Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 25.07.2002, Az.: 203-VgK-11/2002
Verpflichtung zur Berücksichtigung der in der Vergabebekanntmachung angegebenen Auftragskriterien ; Beschränkung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Höhe des Angebotspreises; Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot durch Berücksichtigung eines nicht ordnungsgemäß und fristgerecht belegten reduzierten Angebots; Nichtberücksichtigung eines verspätet eingegangenen Reduzierungsangebots; Anforderungen an die Dokumentation der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote im Verhandlungsverfahren; Differenzierung nach Auftragskriterien und Eignungskriterien; Rolle des Preises bzw. des Honorars in Ausschreibungen nach der Verdingungsordung für freiberufliche Leistungen; Anforderungen an die Fertigung von Vergabevermerken; Festlegung der Anzahl der Verhandlungsrunden; Sinnhaftigkeit des Setzens von Fristen im Verhandlungsverfahren im Hinblick auf die Gleichbehandlung der Bieter
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 25.07.2002
- Aktenzeichen
- 203-VgK-11/2002
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 28766
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 16 Abs. 2 VOF
- § 16 Abs. 3 VOF
- § 97 Abs. 2 GWB
- § 97 Abs. 1 GWB
- § 18 VOF
Verfahrensgegenstand
Vergabeverfahren nach der VOF betreffend Planungsleistungen zum Neubau einer Kläranlage in xxx.
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BA Dipl. Ing. Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl. Ök. Brinkmann
auf die mündliche Verhandlung vom 22.07.2002
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in das Vergabeverfahren einzutreten und die ihr zum Stand 15.04.2002 vorliegenden Angebote erneut zu werten, soweit die angebotenen Reduzierungen in den Leistungsphasen dem Grunde und der Höhe nach zu diesem Zeitpunkt hinreichend belegt waren. Bei der Wertung hat die Auftraggeberin ihre mit Vergabebekanntmachung vom 08.05.2001 unter Ziffer 14 bekannt gemachten Auftragskriterien und die aus den Entscheidungsgründen dieses Beschlusses ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu berücksichtigen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Auftraggeberin.
- 3.
Die Kosten des Verfahrens werden auf 2.500 Euro festgesetzt.
- 4.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsteller war notwendig. Die Auftraggeberin hat dem Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, sofern er dies beantragt.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin plant den Neubau einer Kläranlage an der xxx als Ersatz für zwei überlastete Kläranlagen in xxx und xxx. Auf Grund der Höhe des voraussichtlichen Investitionsvolumens und der daraus resultierenden Höhe der Planungskosten von über 200 000,- EUR waren die Planungsleistungen entsprechend § 2 Abs. 2 der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) europaweit auszuschreiben. Die Absendung der Bekanntmachung an das Amt für amtliche Veröffentlichungen in xxx erfolgte am 08.05.2001. Die Veröffentlichung der Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft erfolgte am 15.05 2001. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war in der Veröffentlichung der 20.06.2001 vorgesehen. Unter lfd. Nr. 14 der Veröffentlichung heißt es:
"Der Auftrag wird dem Bewerber erteilt, dessen Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit feststeht, der über ausreichende Erfahrung verfügt und die Gewähr für eine wirtschaftliche Planung bietet."
Weiter heißt es dort:
"Maßgebende Kriterien sind weiterhin: Qualität, technischer Wert, Zweckmäßigkeit der Leistung und Preis im Rahmen des geltenden Preisrechts der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure."
Mit der weiteren Abwicklung der Ausschreibung wurde von der Auftraggeberin das Ingenieurbüro xxx betreut. Die Vergabeempfehlungen der xxxgesellschaft mbH wurden von der Aufraggeberin jeweils dem Rechnungs- und Kommunalprüfungsamt des Landkreises xxx zur Stellungnahme vorgelegt, das das Verfahren ständig begleitete.
Insgesamt bewarben sich 33 Planungsbüros um die ausgeschriebene Leistung. Entsprechend einer zweistufigen Bewertungsmatrix der xxxgesellschaft vom 17.04.2001 wurden die Angebote zunächst auf Vollständigkeit der unter lfd. Nr. 12 der Bekanntmachung geforderten Unterlagen/Bescheinigungen geprüft. Entsprechend dem Vorschlag zur Angebotsabgabe der xxxgesellschaft vom 29.10.2001 wurde die Vollständigkeitsprüfung in zwei Schritten durchgeführt. In die engere Wahl kamen lediglich die fünf Bieter, die in der ersten Stufe der Vollständigkeitsprüfung die höchste Punktzahl erreicht hatten. Nach welchen Kriterien die unter Nr. 12 der Bekanntmachung geforderten Unterlagen/ Bescheinigungen dem ersten bzw. zweiten Schritt der Vollständigkeitsprüfung zugeordnet wurden, wurde nicht erläutert. Die vorgenannten fünf Bieter wurden von der Auftraggeberin zur Abgabe eines Honorarangebotes für die zu erbringende Leistung aufgefordert. Folgende Angebote wurden abgegeben:
- 1.
Honorarangebot: 665.304,66 DM (brutto) xxx
- 2.
Honorarangebot: 781.835,30 DM (brutto) xxx (Antragsteller)
- 3.
Honorarangebot: 919.351,73 DM (brutto) xxx
- 4.
Honorarangebot: 863.147,27 DM (brutto) xxx
- 5.
Honorarangebot: 814.373,07 DM (brutto) xxx (Beigeladener)
Mit den vorgenannten Bewerbern wurde am 06.12.2001 ein Bewerbergespräch durchgeführt. Entsprechend einer Bewertungsmatrix der xxxgesellschaft vom 17.04.2001 sollten folgende Kriterien wie folgt gewichtet werden:
- 1.
Fachliche Qualifikation: 25 %
- 2.
Persönliche Besetzung: 25 %
- 3.
