Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.02.2015, Az.: 15 KF 3/14

Bebauungsplan; Entlastungsstraße; Folgenbeseitigungsanspruch; Klageänderung; Sachdienlichkeit; Straße; Umgehungsstraße; Unternehmensflurbereinigung; Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
25.02.2015
Aktenzeichen
15 KF 3/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 44960
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren, das anlässlich der Errichtung einer Straße eingeleitet und in dessen Rahmen bereits der Besitz an Einlagegrundstücken für die Straßentrasse übertragen worden ist, kann als solches nicht fortgeführt werden, wenn die Rechtsgrundlage für die Errichtung der Straße - hier ein Bebauungsplan - gerichtlich für unwirksam erklärt wird und eine neue Rechtsgrundlage nicht besteht.

2. Die vorläufige Besitzübertragung und die Errichtung einer Straße durch den Unternehmensträger stellen keine Vollzugsfolgen i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO der Einleitung des Flurbereinigungsverfahrens dar.

Tenor:

Der (Änderungs-)Einleitungsbeschluss des Amtes für Landentwicklung Aurich vom 5. September 2006 und dessen Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Zur Abgeltung der dem Gericht entstandenen baren Auslagen wird gegen den Kläger ein Pauschsatz in Höhe von 150 EUR festgesetzt; daneben wird die Hälfte einer Gerichtsgebühr nach einem Streitwert von 10.000 EUR erhoben.

Der Kläger und der Beklagte tragen die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Die Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Beschluss des Funktionsvorgängers des Beklagten vom 5. September 2006 über die Änderung des Einleitungsbeschlusses in dem Unternehmensflurbereinigungsverfahren (Umgehungsstraße) Bensersiel vom 20. Dezember 2002 und begehrt ergänzend die Rückgabe seiner zum Bau der Umgehungsstraße Bensersiel genutzten Flächen sowie den Rückbau der Straße.

Im Jahr 2002 betrieb der Landkreis Wittmund ein straßenrechtliches Planfeststellungsverfahren u.a. für die kommunale Entlastungsstraße (Umgehungsstraße) Bensersiel. In ihrer Funktion als Enteignungsbehörde beantragte die Bezirksregierung Weser-Ems am 22. Januar 2002, für dieses Vorhaben ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren einzuleiten.

Nachdem am 13. Dezember 2002 der Aufklärungstermin nach § 5 Abs. 1 FlurbG stattgefunden hatte, ordnete das Amt für Agrarstruktur Aurich durch Beschluss vom 20. Dezember 2002 die Unternehmensflurbereinigung Bensersiel an, um den Landverlust anlässlich des Baus der Umgehungsstraße auf einen größeren Kreis von Eigentümern zu verteilen und die vom Straßenbau verursachten Nachteile für die allgemeine Landeskultur zu vermeiden, zumindest zu beschränken. Das Verfahrensgebiet zur Größe von rd. 1.200 ha mit rund 160 Teilnehmern liegt in der Samtgemeinde Esens, Landkreis Wittmund.

Der Kläger ist als Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen unter der Ordnungsnummer 188 Teilnehmer an diesem Flurbereinigungsverfahren. Er bringt rd. 71,5 ha vorwiegend landwirtschaftlich genutzter Flächen in die Unternehmensflurbereinigung ein, davon rd. 49,8 ha Grünland und rd. 20,7 ha Ackerland. Seine verpachtete Hofstelle liegt westlich der Ortschaft Bensersiel, Stadt Esens (Beigeladene).

Der Landkreis Wittmund stellte unter dem 11. Dezember 2003 das Planfeststellungsverfahren nach §§ 38 ff. Nds. Straßengesetz für den Bau der Umgehungsstraße ein. Zuvor hatte die Beigeladene am 1. Dezember 2003 die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 67 „Kommunale Entlastungsstraße Bensersiel“ beschlossen. Der bereits zuvor benannte Funktionsvorgänger des Beklagten teilte dem Kläger unter dem 10. Februar 2004 mit, auf Grund des Aufstellungsbeschlusses der Beigeladenen sehe er keinen Anlass, das Flurbereinigungsverfahren einzustellen. Nachdem die Beigeladene am 20. September 2004 den genannten Bebauungsplan beschlossen und der Landkreis Wittmund den für die Errichtung von Brückenbauwerken für die Umgehungsstraße erforderlichen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss unter dem 22. März 2006 erlassen hatte, beantragte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport - Regierungsvertretung Oldenburg - in seiner Funktion als Enteignungsbehörde unter dem 15. August 2006 die Einleitung bzw. die Fortführung der Unternehmensflurbereinigung Bensersiel; zugleich stellte es die Zulässigkeit der Enteignung für dieses Vorhaben nach den §§ 85 ff. BauGB fest.

Das Amt für Landentwicklung Aurich als Funktionsvorgänger des Beklagten änderte durch Beschluss vom 5. September 2006 den Einleitungsbeschluss vom 20. Dezember 2002 insoweit, als das Flurbereinigungsverfahren Bensersiel nunmehr auf anderer enteignungsrechtlicher Grundlage, jedoch unter Beibehaltung der Vorschriften der §§ 87 ff. FlurbG fortgeführt werde; im Übrigen gälten die Gebietsabgrenzung sowie die weiteren Bedingungen des Einleitungsbeschlusses vom 20. Dezember 2002 weiter, sofern nichts Abweichendes geregelt sei. Außerdem ordnete es die sofortige Vollziehung seines Beschlusses vom 5. September 2006 an und führte zu deren Begründung u. a. aus: Da die Enteignungsbehörde unter dem 15. August 2006 die Einleitung bzw. die Fortführung der Unternehmensflurbereinigung beantragt und zugleich die Zulässigkeit der Enteignung festgestellt habe, lägen die Voraussetzungen für die Einleitung einer Unternehmensflurbereinigung - wieder - vor. Weiter liege es im überwiegenden Interesse der Verfahrensbeteiligten und im öffentlichen Interesse, die sofortige Vollziehung des Änderungsbeschlusses anzuordnen. Der Bau der kommunalen Entlastungsstraße stehe kurz bevor. Um den alsbaldigen Beginn der Baumaßnahmen gewährleisten zu können, müsse das Flurbereinigungsverfahren ohne Verzögerungen fortgeführt werden.

