Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 31.05.2002, Az.: 203-VgK-9/02

Auftraggebereigenschaft einer juristischen Person des privaten Rechts bei Bezuschussung des zu vergebenden Projekts durch öffentliche Mittel; Anforderungen an die Dokumentationspflicht im Hinblick auf das Transparenzgebot; Verpflichtung zur Fertigung eines Vergabevermerks; Verpflichtung des Auftraggebers zur eigenverantwortlichen Entscheidung; Zulässiger Rahmen der Übertragung der Entscheidungskompetenzen; Begriffe des "ausschreibenden Planers sowie des "besonderen Sachverständigen"; Umfang der Verpflichtung zur Auseinandersetzung mit Nebenangeboten im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot; Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit; Zulässigkeit von Änderungen an den Verdingungsunterlagen bei Nebenangeboten ohne Nachweis der Gleichwertigkeit; Versendung eines Informationsschreibens nach § 13 Vergabeverordnung vor der endgültigen Entscheidung über den Zuschlag

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
31.05.2002
Aktenzeichen
203-VgK-9/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 28768
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Baumaßnahme Neubau des Bettenhauses, Erweiterte Rohbauarbeiten

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Conrad
auf die mündliche Verhandlung vom 27.05.2002
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Auftraggeber wird verpflichtet, die Ausschreibung Neubau des Bettenhauses, Erweiterte Rohbauarbeiten aufzuheben.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Auftraggeber.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.872,00 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Der Auftraggeber hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin war notwendig.

Begründung

1

I.

Der Auftraggeber hat mit Datum vom 07.02.2002 die erweiterten Rohbauarbeiten zum Neubau eines Bettenhauses des xxx Krankenhauses xxx europaweit öffentlich ausgeschrieben.

2

Den Ausschreibungsunterlagen war zu entnehmen, dass eine Vergabe nach Losen nicht vorbehalten bleibt.

3

Allgemeine Zuschlagskriterien für die Auftragserteilung waren nicht benannt worden; ebenso keine technischen und wirtschaftlichen Kriterien.

4

Als Vergabeprüfstelle gem. § 103 GWB war irrtümlicherweise die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg genannt worden an Stelle der Vergabekammer gem. § 104 GWB.

5

Nebenangebote waren zugelassen. Ferner wurden die Bieter aufgefordert, die Nachunternehmer zu benennen, die im Angebot enthaltene Leistungen als Teilleistungen ausführen.

6

Bei der Verdingungsverhandlung am 03.04.2002 ergab sich, dass die Antragstellerin mit einer rechnerisch geprüften Angebotssumme von 2.647.246,00 EUR das drittgünstigste Angebot abgegeben hatte. Sie hatte ferner noch vier Nebenangebote abgegeben. Es wurde angegeben, dass Nachunternehmer für die Erd-, Verbau- und Mauerarbeiten, den Gerüstbau und den Blitzschutz eingesetzt werden sollen. Die einzelnen Firmen wollte die Antragstellerin im Auftragsfall nachreichen.

7

Die beigeladene Firma xxx bot die Leistungen für rechnerisch geprüfte 2.474.567,00 EUR an. Sie hatte ferner ein Nebenangebot abgegeben. Sie gab ebenfalls an, dass sie Nachunternehmer einsetzen wolle und hatte deren Namen in einem Extraschreiben angegeben. Die beigeladene Firma xxx bot die Leistungen für rechnerisch geprüfte 2.611.706,73 EUR an und gewährte 1,75% Nachlass auf ihre Angebotssumme. Es wurde angegeben, dass Nachunternehmer für die Verbau-, Beton- und Mauer- Gerüstbau-, Abdichtungs- und Elektro- und Blitzschutzarbeiten sowie die Errichtung der Bauzaunanlage eingesetzt werden sollen. Die einzelnen Firmen wollte die Beigeladene im Auftragsfall nachreichen.

8

Weder die Antragstellerin noch die beigeladene Firma xxx hat bei der Angebotsabgabe angegeben, welche Nachunternehmer welchen Anteil der Arbeiten ausführen soll, obwohl dies im Angebotsschreiben EVM (B) Ang gefordert war.

9

Aus dem von dem Planungsbüro am 16.04.2002 gefertigten Preisspiegel ergab sich insoweit eine Ergänzung, als dass das Nebenangebot Nr. 1 der Antragstellerin mit einer Angebotssumme von 2.577.190,29 EUR auf Rang 2 lag.

10

In einem am 18.04.2002 gefertigten Vermerk über ein Vergabegespräch mit der beigeladenen Firma xxx wurde festgehalten, dass die weiteren besonderen Vertragsbedingungen -WBVB - Vertragsbestandteil werden;

11

die Firma die fehlenden Materialangaben nachreichen wird;

12

die Firma bei den Beton- und Stahlbetonarbeiten an Stelle des beispielhaft ausgeschriebenen Systems "Zementol" ein eigenes System (xxx) mit Verpressschläuchen und Fugenbändern anbietet. Hierzu solle die Firma Unterlagen über die verwendeten Verpressschläuche einreichen und mit dem Statiker weitere Detailfragen klären.

13

Der Firma xxx wurde mitgeteilt, dass sie den Auftrag erhalten solle.

14

Mit Datum vom 18.04.2002 informiert das beauftragte Planungsbüro die anderen Bieter gem. § 13 VgV, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden konnte und der beigeladenen Firma xxx der Zuschlag auf ihr Hauptangebot erteilt werden soll.

15

In einem weiteren Vergabegespräch des beauftragten Planungsbüros mit dem Statiker, der Firma xxx (Abdichtungshersteller) und der beigeladenen Firma xxx am 22.04.2002 wurde folgende Vereinbarung getroffen:

16

Für die verwendeten Materialien sind die Prüfzeugnisse vorzulegen.

17

Die Ausführungspläne sind vor Beginn der Arbeiten zur Genehmigung vorzulegen.

18

Die Abdichtungsarbeiten sind vor dem Betonieren von der Bauleitung oder dem Statiker abnehmen zu lassen.