Technische Ausstattung: 10 %
- 4.
Zuverlässigkeit und Termintreue: 10 %
- 5.
Erreichbarkeit: 10 %
- 6.
Honorar: 20 %
Die Bewertung der einzelnen Kriterien erfolgte im Punktesystem, wobei pro Kriterium minimal 1 Punkt (sehr gering) und maximal 5 Punkte (sehr gut) zu erreichen waren. Die Bewertung des Kriteriums "Erreichbarkeit" sollte in Abhängigkeit von der Entfernung der Büros der einzelnen Bieter zur Baustelle vorgenommen werden. Die Bewertung des Kriteriums "Honorar" sollte mittels eines Diagramms vorgenommen werden, wobei die Honorare der jeweiligen Bieter ins Verhältnis zum Mittelwert aller Angebotssummen gesetzt werden sollte. Von diesem Verfahren wurde später abgewichen, ohne das diese Abweichung erläutert wurde. Soweit das Honorarangebot HOAI-konform war, wurde den Bietern offensichtlich jeweils die maximale Punktzahl zugestanden. Aus der Multiplikation der einzelnen Wichtungskriterien mit der jeweils erreichten Punktzahl ergab sich, dass in der Summe maximal 500 Punkte zu erreichen waren. Die o.g. Bewerber wurden nach dem Bewerbergespräch im Einzelnen wie folgt bewertet:
- 1.
xxx (Antragsteller) 414 Punkte entsprechend 100 %
- 2.
xxx (Beigeladener) 387 Punkte entsprechend 93 %
- 3.
xxx 363 Punkte entsprechend 88 %
- 4.
xxx 337 Punkte entsprechend 81 %
- 5.
xxx 246 Punkte entsprechend 59 %
Infolge des vorstehenden Ergebnisses schlug die xxxgesellschaft dem Auftraggeber vor, sowohl mit dem Antragsteller als auch mit dem Beigeladenen Vergabegespräche zu führen, da beide Bewerber vor dem Hintergrund der erzielten Punktzahl als nahezu gleichwertig anzusehen seien. Zu dem gesamten bisher geschilderten Vergabeverfahren liegt eine umfangreiche Stellungnahme des Rechnungs- und Kommunalprüfungsamtes des Landkreises xxx vom 16.01.2002 und eine weitere Stellungnahme vom 12.02.2002 (angesandt an Auftraggeber am 13.02.2002) vor. Die letztgenannte Stellungnahme des Kommunalprüfungsamtes enthält u. a. auch Hinweise an die Auftraggeberin hinsichtlich der anstehenden Bieterverhandlungen. Der Auftraggeberin wird dort mitgeteilt, dass sie Zahl, Anlauf und Dauer der Verhandlungsrunden selbst bestimmen könne. Hierbei hätte sie jedoch bestimmte Grundsätze zu beachten, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz und das Vertraulichkeitsgebot. Zur möglichen Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI heißt auf Seite 2 dieser Stellungnahme:
"Gemäß HOAI § 4 Abs. 2 können die festgesetzten Mindestsätze durch schriftliche Vereinbarung nur in Ausnahmefällen unterschritten werden. Zu den Ausnahmefällen gehören Leistungen mit außergewöhnlich geringem Aufwand sowie verwandtschaftliche Beziehungen. Dabei ist zu beachten, dass ein Vertragsabschluss mit einer Honorarvereinbarung unter den Mindestsätzen, ohne dass die Vorrausetzungen für eine zulässige Unterschreitung vorliegen, zu einer Unwirksamkeit des Vertrags führen kann. Unzulässige Honorarangebote sind deshalb auszuschließen."
Weiter heißt es auf Seite 3 der Stellungnahme:
"In den entsprechenden überarbeiteten Honorarangeboten sind Reduzierungen der Vergütung genau zu belegen. Von den Bewerbern ist anzugeben, welche Grundleistungen der einzelnen Leistungsphasen warum und in welcher Höhe in der Honorierung reduziert werden können. Weiter ist es zwingend erforderlich, dass die Bewerber Mitteilung machen, falls eine Leistungsvergütung entfällt, weil die Leistung gar nicht erbracht werden soll."
Seitens der Auftraggeberin wurden die Büros des Antragstellers und des Beigeladenen mit Schreiben vom 14.03.2002 unter Terminsetzung bis zum 28.03.2002 aufgefordert, überarbeitete Honorarangebote abzugeben. Insbesondere wurde seitens des Auftraggebers - unter Beachtung der Stellungnahme des Kommunalprüfungsamtes - darauf hingewiesen, dass die Mindestsätze der HOAI nur in besonderen Ausnahmefällen unterschritten werden dürften. Soweit dies der Fall sein sollte, wären diese Unterschreitungen ausführlich zu begründen.
Unter Wahrung der von der Auftraggeberin gesetzten Frist legten beide Bewerber überarbeitete Honorarangebote vor. Die Angebote schlossen wie folgt:
Gesamtsumme (brutto) xxx (Antragsteller): 357.035,72 EUR
Gesamtsumme (brutto) xxx (Beigeladener): 402.545,86 EUR
Die vorgelegten Angebote wurden dem Kommunalprüfungsamt des Landkreises xxx zur Stellungnahme vorgelegt. Die Stellungnahme des Kommunalprüfungsamtes vom 05.04.2002 ergeht unter Verweis auf den Vermerk des Kommunalprüfungsamtes vom 12.02.2002 mit dem nochmaligen Hinweis, dass die Auftraggeberin Zahl, Ablauf und Dauer der Verhandlungsrunden mit den ausgewählten Bietern selbst bestimmt und hinsichtlich weiterer Einsparmöglichkeiten somit weitere Verhandlungsrunden mit beiden Bietern möglich sind. Entsprechend einem Vermerk der Auftraggeberin vom 11.04.2002 wurden daraufhin beide Bewerber noch einmal fernmündlich angesprochen und gebeten, ihre Angebote unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien zu überarbeiten. Besonderes Augenmerk sei dabei auf eventuelle weitere Honorarreduzierungen zu richten. Beide Gesprächspartner hätten signalisiert, ihre Angebote noch einmal zu überarbeiten und bis spätestens Montag, den 15. April, entsprechende Unterlagen bei der Auftraggeberin einzureichen.
