Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 20.09.2002, Az.: 203-VgK-18/2002
Verpflichtung zur Rüge unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme; Auslegung des Merkmals der Unverzüglichkeit; Vorgaben des Transparenzgebot hinsichtlich der Dokumentation des Vergabeverfahrens und der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren; Sinn und Zweck sowie Anwendungsbereich der Fertigung eines Vergabevermerks; Gleichzeitig statt nacheinander erfolgende Angebotswertung auf allen Wertungsstufen; Zulässigkeit der Vermengung von Wertungsphasen im Hinblick auf das Transparenzgebot; Dokumentation der verwendeten Zuschlagskriterien; Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ausschließlich anhand des Preises; Anforderungen an die Prüfung von Nebenangeboten; Erfordernis einer Plausibilitätsprüfung bei ungewöhnlich niedrigem Preis
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 20.09.2002
- Aktenzeichen
- 203-VgK-18/2002
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28765
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 30 VOB/A
- § 25 Nr. 5 VOB/A
Verfahrensgegenstand
Bauvorhaben Laborgebäude, 3. BA, Los Nr. 8 Sanitär, Heizung, Lüftung
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Lohmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 16.09.2002
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Wertung des streitbefangenen Vergabeverfahrens einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen dieses Beschlusses ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen, dabei insbesondere Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit des Nebenangebotes 1 der Beigeladenen zu prüfen und Prüfung, Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.994,00 EUR festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin war notwendig.
Gründe
I.
Die Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom 13.05.2002 für das Bauvorhaben "..." den Neubau eines Laborgebäudes im Offenen Verfahren, unterteilt in 11 Fachlose, europaweit ausgeschrieben. Das im vorliegenden Nachprüfungsverfahren streitbefangene Los 8 betrifft Heizung-, Lüftung-, Sanitärinstallation. Angebote konnten laut Bekanntmachung abgegeben werden für ein Los, mehrere Lose, alle Lose. Die losweise Vergabe wurde vorbehalten. Hinsichtlich der geforderten Eignungsnachweise wurde auf § 8 Nr. 3 Abs. 1 Buchst. a, b, c, d, e, f VOB/A verwiesen. Nebenangebote und Sondervorschläge wurden gem. Ziffer 14 der Bekanntmachung ausdrücklich in Verbindung mit dem Hauptangebot zugelassen. Als Ansprechpartner für Auskünfte zum Verfahren und zum technischen Inhalt wurde das beauftragte Ingenieurbüro ... genannt.
Hinsichtlich der Kriterien für die Auftragserteilung wurde in Ziffer 13 der Bekanntmachung auf die Vergabeunterlagen verwiesen. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 14.06.2002 heißt es dazu:
"5.2
Kriterien für die Auftragserteilung bei Haupt- und Nebenangeboten / Änderungsvorschlägen5.2.1
Allgemeine Kriterien: Preis, Ausführungsfrist, Vergütungsbedingungen5.2.2
Technische und wirtschaftliche Kriterien: Qualität, Folgekosten, Rentabilität, Funktionalität, Konstruktion, Betriebskosten, technischer Wert, Wartung."
Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Hauptangebot für das streitbefangene Los 8. Die Beigeladene gab ein Angebot für die Summe aller Lose und für jedes der 11 Einzellose gesondert ab. Ferner reichte sie Nebenangebote ein, und zwar: für Los 1 fünf NA, für Los 2 zwei NA, für Los 3 zwei NA und über die Summe aller Lose drei NA ein. Die Submission erfolgte am 22.07.2002. Dabei ergab sich, dass die Beigeladene mit einem Hauptangebot für Los 8 in Höhe von 2.929.358,72 EUR das einzellosbezogene, nominelle Mindestangebot abgegeben hatte. Ferner hatte sie im Vergleich über die Summe aller Lose (1 - 11) mit 9.950.000,00 EUR ein Nebenangebot mit dem niedrigsten Gesamtpreis abgegeben. (Bei beiden Angaben handelt es sich um die geprüften Nettosummen.) Die Antragstellerin hatte gemäß Verlesung in der Submission ein Angebot über 3.216.660,83 EUR brutto abgegeben. Die Überprüfung der Auftraggeberin ergab ein Bruttoangebot von 3.221.633,05 EUR und damit ein Nettoangebot von 2.777.269,87 EUR netto.
Mit Schreiben vom 09.08.2002 wurde allen Bietern im Rahmen eines Informationsschreibens gem. § 13 VgV mitgeteilt, dass vorgesehen sei, der Beigeladenen den Auftrag auf der Basis eines wirtschaftlicheren Nebenangebotes zu erteilen. Mit Schreiben vom 21.08.2002 rügte die Antragstellerin das Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin. Die Auftraggeberin wurde darin aufgefordert, den Vergabetermin um zwei Wochen zu verschieben und Einsicht in das Angebot der Beigeladenen zu gewähren und das Nebenangebot der Beigeladenen zu erläutern. Dies lehnte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 22.08.2002 ab, verbunden mit der Erläuterung, dass die Prüfung der Angebote für die Einzellose und die Prüfung für Angebote über die Summe aller Lose ergeben habe, dass das Angebot der Beigeladenen über die Summe aller Lose einschließlich Nebenangeboten das wirtschaftlich annehmbarste Angebot sei und dieses zur Beauftragung vorgesehen sei. Mit Schriftsatz vom 22.08.2002, eingegangen bei der Vergabekammer am gleichen Tage, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen. Die Antragstellerin macht geltend, die Auftraggeberin wolle unter Verstoß gegen Vergaberecht einem nicht wirtschaftlicheren Nebenangebot der Beigeladenen den Zuschlag erteilen. Aus Gerüchten will sie erfahren haben, dass dieses Nebenangebot in Form eines Pauschalpreises für den Gesamtauftrag abgegeben worden sei. Die Höhe des Preises für das streitbefangene Los 8 auf Grund des vermeintlich wirtschaftlicheren Nebenangebotes kenne sie nicht. Sie - die Antragstellerin - sei allerdings in der Lage, selbst ein Angebot abzugeben, das betragsmäßig unter dem Angebot der Beigeladenen für das Los Nr. 8 nach Aufteilung des Pauschalpreises auf Lose liege. Das Leistungsverzeichnis weise verschiedene Mängel auf. Diese seien ihr aber erst bei nochmaliger Durchsicht des Angebotes auf Grund des Informationsschreibens der Auftraggeberin vom 09.08.2002 gem. § 13 VgV aufgefallen, da das Angebot der Antragstellerin durch ihre kaufmännische Abteilung abgegeben worden sei. Deshalb habe sie diese Mängel auch erst mit Schreiben vom 21.08.2002 gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Nach eingehender Prüfung des Informationsschreibens der Auftraggeberin habe sie erhebliche Massenmehrungen und grobe Mängel in einzelnen Leistungsverzeichnispositionen festgestellt, die den Einheitspreis und Gesamtpreis übermäßig erhöhen, die aber bei einer Pauschalierung entfallen. Es sei davon auszugehen, dass bei Korrektur der Fehler im Leistungsverzeichnis ein Angebot hätte abgegeben werden können, was wirtschaftlicher sei als das der Beigeladenen. Zu den einzelnen Mängeln des Leistungsverzeichnisses:
a)
Auf den Leistungsverzeichnis-Seiten 213 Pos. 017, 318 Pos. 011, 340 Pos. 002, 380 Pos. 002 sollen 8 % der Angebotssumme vom Bieter als Planungspauschale an den Fachplaner vor Erhalt der Ausführungsunterlagen gezahlt werden. Nach Auskunft der VOB-Vergabestelle entspreche dies nicht den Vergabebedingungen der VOB/A, was darauf schließen lasse, dass die Ausschreibung von einem nicht zugelassenen und nicht eingeschriebenen Planungsbüro erstellt worden sei.