19

Es werden alle Schläuche grundsätzlich verpresst.

20

Es kommt das Fabrikat "xxx" zum Einsatz. Eine technische Dokumentation ist dem Architekten zu übergeben.

21

Am 23.04.2002 übermittelte das beauftragte Planungsbüro dem Auftraggeber schriftlich die Kopien der Verdingungsverhandlung und des Preisspiegels. Ferner gab es dem Auftraggeber den Vergabevermerk vom 22.04.2002 zur Kenntnis. In dem Vergabevermerk wird erklärt:

"Nach sachlicher Prüfung und unter Berücksichtigung aller technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte sowie unter Zugrundelegung der VOB/A § 25a wird empfohlen, der Firma xxx ... den Auftrag für das ...Gewerk zu erteilen.

Die Auftragssumme liegt im Rahmen der Kostenrechnung.

Die Unbedenklichkeitsbescheinigungen liegen vor.

Die nicht berücksichtigten Bewerber wurden nach VOB/A § 27a entsprechend benachrichtigt. Die Einspruchsfrist läuft am 02.05.2002 ab. Danach wird der Auftrag schriftlich erteilt."

22

Mit Schreiben vom 25.04.2002 rügte die Antragstellerin gegenüber dem Auftraggeber die Vergabe des Auftrages an die beigeladene Firma xxx. Die Antragstellerin begründete dies mit der unzutreffenden Bewertung ihres Angebotes und ihrer Nebenangebote.

23

Nachdem das beauftragte Planungsbüro mit Schreiben vom 29.04.2002 bei seiner Auffassung zur Bewertung der Nebenangebote blieb, beantragte die Antragstellerin mit Schreiben vom 29.04.2002, eingegangen bei der Vergabekammer per Telefax am selben Tage, die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens.

24

Sie vertritt die Auffassung, dass sie durch die vergaberechtswidrige Bewertung ihres Angebotes und ihrer Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 4 in ihren Rechten in diesem Vergabeverfahren verletzt werde. Zur Begründung führt sie aus, dass die von dem Auftraggeber zur teilweisen Nichtberücksichtigung des Nebenangebotes Nr. 1 (Betonhohlwandelemente) genannten Gründe nicht zutreffen, da die angebotene Bauweise auch in der Anwendung auf WU-Bauwerke Stand der Technik seien. Ferner ist sie der Auffassung, dass die Angaben der Vergabestelle zur Berücksichtigung ihres Nebenangebotes Nr. 4 (Baugrubenaushub und Bau pauschal, Ausführung nach unserer Wahl) nicht zutreffen würden. Die Abrechnung der hier angebotenen Leistung als Pauschale ist ihrer Meinung nach offensichtlich möglich. Dies sei sogar eine gängige und sinnvolle Verfahrensweise bei öffentlichen Ausschreibungen. Die Ausschreibungsunterlagen (Leistungsverzeichnis, Pläne) erlauben eine sichere Kalkulation des Pauschalpreises. Gründe für die Angaben der Vergabestelle sind aus Sicht der Antragstellerin nicht ersichtlich.Die Antragstellerin weist daraufhin, dass bei Berücksichtigung aller ihrer Nebenangebote sich für ihr Angebot ein Preis von brutto 2.469.282,74 EUR ergäbe.

25

Dies sei das günstigste Angebot, sofern der Preis des Angebotes der Firma xxx als unangemessen niedrig bewertet werden muss.

26

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Kalkulation der Einheitspreise der beigeladenen Firma xxx nicht stimmig seien, da sie einen zu niedrigen Mittellohn und Zuschlag auf den Kalkulationslohn angesetzt habe. Aus der Vergabeakte ergäbe sich nicht, dass der Auftraggeber sich mit diesen Punkten auseinander gesetzt habe.

27

Ferner ist die Antragstellerin der Auffassung, dass entsprechend dem Submissionsergebnis das Angebot der Firma xxx, das den Zuschlag erhalten soll, ca. 13 % billiger als das nächstfolgende sei. Nach dem Vergabeerlass - RdErl. d. MW u. d. MI v. 27.09.2000 (Nds. MBl. S. 685) Öffentliches Auftragswesen: Grundsätze zum Ausschluss unangemessen niedriger und hoher Angebote bei der Vergabe öffentlicher Aufträge; Wertung der Angebote nach § 25 VOB/A - müsse die Vergabestelle daher die Kalkulation dieses Bieters prüfen und unter anderem klären, ob die Lohnkosten auf der Basis der verpflichtenden tariflichen und gesetzlichen Vorgaben kalkuliert sind und realistischen Annahmen entsprechen. Diese Prüfung muss sich auch auf die von Subunternehmern zu erbringenden Leistungen erstrecken. Das Angebot sei auszuschließen, wenn ordnungsgemäße Kalkulation nicht schlüssig nachgewiesen wird. Der Presse (xxx v. 16.04.2002) konnte die Antragstellerin entnehmen, dass das von der Vergabestelle für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen die o. g. Bestimmungen nicht beachte und dadurch entsprechend günstig anbieten könne. Nach Auffassung der Antragstellerin ist das Angebot der beigeladenen Firma xxx daher nach Prüfung der Kalkulation im vorgeschriebenen Umfang entsprechend VOB/A § 25 Nr. 3 von der Wertung auszuschließen.

28

Nach erfolgter Akteneinsicht am 22.05.2002 führt die Antragstellerin ferner aus, dass das Angebot der beigeladenen Firma xxx nicht wirksam unterschrieben sei, da einerseits kein organschaftlicher Vertreter (Geschäftsführer) unterschrieben habe und andererseits nicht zweifelsfrei die Bevollmächtigung der Unterzeichner nachgewiesen wurde. Damit hätte nach Auffassung der Antragstellerin die beigeladene Firma xxx die Möglichkeit gehabt, sich nachträglich von ihrem Angebot zu lösen.

29

Im Übrigen habe die beigeladene Firma xxx mit ihrem Angebotsschreiben vom 02.04.2002 die Verdingungsunterlagen geändert. Die vorgenommenenÄnderungen sind nach Auffassung der Antragstellerin unzulässig. Es läge somit kein wirksames Angebot vor.