Der Beigeladene legte daraufhin mit Datum vom 11.04.2002 ein weiteres reduziertes Honorarangebot vor, dass mit einer Gesamtsumme (brutto) von 319.397,06 EUR schließt. Die darin vorgenommenen Kürzungen in den einzelnen Leistungsbereichen wurden vom Beigeladenen mit Schreiben vom 29.04.2002 (Tag der Vergabeentscheidung der Auftraggeberin) begründet (irrtümlicherweise wurde seitens des Büros xxx im vorgenannten Schreiben auf ein - nicht existierendes - Honorarangebot vom 18.04.2002 Bezug genommen - gemeint war jedoch das o. g. Honorarangebot vom 11.04.2002).
Der Antragsteller teilte der Auftraggeberin zunächst mit Schreiben vom 15.04.2002 mit, dass eine weitere Honorarreduzierung aus dortiger Sicht nicht erfolgen könne und das Angebot vom 28.03.2002 in Höhe von 357.035,72 EUR aufrecht erhalten bliebe. Mit Fax vom 25.04.2002 teilte der Antragsteller der Auftraggeberin mit, dass entgegen dem Schreiben vom 15.04.2002 nunmehr doch noch Möglichkeiten gesehen würden, eine weitere Honorarreduzierung vorzunehmen. Dieses letzte Angebot des Antragstellers schloss mit 328.000,- EUR (brutto). Da dieses Angebot immer noch rd. 8.600,- EUR über dem des Beigeladenen lag und zudem nicht (wie gefordert) detailliert begründet war, blieb es letztlich bei der Absicht der Gemeinde, dem Beigeladenen den Planungsauftrag für eine Angebotsendsumme von 319.397,06 EUR zu erteilen.
Nachdem das Kommunalprüfungsamt der Auftraggeberin mit Schreiben vom 23.04.2002 mitgeteilt hatte, dass keine Bedenken bestehen würden, den Gesamtauftrag an den Beigeladenen zu erteilen, wurde dem Antragsteller mit Schreiben vom 13.05.2002 seitens der Auftraggeberin mitgeteilt, dass der Verwaltungsausschuss der Auftraggeberin am 29.04.2002 die Empfehlung gegeben hat, den Planungsauftrag an den Beigeladenen zu vergeben. Am 23.05.2002 rügte der Antragsteller mit Einschreiben an den Auftraggeber, dass die Vergabeempfehlung zugunsten des Beigeladenen aus Sicht des Antragstellers weder nachvollziehbar noch transparent dargestellt wurde und äußerte die Vermutung, dass folgende Ursachen zu Vergabefehlern geführt haben können:
- Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI
- Veränderung der Randbedingungen der Honoraranfrage
- Nicht vergleichbare Leistungsreduzierungen der beiden Büros.
Unter Terminsetzung 24.05.2002, 12.00 Uhr wurde die Auftraggeberin vom Antragsteller zur Stellungnahme aufgefordert. Für den Fall, dass die Stellungnahme der Auftraggeberin nicht fristgerecht vorliegen sollte oder aber nicht die gewünschte Aufklärung bringen sollte, behielt sich der Antragsteller darin vor, Vergabebeschwerde einzulegen. Der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg erfolgte mit Fax vom 24.05.2002. Dieses enthält die bereits gegenüber dem Auftraggeber geäußerten (vermuteten) Vergabefehler.
Nach Akteneinsicht bei der Vergabekammer am 12.06.2002 trug der Antragsteller mit Schriftsatz vom 18.06.2002 ergänzend vor, dass die wiederholten Verhandlungsrunden nur der Zielsetzung gedient haben könnten, in einer der VOF widersprechenden Weise die Preise zu drücken oder aber einen erwünschten Bewerber zu bevorzugen. Dies umso mehr, als dass der Antragsteller nicht nur mit insgesamt 414 Punkten am besten bewertet war, sondern - bezogen auf den Zeitpunkt nach der ersten Angebotsüberarbeitung - auch über 45.000 EUR brutto unter dem Angebot des Beigeladenen gelegen hätte. Weiterhin erschiene es ermessensfehlerhaft, die Vergabeentscheidung letztlich ausschließlich auf die Höhe des Honorars zu stützen und den deutlichen fachlichen und qualitativen Vorsprung der Antragstellerin völlig außer Acht zu lassen. Dies umso mehr, als dass sich die Auftraggeberin im Einklang mit § 97 Abs. 5 GWB ausweislich der Vergabebekanntmachung unter lfd. Nr. 14 dafür entschieden hatte, den Zuschlag entsprechend § 16 VOF auf das wirtschaftlichste, nicht auf das preislich günstigste Angebot zu erteilen. Nur bei völlig gleicher Bewertung könne dann der Preis das allein ausschlaggebende Kriterium sein. In fachlicher und qualitativer Hinsicht aber wäre der Antragsteller besser bewertet worden als der Beigeladene. Dies sei in die Vergabeentscheidung so nicht eingeflossen. Insbesondere aus dem Vermerk der Auftraggeberin vom 11.04.2002 ergäbe sich, das allein entscheidend der Preis sein solle. Die Vergabeentscheidung sei damit ermessensfehlerhaft.