b)
Bei der Pos. 035 von Seite 264 wurden 60 Brandschutzklappen mit Zubehör abgefragt (Gesamtpreis 62.160,00 EUR). Diese Ausführungen wurden nach Vorgabe der Ausschreibung angeboten. Die Prüfung der Antragstellerin habe ergeben, dass diese Ausführungen nicht für die WIBUS-Brandschutzsteuerung geeignet seien. Der Minderpreis für eine ausreichende, geeignete WIBUS-Brandschutzsteuerung liege bei 18.000,00 EUR.
c)
Bei der Pos. 036 von Seite 264 wurden 84 Stück Grafik-Tableaus abgefragt (Gesamtpreis 122.808,00 EUR). Diese Ausführungen wurden nach Vorgabe der Ausschreibung angeboten. Die Prüfung der Antragstellerin habe jedoch ergeben, dass die aufgeführten Brandschutzklappen auf nur 1 Stück Grafik-Tableau aufgeschaltet werden können. Dies ergebe einen weiteren Minderpreis von 121.346,00 EUR.
d)
Die in den Pos. 037 bis 040 aufgeführten BUS-Knoten und Netzgeräte seien in den abgefragten Stückzahlen viel zu hoch. Nach Aussage des Herstellers gemäß Ausschreibung - Fabrikation Wildeboer - würden BUS-Knoten nur einmal benötigt. Es ergäben sich dadurch weitere Einsparungen in Höhe von 30.000,00 EUR.
e)
In Pos. 001 Seite 32 seien nach Aussage der Stadtwerke ... bereits diverse Einzelteile bei der Übergabestation bauseits enthalten, was weitere geschätzte Einsparungen in Höhe von 5.000,00 EUR ergäbe.
f)
Aufgrund der vorstehenden Punkte seien auch bei vielen anderen Positionen erhebliche Massenminderungen zu erwarten und somit eine entsprechende Kostenreduzierung.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass sie unter Berücksichtigung dieser Korrekturen das wirtschaftlichere Angebot hätte abgeben können. Nach Akteneinsicht hat die Antragstellerin ihren Vortrag ergänzt und insbesondere darauf hingewiesen, dass ihrer Auffassung nach die Nebenangebote der Beigeladenen nicht den bekannt gemachten Ausschreibungsbedingungen lt. Vergabebekanntmachung entsprechen und daher von vornherein hätten ausgeschlossen werden müssen.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
festzustellen, dass das Vergabeverfahren in Bezug auf das von der Antragstellerin eingereichte Angebot zu Los 8 rechtswidrig ist, sowie geeignete Maßnahmen durch die Vergabekammer anzuordnen, um die Rechtsverstöße zu beseitigen,
- 2.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Zuschlag betreffend Los 8 auf das Angebot der Antragstellerin als das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen,
hilfsweise
der Antragsgegnerin aufzugeben, erneut in die Wertung der eingereichten Angebote zu Los 8 des streitbefangenen Vergabeverfahrens einzutreten und diese unter Beachtung der Ausschreibungsbedingungen und der aus den Entscheidungsgründen des in diesem Nachprüfungsverfahren ergehenden Beschlusses ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen und zu dokumentieren sowie über das eingereichte Angebot der Antragstellerin zu Los 8 neu zu befinden,
- 3.
hilfsweise
für die Fälle des § 114 Abs. 2 GWB festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Bieterrechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt wurde,
- 4.
der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (§ 128 Abs. 3 S. 1 GWB),
- 5.
die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären (§ 128 Abs. 4 S. 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG),
und
- 6.
die Antragsgegnerin zu verpflichten, der Antragstellerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 128 Abs. 4 S. 2 GWB).
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Sie hält den Nachprüfungsantrag für unbegründet. Sie weist darauf hin, dass das Angebot der Antragstellerin ihrer Auffassung nach nicht den Angebotsbedingungen entspreche und deshalb mit den anderen Angeboten und insbesondere auch mit den Angeboten der Beigeladenen nicht verglichen werden könne. Auf einen offiziellen Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin wie auch von ebenfalls nicht ordnungsgemäßen Angeboten weiterer Bieter sei jedoch verzichtet worden, weil das letztlich zur Vergabe vorgeschlagene Angebot der Beigeladenen über die Summe aller Lose unter Berücksichtigung der Nebenangebote deutlich unter den Mindestangeboten der Einzellose liege und eine Vergabe an Einzellose daher nicht in Betracht komme. Das Angebot der Antragstellerin sei nicht ordnungsgemäß, weil die Einheitspreise nicht vollständig ausgefüllt seien und Veränderungen am Leistungsverzeichnis vorgenommen worden seien. Die Antragstellerin habe die Pos. 01.01.002 bis 01.01.007 sowie die Pos. 01.07012/02.14.017/013.11.011/04.04.002 und 05.02.002 gar nicht angeboten. Zusätzlich sei das Leistungsverzeichnis geändert worden. Innerhalb mehrer Positionen seien handschriftlich zusätzliche Einheitspreise eingefügt worden. In diversen Positionen seien die angebotenen Einheitspreise mit Tipp-Ex korrigiert worden. Des Weiteren seien die Positionen 03.01.019 und 03.09.009 deutlich unter Wert angeboten worden. Ein Überprüfen der Kalkulation sei aber nicht möglich gewesen, da die Antragstellerin das Formblatt EFB - Preis nicht vorgelegt habe.