30

Auch habe die beigeladene Firma xxx wichtige Nachweise, wie die Angaben zur Preisermittlung im Vordruck EFB Preis 1b die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise im Vordruck EFB Preis 2 erst nach der Verdingungsverhandlung auf Anforderung des beauftragten Planungsbüros vorgelegt. Damit habe die Vergabestelle ihrer Meinung nach, gegen den Grundsatz der Wettbewerbsgleichheit verstoßen. Im Übrigen seien weitere wichtige Bescheinigungen zur Eignung der beigeladenen Firma xxx nicht vorgelegt worden, sondern lediglich Kopien von Dokumenten, die die Firma xxx betrafen, nicht jedoch die Bieterin xxx.

31

Ferner hat nach Auffassung der Antragstellerin die beigeladene Firma xxx für das von ihr angebotene "System xxx" keinen Gleichwertigkeitsnachweis bei der Angebotsabgabe beigefügt. Außerdem handelt es sich nach Auffassung der Antragstellerin bei dem "System xxx" um ein verdecktes Nebenangebot. Insofern hätte die Vergabestelle das Angebot wegen des Fehlens des zeitgerechten Nachweises ausschließen müssen.

32

Das von der beigeladenen Firma xxx eingereichte "Alternativangebot" ist aus Sicht der Antragstellerin unzulässig, da es eine geänderte Ausführung der Innenwände der Position 31.03.12 als KS-Mauerwerk enthält, aber keine Preisangabe. Das "Alternativangebot" wirke insofern wie ein Blankett.

33

Die Antragstellerin beantragt,

  • festzustellen, dass die Angebotswertung nicht entsprechend den Vergabevorschriften erfolgte, und der Vergabestelle aufzugeben, die Wertung neu vorzunehmen und dabei 1. das Angebot der Firma xxx entsprechend dem Vergabeerlass (RdErl. d. MW u. d. MI v. 27.09.2000 (Nds. MBl. S. 685)) zu überprüfen und ggf. nach VOB/A § 25 Nr. 3 von der Wertung auszuschließen,
  • ihre Nebenangebote Nr. 2 und Nr. 4 voll zu werten und
  • den Zuschlag nach der neuen vergaberechtskonformen Auswertung zu erteilen.
  • festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war.

34

Der Auftraggeber beantragt,

den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

35

Zur Begründung führt er aus, dass die Antragstellerin unter Berücksichtigung der Nebenangebote Nr. 2 und Nr. 3 sowie zu 30 Prozent das Nebenangebot Nr. 1 insgesamt mit einer Summe von 2.577.190,29 EUR nur das zweitgünstigste Angebot vorgelegt habe. Die Angebotskosten der Antragstellerin liegen nach den Feststellungen des beauftragten Planungsbüros 4,14 % höher als das Angebot der beigeladenen Firma xxx. Nach Auffassung des Auftraggebers konnten die von der Antragstellerin vorgelegten Nebenangebote nicht in punkto Qualitätsgleichheit überzeugend nachgewiesen werden. Aus diesen Gründen konnte auch seiner Auffassung nach nur ein Teil der Nebenangebote bewertet werden, die auch qualitativ gleichwertig sind. Im Übrigen wurden alle Angebote gewissenhaft sachlich und rechnerisch geprüft und bewertet. Im Rahmen der Nachprüfungen musste nach Angaben der Auftraggeberin das Angebot der Firma xxx durch Additionsfehler nach oben korrigiert werden. Aus diesem Grunde sei auch der Vergleich der Angebotssummen auf der Grundlage der Submissionsergebnisse nicht angemessen und auch nicht Grundlage für die Bewertung der Vergabe des Auftrages gewesen.

36

Die beiden Beigeladenen stellen keine Anträge.

37

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27.05.2002 Bezug genommen.

38

II.

Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber in mehrfacher Hinsicht gegen das Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen hat, indem er es entgegen § 30 Abs. 1 VOB/A versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, seine Entscheidungen im Vergabeverfahren nachvollziehbar zu begründen. Ferner wird durch die Vergabeakte nicht belegt, dass der Auftraggeber die nötigen Entscheidungen in eigener Verantwortung getroffen hat, sondern die Entscheidungskompetenz über den nach § 7 Nr. 1 VOB/A zulässigen Rahmen der von ihr mit der Vorbereitung und Durchführung der streitbefangenen Ausschreibung beauftragten Architektengemeinschaft xxx überlassen hat. Ferner hat die Architektengemeinschaft nicht dokumentiert, dass sie sich hinreichend gem. §§ 21 Nr. 1 Abs. 2 und Nr. 3, 25 Nr. 5 VOB/A mit den Nebenangeboten der Antragstellerin auseinander gesetzt hat. Insbesondere die Behandlung des Nebenangebots Nr. 4 stellt einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB dar.

39

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Für den Auftraggeber handelt es sich um einen eingetragenen Verein und damit eine juristische Person des privaten Rechts. Diese erhält für das Projekt "Neubau eines Bettenhauses des xxx laut Auskunft des vom Auftraggeber beauftragten Architekturbüros, das in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2002 auch als Verfahrensbevollmächtigte in diesem Nachprüfungsverfahren aufgetreten ist, vom Land Niedersachsen und damit einer Gebietskörperschaft im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB Mittel, mit denen das Vorhaben zu mehr als 50 v. H. finanziert wird (30 Mio. DM von einem Gesamtauftragsvolumen von ca. 31,8 Mio. DM). Das xxx Krankenhaus xxx ist somit öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 5 GWB. Der streitbefangene Auftragübersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert des ausgeschriebenen und streitbefangenen Gewerkes "Erweiterte Rohbauarbeiten" mindestens 2.133.248,02 EUR netto. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.