Der Kläger legte am 10. Oktober 2006 gegen den am 29. September 2006 öffentlich bekannt gemachten Änderungsbeschluss Widerspruch ein. Er machte im Wesentlichen geltend: Der Änderungsbeschluss sei rechtswidrig. Die Unternehmensflurbereinigung hätte nach § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG eingestellt werden sollen, weil das zugrunde liegende straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren eingestellt worden sei. Auch liege nicht lediglich eine Änderung der Enteignungsgrundlage vor. Die ursprünglich vom Landkreis Wittmund beabsichtigte Planfeststellung sei mit dem Vorhaben der Beigeladenen nicht identisch.

Das Amt für Landentwicklung Aurich als Funktionsvorgänger des Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008, dem Kläger zugestellt am 3. Juli 2008, zurück. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Sowohl der Einleitungsbeschluss vom 20. Dezember 2002 als auch der Änderungsbeschluss vom 5. September 2006 seien rechtmäßig. Zunächst sehe § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG nicht zwingend die Einstellung des Flurbereinigungsverfahrens vor. Des Weiteren sei nach dieser Bestimmung die Einstellung des Verfahrens für den Fall vorgesehen, dass das Unternehmen ganz aufgegeben und deshalb nicht mehr durchgeführt werde. Das sei hier gerade nicht der Fall. Der Bau der kommunalen Entlastungsstraße werde - nunmehr auf Grundlage eines Bebauungsplanes - unverändert weiterbetrieben. Ferner sei es aus wirtschaftlichen und zeitlichen Gründen nicht gerechtfertigt, das ursprüngliche Flurbereinigungsverfahren einzustellen und - nunmehr auf Grundlage des Bebauungsplanes - mit der gleichen Zielrichtung unter für die Teilnehmer gleichen Bedingungen erneut einzuleiten.

Der Kläger hat am 4. August 2008, einem Montag, die vorliegende Klage erhoben (vormals Az. 15 KF 13/08), mit der er ursprünglich „nur“ die Aufhebung des geänderten Einleitungsbeschlusses vom 5. September 2006 und des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2008 begehrt hat. Ergänzend zu seinem vorprozessualen Vorbringen hat er zur Begründung dieses Antrages zunächst geltend gemacht: Das Unternehmensflurbereinigungsverfahren Bensersiel hätte nach § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG eingestellt werden müssen. Eine Umstellung des Flurbereinigungsverfahrens nach § 87 Abs. 3 Satz 2 FlurbG sei nicht möglich. Das Verfahren könne auch nicht mit anderer enteignungsrechtlicher Grundlage unter Berufung auf § 87 Abs. 4 FlurbG fortgeführt werden. Da das ursprüngliche straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren knapp drei Jahre zuvor eingestellt worden sei, fehle der zeitliche Zusammenhang für eine Fortführung des Verfahrens. Zudem sei die Fortführung des Verfahrens nicht formgerecht erfolgt; es fehle die öffentliche Bekanntmachung der (Änderungs-)Anordnung. Es treffe nicht zu, dass hier lediglich die für das Verfahren erforderliche Enteignungsgrundlage, nicht hingegen alle anderen Aspekte wie Trassenführung, Finanzierung und Landverlust geändert worden seien. Tatsächlich gehe es der Beigeladenen nicht lediglich um den Bau der Umgehungsstraße. Gegenstand ihres Bebauungsplans Nr. 67 sei nach dessen amtlicher Begründung auch die Errichtung weiterer Erschließungsstraßen. Durch den Bau dieser Erschließungsstraßen quer durch seine landwirtschaftlichen Flächen sollten die Ortsbebauung von Bensersiel an die Umgehungsstraße angeschlossen und dabei weitere Siedlungsflächen erschlossen werden. Auch das im Januar 2006 vorgelegte Regionale Raumordnungsprogramm des Landkreises Wittmund sehe für seine zwischen der geplanten Umgehungsstraße und der Ortschaft Bensersiel gelegenen Flächen eine landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr vor.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2009 hat der Senat den Antrag des Klägers abgelehnt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den für sofort vollziehbar erklärten Änderungsbeschluss vom 5. September 2006 wiederherzustellen (15 MF 5/09 – AUR 2009, 251 ff. [OVG Niedersachsen 25.02.2009 - 15 MF 5/09]); wegen der Einzelheiten wird auf diesen Beschluss verwiesen.

Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten ist am 1. Juli 2009 das Ruhen dieses Klageverfahrens angeordnet worden, um den Ausgang der Normenkontrollverfahren des Klägers abzuwarten, die sich gegen die Bebauungspläne der Beigeladenen für die Umgehungsstraße richteten.