Die Auftraggeberin tritt dem Vorbringen der Antragstellerin entgegen, sie habe die von ihr gerügten angeblichen Verletzungen von Vergabevorschriften nicht innerhalb des Vergabeverfahrens erkennen können, weil ihre kaufmännische Abteilung das Angebot abgegeben habe. Richtig sei vielmehr, dass die Antragstellerin am 15. und 17.07.2002 technische Rückfragen telefonisch mit dem von der Auftraggeberin beauftragten Ingenieurbüro ... geklärt habe. Die von der Antragstellerin geltend gemachten erheblichen Massenmehrungen und groben Mängel der Ausschreibung liegen nicht vor. Die ausgeschriebenen Massen entsprechen nach Auffassung der Antragstellerin der modularen Gebäudestruktur und dem jeweiligen Nutzungskonzept der späteren Nutzer mit jeweils unterschiedlichen Anforderungsprofilen. Dies sei auch eindeutig in den Vorbemerkungen des Leistungsverzeichnisses aufgeführt worden und somit der Antragstellerin bekannt gewesen. Im Übrigen habe ein Auftragnehmer vor Abgabe eines Angebots die Vergabeunterlagen eingehend zu prüfen. Alle Angebote seien auf Basis der gleichen Massenermittlung gewertet worden. Aus den Angebotswertungen sei eindeutig erkennbar, dass es keine Massenverschiebungen gegeben habe und für die Auswertung der Angebote die ausgeschriebenen Massen ihre Gültigkeit behalten haben.
Hinsichtlich des für den Zuschlag vorgesehenen Nebenangebotes der Beigeladenen räumt die Auftraggeberin ein, dass auf dem Formblatt "EFB B Info Abs. EG 306", welches den Bietern mit Schreiben vom 09.08.2002 zugestellt worden sei, nicht eindeutig erkennbar gewesen ist, welches Nebenangebot der Beigeladenen wirtschaftlicher sei. Dieses sei jedoch mit Schreiben vom 22.08.2002 der Antragstellerin zur Kenntnis gebracht worden.
Soweit die Antragstellerin geltend mache, sie sei ebenfalls in der Lage gewesen, ein wirtschaftlicheres Angebot abzugeben, das unter dem Pauschalangebot der Beigeladenen liege, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass es der Antragstellerin möglich gewesen wäre, mit ihrem Angebot ein Nebenangebot, z.B. über eine Pauschalierung, abzugeben. Zum jetzigen Zeitpunkt nach Submission sei es jedoch keinem Bieter erlaubt, weitere Preisangebote abzugeben oder Preise zu verhandeln. Soweit die Antragstellerin bemängele, dass in 4 Positionen Planungspauschalen abgefragt wurden, wird darauf hingewiesen, dass die Planungspauschale im Los 8 mit insgesamt 5 Positionen, getrennt nach Gewerken, enthalten sei (01.07012/02.14017/03.11.011/04.04.02/05.02.002). Diese Positionen seien aber von der Antragstellerin gar nicht angeboten worden.
Bei der Vergabe von Einzellosen seien, zur wirtschaftlichen Betrachtung, die Planungs- und Bauleitungshonorare den Gesamtkosten hinzuzurechnen. Bieter über die Summe aller Lose (Generalunternehmer) übernehmen diese Leistung weit gehend selbst, kalkulieren diese jedoch auf einer anderen Basis. Da insoweit Bieter von Einzellosen benachteiligt würden, habe sie, die Auftraggeberin, zur Gleichstellung der Bieter von Einzellosen und der Bieter über die Summe aller Lose in allen Leistungsverzeichnissen Positionen über an das Los angepasste Planungspauschalen aufgenommen. Alle Angebote seien auf der gleichen Basis gewertet worden. Da die Antragstellerin die Planungspauschalen und auch weitere Positionen nicht angeboten habe, könne jedoch eine Vergleichbarkeit mit dem Angebot der Beigeladenen letztlich nicht hergestellt werden. Der technische Hinweis auf die angeblich nicht geeigneten Brandschutzklappen werde geprüft. Auf diesen Punkt hätte die Antragstellerin als Fachfirma aber nach Auffassung der Auftraggeberin bereits im Vorfeld der Angebotsabgabe schriftlich aufmerksam machen müssen. Die Wertung habe ergeben, dass das Nebenangebot der Beigeladenen über die Summe aller Lose (Pauschalierung der Gesamtleistung aus dem Hauptangebot über die Summe aller Lose) das wirtschaftlichste Angebot sei.
Für die Auftraggeberseite sei die Tatsache, dass sich die Beigeladene in ihrem Nebenangebot Nr. 1 über die Summe aller Lose auf das bereits erstellte Gebäude "..." bezieht, eine ausreichende Definition der angebotenen Leistung, da das fertig gestellte Gebäude praktisch ein Muster für das streitbefangene Gebäude darstelle. Dieses habe die Beigeladene seinerzeit in 2001 erstellt. Das Gebäude "..." sei vom Nutzungskonzept her, von der Art der Konstruktion, Gestaltung und Funktion, der Zuordnung von Funktionsbereichen und Funktionsabläufen, dem Brandschutzkonzept, der Sicherheitstechnik, der technischen Ausstattung und der modularen Gebäudestruktur auf das geplante neue Laborgebäude übertragen worden. Unterschiede ergeben sich nur hinsichtlich der Größe, insbesondere der Außenabmessungen der Gebäude. Das Gebäude "..." sei in den Ausschreibungsunterlagen durchgängig als Qualitätsstandard vorgegeben worden.
Die Beigeladene beantragt,
- 1.
das Begehren der Antragstellerin zurückzuweisen;
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen;
- 3.
festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Beigeladenen notwendig war.