40

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass der Auftraggeber ihr nur deshalb nicht den Zuschlag erteilt, weil er in vergaberechtswidriger Weise die Wertung durchgeführt habe und deshalb das Angebot der Beigeladenen zu 1 als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt habe, obwohl dieses von der Wertung auszuschließen sei. Vielmehr sei ihr Angebot insbesondere unter Berücksichtung ihrer Nebenangebote Nr. 1 und Nr. 4 das wirtschaftlichste Angebot und die Nichtberücksichtigung vergaberechtswidrig. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rdn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig dargelegt, dass sie sogar eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn der Auftraggeber die Angebotswertung ohne die von der Antragstellerin gerügten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße durchgeführt hätte.

41

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber dem Auftraggeber unverzüglich zu rügen. Die Antragstellerin hatte am 19.04.2002 das Informationsschreiben des Auftraggebers gem. § 13 VgV vom 18.04.2002 erhalten. Darin war ihr ohne nähere Ausführungen mitgeteilt worden, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne. weil sie nicht das wirtschaftlichste Angebot gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A abgegeben habe. Es liege ein niedrigeres Hauptangebot vor. Die Antragstellerin hat daraufhin mit Schreiben vom 25.04.2002 insbesondere die nur teilweise Berücksichtigung ihres Nebenangebotes Nr. 1 und die Nichtberücksichtigung ihres Nebenangebotes Nr. 4 gerügt und diese Rüge begründet. Ferner rügte sie, dass der Auftraggeber offenbar nicht das vermeintlich unangemessen niedrige Hauptangebot der Beigeladenen zu 1überprüft habe, obwohl dies laut Submissionsergebnis 13 % billiger als das nächstfolgende sei. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen. Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist dann gegeben, wenn ein Bieter oder Bewerber auf Grund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht. Diese positive Kenntnis hat die Antragstellerin erst auf Grund des Informationsschreibens der Auftraggeberin gem. § 13 VgV am 19.04.2002, einem Freitag, erlangt. Unter Berücksichtigung des sich anschließenden Wochenendes folgte das Rügeschreiben vom 25.04. unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Von den weiteren im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens von der Antragstellerin geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen hat die Antragstellerin erst im Wege des Akteneinsicht gem. § 111 GWB positive Kenntnis erlangt.

42

2.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Der Auftraggeber hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem er es versäumt hat, wichtige Verfahrensschritte in der Vergabeakte gem. § 30 Nr. 1 VOB/A zu dokumentieren. Aus der Vergabeakte ergibt sich nicht, dass er im Zuge des Vergabeverfahrens die wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen hat. Vielmehr hat er seine Entscheidungskompetenzen auf das mit der Vorbereitung und Durchführung beauftragte Architekturbüro über den nach § 7 Nr. 1 VOB/A zulässigen Rahmen hinaus übertragen (im Folgenden a). Ferner enthält die Vergabeakte keinen den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A entsprechenden Vergabevermerk (im Folgenden b). Der Auftraggeber hat ferner zu Lasten der Antragstellerin gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem er insbesondere das Nebenangebot Nr. 4 der Antragstellerin (Pauschalangebot) bei der Angebotswertung nicht berücksichtigte, ohne eine hinreichende Auseinandersetzung mit diesem Angebot in der Vergabeakte zu dokumentieren (im Folgenden c). Ein weiterer Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot liegt darin begründet, dass das Architekturbüro des Auftraggebers die Antragstellerin und die übrigen Bieter gem. § 13 VgV zu einem Zeitpunkt (18.04.2002) von der Nichtberücksichtigung ihrer Angebote informierte, als das Architekturbüro die Überprüfung des für den Zuschlag favorisierten Angebots der Beigeladenen zu 1 noch gar nicht abgeschlossen hatte. Endgültig werten konnte sie dieses erst nach dem letzten Aufklärungsgespräch vom 22.04.2002.

43

a)

Aus der Vergabeakte ist nicht ersichtlich, geschweige denn wird in einem den Anforderungen des § 30 VOB/A genügenden Vermerk belegt, dass die in den einzelnen Stufen des Vergabeverfahrens zu treffenden Entscheidungen von dem Auftraggeber selbst getroffen wurden. Vielmehr hat der Auftraggeber seine Entscheidungskompetenzen vollständig der mit der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragten Architektengemeinschaft xxx übertragen. Der Auftraggeber hat damit zu keinem Zeitpunkt eine eigene verantwortliche Vergabeentscheidung getroffen. Der Auftraggeber hat damit der Architektengemeinschaft Befugnisse eingeräumt, die weder unter dem Gesichtspunkt eines vom Auftraggeber zugezogenen "ausschreibenden Planers" im Sinne des § 15 Abs. 2 Nr. 6 HOAI (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, § 7, Rdn. 51) noch unter dem Gesichtspunkt einer Mitwirkung von Sachverständigen gem. § 7 VOB/A gerechtfertigt ist. Gemäß § 7 Nr. 1 VOB/A ist die Mitwirkung von "besonderen Sachverständigen" zulässig, sofern sie zweckmäßig ist, um die Vergabe, insbesondere die Verdingungsunterlagen, vorzubereiten oder die geforderten Preise einschließlich der Vergütungen für Stundenlohnarbeiten (Stundenlohnzuschläge, Verrechnungssätze) zu beurteilen oder die vertragsgemäße Ausführung der Leistung zu begutachten. Diese Sachverständigen sollen grundsätzlich von Berufsvertretungen vorgeschlagen werden. Sie dürfen weder unmittelbar noch mittelbar an der betreffenden Vergabe beteiligt sein. Wann die Mitwirkung eines Sachverständigen zweckmäßig im Sinne dieser Vorschrift ist, wird grundsätzlich in das Ermessen des den Sachverständigen beauftragenden Beteiligten, hier des Auftraggebers gestellt. Der Auftraggeber ist jedoch, wenn er wie im vorliegenden Fall selbst nicht über den ausreichenden Sachverstand verfügt, verpflichtet, einen besonderen Sachverständigen hinzuzuziehen, um eine ordnungsgemäße Durchführung des Vergabeverfahrens zu gewährleisten (vgl. Franke/Kemper/Zanner/Grünhagen, VOB-Kommentar, A § 7, Rdn. 6). Das gilt insbesondere auch für die Prüfung (§ 23) und die vorbereitende Wertung (§ 25) von Nebenangeboten sowie z.B. für die Koordination der Ausschreibung, die Durchführung des Eröffnungstermins, die Prüfung der Angebote in technischer und kaufmännischer Hinsicht, die Sachverhaltsvorbereitung für die Wertung und - nicht zuletzt - die Informations- und Dokumentationspflichten während des Vergabeverfahrens. § 7 VOB/A geht jedoch, ebenso wie § 6 Nr. 3 VOL/A davon aus, dass der Auftraggeber die Entscheidungen im Vergabeverfahren stets in eigener Verantwortung trifft (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O., A § 7, Rdn. 1). Aufgabe des Sachverständigen ist es, durch schriftliche oder mündliche Äußerungen die Prüfung und Auswertung vorgegebener Tatsachen zu unterstützen, indem er auf Grund seines Fachwissens subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen bekundet. Will sich der Auftraggeber den Inhalt der gutachterlichenÄußerungen eines besonderen Sachverständigen bei einer Entscheidung zu Eigen machen, so ist er verpflichtet, sich zuvor inhaltlich nochmals damit auseinander zu setzen. Die Aufbereitung eines Sachverhalts durch einen Sachverständigen kann die Wertung des Auftraggebers nicht ersetzen. Zutreffend bemerkt deshalb das Vergabehandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Finanzbauverwaltungen (VHB) zu § 7 VOB/A:

