl - wie dargelegt - dort nicht von ausländerrechtlicher Relevanz) ersetzt durch die aus den dargelegten Gründen nicht durchgreifende Behauptung, bei Umständen, die eine Duldung aus tatsächlichen Gründen erforderten, gebe bereits der Wortlaut der Regelungen vor, dass Leistungen in entsprechender Anwendung des Bundessozialhilfegesetzes nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht zu gewähren seien. Der beschließende Senat bemerkt nur noch ergänzend, dass zur inhaltlichen Bestimmung der persönlichen und humanitären Gründe im Sinne von § 2 Abs. 1 AsylbLG auch der vom 12. Senat in den Vordergrund gerückte typischerweise nur zeitweilige und vorübergehende Charakter tatsächlicher Gründe wenig beitragen kann, da nach § 55 Abs. 1 AuslG die Abschiebung eines Ausländers nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 "zeitweise" ausgesetzt werden kann, die Typik des Vorübergehenden also strukturell bei allen Duldungsgründen vorliegt und zu einer weiteren Differenzierung innerhalb der einzelnen Tatbestände der § 55 Abs. 2 bis 4 AuslG ungeeignet ist.
Das Verfahren wird als Beschwerdeverfahren weitergeführt, ohne dass es der gesonderten Einlegung einer Beschwerde bedürfte (§§ 146 Abs. 6 S. 2, 124 a Abs. 2 S. 4 VwGO).
Der Senat entscheidet hier mit der Zulassung der Beschwerde auch über die Beschwerde selbst, ohne der Beklagten nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Denn die Beklagte hat sich bereits zur Sache geäußert und ist dadurch, dass den Klägern für die Klage Prozesskostenhilfe bewilligt wird, nicht beschwert.
Die zugelassene Beschwerde der Kläger ist begründet. Ihre Klage hat aus den vorgenannten Gründen hinreichende Erfolgsaussicht i.S. von § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO, so dass ihnen für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihr Prozessbevollmächtigter beizuordnen ist.