Die Beigeladene unterstützt das Vorbringen der Auftraggeberin. Die Auftraggeberin habe in zulässiger Weise von der Möglichkeit einer sog. "Parallelausschreibung" Gebrauch gemacht, indem sie die zu erbringende Leistung gleichzeitig sowohl insgesamt als auch nach 11 Fachlosen getrennt ausgeschrieben habe. Einwände dagegen könne die Antragstellerin nicht mehr geltend machen, da sie diese Vorgehensweise nicht unverzüglich gerügt habe. Die Antragstellerin könne auch nicht darlegen, dass sie durch die von ihr behauptete Vergaberechtsverletzung einen Schaden erleide, weil das Angebot der Antragstellerin nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A wegen Unvollständigkeit hätte ausgeschlossen werden müssen. Die Antragstellerin habe damit keine begründete Aussicht auf Berücksichtigung ihres Angebotes und auf Erteilung des Zuschlages, sodass der Nachprüfungsantrag auch unter diesem Aspekt mangels Antragsbefugnis unzulässig sei. Die Vorwürfe der Antragstellerin hinsichtlich vermeintlicher grober Mängel in einzelnen Leistungspositionen und angeblicher fehlerhafter Massenermittlungen seien unzutreffend. Die Vergabeentscheidung der Auftraggeberin sei nicht zu beanstanden. Die Beigeladene habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 16.09.2002 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig, teilweise mangels unverzüglicher Rüge unzulässig. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er auch begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil die Auftraggeberin in mehrfacher Hinsicht gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen hat, indem sie es entgegen § 30 Abs. 1 VOB/A versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren und ihre Prüfungen und Entscheidungen im Vergabeverfahren nachvollziehbar zu begründen. Sie hat insbesondere nicht dokumentiert, dass sie die Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit des von ihr nach derzeitigem Stand des Vergabeverfahrens für den Zuschlag favorisierten Nebenangebotes 1 der Beigeladenen über die Summe aller Lose geprüft hat. Ferner hat sie versäumt, gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A angesichts des deutlichen Minderpreises des favorisierten Nebenangebotes von ca. 26 % gegenüber der Summe aller günstigsten Angebote auf die Einzellose die Angemessenheit dieses Nebenangebotes zu prüfen, dafür vom Bieter schriftlich Aufklärung über die Ermittlung der Preise für die Gesamtleistung oder für Teilleistungen zu verlangen und dies in der Vergabeakte zu dokumentieren.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine GmbH und damit eine juristische Person des privaten Rechts. Diese erhält für das Projekt "Neubau eines Laborgebäudes - 3. BA" laut Auskunft der Auftraggeberin vom Land Niedersachsen und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB Mittel, mit denen das Vorhaben zu mehr als 50 % finanziert wird (8,55 Mio. Euro Landesmittel bei einem Gesamtauftragsvolumen von ca. 10,5 Mio. DM). Die ... GmbH ist somit öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro. Nach dem Ergebnis des Vergabeverfahrens beträgt der Wert des Auftragsgegenstandes hinsichtlich des hier streitbefangenen Loses 8 "Heizung, Lüftung, Sanitärinstallation" hinsichtlich des niedrigsten Angebotes der Einzellose 2.929.358,72 EUR netto. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass sie im streitbefangenen Vergabeverfahren nur deshalb den Zuschlag nicht erhalte, weil die Auftraggeberin in vergaberechtswidriger Weise die Nebenangebote der Beigeladenen, insbesondere das Nebenangebot 1 berücksichtige, obwohl dieses vom Leistungsverzeichnis wesentlich abweiche, mit dem abgefragten Hauptangebot nicht vergleichbar und ihm gegenüber nicht gleichwertig sei. Diese Pauschalfestpreis-Nebenangebote 1 bis 3 hätte die Auftraggeberin nach Auffassung der Antragstellerin ausschließen müssen. Ferner weise das Leistungsverzeichnis hinsichtlich mehrerer Positionen fehlerhafte Massen auf. Bei Zugrundelegung realistischer, geringerer Massen hätte die Antragstellerin ihrer Auffassung nach ein niedrigeres Angebot abgeben können, das dann als das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhalten müsste. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist ferner, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen und drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig dargelegt, dass sie zumindest eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlag gehabt hätte, wenn die Auftraggeberin die Angebotswertung ohne die von der Antragstellerin gerügten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße durchgeführt hätte.
Die Antragstellerin ist hinsichtlich der von ihr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße allerdings nur teilweise ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegen die Auftraggeberin unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen bzw., soweit sie diese Verstöße nicht erkannt hat, diese aber auf Grund der Bekanntmachung erkennbar waren, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung genannten Frist zur Angebotsabgabe zu rügen. Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin wie auch die übrigen Bieter unstreitig mit Schreiben vom 09.08.2002 (in der Vergabeakte nicht enthalten), der Antragstellerin zugegangen am 12.08.2002, darüber informiert, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag am 23.08.2002 der Beigeladenen zu erteilen, da diese ein wirtschaftlicheres Nebenangebot abgegeben habe. Informationen über Art oder Inhalt des zur Beauftragung vorgesehenen Nebenangebotes der Beigeladenen enthielt das Informationsschreiben gem. § 13 VgV nach unstreitigem Vortrag der Auftraggeberin und der Antragstellerin nicht. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Telefax vom 20.08.2002 die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene gerügt und zur Begründung vorgetragen, nach ihren Informationen solle der Gesamtauftrag zum Pauschalpreis vergeben werden, wobei ihr nicht bekannt sei, in welcher Höhe auf Grund des Gesamtauftrages zum Pauschalpreis der Auftrag für Los Nr. 8 billiger vergeben werden könne. Die eingehende Prüfung des Leistungsverzeichnisses nach Eingang des Schreibens vom 12.08.2002 habe ergeben, dass erhebliche Massenmehrungen und grobe Mängel in einzelnen Leistungsverzeichnispositionen festzustellen seien, die den Einheitspreis und den Gesamtpreis übermäßig erhöhen, die aber bei einer Pauschalierung entfallen würden. Es sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin bei Korrektur der Fehler im Leistungsverzeichnis ein konkurrenzfähigeres Angebot hätte abgeben können in Höhe von 2,9 Mio. Euro. Im Einzelnen wurden unrealistische Massen und zu hohe Stückzahlen hinsichtlich der Einzelpositionen Brandschutzklappen, Grafiktableaus, BUS-Knoten und Netzgeräte sowie diverse Einzelteile, die in den Verdingungsunterlagen vorgegeben wurden, die aber nach Aussage der Stadtwerke ... gegenüber der Antragstellerin bereits bauseits in der Übergabestation enthalten seien, gerügt. Aufgrund dieser Punkte wie auch bei vielen anderen Positionen seien erhebliche Massenminderungen zu erwarten und somit eine entsprechende Kostenreduzierung.
Soweit sich die Antragstellerin mit ihrer Rüge vom 20.08.2002 gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das ihr nicht näher bekannte Nebenangebot der Beigeladenen bezieht, erfolgte diese Rüge noch unverzüglich nach Kenntniserlangung im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, da die Antragstellerin erst auf Grund des bei ihr am 12.08.2002 eingegangenen Informationsschreibens der Auftraggeberin von der beabsichtigten Zuschlagserteilung erfahren hat, wobei das Informationsschreiben weder nähere Aussagen zur Art des favorisierten Nebenangebotes der Beigeladenen enthielt, noch darlegte, in welchem Maße dieses Angebot wirtschaftlicher sei oder an welcher Position das Angebot der Antragstellerin nach dem Ergebnis der Wertung liege. Zu einer konkreteren substantiierteren Rüge hinsichtlich des favorisierten Nebenangebotes der Beigeladenen war die Antragstellerin erst nach erfolgter Akteneinsichtnahme im laufenden Nachprüfungsverfahren in der Lage.