Streitpunkt war dabei insbesondere die Vereinbarkeit dieser Straßenplanung mit Art. 4 der Richtlinie 2009/147/EG - Vogelschutzrichtlinie, zuvor Richtlinie 79/409/EWG. Denn (vgl. zum Folgenden: Külpmann, jurisPR-BVerwG 15/2014, Anm. 4) die Straßentrasse führt durch ein Gebiet, das bei Sudfeldt et al., Important Bird Areas in Deutschland, Stand: 01.07.2002, mit dem Eintrag „Norden-Esens, binnendeichs, 10 485 ha“ als sog. IBA-Gebiet aufgeführt war. Dennoch war es nicht Bestandteil einer ersten Meldung von deutschen Vogelschutzgebieten an die Europäische Kommission im Jahr 2002. Die Europäische Kommission forderte die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2003 zur Nachmeldung des Gebietes als Besonderes Schutzgebiet auf. Dies unterblieb zunächst. Die Beigeladene beschloss den Bebauungsplan Nr. 67 im Jahr 2004. Mit Blick auf den Vogelschutz meinte sie, es gebe keinen Anlass, das fragliche Gebiet als eines der für die Erhaltung der in Betracht kommenden Arten zahlen- und flächenmäßig am geeignetsten einzustufen. Im Jahr 2007 und nach erneuter Kritik der Europäischen Kommission beschloss die niedersächsische Landesregierung die Nachmeldung eines Vogelschutzgebietes als sog. V 63 („Ostfriesische Seemarsch zwischen Norden und Esens“). Dieses reichte in der im Jahr 2007 gemeldeten Fassung bis an die Trasse der geplanten Straße heran, schloss sie aber nicht ein. Im folgenden Jahr 2008 lehnte der 1. Senat des erkennenden Gerichts den gegen den Bebauungsplan Nr. 67 gerichteten Normenkontrollantrag ab (Urt. v. 22.5.2008 - 1 KN 149/05 -, NuR 2008, 805). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Straßentrasse zwar wegen der Aufnahme in die o.a. IBA-Liste in einem faktischen Vogelschutzgebiet liege und der Bebauungsplan im Zeitpunkt seines Inkrafttretens deshalb mit dem strengen Beeinträchtigungs- und Störungsverbot eines solchen Gebiets nach Art. 4 Vogelschutzrichtlinie nicht vereinbar gewesen sei; dieser Mangel sei aber durch die im Jahr 2007 erfolgte, in der Sache, d.h. im Umfang des gemeldeten Gebiets, nicht zu beanstandende Nachmeldung geheilt worden. Gegen dieses Urteil wurde auf den Antrag des Klägers im Juni 2009 die Revision zugelassen. Auch dieses Revisionsverfahren (ursprüngliches Aktenzeichen 4 BN 28/08 für das Beschwerde- und 4 CN 2/09 für das Revisionsverfahren) ruhte zunächst. Denn die Beigeladene hatte zwischenzeitlich vorsorglich zur Beseitigung etwaiger Mängel für die Straße den neuen Bebauungsplan Nr. 72 einschließlich erster Änderung vorgelegt. Der Normenkontrollantrag des Klägers gegen beide Pläne hatte Erfolg (Urt. des 1. Senats des erkennenden Gerichts v. 10.4.2013 - 1 KN 33/10 -; BVerwG, Beschluss auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen v. 13.1.2014 - 4 BN 37/13 -). Nunmehr hatte der 1. Senat in Abkehr von seinem vorangegangenen Urteil angenommen, auch die Gebietsabgrenzung des im Jahr 2007 nachgemeldeten Gebietes sei fehlerhaft, so dass auch der neue Bebauungsplan Nr. 72 zu einer unzulässigen Beeinträchtigung eines faktischen Vogelschutzgebietes führe. Zwischenzeitlich war auch das ruhende Revisionsverfahren (altes Aktenzeichen: 4 CN 2/09) gegen den alten Bebauungsplan Nr. 67 unter dem neuen Aktenzeichen 4 CN 3/13 wiederaufgenommen worden. Unter dem letztgenannten Aktenzeichen änderte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. März 2014 (BVerwGE 149, 229 ff.) das Urteil des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 22. Mai 2008 und erklärte auf die Revision des Klägers (auch) den Bebauungsplan Nr. 67 für unwirksam. Die im Jahr 2007 erfolgte Nachmeldung eines Vogelschutzgebiets habe den ursprünglichen Mangel nicht geheilt.

Auf den Antrag des Klägers ist danach im April 2014 das vorliegende Klageverfahren wiederaufgenommen worden.

Parallel dazu beantragte der Kläger mit Schreiben vom 7. April 2014 beim Beklagten, das bis dahin ebenfalls einvernehmlich ruhende Widerspruchsverfahren gegen die vorläufige, sofort vollziehbare Anordnung nach § 36 FlurbG des Funktionsvorgängers des Beklagten vom 28. November 2008 fortzuführen und diese Anordnung auf seinen Widerspruch hin nunmehr aufzuheben. Mit dieser Anordnung war dem Antragsteller (gegen eine Austauschfläche) der Besitz an 5,2138 ha dauerhaft und an 2,1459 ha vorübergehend als Bedarfsflächen für den als dringlich angesehenen Bau der Umgehungsstraße entzogen worden. Ein Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen diese Anordnung war zuvor vom Senat abgelehnt worden (vgl. Senatsbeschl. v. 26.2.2009 - 15 MF 6/09 - RdL 2009, 157 ff; AUR 2009, 255 ff. [OVG Niedersachsen 26.02.2009 - 15 MF 6/09]).

Die Umgehungsstraße wurde errichtet, ist seit dem Frühjahr Jahr 2011 in Betrieb, aber nach den Angaben der Beigeladenen nicht gewidmet.

Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19. August 2014 eine sofortige Wiederaufnahme des Widerspruchsverfahrens gegen die vorläufige Anordnung ab. Es sei vielmehr die Entscheidung des erkennenden Gerichts über die Rechtmäßigkeit des (Änderungs-) Einleitungsbeschlusses abzuwarten.

Weitere wesentliche Verfahrensschritte als die o.a. vorläufige Anordnung sind im Flurbereinigungsverfahren bislang nicht erfolgt, insbesondere liegt noch kein Flurbereinigungsplan vor und ist noch keine (allgemeine) vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG erfolgt. Allerdings wurden bereits mehrere Wege ausgebaut. Das Flurbereinigungsverfahren wird nach den Angaben des Beklagten gegenwärtig in der Sache nicht weiter betrieben.

Mit Schriftsatz vom 6. Juni 2014 hat der Kläger ergänzend zu seinem Aufhebungsantrag klageerweiternd einen sog. „Folgenbeseitigungsanspruch“ geltend gemacht, wonach ihm der Besitz an den für den Straßenbau entzogenen Teilparzellen zurückzugeben und das Straßenbauwerk unverzüglich zurückzubauen sei.