Der Antragsteller beantragt:
- 1.
den Auftraggeber zu verpflichten, den Auftrag an den Antragsteller zu vergeben;
- 2.
hilfsweise den Auftraggeber zu verpflichten, die Angebote des Antragstellers und des Beigeladenen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu bewerten;
- 3.
hilfsweise sonst geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen;
- 4.
auszusprechen, das die Beiziehung eines Rechtsanwaltes für den Antragsteller erforderlich war.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin führt in ihrem Schreiben vom 03.06.2002 aus, dass der Antragsteller und der Beigeladene nach dem Vorauswahlverfahren mit 414 bzw. 387 Punkten sehr dicht beieinander gelegen hätten. Eine Gleichbehandlung der Bewerber wäre in jeder Phase gewährleistet gewesen. Zudem wäre das Rechnungsprüfungsamt des Landkreises xxx als zuständige Aufsichtsinstanz in jeder Phase des Verfahrens beteiligt gewesen. Dieses hätte letztlich auch mit Schreiben vom 23.04.2002 dem Vergabevorschlag zugestimmt.
Der Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.
Die Vergabekammer hat durch Verfügung des Vorsitzenden vom 19.06.2002 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende schriftliche Entscheidung in diesem Verfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 31.07.2002 wegen besonderer tatsächlicher Schwierigkeiten des Verfahrens verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 22.07.2002 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag des Antragstellers ist begründet. Der Antragsteller ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in seinen Rechten verletzt, weil die Auftraggeberin entgegen § 16 Abs. 2 und Abs. 3 VOF bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht die von ihr in der Vergabebekanntmachung vom 08.05.2001 angegebenen Auftragskriterien berücksichtigt hat, sondern stattdessen die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Höhe des Angebotspreises beschränkt hat. Ferner hat sie unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB ein reduziertes Angebot des Beigeladenen vom 10.04.2002 (Eingang bei der Auftraggeberin am 11.04.2002) berücksichtigt, obwohl dieses nicht, wie von der Auftraggeberin den Bewerbern im Verhandlungsgespräch vom 11.04.2002 ausdrücklich vorgegeben, bis zum 15.04.2002 hinsichtlich der Reduzierungen der Vergütungen belegt war. Die entsprechende Darlegung erfolgte erst mit einem am 29.04.2002, dem Tag der Vergabeentscheidung, bei der Auftraggeberin eingegangenen Schreiben. Dagegen hatte die Auftraggeberin ein am 25.04.2002 eingegangenes reduziertes Angebot des Antragstellers nicht mehr berücksichtigt, obwohl dort eine Erläuterung der angebotenen Reduzierungen ausdrücklich angeboten wurde. Ferner hat die Auftraggeberin den Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB verletzt, indem sie unter Verstoß gegen § 18 VOF die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote der beiden im Verhandlungsverfahren verbliebenen Bewerber nicht dokumentiert hat.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um geistig-schöpferische freiberufliche Dienstleistungen im Sinne des § 1 VOF betreffend Ingenieurleistungen gem. HOAI für die Erweiterung der Kläranlage xxx und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000 Euro gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.
Der Antragsteller ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da er als Bieter ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem er behauptet, er sei mit seinem Angebot nur deshalb nicht zum Zuge gekommen, weil die Auftraggeberin unter Verstoß gegen das Vergaberecht ein Angebot der Beigeladenen berücksichtigt habe, das mit seinem nicht vergleichbar sei und dabei außer Acht gelassen habe, dass das Angebot des Antragstellers bei einer Bewertung durch den beauftragten Sachverständigen die höchste Punktbewertung mit 414 von 500 erreichbaren Punkten erlangt hatte gegenüber 387 des Angebotes der Beigeladenen. Ferner sei der gesamte Verfahrensablauf ab dem Zeitpunkt dieser Bewertung vom 06.12.2001 bis zur Vergabeempfehlung weder nachvollziehbar noch transparent dargestellt worden. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen bzw. die Bietergemeinschaft einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 Rdn. 52). Der Antragsteller hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Er hat schlüssig dargelegt, dass er eine bessere Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn die Auftraggeberin seinen Punktevorsprung bei der Bewertung vom 06.12.2001 hinreichend berücksichtigt hätte, wozu die Auftraggeberin nach Auffassung des Antragstellers vergaberechtlich verpflichtet ist. Es ist nicht erforderlich, dass der Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).
Der Antragsteller ist auch seiner Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Der Antragsteller hat nach Erhalt der schriftlichen Informationen der Auftraggeberin vom 13.05.2002, dass sein Angebot nicht berücksichtigt werden würde, mit Schreiben vom 23.05.2002 die Entscheidung der Auftraggeberin gerügt und sie aufgefordert, zu dieser Rüge Stellung zu nehmen und über die nach Auffassung des Antragstellers nicht transparente Bewertung und Entscheidung aufzuklären. Da der Antragsteller seine Rüge mangels Kenntnis der Vergabeakte überwiegend auf Vermutungen stützen musste, wertet die Vergabekammer die erst am 23.05.2002 erfolgte Rüge auch angesichts des dazwischen liegenden Pfingstwochenendes noch als unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 GWB. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Bieter soll Verfahrensfehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist positive Kenntnis des Bewerbers von den Tatsachen. "Kenntnis" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist dann gegeben, wenn ein Bieter oder Bewerber aufgrund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht. Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (vgl. Beschluss v. 22.08.2000, Az.: Verg 9/00) ist für die Kenntnis das Wissen um einen Sachverhalt ausreichend, der den Schluss erlaubt und der es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden. Diese über bloße Vermutungen hinausgehende positive Kenntnis hat der Antragsteller hinsichtlich der von ihm im Nachprüfungsverfahren beanstandeten Verfahrensweise der Auftraggeberin bei der Auswertung der Bewerbungen im streitbefangenen Vergabeverfahren erst nach Akteneinsicht im Zuge des Nachprüfungsverfahrens erlangt. Der Antragsteller ist daher nicht mit seinem Vorbringen gem. § 107 Abs. 3 GWB präkludiert.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Der Antragsteller ist in seinen Rechten im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeberin hat unter Verstoß gegen § 16 Abs. 3 VOF bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht die von ihr in der Vergabebekanntmachung vom 08.05.2001 angegebenen Auftragskriterien berücksichtigt, sondern die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf die Höhe des Angebotspreises beschränkt (im Folgenden a). Ferner hat sie unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB einseitig ein reduziertes Angebot des Beigeladenen vom 10.04.2002 berücksichtigt, obwohl dieses nicht, wie von der Auftraggeberin den Bewerbern vorgegeben, bis zum 15.04.2002 die vollständigen Belege hinsichtlich der Reduzierungen der Vergütung beinhaltete. Ein verspätetes reduziertes Angebot des Antragstellers vom 25.04.2002 berücksichtigte die Auftraggeberin dagegen nicht, obwohl auch dort eine Erläuterung der angebotenen Reduzierungen immerhin ausdrücklich angeboten wurde (im Folgenden b). Ferner hat die Auftraggeberin gegen den Transparenzgrundsatz gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie unter Verstoß gegen § 18 VOF die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote der beiden im Verhandlungsverfahren verbliebenen Bewerber nicht hinreichend dokumentiert hat (im Folgenden c).