Anders verhält es sich mit den Rügen bezüglich der vermeintlich irrealistischen, überzogenen Massen und Stückzahlen, die die Antragstellerin, wie sie selbst vorträgt, erst nach "eingehender Prüfung nach Erhalt des Informationsschreibens der Auftraggeberin gem. § 13 VgV" erkannt hat. Diesbezüglich erfolgte die Rüge der Antragstellerin nicht "unverzüglich" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Aber selbst wenn man der Antragstellerin, bei der es sich auch nach eigenem Bekunden um eine Arbeitsgemeinschaft von in öffentlichen Vergabeverfahren erfahrenen Fachunternehmen handelt, zugesteht, dass sie von den nunmehr geltend gemachten Fehlern im Leistungsverzeichnis vor Erhalt des Informationsschreibens der Auftraggeberin nach § 13 VgV keine positive Kenntnis erlangt hatten, so ist diese Unkenntnis jedenfalls ausschließlich in der internen Organisation und damit in der Sphäre der Antragstellerin selbst begründet. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rdn. 680, 681, m.w.N.). Dabei ist zu unterscheiden zwischen Ungenauigkeiten im Leistungsverzeichnis und Zweifeln an der Rechtslage. Ungenauigkeiten, die beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses erkannt werden, müssen sofort zu einem entsprechenden Hinweis an den Auftraggeber führen. Lediglich bei Zweifeln an der Rechtslage ist positive Kenntnis ausgeschlossen, da Vermutungen nicht ausreichen. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren schriftsätzlich und auch in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2002 vorgetragen, dass die von ihr geltend gemachten, nunmehr für sie offensichtlichen Fehler im Leistungsverzeichnis ihr bei Angebotserstellung deshalb nicht aufgefallen seien, da sie das Angebot allein durch die kaufmännische Abteilung erstellt und abgegeben habe. Sie hat diese zumindest nach der Erfahrung der Vergabekammer völlig unübliche Organisation der Angebotserstellung damit begründet, dass sie sich zu etwa 80 % mit Aufträgen öffentlicher Auftraggeber befasse, wo fast durchweg Ingenieurbüros eingeschaltet seien. Dies habe grundsätzlich zur Folge, dass selten Nachfragen hinsichtlich Fabrikaten etc. notwendig seien. Sie wickle daher die Angebotserstellung in der Regel allein über ihre kaufmännische Abteilung ab, die ihrerseits jeweils mit den großen Händlern in Kontakt trete hinsichtlich der zu verwendenden Baustoffe. Nach Auffassung der Vergabekammer kann sich ein Bieter nicht durch die allein ihm obliegende Organisation des Personaleinsatzes bei der Angebotserstellung der angemessenen, eingehenden Prüfung der Verdingungsunterlagen und damit der potenziellen, rechtzeitigen Rügemöglich in einem laufenden Vergabeverfahren wirksam entziehen, indem er die fachliche Auswahl der bei der Angebotserstellung eingesetzten Mitarbeiter derart beschränkt, dass Fehler in den Verdingungsunterlagen, die einem durchschnittlichen, fachlich versierten Bieterunternehmen sofort bei der ersten Angebotsprüfung auffallen müssten, übersieht. Es bleibt der Organisation und damit der Risikosphäre eines Bieters überlassen, mit welchem Engagement und Personaleinsatz er sich an einer Ausschreibung beteiligt. Der durch das Vergaberechtsänderungsgesetz dem Bieter erstmals gewährte Primärrechtsschutz im Vergabeverfahren setzt auf der anderen Seite voraus, dass sich der Bieter seinerseits stets in gebührendem Maße um seinen Rechtsschutz bemüht. Dazu gehört gerade auch die vorprozessuale Rüge (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2000, Az.: 203-VgK-13/2000). Für die Kenntnis der vermeintlichen Mängel der Leistungsbeschreibung, die der Antragstellerin ja nach eigenem Vortrag nach Erhalt des ablehnenden Informationsschreibens gem. § 13 VgV am 12.08.2002 nach eingehender Prüfung sofort aufgefallen sind, bedurfte es für ein fachkundiges Bieterunternehmen nicht der vorherigen Konsultation eines Rechtsanwaltes. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Verfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2000, Az.: Verg 9/00).
Angesichts des Umstandes, dass die Antragstellerin die nunmehr von ihr geltend gemachten Massen- und Stückzahlübersetzungen auch schon bei erster, angemessener Prüfung des Leistungsverzeichnisses hätte erkennen müssen, wenn sie, wie sonst allgemein bei Angebotserstellung üblich, nicht nur Kaufleute, sondern dann auch Ingenieure, Techniker oder ähnliche fachlich ausgebildete Mitarbeiter dafür abgestellt hätte, war die mit Telefax vom 20.08.2002 erhobene Rüge bezüglich des Leistungsverzeichnisses nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Das Gleiche gilt für die Rüge der Antragstellerin hinsichtlich der ihrer Auffassung nach VOB-widrigen Positionen zur Planungspauschale. Bedenklich ist hier, dass der Bieter verpflichtet werden soll, an einen externen Planer und damit einen Dritten zu leisten, den sich der Bieter nicht selbst aussuchen kann und den er zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch gar nicht kennt. Dieser wird vielmehr - wie üblich - von der Auftraggeberin vorgegeben, die den Planer ihres Vertrauens wählt. Es kann hier letztlich aber dahinstehen, ob die in den Positionen zur Planungspauschale enthaltene Vorleistungspflicht möglicherweise deshalb rechtswidrig ist, weil sie den Bieter zur Zahlung einer Nichtschuld verpflichtet (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 01.03.2001, Az.: 13 Verg 1/01 - dort zur Courtage eines Versicherungsmaklers) oder ob diese Planungspauschalen deshalb unbedenklich sind, weil der Bieter sie als durchlaufenden Posten nach dem Leistungsverzeichnis ausdrücklich in sein Angebot einkalkulieren musste. Die Antragstellerin musste sich mit diesen Positionen zur Planungspauschale zwingend bereits bei Prüfung der Verdingungsunterlagen und Erstellung ihres Angebotes vom 19.07.2002 auseinander setzen. Die diesbezügliche Rüge vom 20.08.2002 erfolgte daher nicht unverzüglich i.S.d. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
Das Merkmal der Unverzüglichkeit wird in Anlehnung an § 121 Abs. 1 BGB ausgelegt. Danach muss die Rüge so bald erklärt werden, als es dem Antragsteller nach den Umständen möglich und zumutbar ist (vgl. Byok, Jaeger, a.a.O., Rdn. 682). In der Rechtsprechung wird allgemein als äußerster Zeitraum für eine unverzügliche Rüge eine Frist von 2 Wochen anerkannt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.1999 - Verg 1/99; BayObLG, Beschluss vom 21.05.1999 - Verg 1/99). Das heißt jedoch nicht, dass ein Bieter diese Frist in jedem Fall ausschöpfen kann. Die Vergabekammer vertritt die Auffassung, dass einerseits in den Fällen, in denen sich ein vermeintlicher Vergaberechtsfehler erst aus umfangreichen Kenntnissen und Studium der Rechtsgrundlagen ableiten lässt, auch dann noch rechtzeitig gerügt werden kann, wenn diese Frist von 2 Wochen deutlich überschritten wird. Betrifft der gerügte Sachverhalt aber wie im vorliegenden Fall eine aus den Verdingungsunterlagen ersichtliche, für ein fachkundiges Unternehmen ohne weiteres erkennbare Tatsache, ist eine Rügefrist von max. 5 Tagen absolut ausreichend und zumutbar.