"Die Mitwirkung von Sachverständigen entbindet das Bauamt nicht, die Entscheidung in eigener Verantwortung zu treffen."

44

Die Entscheidungsvorschläge in den einzelnen Abschnitten des Vergabeverfahrens sind daher für denöffentlichen Auftraggeber nicht nur unverbindlich. Sie entbinden den Auftraggeber vielmehr nicht davon, die notwendigen Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Die Architektengemeinschaft, die vom Auftraggeber gemäß schriftlicher Vollmacht vom 23.05.2002 auch mit der Wahrnehmung seiner Interessen im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren beauftragt worden ist, hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2002 zwar erklärt, ihr Auftraggeber sei in jeder Phase der Ausschreibung mündlich von ihr beteiligt worden und stets informiert gewesen. Auch die Informationsschreiben gem. § 13 VgV vom 18.04.2002 seien mit dem Auftraggeber abgestimmt worden. Die Vergabeakte belegt diese Aussage jedoch an keiner Stelle. Vielmehr erweckt die Vergabeakte den Eindruck, dass der Auftraggeber sich im gesamten Vergabeverfahren nahezu wie ein Unbeteiligter verhalten hat. So war ein Mitarbeiter des Auftraggeber weder am Aufklärungsgespräch mit der Beigeladenen zu 1 vom 17.04.2002 noch am abschließenden Gespräch vom 22.04.2002 beteiligt. Irgendeine schriftliche Äußerung des Auftraggebers enthält die Vergabeakte nicht. Belegt wird die passive Haltung des Auftraggebers aber vor allem durch den - eine Seite umfassenden - Vergabevermerk vom 22.04.2002 und das Schreiben der Architektengemeinschaft vom 23.04.2002, mit dem die Architektengemeinschaft das Protokoll der Verdingungsverhandlung (Kopie), den Preisspiegel (Kopie) und den Vergabevermerk übersandt hat. Dort heißt es im Vergabevermerk:

"Die nicht berücksichtigten Bieter wurden nach VOB/A § 27 a entsprechend benachrichtigt. Die Einspruchsfrist läuft am 02.05.2002 ab. Danach wird der Auftrag schriftlich erteilt."

45

Während das xxx, das wegen des Finanzierungsanteils des Landes zu beteiligen war, im Parallelschreiben vom 23.04.2002 noch immerhin "um Zustimmung des Vergabevermerks für die o. g. Baumaßnahme" gebeten wurde mit der Maßgabe: "Falls wir bis zum 02.05.2002 von Ihnen keine Einwände erfahren, setzen wir Ihr Einverständnis zur Vergabe voraus", heißt es im Parallelschreiben an den Auftraggeber lediglich:

"Wir bitten um Kenntnisnahme. Für Rückfragen stehen wir jederzeit zur Verfügung."

46

Der Auftraggeber hat somit im streitbefangenen Vergabeverfahren keine ihm obliegende Entscheidung getroffen.

47

b)

Der Auftraggeber hat außerdem entgegen § 30 VOB/A versäumt, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, so dass insbesondere die Berücksichtigung und der Ausschluss von Nebenangeboten sowie die Angebotswertung selbst gemessen an den Vorgaben des Transparenzgebotes gem. § 97 Abs. 1 GWB nicht hinreichend nachvollziehbar sind. Die an einem Vergabeverfahren beteiligten Bieter haben gem. § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.).

48

Gemäß § 30 Nr. 1 VOB/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Sinn dieser Bestimmung ist es, die Überprüfbarkeit der im Rahmen des Vergabeverfahrens getroffenen Feststellungen und Entscheidungen herbeizuführen (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, A § 30, Rdn. 1, m.w.N.). Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOB/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellung und Begründung der einzelnen Entscheidungen. Der Vergabevermerk ist chronologisch zu fassen und muss sich dabei an der in der VOB/A vorgeschriebenen Reihenfolge orientieren (vgl. Beck'scher VOB-Kommentar, A § 30, Rdn. 12). Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie beim Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über Verhandlungen mit Bietern und deren Ergebnis, sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (vgl. VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.01, Az.: 1/SVK/23-01). Ebenso sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben. Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOB/A zwingende Pflicht des Auftraggebers, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderlicheÜberprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 08.03.1999, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Daraus folgt, dass im Vermerk die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und der Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle.