Zur Begründung seiner Anträge beruft er sich darauf, dass nunmehr die erforderliche fachgesetzliche Rechtsgrundlage für das Vorhaben des Unternehmensträgers endgültig und damit zugleich auch die Grundlage für einen Eingriff in sein Eigentum bzw. seinen Besitz entfallen sei. Ein nochmaliges Abwarten auf eine Nachbesserung dieser Rechtsgrundlage durch den im Aufstellungsverfahren befindlichen Bebauungsplan Nr. 78 der Beigeladenen sei weder rechtlich möglich noch ihm wegen der nachteiligen Folgen für seinen seit Jahrhunderten bestehenden Bauernhof zumutbar. Im Übrigen sei eine nachträgliche Heilung des durch den Straßenbau erfolgten Eingriffs in das faktische Vogelschutzgebiet durch neue Bebauungspläne jedenfalls ohne vorherigen Rückbau der Straße unionsrechtlich ohnehin ausgeschlossen. Die im Vorfeld dazu zumindest erforderliche nochmalige Nachmeldung des erweiterten Vogelschutzgebiets V 63 sei außerdem auch in der aktuellen zweiten Fassung des Niedersächsischen Umweltministeriums weiterhin fehlerhaft; denn sie orientiere sich unverändert nicht - wie geboten - vorrangig an fachlichen, also ornithologischen, sondern an wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Seine Flächen einschließlich der Straßentrasse seien auf der Grundlage veralteter Vogelbestandsdaten zu Unrecht in das V 63 einbezogen worden, während ein von der Stadt Esens geplantes Baugebiet zu Unrecht ausgenommen worden sei.

Der Kläger beantragt,

1. den geänderten Einleitungsbeschluss des Amtes für Land-entwicklung Aurich vom 5. September 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2008 aufzuheben und

2. den Beklagten im Wege der Folgenbeseitigung zu verurteilen, ihm den Besitz an den ihm entzogenen Teilparzellen zurückzugeben und unverzüglich das Straßenbauwerk zurückzubauen, um einen geordneten Zustand herzustellen.

Der Beklagte beantragt,

1. das Ruhen des Verfahrens wieder anzuordnen,

hilfsweise,

2. die Klage abzuweisen.

Er hat zur Rechtfertigung der ersten Fortführung des Flurbereinigungsverfahren, d.h. zum Übergang vom Planfeststellungsverfahren zum Bebauungsplanverfahren als Rechtsgrundlage für die Entlastungsstraße, ergänzend zu den Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vorgetragen: Bereits zum Zeitpunkt der Einstellung des straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens sei absehbar gewesen, dass das Unternehmen auf anderer Rechtsgrundlage weitergeführt werden solle. Eine Einstellung und eine spätere erneute Einleitung eines Flurbereinigungsverfahrens unter denselben Bedingungen hätten damals dazu geführt, dass das Verfahren einer kompletten Abwicklung und Abrechnung unterlegen hätte. Dass die Änderung des Flächennutzungsplanes und die Aufstellung des Bebauungsplanes einige Zeit in Anspruch nehmen, könne nicht dazu führen, dass das Flurbereinigungsverfahren zunächst eingestellt werden müsse. Entgegen dem Vorbringen des Klägers blieben die Bedingungen für die Teilnehmer der Flurbereinigung unverändert. Ziel der Flurbereinigung sei es weiterhin, für die Beigeladene diejenigen Flächen, die sie zur Umsetzung der kommunalen Entlastungsstraße benötige, lagegerecht auszuweisen und zur Verfügung zu stellen. Eine rechtliche Grundlage, im Rahmen der Flurbereinigung der Beigeladenen darüber hinaus Flächen zwischen dem Trassenverlauf und der Ortslage zuzuweisen, gebe es nicht.

Zur Begründung seiner aktuellen Anträge trägt er vor, dass eine neue Rechtsgrundlage für die Umgehungsstraße geschaffen werden solle. Da diese dann die geeignete Grundlage für die Fortführung der Unternehmensflurbereinigung bilden werde, solle bis dahin abgewartet werden, das Verfahren also „ruhen“. Im Einzelnen bedürfe es dazu folgender Verfahrensschritte (vgl. auch Stüer, DVBl. 2014, 987, 992): Zunächst müsse das Vogelschutzgebiet V 63 vom Niedersächsischen Umweltministerium neu abgegrenzt und an die EU gemeldet werden. Eine solche Meldung sei durch das Niedersächsische Umweltministerium nunmehr am 3. Februar 2015 erfolgt. Darauf aufbauend müsse der Landkreis Wittmund die Landschaftsschutzgebietsverordnung ändern. Diese inzwischen eingeleitete Änderung werde bei planmäßigem Verlauf etwa sechs Monate in Anspruch nehmen. Danach könne die Beigeladene die Neuaufstellung des Bebauungsplanes Nr. 78 (Teil A bis C) vorantreiben (Bl. 65, 73 ff. der Gerichtsakte), an dem parallel gearbeitet werde. Voraussichtlich werde die Neuaufstellung ein Jahr in Anspruch nehmen. Wenn der Bebauungsplanentwurf die erforderliche Abwägung und damit Planreife enthalte, lägen hinreichend aussagekräftige Unterlagen vor, damit der Enteignungsbeauftragte des Landes Niedersachsen die Zulässigkeit der Enteignung auf dieser Grundlage neu prüfen könne; bejahe er die Zulässigkeit, so werde das in Rede stehende Flurbereinigungsverfahren zur „Realisierung“ des Bebauungsplanes Nr. 78 fortgeführt. Die Annahme des Klägers, eine Heilung der derzeit rechtsgrundlos errichteten Entlastungsstraße durch die neuen Bebauungspläne werde nicht gelingen, sei nicht gerechtfertigt. Im Übrigen sei für ihn, den Beklagten, bzw. seine Funktionsvorgänger die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 67 nicht erkennbar gewesen.

Der klageerweiternde Antrag auf Rückgabe von Teilflächen sei unzulässig. Der Kläger begehre damit sinngemäß die Aufhebung der vorläufigen Anordnung des Funktionsvorgängers des Beklagten vom 28. November 2008. Insoweit sei jedoch das erforderliche Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen worden. Die Klage sei auch als Untätigkeitsklage nicht zulässig. Es werde die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Einleitungsbeschlusses abgewartet. Da dieser die unmittelbare Grundlage für die vorläufige Anordnung bilde, sei ein hinreichender Grund für die Zurückstellung gegeben. Danach werde über den Widerspruch sachlich entschieden werden.