Die Antragstellerin hätte daher, um dem Erfordernis der Unverzüglichkeit der Rüge gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB auch hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Fehler im Leistungsverzeichnis Genüge zu tun, diese vermeintlichen Fehler schon wenige Tage nach Prüfung der Verdingungsunterlagen im Zuge der Angebotserstellung rügen müssen. Da sie dies nicht getan hat, sind diese von ihr geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen im Gegensatz zu ihrem Vortrag bezüglich des streitbefangenen, für den Zuschlag vorgesehenen Nebenangebotes der Beigeladenen im Nachprüfungsverfahren gem. § 107 ff. GWB präkludiert.
Ungeachtet dessen hat sich für die Vergabekammer der Vorwurf der Antragstellerin hinsichtlich der übersetzten Massen und Stückzahlen in diesem Nachprüfungsverfahren aber auch nicht bestätigt. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung schlüssig dargelegt, dass sie nach wie vor davon ausgeht, dass die abgeforderte Technik mit der abgeforderten Stückzahl auch tatsächlich - und zwar auch bei Bezuschlagung der von ihr favorisierten Nebenangebotes 1 der Beigeladenen - eingebaut wird. Nach dem Konzept der Auftraggeberin soll das zu erstellende Laborgebäude an etwa 20 Nutzer mit unterschiedlichen Bedürfnissen für Laboranwendungen im Bereich der biotechnologischen Forschung vermietet werden. Sie hat auch dargelegt, dass es für dieses Objekt zwar Interessenten gebe, insbesondere Anfragen von der Medizinischen Hochschule, jedoch noch keine konkreten Vorverträge, so dass sie sich bei Abfassung der Ausschreibungsunterlagen davon habe leiten lassen müssen, einem möglichst großen potenziellen Nutzerkreis die erforderliche Infrastruktur mit anbieten zu können. Es sei derzeit noch nicht absehbar, was konkret letztendlich vom tatsächlichen Nutzer gebraucht würde. Deshalb habe sie, die Auftraggeberin, z.B. nicht vorgesehen, dass das künftige Objekt zentral überwacht werde, sondern sie wolle jedem Nutzer selbst die Pflicht und Möglichkeit einräumen, diese Überwachung durchzuführen. Sie begründet damit die hohe Stückzahl der Brandschutzklappen und der Grafiktableaus. Wegen der unterschiedlichen Nutzung und Laboranwendungen ist nach Auffassung der Auftraggeberin eine selbstständige Überwachung für jede einzelne Nutzungseinheit sinnvoll, was nicht zu beanstanden ist. Anhaltspunkte dafür, dass hier bewusst übersetzte Massen oder Stückzahlen im Leistungsverzeichnis eingebracht wurden, um diese etwa als verdeckte Bedarfspositionen handhaben zu können und ggf. zu reduzieren, hat das Nachprüfungsverfahren jedenfalls nicht ergeben. Dies ändert nichts daran, dass die Auftraggeberin gleichwohl gehalten war und ist, auch das für den Zuschlag favorisierte Nebenangebot 1 daraufhin zu überprüfen, ob unter anderem auch gerade diese streitbefangenen Positionen durch das Nebenangebot abgedeckt werden und die vorgegebenen Qualitätsstandards eingehalten werden (dazu ausführlich im Folgenden unter 2.).
2.
Der Nachprüfungsantrag ist begründet, soweit er sich gegen die Art und Weise der Prüfung und Wertung der Nebenangebote der Beigeladenen durch die Auftraggeberin wendet. Die Auftraggeberin hat gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie es versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte in der Vergabeakte gem. § 30 Nr. 1 VOB/A zu dokumentieren. So ist anhand der Vergabeakte nicht nachvollziehbar, inwiefern die Auftraggeberin bei der Wertung der Angebote die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes anhand sämtlicher von ihr mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes unter Ziffer 5.2 vorgegebenen Zuschlagskriterien durchgeführt hat. Dokumentiert ist lediglich eine intensive Auseinandersetzung mit den Angebotspreisen. Ferner ist nicht ersichtlich, ob und inwieweit die Auftraggeberin sich mit den Nebenangeboten der Beigeladenen, insbesondere mit dem von ihr favorisierten Nebenangebot 1 (Pauschalangebot über die Summe aller Lose) auseinander gesetzt hat. Dies gilt zum einen für die notwendige Prüfung der Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit der Nebenangebote mit dem im Leistungsverzeichnis abgeforderten Hauptangebot. Zum anderen hat die Auftraggeberin versäumt, dieses Nebenangebot 1 einer Plausibilitätsprüfung gem. § 25 Nr. 3 Abs. 2 im Rahmen der Wertung zu unterziehen, obwohl dieses Nebenangebot über alle Lose im Preis 26 % unter der Summe der günstigsten Angebote für die Einzellose lag. Durch diese fehlende gebührende Auseinandersetzung mit dem von ihr für den Zuschlag favorisierten Nebenangebot 1 der Beigeladenen hat die Auftraggeberin ferner zu Lasten der Antragstellerin gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen.
a)
Die Auftraggeberin hat es entgegen § 30 VOB/A versäumt, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, so dass insbesondere die Berücksichtigung der Nebenangebote der Beigeladenen, aber auch die Angebotswertung selbst nach Maßgabe der von der Auftraggeberin mit der Aufforderung zur Abgabe des Angebotes vorgegebenen Zuschlagskriterien gemessen an den Anforderungen des Transparenzgebotes gem. § 97 Abs. 1 GWB nicht hinreichend nachvollziehbar sind. Die an einem Vergabeverfahren beteiligten Bieter haben gem. § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.).
Gemäß § 30 Nr. 1 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB/A § 30, Rdn. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellung und Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB/A vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rdn. 12). Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 30.04.01, Az.: 1/SVK/23-01). Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben. Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.03.1999, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel in der Erkennbarkeit und in der Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle.