a)
Die Verfahrensweise der Auftraggeberin, die Entscheidung zwischen den zwei im Verhandlungsverfahren verbliebenen Bewerbern allein vom niedrigsten Angebotspreis abhängig zu machen, verstößt gegen die Grundsätze des § 16 VOF, § 97 Abs. 5 GWB. § 16 VOF gibt eine Reihe von Bewertungskriterien vor, die der Auftraggeber bei der Entscheidung über die Auftragsvergabe zu berücksichtigen hat. Eines der Kriterien des § 16 Abs. 2 VOF ist der Preis. § 16 Abs. 2 VOF gibt damit zwingend vor, dass die Kosten bei der Entscheidung über die Auftragsvergabe zu berücksichtigen sind. Er stellt jedoch die Gewichtung der einzelnen Kriterien ausschließlich in das Ermessen des Auftraggebers. Darüber hinaus hat der Auftraggeber nach § 16 Abs. 3 VOF in der Auftragsbeschreibung oder der Vergabebekanntmachung alle Auftragskriterien anzugeben, deren Anwendung vorgesehen ist, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Daraus ergibt sich, dass der Auftraggeber durch die VOF verpflichtet ist, seine sämtlichen Kriterien für die Auftragsvergabe bzw. Angebotswertung bereits in der Vergabebekanntmachung anzugeben.
Die Auftraggeberin hat in ihrer Vergabebekanntmachung vom 08.05.2001 verschiedene Eignungs- und Auftragskriterien genannt. Danach sollte der Auftrag ausdrücklich dem Bewerber erteilt werden, dessen Fachkunde, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit feststeht, der über ausreichende Erfahrung verfügt und die Gewähr für eine wirtschaftliche Planung bietet. Weiter heißt es dort:
"Maßgebende Kriterien sind weiterhin: Qualität, technischer Wert, Zweckmäßigkeit der Leistung und Preis im Rahmen des geltenden Preisrechtes der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure."
Nach § 16 Abs. 3 VOF soll der Auftraggeber die gewählten Kriterien möglichst entsprechend der Reihenfolge der ihnen im Rahmen seines Ermessens zuerkannten Bedeutung angeben. Dabei stellt es den Idealfall der sich aus den o. a. Grundsätzen ergebenden Transparenz dar, wenn der Auftraggeber vor der Ausschreibung bereits eine Bewertungsmatrix erstellt und diese im Rahmen der Ausschreibung publik macht, so dass sich die Bewerber bei der Erstellung ihres Angebotes daran orientieren können. Für den Bewerber hat die Bekanntmachung der Kriterien und deren Gewichtung insofern Bedeutung, als davon abhängt, auf welche Aspekte seines Angebotes (z. B. technischer Wert oder Ästhetik) er besondere Schwerpunkte setzt, oder ob er überhaupt ein allen Anforderungen der Auftraggeberseite gerecht werdendes Angebot einzureichen vermag (vgl. Müller-Wrede, VOF, § 16 Rdn. 48).
Das von der Auftraggeberin mit der Vorbereitung und Durchführung der Ausschreibung beauftragte Ingenieurbüro hat zwar hinsichtlich der Bewertung der Eignung, Fachkunde und Leistungsfähigkeit der bewerberrelevanten Kriterien eine entsprechende Matrix erstellt und die weitere Reduzierung der zunächst fünf im Verhandlungsverfahren verbliebenen Bewerber anhand dieser Matrix des darauf aufbauenden Bewerbergesprächs vom 06.12.2001 durchgeführt. Hinsichtlich der Auftrags- oder Zuschlagskriterien existierte eine solche Matrix jedoch nicht. Geht man mit § 16 Abs. 3 davon aus, dass die Auftraggeberin diese Auftragskriterien in ihrer Bekanntmachung vom 08.05.2001 in der Reihenfolge ihrer Bedeutung nach angegeben hat, hat die Auftraggeberin dem Kriterium "Preis im Rahmen des geltenden Preisrechtes der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI)" die geringste Bedeutung zugemessen. Selbst wenn die Vergabekammer der Auftraggeberin aber aufgrund der Formulierung des § 16 Abs. 3 VOF ("möglichst in der Reihenfolge ...") zugesteht, dass sie in der Angebotswertung von ihrer bekannt gemachten Reihenfolge der Kriterien hinsichtlich der Gewichtung abgewichen ist, so durfte sie doch die in der Bekanntmachung ausdrücklich genannten Wirtschaftlichkeitskriterien "Qualität", "technischer Wert" und "Zweckmäßigkeit" nicht unberücksichtigt lassen und die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf den Angebotspreis beschränken. Im Gegensatz zu den Vergabeverfahren im Bereich der VOB und der VOL spielt im Rahmen der VOF der Preis bzw. das Honorar für die Planungsleistungen nur eine untergeordnete Rolle bei der Wirtschaftlichkeitsermittlung. Zum einen sind diese Leistungen ohnehin entsprechend der verbindlichen Gebühren- und Honorarregelungen der HOAI im Wesentlichen festgelegt, worauf auch § 16 Abs. 2 Satz 2 VOF ausdrücklich hinweist. Zum anderen ist es wesentlicher Zweck der im VOF-Verfahren vergebenen freiberuflichen Planungsleistungen, die durch die Planung letztlich verursachten eigentlichen Investitions- und Folgekosten zu minimieren (vgl. Kaufhold, Mayerhofer, Reichl, Die VOF im Vergaberecht, Köln 1999, § 16 Rdn. 12).