49

Zwar hat die vom Auftraggeber beauftragte Architektengemeinschaft ausweislich der Vergabeakten eine Prüfung und Auswertung der Angebote vorgenommen und einen Vergabevermerk gefertigt. Dieser Vermerk genügt jedoch nicht den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOB/A, da es nicht möglich ist, anhand der Angebotsauswertung und des Vergabevermerks die Entscheidung nachzuvollziehen. Der in der Vergabeakte enthaltene Vergabevermerk vom 22.04.2002 beschränkt sich auf folgende Feststellungen:

"15 Firmen haben die Ausschreibungsunterlagen angefordert. 11 Firmen haben als Bieter ein Angebot abgegeben und 11 Bieter wurden zur Wertung zugelassen. Nach sachlicher Prüfung und unter Berücksichtigung aller technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte sowie unter Zugrundelegung der VOB/A § 25 a wird empfohlen, der Firma xxx den Auftrag für vorgenanntes Gewerk zu erteilen. Die Auftragssumme liegt im Rahmen der Kostenberechnung. Die Unbedenklichkeitsbescheinigungen liegen vor. Die nicht berücksichtigten Bewerber wurden nach VOB/A § 27 a entsprechend benachrichtigt. Die Einspruchsfrist läuft am 02.05.2002 ab. Danach wird der Auftrag schriftlich erteilt."

50

Der Vergabevermerk lässt insbesondere jegliche Auseinandersetzungen mit den Nebenangeboten der Antragstellerin vermissen, die vom Auftraggeber nicht gewertet wurden. Auch im Übrigen ist die Angebotswertung nicht hinreichend dokumentiert. Der dem Vergabevermerk beigefügte, detaillierte Preisspiegel vom 16.04.2002 (115 Seiten) dokumentiert zwar eine intensive Auseinandersetzung mit den Angebotspreisen, vermag aber insbesondere die fehlende Auseinandersetzung mit den nicht berücksichtigten Nebenangeboten nicht zu ersetzen. Im Übrigen vertritt die Vergabekammer die Auffassung, dass zumindest die Ergebnisse des Preisspiegels sich im Vergabevermerk wieder finden müssen.

51

c)

Ungeachtet der Verstöße gegen die Dokumentationspflicht hat sich die vom Auftraggeber beauftragte Architektengemeinschaft aber auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2002 nicht in einer den Anforderungen der §§ 21 Nr. 3, 25 Nr. 5 VOB/A genügenden Weise mit den Nebenangeboten der Antragstellerin auseinander gesetzt. Dies gilt insbesondere für das Nebenangebot N 4. Die Antragstellerin hatte hier mit Angebotsschreiben vom 02.04.2002 für die Positionen Voraushub Gelände, Baugrubenaushub und Trägerbohlwand mit Gesamtkosten von 228.710,00 EUR netto bei einem Voraushub Gelände bis minus 1,50 m; Trägerbohlwand mit Arbeitsraum; Baugrubenaushub bis UK Sauberkeitsschicht einen reduzierten Pauschalpreis von 194.000,00 EUR netto angeboten. Das Angebot enthält den handschriftlichen Vermerk der Architektengemeinschaft: "Nicht wertbar" und "Pauschale Abrechnung nicht möglich (öffentliche Mittel)".

52

Weitere Erläuterungen und Erwägungen der Architektengemeinschaft enthält die Vergabeakte bis zum Zeitpunkt der Wertung nicht. Lediglich im Schreiben der Architektengemeinschaft vom 29.04.2002, mit dem sie auf die Rüge der Antragstellerin erwiderte, heißt es:

"Nebenangebot Nr. 4 Baugrubenaushub - Gemäß unseren Vorgaben ist eine Pauschalierung der Aushubmassen nicht möglich (zusätzliche Vertragsbedingungen Punkt 15). Des Weiteren kommt es durch Umplanungen und Nutzungsänderungen zu einer Verschiebung bei den Aushubmassen, so dass nur eine Abrechnung nach tatsächlich erbrachten Leistungen möglich ist."

53

Die Architektengemeinschaft hat diesen Punkt in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass sich im Zuge des streitbefangenen Vergabeverfahrens herausgestellt habe, dass der Auftraggeber von seinem ursprünglichen Vorhaben, den Gebäudekomplex mit einer Zentralküche zu versehen, abgerückt sei. Allein durch den mit dem Wegfall des Projektes Zentralküche verbundenen Wegfall von Gebäuden sei eine Massenreduzierung um 2000 cbm von ursprünglich rd. 8000 cbm Erdaushub verbunden. Dieser Umstand sei ihr zwar im Zeitpunkt der Wertung bekannt gewesen, sie habe die 2000 cbm aber nicht bei der Wertung in Abzug gebracht, sondern sei von den ursprünglichen Massen ausgegangen. Sie habe allerdings zu Lasten des Nebenangebotes 4 der Antragstellerin feststellen müssen, dass die Pauschalierung allein wegen des tatsächlich reduzierten Erdaushubs sich nicht mehr so günstig gestalten werde. Darin liegt eine Ungleichbehandlung zu Lasten der Antragstellerin. Der Auftraggeber hätte entweder alle Angebote - auch das Nebenangebot 4 der Antragstellerin - unter Zugrundelegung der ursprünglichen, in den Verdingungsunterlagen angegebenen Massen werten müssen oder aber - nach Information der Bieter - die neuen Erkenntnisse in die Wertung einfließen lassen müssen und bei allen Angeboten die 2000 cbm in Abzug bringen müssen. Zu Recht verweist die Antragstellerin darauf, dass sich bei Berücksichtigung des Minderaushubs um 2000 cbm für ihr Nebenangebot 4 ein Preis von netto ca. 200.000,00 EUR ergebe, wodurch das Nebenangebot 4 immer noch wirtschaftlicher als die gewerteten Hauptangebote gewesen wäre. Der Auftraggeber wäre verpflichtet gewesen, die Bieter über diese Massenänderungen zu informieren. Da er dies nicht getan hat, durfte er die Massenänderungen entweder nicht berücksichtigen, bei allen Bietern nach Abstimmung gleichmäßig berücksichtigen oder musste sich gegebenenfalls, wenn sich die Massenänderung und insbesondere auch der Wegfall des Komplexes Zentralküche selbst für den Auftraggeber als wesentlich erwies, zu einer Aufhebung und einer Neuausschreibung entschließen.