Zwar hat das von der Auftraggeberin beauftragte Planungsbüro ausweislich der Vergabeakte eine Prüfung und Auswertung der Angebote vorgenommen und einen Vergabevorschlag gefertigt. Dieser Vermerk genügt jedoch nicht den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A, da es nicht möglich ist, anhand der Angebotswertung und des Vergabevorschlags nachzuvollziehen, ob die Auftraggeberin die Prüfung und Wertung der Angebote in einer den Anforderungen der VOB genügenden Weise durchgeführt hat. Der in der Vergabeakte enthaltene Vergabevorschlag vom 08.08.2002 beschränkt sich im Wesentlichen auf folgende Inhalte und Feststellungen:
- Ein umfangreicher, detaillierter Preisspiegel mit Ermittlung und Darstellung der preislich günstigsten Angebote und Nebenangebote.
- Eine Übersicht über die Angebote, die nach dem Ergebnis der Prüfung nicht den Angebotsbedingungen entsprechen, verbunden mit der Erklärung, dass auf den offiziellen Ausschluss dieser Bieter verzichtet werde, weil das Angebot der Beigeladenen Firma ... über die Summe aller Lose, unter Berücksichtigung der Nebenangebote deutlich unter den Mindestangeboten der Einzellose liege und eine Vergabe an Einzellose daher nicht in Betracht komme.
- Die Empfehlung, den Zuschlag auf das Nebenangebot Nr. 1 (Pauschalangebot) über die Summe aller Lose für Netto 9.950.000,00 EUR zu erteilen und dabei möglichst das Nebenangebot Nr. 3 der Beigeladenen über ein Angebot von 4 % Skonto bei Zahlung innerhalb 14 Tagen in Anspruch zu nehmen.
Bedenklich ist bereits, dass die Auftraggeberin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2002 ausdrücklich erklärt hat, sämtliche Wertungsphasen nicht nacheinander, sondern parallel durchgeführt hat. Systematisch vollzieht sich die Wertung gem. § 25 VOB/A in 4 Wertungsphasen:
- In der 1. Phase sind die auszuschließenden bzw. ausschließbaren Angebote zu ermitteln, ohne dass eine inhaltliche Wertung dieser Angebote vorzunehmen ist (§ 25 Nr. 1 VOB/A).
- In der 2. Phase ist die Eignung der verbliebenen Bieter im Hinblick auf die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung zu überprüfen (Nr. 2 Abs. 1).
- Die 3. Wertungsphase hingegen befasst sich mit der Überprüfung ungewöhnlich niedriger Angebote im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung (Nr. 3 Abs. 2).
- Die 4. und letzte Wertungsphase schließlich betrifft nur noch die Angebote, welche in die engere Wahl gekommen sind. Unter diesen ist das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln (Nr. 3 Abs. 3).
Zur Vermeidung schwer wiegender Vergabefehler empfiehlt sich in aller Regel die genaue Einhaltung der Wertungsphasen 1 bis 4 (vgl. Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 25 Rdn. 8, m.w.N.). Dies gilt für das VOB-Vergabeverfahren wie auch für das VOL-Vergabeverfahren. Schon der das Vergabeverfahren beherrschende Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB verbietet grundsätzlich eine Vermengung der Wertungsphasen.
Schwer wiegender ist im vorliegenden Fall indessen, dass die Auftraggeberin nicht dokumentiert hat, inwieweit die übrigen von ihr vorgegebenen Zuschlagskriterien außer dem Kriterium Preis bei der Wertung Berücksichtigung gefunden haben. Nach der den Bietern übersandten Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes hatte die Auftraggeberin unter Ziffer 5.2 folgende Zuschlagskriterien vorgegeben:
"5.2
Kriterien für die Auftragserteilung bei Haupt- und Nebenangeboten/ Änderungsvorschlägen5.2.1
Allgemeine Kriterien: Preis, Ausführungsfrist, Vergütungsbedingungen5.2.2
Technische und wirtschaftliche Kriterien: Qualität, Folgekosten, Rentabilität, Funktionalität, Konstruktion, Betriebskosten, technischer Wert, Wartung"
Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, letztendlich habe sich ihre Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Preis reduziert, weil von insgesamt 74 Angeboten sich nur 3 Angebote etwa mit der Ausführungsfrist dahingehend auseinander gesetzt hätten, dass Bauzeitenpläne beigefügt wurden. Die übrigen Angebote hätten derartige Bauzeitenpläne nicht aufgewiesen. Die für die Auftragserteilung vorgegebenen technischen und wirtschaftlichen Kriterien seien nicht ausdrücklich noch einmal abgefragt worden. Die Auftraggeberin habe zwar erwartet, dass insbesondere bei den Nebenangeboten Aussagen etwa zur Wirtschaftlichkeit durch niedrigere Folgekosten oder Rentabilität, Betriebskosten etc. gemacht würden. Dies sei allerdings nicht der Fall gewesen. Die Auftraggeberin hätte diese Erkenntnisse bereits in der Vergabeakte in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk dokumentieren und darlegen müssen, warum sich im konkreten Fall das wirtschaftlichste Angebot letztlich ausschließlich über den Preis ermitteln ließ, weil die Angebote hinsichtlich der übrigen Zuschlagskriterien möglicherweise keine Unterschieden aufwiesen oder keine entsprechenden Rückschlüsse zuließen.
b)
Es ist ferner nicht ersichtlich und jedenfalls nicht hinreichend in der Vergabeakte dokumentiert, dass sich die Auftraggeberin mit den Nebenangeboten der Beigeladenen, insbesondere dem von ihr für den Zuschlag favorisierten Nebenangebot 1 über die Summe aller Lose hinreichend auseinander gesetzt hat. Bei Nebenangeboten hat der Auftraggeber eine besonders eingehende und alle Vergabekriterien gewichtende und zueinander ins Verhältnis setzende, vergleichend abwägende Wertung durchzuführen. Daher ist eine klare und in sich geschlossene übersichtliche und erschöpfende Beschreibung des Nebenangebotes durch den Bieter zwingend erforderlich. Dies geht so weit, dass in den Fällen, in denen ein Auftragnehmer die Gleichwertigkeit nicht nachweist, mit seinem Nebenangebot von der Wertung auszuschließen ist (vgl. Vergabekammer Nordbayern, Beschluss vom 25.03.2002, Az.: 320.VK-3194-06/02; BayObLG, Beschluss vom 21.11.2001, Az.: Verg 17/01, Vergabe News 4/2002, S. 28, 29). Angesichts dieser vergaberechtlichen Vorgaben durfte sich die Auftraggeberin nicht darauf beschränken, von der Gleichwertigkeit des Nebenangebotes der Beigeladenen schon deshalb auszugehen, weil die Beigeladene seinerzeit bereits das dem streitbefangenen Objekt weit gehend identische Gebäude "..." erstellt hatte und in ihrem Angebot vom 19.07.2002 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass Ausführungen und Qualitäten diesem Gebäude entsprechen. Sie ist vielmehr gehalten, die Gleichwertigkeit und Vergleichbarkeit dieses Nebenangebotes zu prüfen, dabei sich etwa ergebende Fragen und Zweifel im Rahmen des nach § 24 VOB/A Zulässigen aufzuklären und diese Prüfung und ihr Ergebnis im Vergabevermerk zu dokumentieren. Gleiches gilt insbesondere auch hinsichtlich der von der Beigeladenen in ihrem Nebenangebot ausbedungenen Fabrikatsfreigabe für sämtliche Fabrikate. Ferner ist nicht dokumentiert, ob bei Annahme des Nebenangebotes Nr. 1 (Pauschalierung) in irgendeiner Weise auch die weiteren Nebenangebote der Beigeladenen Berücksichtigung finden. Erst eine solche eingehende Prüfung und Dokumentation versetzt die Auftraggeberin in die Lage, das für den Zuschlag in Betracht kommende, wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Ein ohne diese Prüfung und Dokumentation vorgenommener Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen würde nicht nur gegen das Transparenzgebot verstoßen, sondern zu Lasten aller übrigen Bieter wie auch der Antragstellerin auch das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB verletzen.