Die Auftraggeberin hätte im streitbefangenen Vergabeverfahren daher nur dann bei ihrer Entscheidung maßgeblich auf das Kriterium "niedrigster Preis" abstellen können, wenn sie sich auch mit den anderen von ihr in der Vergabebekanntmachung vom 08.05.2001 bekannt gemachten Auftragskriterien auseinander gesetzt hätte und diese vollständige Prüfung auch zur Wahrung des Transparenzgebotes unter Beachtung des § 18 VOF in der Vergabeakte dokumentiert hätte. Gemäß § 18 VOF ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Mit der Verpflichtung für den Auftraggeber, über die Vergabe einen umfassenden Vermerk zu fertigen, wird das gesamte Vergabeverfahren von seinem Ablauf und seinen Entscheidungen her transparent gestaltet. Dem jederzeitigen Rückgriff auf den Vergabevermerk kommt darüber hinaus eine wesentliche Beweisfunktion zu (vgl. Portz in Müller-Wrede, VOF, § 18, Rdn. 4). An einem Vergabeverfahren beteiligte Bewerber oder Bieter haben gem. § 97 Abs. 7 GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.99, NZBau 2000, S. 44 ff.). Zu den materiellen Entscheidungen, die zu dokumentieren sind, zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen die Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, wie das Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über die Verhandlungen mit den Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (ebenso VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.2001, Az.: 1/SVK/23-01). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist rechtsfehlerhaft und führt zu einer mangelnden Nachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung. Das bedeutet, dass dabei die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll. Mängel der Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten des Auftraggebers.
Die von der Auftraggeberin der Vergabekammer vorgelegten Vergabeakten erfüllen - auch wenn man ihre unübersichtliche Form (Loseblatt-Sammlungen in Umlaufmappen) außer Acht lässt - nur teilweise die Anforderung an die Dokumentationspflicht. So wurde der jeweilige Verhandlungsstand mit den Bewerbern in Vermerkform bis zum Stand 11.04.2002 in hinreichender Ausführlichkeit festgehalten. Ferner enthält die Vergabeakte mehrere Stellungnahmen des für die Auftraggeberin zuständigen Rechnungs- und Kommunalprüfungsamtes des Landkreises xxx. Diese setzen sich mit den Honorarangeboten der im Verhandlungsverfahren verbliebenen Bewerber auseinander und geben Vorgaben an die Auftraggeberin nach Maßgabe der VOF und der HOAI für das weitere Verfahren. Schließlich ist auch ein von der Auftraggeberin letztlich akzeptierter Vergabevorschlag des beauftragten Ingenieurbüros xxx vom 11.12.2001 in der Vergabeakte enthalten, der mit der Vergabeempfehlung schließt, mit dem Antragsteller und dem Beigeladenen über die Gestaltung eines Ingenieurvertrages in Verhandlung zu treten. In dieser Vergabeempfehlung wird insbesondere die Reduzierung der ursprünglich 33 Bewerber auf zunächst 5 Bewerber und schließlich nur noch 2 Bewerber ausführlich und plausibel dargelegt. So erfolgte insbesondere die Eignungswertung im Zuge der Bewerbergespräche vom 06.12.2001 anhand einer plausiblen Bewertungsmatrix mit den Kriterien fachliche Qualifikation, persönliche Besetzung, technische Ausstattung, Zuverlässigkeit und Termintreue, Erreichbarkeit und Honorar.
Die Auftraggeberin hat es jedoch versäumt, die eigentliche Wirtschaftlichkeitsprüfung der dann von dem Antragsteller und der Beigeladenen vorgelegten und verhandelten Angebote anhand der bekannten Auftragskriterien in ähnlicher Weise zu dokumentieren. Wenn die Auftraggeberin das Kriterium "niedrigster Angebotspreis" für entscheidend hielt, hätte sie zumindest darlegen müssen, inwiefern die Angebote die übrigen Wirtschaftlichkeitskriterien erfüllten. Sie hat in keiner Weise dargelegt, geschweige denn dokumentiert, dass die übrigen bekannt gemachten Auftragskriterien von beiden Angeboten im gleichen Maße erfüllt wurden. Zwar hat die Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2002 erklärt, sie sei davon ausgegangen, dass diese Auftragskriterien bereits in den Bewerbergesprächen vom 06.12.2001 zugrunde liegenden Matrix enthaltenen Kriterien mit enthalten seien. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da die Matrix für die Bewerbergespräche vom 06.12.2001 ausdrücklich nur Eignungs- und Zuverlässigkeitskriterien enthielten. Dass ebenfalls enthaltene Kriterium "Honorar" hatte das beauftragte Ingenieurbüro nur deshalb aufgenommen, weil gem. § 16 Abs. 2 Satz 2 VOF nur solche Angebote berücksichtigt werden durften, die sich im Rahmen der HOAI hielten. Dies entspricht der Vorgabe der Auftraggeberin in der Vergabebekanntmachung vom 08.05.2001 und wird auch dadurch belegt, dass das Ingenieurbüro allen Angeboten, die HOAI-konform waren, grundsätzlich die volle Punktzahl zugemessen hat. Dies ergibt sich aus einer in der Vergabeakte enthaltenen Übersicht zur Bewertung der Auftragskriterien im Bewerbungsverfahren, Stand 17.04.2001. Dort sind für das Kriterium "6. Honorar" folgende Unterkriterien aufgeführt:
"- HOAI-konform / Anfragetext beachtet
- teilweise (ja/nein)
- HOAI-konforme Korrekturen
- teilweise (ja/nein)
- Bewertung"
Daraus ergibt sich, dass diese für die Bewerbergespräche vom 06.12.2001 zugrunde gelegte Matrix der Überprüfung der Eignungs- und Leistungsfähigkeit der im Verhandlungsverfahren zunächst verbliebenen 5 Bewerber diente, aber auf keinen Fall die letztlich von der Auftraggeberin im Zuge des weiteren Verhandlungsverfahrens durchzuführende eigentliche Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand der von ihr bekannt gemachten Auftrags- und Zuschlagskriterien ersetzen sollte.