Der weitere, auf den Rückbau der Straße gerichtete Antrag verkenne, dass sich ein solcher Anspruch gegen die Beigeladene als Unternehmensträger richten müsse.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. In der Sache verweist sie darauf, mit der Aufstellung des neuen dreiteiligen Bebauungsplanes Nr. 78 erst nach den o.a. Verfahrensschritten sachgerecht fortfahren zu können. Ein Erhalt der kommunalen Entlastungsstraße sei jedoch zur Entwicklung des Nordseeheilbades Bensersiel, insbesondere zur Erhaltung von Ruhe und hoher Luftqualität, zwingend erforderlich. Sie sei weiterhin an einer einvernehmlichen Lösung durch Flächenerwerb vom Kläger interessiert, könne aber dem Begehren des Klägers nicht entsprechen, u.a. auch für 8 ha zukünftige Vogelschutzflächen „Baulandpreise“ zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Beiakten sowie der beigezogenen Gerichtsakten aus den Verfahren 15 KF 4/14, 15 MF 23/08, 15 MF 5/09 und 15 MF 6/09 verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat hinsichtlich des Antrags zu 1. Erfolg (1.) und bleibt im Übrigen erfolglos (2.).

1. Die Klage gegen den (Änderungs-)Einleitungsbeschluss des Amtes für Land-entwicklung Aurich vom 5. September 2006 und den Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2008 ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, und auch in der Sache begründet. Der Einleitungsbeschluss ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 113 Abs. 1 VwGO. Denn die Voraussetzungen für die Fortführung der Unternehmensflurbereinigung sind nicht gegeben. Es fehlt die notwendige Rechtsgrundlage, hier ein wirksamer Bebauungsplan, für das „Unternehmen“ (a). Da dieser Mangel nicht von den Flurbereinigungsbehörden geheilt werden kann, besteht für das Flurbereinigungsgericht auch nicht die Möglichkeit, gemäß § 144 Satz 1 Alt. 2 FlurbG lediglich den Widerspruchsbescheid aufzuheben (vgl. für den Beschluss über die Anordnung der Flurbereinigung: Thür OVG, Urt. v. 20.10.2009 - 7 F 761/07 -, juris, sowie ergänzend BVerwG, Urt. v. 13.4.2011 - 9 C 1/10 -, BVerwGE 139, 296 ff.; juris, und allgemein zu den Grenzen der gerichtlichen Befugnis nach § 144 Satz 1 Alt. 2 FlurbGOVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 16.2.2005 - 9 C 10875/04 -, juris, Rn. 26). Das Verfahren kann auch nicht lediglich ruhen oder ausgesetzt werden (b).

a) Wie der Senat bereits in dem o.a. vorangegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeführt hat (Beschl. v. 25.2.2009 - 15 MF 5/09 -), regelt der streitige Beschluss nach §§ 4, 87 FlurbG inhaltlich, dass das ursprünglich mit Beschluss vom 20. Dezember 2002 eingeleitete Unternehmensflurbereinigungsverfahren fortgeführt wird, allerdings auf einer anderen enteignungsrechtlichen Grundlage, nämlich auf einer bau- statt zuvor auf einer straßenrechtlichen Rechtsgrundlage.

Der Senat hat weiterhin ausgeführt, dass gemäß § 87 Abs. 3 FlurbG die Einstellung des Planfeststellungsverfahrens im Regelfall auch zur Einstellung des hierauf bezogenen Unternehmensflurbereinigungsverfahrens führt. Ausnahmsweise ist danach hingegen eine Fortführung möglich, wenn das dem Unternehmensflurbereinigungsverfahren zugrunde liegende Fachverfahren - hier die Errichtung einer kommunalen Entlastungsstraße - auf eine andere fachrechtliche Grundlage gestellt und damit fortgeführt wird sowie zusätzlich weiterhin eine enteignungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens - wenn auch gegebenenfalls auf anderer fachrechtlicher Grundlage - gegeben ist. Denn nach dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des § 87 FlurbG ist es schon nicht zu vertreten, ein laufendes Flurbereinigungsverfahren auf Grund nachträglich eingetretener Umstände einzustellen, um unmittelbar danach erneut ein Flurbereinigungsverfahren auf einer anderen flurbereinigungsrechtlichen Grundlage einzuleiten, also etwa von der Unternehmens- auf eine Regelflurbereinigung überzugehen. Diese Gründe gelten erst recht, wenn das Flurbereinigungsverfahren als Unternehmensflurbereinigung auf derselben flurbereinigungsrechtlichen Grundlage, wenn auch bezogen auf eine andere fachrechtliche Enteignungsgrundlage fortgeführt werden soll.

Voraussetzung für eine solche Fortführung ist allerdings zumindest, dass auch nach der neuen fachrechtlichen Grundlage für das konkret verfolgte „Unternehmen“ eine Enteignung zulässig ist und deshalb auf Antrag der Enteignungsbehörde gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren eingeleitet werden kann.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn einen wirksamen Bebauungsplan, der nach den §§ 85 ff. BauGB allein noch als Rechtsgrundlage für die Enteignung der betroffenen Grundeigentümer zum Zweck der Errichtung bzw. genauer der Legalisierung der Errichtung der Entlastungsstraße als „Unternehmen“ i. S. d. § 87 FlurbG in Betracht kommt, gibt es nicht (mehr). Das Vorliegen einer solchen Rechtsgrundlage ist inzident im flurbereinigungsrechtlichen Verfahren zu prüfen; eine Bindung an den nicht als Verwaltungsakt einzustufenden Antrag der Enteignungsbehörde, wonach die Voraussetzungen der Enteignung gegeben seien, also auch eine taugliche Rechtsgrundlage vorhanden sei, besteht nicht (vgl. Röthinger, RdL 2010, 309).