c)
Die Auftraggeberin hat ferner versäumt, das Nebenangebot 1 der Beigeladenen angesichts ihres gegenüber den übrigen Angeboten ungewöhnlich hohen Preisabstandes einer Plausibilitätsprüfung gem. § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A zu unterziehen und Prüfung und Ergebnis zu dokumentieren. Unstreitig ist das geprüfte Nebenangebot 1 (Pauschalangebot) der Beigeladenen 26,5 % günstiger als die Summe aller Mindestfordernden der einzelnen Fachlose. Bei einem solchen Preisunterschied darf die Auftraggeberin gem. § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A den Zuschlag nicht ohne jegliche Prüfung der Angemessenheit des Preises erteilen. Zur Beachtung dieser Vorgabe des § 25 Nr. 3 VOB/A ist in Niedersachsen durch den Gemeinsamen Erlass des MW und des MI vom 27.09.2002 - 32-32573/2/25 - (MBl. S. 685) geregelt, dass bei einer Abweichung von 10 % zum nächsthöheren Angebot sich die Auftraggeberin als Vergabestelle zwingend mit der Kalkulation des billigsten Angebots auseinander setzen muss. Dem Bieter ist aufzugeben, die ordnungsgemäße Kalkulation seines Angebotes schlüssig nachzuweisen. Ein Ausschluss des Angebotes ist nach diesem Erlass grundsätzlich erst dann vorzunehmen, wenn der Bieter seiner Nachweispflicht nicht nachgekommen ist. Gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A darf auf ein Angebot mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis der Zuschlag nicht erteilt werden. Von einem solchen Missverhältnis zwischen Preis und Leistung ist allerdings nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und den nachfolgenden Angeboten allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzu kommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/A § 25, Rdn. 45 ff.; Kulartz, VOL/A, 5. Auflage, § 25 Rdn. 40 ff., m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes abzustellen. Auch ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote zu berücksichtigen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall ein auch nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne des Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten keine Zweifel bestehen. Dies aber hat die Auftraggeberin unter Berücksichtigung einer Stellungnahme der Antragstellerin in der gebotenen Weise zu überprüfen. Lediglich wenn diese eingehende Plausibilitätsprüfung ein offenbares Missverhältnis des Preises zur Leistung ergibt, darf die Auftraggeberin der Antragstellerin den Zuschlag nicht erteilen.
Nach diesem zutreffenden Maßstab bestand und besteht für die Auftraggeberin zwar kein Anlass, das von ihr für den Zuschlag favorisierte Nebenangebot 1 der Beigeladenen ohne weiteres als Dumpingangebot einzustufen. Angesichts der Tatsache, dass dieses Nebenangebot 26,5 % günstiger als die Summe aller Mindestfordernden der einzelnen Fachlose ist und in ihren Nebenangeboten einzelne Positionen lediglich mit 1 Cent angesetzt hat, muss die Auftraggeberin sich aber zwingend gem. § 25 Nr. 3 Abs. 2 VOB/A mit der Kalkulation dieses Angebotes auseinander setzen und es einer eingehenden Plausibilitätsprüfung unterziehen und insbesondere auch prüfen, ob das favorisierte Nebenangebot auch tatsächlich von den mit den Verdingungsunterlagen verbindlich vorgegebenen Stückzahlen und Massen ausgeht oder auf eine Massenreduzierung spekuliert. Sie ist ferner, ebenso wie hinsichtlich der Prüfung der Vergleichbarkeit und Gleichwertigkeit des Nebenangebotes gehalten, auch Prüfung und Ergebnis hinsichtlich der Angemessenheit des Preises in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vergabevermerk zu dokumentieren.
Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der festgestellten Verstöße gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen. Dabei hat sie sich insbesondere mit den Nebenangeboten der Beigeladenen hinsichtlich Gleichwertigkeit, Vergleichbarkeit und Angemessenheit auseinander zu setzen und Prüfung und Ergebnis in der Vergabeakte zu dokumentieren. Gleiches gilt aber auch für die letzte Stufe der Angebotswertung, die sie anhand der von ihr in der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich formulierten und genannten Zuschlagskriterien durchführen muss. Von einer Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens konnte die Vergabekammer dagegen absehen. Die von der Vergabekammer im Tenor zu 1 verfügte Verpflichtung der Auftraggeberin ist bereits geeignet und angemessen, die festgestellte Rechtsverletzung der Antragstellerin zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Die Auftraggeberin wird darauf hingewiesen, dass sie nach erneuter Wertung die Bieter im Vergabeverfahren vor Zuschlagserteilung erneut gemäß § 13 VgV informieren muss.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.994,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert für das hier streitbefangene Los 8 beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 3.221.633,05 EUR (brutto, geprüft, einschließlich Nachlässen). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Antragstellerin für das streitbefangene Los 8 und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. Euro; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 3.221.633,05 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.994,00 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass er über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOB/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306) [BVerwG 10.04.1978 - 6 C 27/77]. Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen. Da die Beigeladene den Vortrag der Auftraggeberin unterstützt hat, ist sie ebenfalls unterlegen i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 und 4 Satz 2 GWB. Eine Verpflichtung der Beigeladenen zur Beteiligung an den von der Auftraggeberin zu tragenden Kosten des Nachprüfungsverfahrens wäre indessen unbillig, da die oben unter II. dargelegten Vergaberechtsverletzung allein in der Sphäre der Auftraggeberin begründet liegen und nicht der Beigeladenen zuzurechnen sind.
Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 2.994,00 EUR unter Angabe des Kassenzeichens [...] auf folgendes Konto zu überweisen:
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Schulte
Lohmöller