Umgekehrt kann sich aus dem gleichen Grunde die Antragstellerin aber nicht auf ihren am 06.12.2001 auf der Grundlage dieser Matrix erzielten Punktevorsprung berufen. Bei der eigentlichen Vergabeentscheidung darf gem. § 16 nach Bejahung der generellen Eignung der in die enge Wahl gekommenen Bewerber ein "Mehr an Eignung" eines Bewerbers nicht als entscheidendes Kriterium für die Auftragserteilung zu seinen Gunsten berücksichtigt werden (vgl. Müller-Wrede, a.a.O., § 16, Rdn. 50, m.w.N.).
b)
Die Auftraggeberin hat ferner zu Lasten des Antragstellers gegen das Gleichbehandlungsgebot gem. § 97 Abs. 2 GWB verstoßen, indem sie ein am 11.04.2002 bei ihr eingegangenes Angebot des Beigeladenen vom 10.04.2002 wertete, obwohl dies nicht die vollständigen Unterlagen, Erläuterungen und Belege hinsichtlich der angebotenen Reduzierungen enthielt und die Auftraggeberin ausweislich ihres Vermerks vom 11.04.2002 beiden Bewerbern eine Frist bis spätestens Montag, den 15.04.2002, gesetzt hatte, um ihre Angebote noch einmal zu überarbeiten und entsprechende Unterlagen bei der Auftraggeberin einzureichen. Über die Anforderungen an die Begründung der Angebotsreduzierungen im Rahmen der HOAI waren beide Bewerber informiert worden, da die Auftraggeberin ihnen laut Vermerk vom 11.04.2002 ausdrücklich die Stellungnahme des Rechnungsprüfungsamtes des Landkreises vorgetragen hatte. Das RPA hatte der Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 05.04.2002 mitgeteilt, dass sie noch eine mündliche Verhandlungsrunde mit beiden Bietern führen könne, wo noch mögliche Einsparmöglichkeiten beim Ingenieurhonorar innerhalb der Vorgaben der HOAI sind bzw. wo noch Klärungs- und Abstimmungsbedarf zu den vorgelegten Honorarangeboten vorhanden ist. Die Verhandlungsgespräche seien zu protokollieren. Das RPA hatte jedoch auf seine Stellungnahme vom 12.02.2002 verwiesen, wo ausführlich die Anforderungen der HOAI und der VOF an die Darlegung von reduzierten Honorarangeboten dargestellt wurden. Dort heißt es auf Seite 3:
"In den entsprechenden überarbeiteten Honorarangeboten sind die Reduzierungen der Vergütung genau zu belegen. Von den Bewerbern ist anzugeben, welche Grundleistungen der einzelnen Leistungsphasen warum und in welcher Höhe in der Honorierung reduziert werden können. Weiter ist zwingend erforderlich, dass die Bewerber Mitteilung machen, falls eine Leistungsvergütung entfällt, weil die Leistung gar nicht erbracht werden soll."
Die entsprechenden Belege hat der Beigeladene erst mit einem am 29.04.2002, dem Tag der Vergabeentscheidung, bei der Auftraggeberin eingegangenen Schreiben, das sich irrtümlicherweise auf ein Angebot vom 18.04.2002 bezog, erbracht. Die Auftraggeberin hätte daher wegen der von ihr gesetzten Frist - 15.04.2002 - das unvollständige Angebot des Beigeladenen vom 10.04.2002 ebenso wie das verspätete Angebot des Antragstellers vom 25.04.2002 unberücksichtigt lassen müssen, da sie den Bewerbern laut Vergabeakte zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt hatte, dass sie die entsprechende Angebotsfrist verlängert.
Es ist zwar richtig, dass die VOF dem Auftraggeber nicht vorschreibt, wie viele Verhandlungsrunden er mit den Bewerbern durchführt. Die Verfahrensweise der Auftraggeberin im streitbefangenen Vergabeverfahren, den Bewerbern Fristen zu setzen, ist jedoch nicht nur im Interesse einer zügigen Durchführung des Verhandlungsverfahrens sinnvoll, sie sorgt auch für Transparenz und Gleichbehandlung dahingehend, dass sich ein Auftraggeber nicht dem Vorwurf aussetzen muss, das Verhandlungsverfahren gerade dann beendet zu haben, wenn ein von ihm aus welchen Gründen auch immer bevorzugtes Unternehmen mit seinem Angebot gerade an erster Stelle liegt. Die Auftraggeberin hätte sich daher im vorliegenden Fall an ihre laut Vermerk vom 11.04.2002 bekannt gemachte Frist - 15.04.2002 - halten müssen oder aber diese Frist ausdrücklich gegenüber beiden Bewerbern verlängern müssen und diese Verlängerung in der Vergabeakte dokumentieren müssen (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 13.05.2002, Az.: 1/SVK/029-02, = Vergaberechtsreport 7/2002, S. 2, 3).