54

Auch die Begründung für die Nichtberücksichtigung des Nebenangebotes Nr. 1 der Antragstellerin überzeugt nicht. Die Antragstellerin hatte hier eine Einsparung von netto 93.319,50 EUR netto durch die Verwendung von Fertigteilbetonwänden in Dreifachwandkonstruktion an Stelle von Ortbeton angeboten. Die Architektengemeinschaft hatte dieses Nebenangebot mit dem handschriftlichen Vermerk "Nur bei 30 % der Wände möglich" versehen und lediglich einen Kostenvorteil von 24.995,85 EUR berücksichtigt. Sie hat dies in ihrer Erwiderung vom 29.04.2002 auf das Rügeschreiben der Antragstellerin dahingehend begründet, dass eine Ausführung mit derartigen Betonhohlwandelementen je nach Abdichtungsart nur bis 2 m Wasserdruck über der Sohle möglich sei. Am gesamten Gebäude sei aber tatsächlich ein Grundwasserhöchststand von 2,90 über Sohle zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde sei ein Einsatz im Bereich des WU-Betons abdichtungstechnisch nicht möglich. Das Architektenbüro verwies auf einen anliegenden Vermerk ihres beauftragten Statikbüros vom 29.04.2002 und hat in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2002 darauf verwiesen, dass in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich Wert auf absolute Wasserdichtigkeit gelegt worden sei. Die angebotene Ausführung weise konstruktionsbedingt den Nachteil auf, dass zusätzliche Fugen gegenüber konventionell gegossenen Betonwänden auftreten, die ihrerseits das Risiko der Wasserundichtigkeit bildeten. Demgegenüber hat die Antragstellerin darauf verwiesen, dass die angebotene Konstruktion Stand der Technik sei und tauglich sei für Grundwassersäulen von 10 m. Das Vorbringen des Architekturbüros, die Fertigteilkonstruktion weise größere Risiken als bei einer Ortbetonkonstruktion, überzeugt so nicht. Sie hätte auch dies ausführlich begründen und in der Vergabeakte dokumentieren müssen.

55

Dagegen war der Auftraggeber berechtigt und gehalten, das Nebenangebot Nr. 2 von der Wertung auszuschließen. Die Antragstellerin hatte dort eine Reduzierung der von den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Sauberkeitsschicht in einer Stärke von 10 cm auf 5 cm angeboten, wodurch sich ein weiterer Preisnachlass von 4.414,00 EUR netto ergebe. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass Sinn und Zweck der Sauberkeitsschicht ist, die Herstellung einer ebenen Fläche zu gewährleisten. Wegen des vorgefundenen felsigen Baugrundes sei zu besorgen gewesen, dass eben erst bei einer Sauberkeitsschicht von 10 cm gewährleistet werden könne, dass eine ebene Fläche entsteht. Unter Pos. 21 der Leistungsbeschreibung war eine Schicht von 10 cm explizit vorgeschrieben worden. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 b VOB/A werden Angebote, die dem § 21 Nr. 1 Abs. 1 und 2 nicht entsprechen, von der Wertung ausgeschlossen. Gemäß § 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A sind Änderungen an den Verdingungsunterlagen unzulässig. Die von der Antragstellerin angebotene Reduzierung der Sauberkeitsschicht wäre vom Auftraggeber gem. § 25 Nr. 4 VOB/A oder als Nebenangebot gem. § 25 Nr. 5 VOB/A nur dann zu berücksichtigen gewesen, wenn die Gleichwertigkeit mit dem Angebot nachgewiesen worden wäre (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, A § 25, Rdn. 630). Einen derartigen Nachweis enthält das Nebenangebot der Antragstellerin nicht. Die Erklärung der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, sie werde auch bei einer Sauberkeitsschicht von 5 cm eine ebene Fläche gewährleisten, genügt nicht den Anforderungen an die Darlegung der Gleichwertigkeit.

56

d)

Der Auftraggeber hat ferner zu Gunsten der Beigeladenen zu 1 und zu Lasten aller anderen Bieter gegen das Gleichbehandlungsgebot aus § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem die beauftragte Architektengemeinschaft bereits am 18.04.2002 die Bieter gem. § 13 VgV von der beabsichtigten Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 und die Nichtberücksichtigung derübrigen Angebote informierte, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig vom Angebot der Beigeladenen zu 1, insbesondere dem von ihr angebotenen "Abdichtungssystem xxx" überzeugt war. Ausweislich der Vergabeakte hatte sie erst nach dem Aufklärungsgespräch vom 22.04.2002 und den dort getroffenen - im Gesprächsvermerk vom 23.04.2002 ausdrücklich so bezeichneten - Vereinbarungen endgültige Klarheit über das von ihr für den Zuschlag bevorzugte Angebot der Beigeladenen zu 1.

57

Dabei war der Auftraggeber nicht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 b, § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A gehalten, das Angebot der Beigeladenen zu 1 von der Wertung auszuschließen. Zwar fehlten im Angebot der Beigeladenen zu 1 vom 02.04.2002 an vorgesehener Stelle, Abschnitt 35.1 "Beton- und Stahlbetonarbeiten" die geforderten Angaben zu einem vom Bieter einzusetzenden Abdichtungssystem. In den Verdingungsunterlagen hieß es an dieser Stelle:

"... System: z.B. Firma xxx, angebotenes Fabrikat, Typ, Bezeichnung: ... (vom Bieter einzutragen)."

58

Die Beigeladene zu 1 hatte jedoch in einem Begleitschreiben zum Angebot vom 02.04.2002 ausdrücklich auf ein "System xxx" zur Abdichtung gegen drückendes Wasser (weiße Wanne) hingewiesen, wenn auch nicht näher erläutert. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Architektengemeinschaft im Auftrag des Auftraggebers der Beigeladenen zu 1 mit Schreiben vom 04.04.2002 aufgefordert hat, diese und weitere fehlende Angaben und Unterlagen bis zum 11.04.2002 nachzureichen, was die Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 08.04.2002 dann auch getan hat.