Dies gilt zunächst für den Bebauungsplan Nr. 67 der Beigeladenen. Er ist durch das o.a. Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 27. März 2014 mit allgemein verbindlicher Wirkung (§ 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO) ex tunc für unwirksam erklärt worden. Damit gilt er bauplanungsrechtlich von Anfang an als nicht vorhanden.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch flurbereinigungsrechtlich nicht, lässt sich insbesondere nicht aus der Systematik der §§ 4 und 9, 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG entnehmen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 FlurbG kann bzw. gemäß § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG soll die Flurbereinigungsbehörde zwar (nur) die Einstellung des Verfahrens anordnen, wenn die Flurbereinigung infolge nachträglich eingetretener Umstände nicht mehr zweckmäßig ist bzw. das fachrechtliche Verfahren - hier ein Bebauungsplanverfahren - eingestellt wird. Selbst wenn man auch rechtliche Gründe als nachträglichen Einstellungsgrund i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 FlurbG anerkennt, müssen sie aber zumindest nachträglich eingetreten sein bzw. das fachrechtliche Verfahren „eingestellt“ worden sein. Dies ist hier nicht der Fall. Die gerichtliche Entscheidung über die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes stellt jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang keine Einstellung des Planungsverfahrens dar (a. A. ohne nähere Begründung und im Widerspruch zu den eigenen Ausführungen zu § 9: Wingerter, in: ders./Mayr, FlurbG, 9. Aufl., § 87, Rn. 26) und ist ungeachtet ihrer Allgemeinverbindlichkeit nur deklaratorisch (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 47, Rn. 141), so dass rückwirkend schon die Voraussetzungen für die Einleitung der Flurbereinigung insoweit nicht gegeben waren. Entsprechende Einwendungen sind also - wie hier zu Recht vom Kläger - mit der Anfechtungsklage gegen den Beschluss nach § 4 FlurbG zu richten und nicht mit der Verpflichtungsklage auf Einstellung zu verfolgen (vgl. insoweit zutreffend Wingerter, a. a. O., § 9, Rn. 1; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.6.2012 - OVG 70 A 5.09 -, juris, Rn. 45 sowie ergänzend zum Unterschied zwischen der Einstellung des Flurbereinigungsverfahrens und der Aufhebung des Einleitungsbeschlusses: BVerwG, Beschl. v. 27.7.2005 - 10 B 76/04 -, juris, Rn. 11). Andernfalls würde ein Betroffener rechtsschutzlos gestellt, wenn die Anordnung der Einleitung der Flurbereinigung nach § 4 FlurbG zwar rechtswidrig gewesen ist und hierauf beruhend ggf. entsprechende Eingriffe erfolgt sind, nunmehr aber eine neue Rechtsgrundlage nur mit Wirkung für die Zukunft in Kraft getreten ist.

Entscheidend für die Frage, ob eine enteignungsrechtliche Rechtsgrundlage gegeben ist, ist die objektive Rechtslage. Daher ist es unerheblich, ob die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 67 der Beigeladenen für den Beklagten oder seine Funktionsvorgänger erkennbar gewesen ist.

Der Bebauungsplan Nr. 72 der Beigeladenen ist nach dem o. a. Urteil des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 10. April 2013 ebenfalls mit Wirkung ex tunc allgemeinverbindlich unwirksam.

Schließlich eignen sich nach den o.a. Voraussetzungen auch die Bebauungsplanentwürfe Nr. 78 der Beigeladenen nicht als fachrechtliche Rechtsgrundlage für eine Enteignung und daran anknüpfend für die Fortführung der Unternehmensflurbereinigung auf neuer fachrechtlicher Grundlage. Denn sie befinden sich erst im Entwurfsstadium, so dass deshalb die Enteignungsbehörde - wie der Beklagte selbst mitgeteilt hat - gegenwärtig und voraussichtlich noch für mehr als ein Jahr nicht in der Lage ist, auf dieser Grundlage die Zulässigkeit einer Enteignung zu bejahen und einen Antrag auf sinngemäße Fortführung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens bezogen auf diese Entwürfe Nr. 78 der Beigeladenen zu stellen.

Eine demnach erforderliche weitergehende Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Fortführung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens nach der Einstellung des hier ursprünglich straßenrechtlichen Planfeststellungverfahrens bzw. nach dem rückwirkenden Wegfall der Einleitungsvoraussetzungen bezogen auf den Bebauungsplan Nr. 67 ist jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen u.a. einer bereits erfolgten vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG sowie eines fehlenden Antrages der Enteignungsbehörde auf Fortführung des Verfahrens unter Zugrundelegung dieses Entwurfes nicht möglich.

Nach § 87 Abs. 2 Satz 1 FlurbG kann zwar ein Unternehmensflurbereinigungsverfahren bereits angeordnet werden, wenn das fachrechtliche Verfahren für das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Enteignung durchgeführt werden soll, lediglich „eingeleitet“ ist. Daraus könnte abzuleiten sein, dass über die zuvor genannten Ausnahmefälle hinaus ein bereits eingeleitetes Unternehmensflurbereinigungsverfahren auch dann fortgeführt werden kann, wenn ein neues fachrechtliches Verfahren, hier also das Bebauungsplanverfahren Nr. 78, nur „eingeleitet“ worden ist. Selbst wenn man diesem Ansatz zu Gunsten des Beklagten folgt, so gilt dann aber jedenfalls auch die Einschränkung nach § 87 Abs. 2 Satz 2 FlurbG entsprechend, dass auf der Grundlage eines nur eingeleiteten Planaufstellungsverfahrens keine weitergehenden flurbereinigungsrechtlichen Eingriffe erfolgen dürfen, d. h. weder die Bekanntgabe des Flurbereinigungsplanes (§ 59) noch die vorläufige Besitzeinweisung (§ 65). Diese Maßnahmen setzen ebenso wie die vorläufige Anordnung nach § 36 FlurbG (vgl. Mayr, in: Wingerter/Mayr, a.a.O., § 36, Rn. 5) einen wirksamen bzw. zumindest sofort vollziehbaren Plan - hier Bebauungsplan - voraus; ein Entwurf reicht nicht aus. Deshalb kann auch ein Flurbereinigungsverfahren, in dem bereits eine solche vorläufige Anordnung - wie hier zulasten des Klägers zur Verwirklichung des unwirksamen Bebauungsplanes Nr. 67 der Beigeladenen - ergangen ist, nicht auf der Grundlage eines neuen bloßen Bebauungsplanentwurfes aufrechterhalten bleiben. Dies gilt vorliegend zusätzlich deshalb, weil unsicher ist, ob und wann der Entwurf Nr. 78 je Wirksamkeit erlangen wird, und weil die vorläufige Anordnung bereits seit Jahren besteht.