c)
Die Auftraggeberin hat ferner gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie unter Verstoß gegen § 18 VOF nicht nur - wie unter a) dargelegt - die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote der beiden im Verhandlungsverfahren verbliebenen Bewerber nicht hinreichend dokumentiert hat. Aus der Vergabeakte ist auch nicht ersichtlich, wie die Auftraggeber mit den Stellungnahmen und Anmerkungen des von ihr beteiligten Rechnungs- und Kommunalprüfungsamtes (RPA) des Landkreises xxx verfahren ist. Die Auftraggeberin hatte das RPA im Zuge des Verhandlungsverfahrens mehrfach um Stellungnahme zum Verhandlungsverfahren und zu den vorliegenden Angeboten gebeten. Die Vergabeakte enthält Stellungnahmen in Vermerkform vom 15./16.01.2002, 12./13.02.2002, 05.04.2002 und schließlich 23.04.2002. In diesen Vermerken erläutert das RPA der Auftraggeberin nicht nur die rechtlichen Vorgaben der VOF und der HOAI. Das RPA geht auch detailliert auf die Angebote des Antragstellers und des Beigeladenen ein. Im Vermerk vom 15.01.2002, der Auftraggeberin übersandt mit Schreiben vom 16.01.2002, setzt es sich insbesondere mit den insgesamt 8 Nebenangeboten des Auftraggebers auseinander und weist darauf hin, welche Nebenangebote nach Auffassung des RPA akzeptiert werden können und bei welchen noch Klärungsbedarf besteht.
In der Vergabeakte ist im Folgenden nicht dokumentiert, wie diese Hinweise des RPA umgesetzt wurden. Insbesondere ist nicht ersichtlich, inwiefern die geprüften Nebenangebote des Antragstellers bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung letztlich überhaupt berücksichtigt wurden. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung vom 22.07.2002 erklärt, sie habe die Stellungnahmen des RPA dem beauftragten Ingenieurbüro übersandt, wo sie gewertet und berücksichtigt wurden. Es habe im Einzelnen aber keine weitere Überprüfung seitens der Auftraggeberin stattgefunden, wie diese Anmerkungen berücksichtigt wurden. Erst als das Verhandlungsverfahren so weit gediehen war, dass es nach Auffassung der Auftraggeberin nur noch um die Höhe des Angebotspreises ging, habe sich die Auftraggeberin wieder verstärkt in das Verfahren eingeschaltet. In der Vergabeakte ist ein Schreiben der Auftraggeberin vom 02.04.2002 an das RPA enthalten, mit dem die überarbeiteten Angebote des Antragstellers und der Beigeladenen mit der Bitte um Prüfung und Stellungnahme übersandt wurden. Dort heißt es:
"Die Angebote sind aufgrund meiner beigefügten Schreiben an die Ingenieurbüros überarbeitet worden, das wiederum nach Ihrer Stellungnahme vorgegeben worden ist."
In der darauf folgenden Stellungnahme des RPA vom 05.04.2002 kommt das RPA jedoch zu dem Schluss:
"Das bearbeitete Honorarangebot von xxx (Antragsteller) sieht zum bereits vorgelegten Angebot nur eine Reduzierung der Nebenkosten vor. Die Nebenangebote enthalten die gleichen Bedingungen und somit die gleichen Fehler, wie bereits in unserem Vermerk vom 15.01.2002 erwähnt."
Beigefügt ist dieser Stellungnahme eine Aufstellung der Nebenangebote der Beigeladenen. Die Auftraggeberin hat in der Vergabeakte nicht dokumentiert, wie weit sie die Nebenangebote des Antragstellerin berücksichtigt hat bzw. den vom RPA aufgezeigten Aufklärungs- und Korrekturbedarf gewährleistet hat. Diesen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung wesentlichen Punkt lässt die Vergabeakte letztlich offen.
Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der unter 2 festgestellten Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen ist es geboten, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Wertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens war im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hingegen nicht erforderlich. Dabei hatte die Vergabekammer zu berücksichtigen, dass das Verhandlungsverfahren bis zum Stand des Gesprächsvermerks vom 11.04.2002 mit Ausnahme der Abarbeitung der RPA-Stellungnahmen transparent dokumentiert ist. Da die Auftraggeberin dem Antragsteller und dem Beigeladenen eine Frist bis spätestens Montag, den 15. April 2002 für die Überarbeitung der Angebote und die Einreichung entsprechender Unterlagen gesetzt hatte, war die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Wertung der ihr bis zu diesem Zeitpunkt vollständig vorliegenden, prüf- und wertbaren Angebote einzutreten, die Prüfung und Entscheidung zu dokumentieren und dabei auch deutlich zu machen, wie die Stellungnahmen des von ihr beteiligten RPA abgearbeitet wurden. Dies gilt insbesondere auch für die vom Auftraggeber vorgelegten Nebenangebote.
III. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 128 GWB. Es wird die Mindestgebühr von 2.500 EUR gem. § 128 Abs. 2 GWB i. d. F. des Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 v. 14.11.2001, S. 2992 ff.) v. 10.11.2001 festgesetzt. Danach werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1:2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr statt 5.000 DM 2.500 EUR beträgt.
Die Verpflichtung der Auftraggeberin, die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu tragen, ergibt sich daraus, dass die Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren im Sinne des § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB unterlegen ist. Der Nachprüfungsantrag ist wegen der festgestellten Rechtsverletzung begründet.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten des Antragstellers, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag des Antragstellers festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war.
Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 2.500 EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx.
Peter
Brinkmann