59

Die Beigeladene zu 1 hat entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht eine wesentliche Position des Hauptangebotes lediglich mit einem Nebenangebot bedient, indem sie statt des Einsatzes von "xxx" ein eigenes Abdichtungssystem angeboten hat. Das System "Firma xxx" war unter Position Nr. 35.1.1 der Verdingungsunterlagen von Auftraggeber ausdrücklich nur als Beispiel genannt worden.

60

Auch die zwischen der Architektengemeinschaft und der Beigeladenen zu 1 geführten Aufklärungsgespräche vom 17.04.2002 (Vermerk v. 18.04.2002) und 22.04.2002 (Vermerk v. 23.04.2002), mit denen die Architektengemeinschaft Klarheit über die Beschaffenheit und Annehmbarkeit des von der Beigeladenen zu 1 angebotenen Abdichtungssystems Firma xxx erlangen wollte, hielt sich insofern noch im Rahmen des § 24 Abs. 1 VOB/A und ist grundsätzlich nicht zu beanstanden.

61

Nicht vergaberechtskonform ist dagegen die Verfahrensweise der Architektengemeinschaft, sich die Klarheit über die Zuschlagsfähigkeit des Angebotes der Beigeladenen zu 1 erst am 22.04.2002 und damit zu einem Zeitpunkt zu verschaffen, nachdem sie die Bieter gem. § 13 VgV mit Schreiben vom 18.04.2002 bereits über das Ergebnis der Ausschreibung und die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen zu 1 informiert hatte. Die Architektengemeinschaft befand sich nicht in einem Verhandlungsverfahren gem. § 3 a Nr. 4 oder Nr. 5 VOB/A, wo der Bewerberkreis im Zuge des Verfahrens nach und nach eingegrenzt werden kann. Es handelt sich hier vielmehr um ein offenes Verfahren gem.§ 3 a Nr. 1 a VOB/A, wo die von § 25 VOB/A vorgegebenen vier Wertungsstufen (formale Anforderungen gem. § 25 Nr. 1, Eignung gem. §§ 25 Nr. 2, 8 Nr. 3, Angemessenheit des Preises § 25 Nr. 3 Abs. 1 und 2 und engere Auswahl gem.§ 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A) chronologisch streng einzuhalten sind, bevor die Wirtschaftlichkeitsprüfung abgeschlossen werden kann (vgl. Franke/Grünhagen, VOB, A§ 25, Rdn. 10). Die Wirtschaftlichkeitsprüfung eines Angebotes kann erst dann abgeschlossen werden, wenn zuvor feststeht, dass dieses Angebot den Verdingungsunterlagen entspricht bzw. annehmbar ist. Erst nach Abschluss der Wirtschaftlichkeitsprüfung weiß der Auftraggeber, welchem Angebot er den Zuschlag erteilen will. Er kann und muss auch erst dann die Bieter gem. § 13 VgV informieren. Im vorliegenden Fall aber hatte sich die Architektengemeinschaft in vergaberechtswidriger Weise bereits vorzeitig, nämlich vor vollständigem Abschluss einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, für das Angebot der Beigeladenen zu 1 entschieden.

62

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der Auftraggeber durch die von ihm beauftragte Architektengemeinschaft einen weiteren Vergaberechtsverstoß begangen hat, indem er sich bei der Beigeladenen zu 1 anlässlich des Aufklärungsgesprächs vom 17.04.2002 bei der Beigeladenen hinsichtlich der Akzeptanz von weiteren Besonderen Vertragsbedingungen (WBVB) versichert hat. Der Auftraggeber hat in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, dass diese auf vier rosa gehaltenen Seiten formulierten Vertragsbedingungen irrtümlich nicht den Bietern mit den Verdingungsunterlagen zugesandt worden waren. Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Architektengemeinschaft nicht, dass die dort formulierten Vertragsbedingungen keinerlei Auswirkungen auf die Preiskalkulation haben könnten. Immerhin enthalten diese WBVB Bedingungen über Fachbauleiter, Baustelleneinrichtung, Baufristenplan und wesentliche Nebenleistungen, die durchaus Auswirkungen auf die Preiskalkulation haben könnten. Die Tatsache, dass sich der Auftraggeber im Wesentlichen der im Vergabehandbuch vorformulierten Besonderen Vertragsbedingungen bedient hat, ändert nichts an der Erheblichkeit dieser Bedingungen.

63

e)

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen des festgestellten schwer wiegenden Verstoßes gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es erforderlich, die Aufhebung der Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer herbeizuführen, da die Vergaberechtsverstöße - insbesondere die vergaberechtswidrige Delegation sämtlicher Entscheidungsbefugnisse auf die beauftragte Architektengemeinschaft und der das streitbefangene Vergabeverfahren prägende Verstoß gegen die Dokumentationspflichten gem. § 30 VOB/A - nicht durch eine Verpflichtung zur Neuvornahme der Angebotswertung beseitigt werden könnten. Wegen der zentralen Bedeutung der Dokumentationspflichten gem. § 30 VOB/A hat die Vergabekammer die Vergaberechtsverletzungen gem. § 110 Abs. 1 GWB von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat der Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Nr. 1 GWB die Verpflichtung zugewiesen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen. Dabei ist die Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Die Vergabekammer muss deshalb darauf hinwirken, dass das Vergabeverfahren aufgehoben wird.

64

III.

Kosten

65

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992ff.) vom 10.11.2001 werden die

66

DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

67

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.872,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

68

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 2.474.567,70 EUR (brutto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Hauptangebot der Beigeladenen zu 1.

69

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999. Hiernach wird der Mindestgebühr von 5.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 2 Mio. DM (Schwellenwert von 1 Mio. Euro; ca. 2 Mio. DM) zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000,00 DM (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 300 Mio. DM (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenüber gestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 2.474.567,70 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.872,00 EUR.

70

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

71

Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

72

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass erüber das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOB/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

73

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

74

Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

75

Der Auftraggeber wird aufgefordert, den Betrag von 2.872,00 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx.

Gause
Schulte
Conrad