Zudem ist nicht zu erkennen, dass der Bebauungsplanentwurf Nr. 78 die erforderliche Planreife hat; dementsprechend hat die Enteignungsbehörde hierauf bezogen auch nicht die Zulässigkeit der Enteignung bejaht und keinen entsprechenden Antrag gestellt.

Schließlich dürfte eine Aufrechterhaltung des Änderungsbeschlusses vom 5. September 2006 zusätzlich formell daran scheitern, dass er sich inhaltlich auf den Bebauungsplan Nr. 67 und nicht auf den Entwurf Nr. 78 der Beigeladenen bezieht. Inwieweit der Änderungsbeschluss zwischenzeitlich an den Bebauungsplan Nr. 72 hätte angepasst werden müssen, braucht deshalb nicht geklärt zu werden.

b) Bei dieser Ausgangslage fehlt für das von der Beklagten dem Wortlaut nach beantragte Ruhen des Flurbereinigungs- bzw. des Gerichtsverfahrens im Hinblick auf eine noch zu schaffende Rechtsgrundlage bzw. für eine sinngemäß so begründete Aussetzung des Verfahrens sowohl im Verwaltungs- als auch im Prozessverfahrensrecht die Rechtsgrundlage. Eine solche ist aber nach dem Gesetzesvorbehalt wegen der mit der Aufrechterhaltung des Flurbereinigungsverfahrens verbundenen Belastungen für die Teilnehmer, hier jedenfalls aufgrund des auf § 36 FlurbG gestützten Besitzüberganges, erforderlich.

Ein Ruhen des Verfahrens nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 173 VwGO i. V. m. § 251 ZPO kommt nicht in Betracht. Es fehlt der dafür notwendige Antrag des Klägers.

Die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 94 VwGO für eine Aussetzung des Verfahrens sind ebenfalls nicht gegeben. Der Erfolg der Anfechtungsklage hängt nicht vom Bestehen eines Rechtsverhältnisses i. S. d. § 94 VwGO ab. Bloße, zumal vage Heilungsaussichten reichen für die Aussetzung einer Anfechtungsklage nicht aus (vgl. jüngst Nds. OVG, Beschl. v. 29.1.2015 - 13 OB 6/15 -, m. w. N.).

2. Die Klage bleibt hingegen erfolglos, soweit der Kläger mit seinen weiteren Anträgen ergänzend auch einen von ihm sog. Folgenbeseitigungsanspruch verfolgt.

Es liegt insoweit eine Klageänderung vor (a), die mangels Einwilligung (b) oder Sachdienlichkeit (c) i. S. d. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 91 Abs. 1 VwGO unzulässig ist. Im Übrigen hätten die zusätzlichen Anträge gegenwärtig auch in der Sache keinen Erfolg, wie sich aus den Ausführungen zur fehlenden Sachdienlichkeit der Klageänderung ergibt.

a) Es stellt grundsätzlich eine Klageänderung dar, wenn nachträglich im Wege der Klagehäufung nach § 44 VwGO zumindest ein weiteres Klagebegehren geltend gemacht wird (vgl. Kopp/Schenke, a. a. O., § 91, Rn. 5) - wie hier mit den Anträgen zu 2.).

Es ist kein Sonderfall gegeben, bei dem eine solche Erweiterung ausnahmsweise nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 173 VwGO i. V. m. §§ 264 - 266 ZPO bzw. unmittelbar nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht als Klageänderung i. S. d. § 91 Abs. 1 VwGO gilt.

Die nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO privilegierte, ergänzende Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruches als Erweiterung der Hauptforderung durch eine Nebenforderung stellt i. S. d. § 264 Nr. 2 ZPO, § 91 VwGO keine Klageänderung dar (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 113, Rn. 59; Kopp/Schenke, a. a. O., § 91, Rn. 10, jeweils m. w. N). Dazu muss sich das zusätzliche Klagebegehren objektiv und nicht nur subjektiv nach dem Klagevorbringen als Folgenbeseitigungsanspruch darstellen. Dies ist entgegen der Annahme des Klägers hier nicht der Fall. Denn die nach den zusätzlichen Klageanträgen begehrte Rückübertragung des Besitzes und der weiter angestrebte Rückbau der Entlastungsstraße stellen keine im Wege der Folgenbeseitigung aufzuhebenden bloßen unmittelbaren (vgl. dazu: BVerwG, Urt. v. 15.12.1993 - 10 A 1/91 -, juris, Rn. 31; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113, Rn. 194) Vollzugsfolgen des geänderten Einleitungsbeschlusses dar.

Die Besitzübertragung beruht vielmehr auf der unverändert wirksamen vorläufigen Anordnung des Funktionsvorgängers des Beklagten vom 28. November 2008 nach § 36 FlurbG (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.4.1996 - 7 S 3096/95 -, juris, Rn. 18), die im Verhältnis zu dem unter Ziffer 1) der Klage angegriffenen Einleitungsbeschluss eine eigenständige, nach § 36 Abs. 1 FlurbG von zusätzlichen Voraussetzungen abhängige Regelung im Flurbereinigungsverfahren darstellt; im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte nach rechtskräftiger Aufhebung des Einleitungsbeschlusses und Wiederaufnahme des Widerspruchsverfahrens gegen die vorläufige Anordnung diese nicht aufheben wird (vgl. zu dieser weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung Wolff, a . a. O., Rn. 201).

Die Errichtung der Straße durch die Beigeladene erfolgte wiederum auf der Grundlage des Bebauungsplanes Nr. 67 und nicht auf der des (Änderungs-)Einleitungsbeschlusses oder einer sonstigen flurbereinigungsrechtlichen Grundlage.

Bei diesem materiellen Verhältnis des Einleitungsbeschlusses zur vorläufigen Anordnung sowie zur Errichtung der Straße können die zusätzlichen Klagebegehren auch nicht erfolgreich Gegenstand eines ebenfalls nicht als Klageänderung einzustufenden ergänzenden Leistungsbegehrens i. S. d. § 113 Abs. 4 VwGO sein.

b) In die damit gegebene Klageänderung haben weder die Beigeladene noch der Beklagte eingewilligt. Eine solche Einwilligung kann zwar auch konkludent erfolgen. Dazu bedarf es aber zumindest einer Einlassung in der Sache, d.h. zur Begründetheit der erweiterten Klage. Bloße Ausführungen zur Unzulässigkeit der Klage stellen keine konkludente Einwilligung dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.4.1999 - 4 C 4/98 -, BVerwGE 109, 74 ff.; juris, Rn. 18; Rennert, in: Eyermann, VwGO, § 91, Rn. 28). Der Beklagte hat aber gerade die Unzulässigkeit der erweiterten Klage gerügt. Die Beigeladene hat sich inhaltlich dazu überhaupt nicht geäußert.

c) Die zusätzlichen Klageanträge sind nicht sachdienlich. Nicht sachdienlich sind zusätzliche Anträge, durch die der Streitstoff nicht mehr im Wesentlichen gleich bleibt, die sich als unzulässig erweisen oder die nicht zur endgültigen sachlichen Streitbeilegung beitragen (vgl. Rennert, a. a. O.O, Rn. 31, m. w. N.). Dies ist hier der Fall:

Soweit der Kläger die Besitzrückgabe verlangt, geht dieser Antrag wörtlich verstanden ins Leere, fördert die Streitbeilegung also nicht. Denn der Besitzrückgabe steht die unverändert wirksame eigenständige vorläufige Anordnung des Funktionsvorgängers des Beklagten vom 28. November 2008 als Rechtsgrundlage entgegen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 11.4.1996, a.a.O.). Der wörtlich verstandene Antrag wäre daher ohne sachliche Entscheidung aus formellen Gründen abzulehnen.

Versteht man den Antrag hingegen sinngemäß - wie der Beklagte - als auf die Aufhebung dieser Anordnung gerichtet, so ergibt sich nicht nur ein neuer Streitstoff. Vielmehr wäre die so verstandene Klage gemäß § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG mangels fristgerechter Klage gegenwärtig unzulässig. Dass das Widerspruchsverfahren einvernehmlich geruht hat, steht dem nicht entgegen. In diesem Fall ist zwar noch keine Bestandskraft der Anordnung eingetreten. Gegen sie kann aber erst nach dem Wegfall der zum „Ruhen“ führenden besonderen Umstände binnen der üblichen Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO, § 142 Abs. 1 FlurbG a.F.) geklagt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.8.1995 - 11 C 2/95 , juris, Rn. 26, m. w. N.). Der Beklagte hat zutreffend darauf verwiesen, dass die Rechtmäßigkeit der Anordnung unmittelbar von der Rechtmäßigkeit des in diesem Verfahren vorrangig streitigen Einleitungsbeschlusses abhängt, aber nur mittelbar von der Wirksamkeit der Bebauungspläne Nr. 67 und 72. Als Wegfall der besonderen Umstände, nach denen eine (Untätigkeits)Klage wieder zulässig wäre, ist also erst die rechtskräftige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Einleitungsbeschlusses anzusehen. Bis dahin bliebe eine Anfechtungsklage unzulässig.

Soweit der Kläger schließlich den Rückbau der Straße begehrt, beruht deren Errichtung nicht auf einer Maßnahme des Beklagten, sondern auf dem Vollzug des Bebauungsplanes der Beigeladenen durch sie als Unternehmensträgerin ihrer gemeindlichen Entlastungsstraße. Daher hätte auch die Beigeladene und nicht der Beklagte die Straße in eigener Verantwortung zurückzubauen. Die Klage wäre also gegen die Beigeladene und nicht gegen den Beklagten zu richten, und zwar im Übrigen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf dem allgemeinen Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen. Denn eine vorrangige, i. S. d. § 40 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO abdrängende Sonderzuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts käme allenfalls nach § 140 Satz 1 Alt. 3 FlurbG in Betracht (vgl. dazu Bayr. VGH, Urt. v. 24.9.1998 - 13 A 96.3515 -, juris, Rn. 21 ff.). Der vom Kläger verlangte Rückbau einer durch den Unternehmensträger auf Grund eines Bebauungsplanes errichteten Straße stellt jedoch keine durch ein „Flurbereinigungsverfahren hervorgerufene Streitigkeit“ i. S. d. § 140 Satz 1 Alt. 3 FlurbG dar. Schließlich würde bei Einbeziehung dieses zusätzlichen Antrages der Streitstoff erheblich erweitert, da für eine Klagestattgabe auch zu prüfen wäre, welche ggf. für Bensersiel unzumutbaren Nachteile sich ergäben, wenn sich der Straßenverkehr bedingt durch den (Teil-)Rückbau der Straße wieder verlagert (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.8.1993 - 4 C 24/91 -, BVerwGE 94, 100 ff.; juris, Rn. 60).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 147 Abs. 1, 2 FlurbG, 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger unterliegt teilweise, und zwar unter Berücksichtigung der Bedeutung des ursprünglichen Antrages einerseits und der zusätzlichen Anträge andererseits insgesamt zur Hälfte. Daher ist es sachgerecht, dass er neben der Hälfte der durch das Verfahren entstandenen baren Auslagen auch die Hälfte der Gerichtsgebühr trägt, die nach § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 5112 der Anlage 1 zu § 3 GKG mit zwei Gebührensätzen anzusetzen ist. Dem Beklagten können nach § 147 FlurbG keine Gerichtskosten, sondern gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur anteilig die außergerichtlichen Kosten auferlegt werden. Der Streitwert ergibt sich aus der Addition von je 5.000 EUR für den ursprünglichen Antrag zu 1.) einerseits und die zusätzlichen Anträge zu 2.) andererseits, §§ 39 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.

Da die Beigeladene das Verfahren nicht wesentlich gefördert und keine Sachanträge gestellt hat, ist sie nicht an den Verfahrenskosten zu beteiligen und steht ihr kein Erstattungsanspruch zu, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß §§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, §132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.